Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.05.2008, Az.: 11 LC 141/06
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.05.2008
- Aktenzeichen
- 11 LC 141/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 47043
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0529.11LC141.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 05.09.2008 - AZ: BVerwG 6 B 64.08
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Versammlungsrecht
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 11. Senat - auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heidelmann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Muhsmann, die Richterin am Verwaltungsgericht Karger sowie die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 3. Kammer - vom 16. März 2006 geändert.
Soweit das Verfahren nicht nach teilweiser Klagerücknahme durch das Verwaltungsgericht eingestellt worden ist, wird die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens sind Beschränkungen des Versammlungsrechts im Zusammenhang mit dem Castor-Transport nach Gorleben im November 2004.
Anfang November 2004 sollten wie in Vorjahren radioaktive Abfälle aus der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague, Frankreich, in das Zwischenlager Gorleben transportiert werden. Die Deutsche Bahn Nuclear Cargo und Service GmbH war aufgrund einer vollziehbaren Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz vom 27. April 2004 zur Durchführung des Transports berechtigt. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 meldete die Klägerin eine Mahnwache an, die während der Verladung des Castor-Transports, voraussichtlich am 8. November 2004, am Verladekran bzw. vor dem Ausfahrttor der Verladestation in Dannenberg mit einer Teilnehmerzahl von 1000 Personen stattfinden sollte. Am 18. Oktober 2004 führte die Bezirksregierung Lüneburg mit Vertretern verschiedener Initiativen, die anlässlich des Castor-Transports Versammlungen planten, ein Kooperationsgespräch durch, an dem auch ein Vertreter der Klägerin teilnahm.
Am 23. Oktober 2004 machte die Bezirksregierung Lüneburg unter Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Allgemeinverfügung bekannt, mit der alle unangemeldeten öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 6. November 2004, 00:00 Uhr, bis zum 16. November 2004, 24:00 Uhr, und alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 8. November 2004, 00:00 Uhr, bis zum 16. November 2004, 24:00 Uhr, untersagt wurden. Die Verfügung beschränkte sich räumlich auf die Eisenbahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg einschließlich eines Bereichs von 50 m beiderseits der Gleisanlagen und einer Fläche um den Zaun der Umladestation in Dannenberg sowie auf die zwei möglichen Straßentransportstrecken von Dannenberg nach Gorleben einschließlich der Verbindungsstraßen zwischen Quickborn und Kacherien nach Gusborn, eines Bereichs von 50 m beiderseits der Transportstrecke und eines Bereichs um den Eingang des Zwischenlagers. Die betroffenen Bereiche wurden in der Allgemeinverfügung im Einzelnen bezeichnet. Die Verfügung sah vor, dass die Verbote spätestens außer Kraft treten, sobald der Castor-Transport vollständig in das umzäunte Gelände des Zwischenlagers eingefahren ist. Im Übrigen werde die Ordnungsbehörde unverzüglich räumlich bestimmte Streckenabschnitte freigeben, wenn diese nicht mehr für den Transport benötigt würden.
Die Allgemeinverfügung wurde unter näherer Darlegung damit begründet, dass bei dem bevorstehenden Castor-Transport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter bestehe, insbesondere in Gestalt von Blockaden der Transportstrecke, strafbewehrten Eingriffen in den Straßen- und Bahnverkehr, Beschädigungen von Sachen von erheblichem Wert und gewalttätigen Ausschreitungen. Als Grundlage der Gefahrenprognose wurde zunächst auf die Erfahrungen mit den letzten sieben Castor-Transporten verwiesen. Beispielhaft wurden Vorfälle aus den Jahren 2001 bis 2003 genannt, bei denen es etwa zu Sitzblockaden, Blockaden mit Traktoren, Beschädigungen von Gleisanlagen, Unterhöhlungen des Straßenraums, Angriffen auf Polizeibeamte bzw. Einsatzfahrzeuge, Sachbeschädigungen und zur Errichtung von Barrikaden auf der Transportstrecke gekommen sei. Auch bei dem bevorstehenden Transport sei mit erheblichen Störungen zu rechnen. So habe etwa ein Sprecher der Klägerin in einer Mitteilung im Internet eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straße angekündigt. Ebenso rufe die Gruppe "Widersetzen" ihre Anhänger zu Blockadeaktionen auf der Transportstrecke auf und plane Blockadepunkte in Langendorf und Groß Gusborn. Bei dem am 18. Oktober 2004 durchgeführten Kooperationsgespräch habe ein Vertreter der Klägerin ebenso wie Vertreter anderer Initiativen nicht ausgeschlossen, auch beim diesjährigen Castor-Transport Blockaden der Schienen- und der Straßenstrecke zu beabsichtigen. Auch wenn die Zahl der Teilnehmer noch nicht absehbar sei, sei davon auszugehen, dass die Proteste und Aktionen wie in früheren Jahren nicht nur von einer kleinen Gruppe getragen würden. Während der letzten Castor-Transporte habe die Gewaltbereitschaft und Aggressivität, die bei den Protesten zum Ausdruck gekommen sei, zwar insgesamt tendenziell abgenommen. Gewaltbereite Störer fühlten sich aber nach wie vor vom Spektrum der Aktivitäten angesprochen. So sei es beispielsweise im Vorfeld des Castor-Transports im November 2001 zu einem Brandanschlag auf eine Eisenbahnbrücke mit schweren Beschädigungen gekommen. Im Jahre 2003 sei eine Unterspülung des Bahndamms geplant gewesen und eine Unterspülung der Straße zwischen Quickborn und Langendorf durchgeführt worden. Nach einem Aufruf der Gruppe "mar-militante atomkraftgegnerInnen reloaded" sei erneut mit der Teilnahme gewaltbereiter Personen an den Demonstrationen während des Castor-Transports zu rechnen. Von den Veranstaltern nicht zu beherrschende gewalttätige Ausschreitungen seien zu befürchten. Wie bei den früheren Transporten sei zu erwarten, dass friedliche Versammlungen zum Anlass genommen würden, spontane Versammlungen mit zum Teil gewalttätigem Verlauf, insbesondere auf der Schienen- und der Straßentransportstrecke abzuhalten. Je näher der Castor-Transport zeitlich rücke, desto mehr hätten auch als friedlich angekündigte Demonstrationen der vier maßgeblichen Initiativen "Widersetzen", der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, der Bäuerlichen Notgemeinschaft und der Klägerin das Ziel, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, den Transport zu verhindern oder zumindest zu erschweren bzw. zu verzögern. Rechtswidrige und strafbare Handlungen, wie Blockaden und Unterhöhlungen der Transportstrecke, würden von den großen Protestinitiativen zumindest zustimmend geduldet. In räumlicher und zeitlicher Hinsicht sei das Versammlungsverbot auf das für die Sicherung des Castor-Transports erforderliche Maß beschränkt worden. Der räumliche Geltungsbereich erfasse im Wesentlichen die Transportstrecke, Alternativstrecken bzw. -streckenabschnitte zur Nutzung bei Beschädigungen der Hauptrouten sowie Bereiche im Umfeld der Umladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben, die als Orte mit besonderer Symbolkraft in besonderer Weise Ziel rechtswidriger Aktionen seien. Für den zeitlichen Beginn des Versammlungsverbots sei der frühestmögliche Termin für die Abwicklung des Castor-Transports zu berücksichtigen. Für den Samstag vor diesem Termin, den 6. November 2004, sei die Auftaktdemonstration geplant, die den Beginn der umfangreicheren Demonstrationen darstelle. Die Allgemeinverfügung sei zeitlich auf das Wochenende vor dem Transport zu erstrecken, um zu verhindern, dass aus einer der Versammlungen heraus die Straße bis zum Transporttag irreparabel beschädigt werde. Dies gelte jedenfalls für unangemeldete Versammlungen, bei denen nicht im Vorhinein mit einem Veranstalter kooperiert werden könne. Um gegen solche Versammlungen vor Ort mit Einzelmaßnahmen vorgehen zu können, müssten jeweils individuelle Gefahrenprognosen angestellt und die verantwortlichen Personen ausfindig gemacht werden. Dadurch könne das Eingreifen der Polizei derart verzögert werden, dass in der Zwischenzeit Beschädigungen der Transportwege, die bis zum Transporttag nicht mehr zu beheben seien, nicht verhindert werden könnten. Da hinsichtlich angemeldeter Versammlungen Verantwortliche als Ansprechpartner bekannt seien, könne insoweit das Wochenende vor dem Transport vom Versammlungsverbot ausgenommen werden.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 teilte die Bezirksregierung Lüneburg der Klägerin mit, dass die von ihr angemeldete Mahnwache in den zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung falle und deshalb untersagt sei, ohne dass es einer individuellen Gefahrenprognose bedürfe.
Durch Beschluss vom 3. November 2004 (3 B 66/04) gab das Verwaltungsgericht einem Antrag der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung teilweise statt. Es stellte die aufschiebende Wirkung des von der Bürgerinitiative erhobenen Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung wieder her, soweit darin angemeldete öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel außerhalb des Bereichs der Schienentransportstrecke von Lüneburg nach Dannenberg (Geltungsbereich der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung) und unangemeldete öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel außerhalb des Bereichs der Schienentransportstrecke von Lüneburg nach Dannenberg (Geltungsbereich der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung) für den Zeitraum vom 6. November, 00:00 Uhr, bis zum 7. November 2004, 24:00 Uhr, untersagt wurden. Daneben verpflichtete es die Bezirksregierung Lüneburg im Wege der einstweiligen Anordnung, bis zum 5. November 2004, 16:00 Uhr, auf Grund einer individuellen Gefahrenprognose erneut über eine von der Bürgerinitiative innerhalb des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung angemeldete Versammlung zu entscheiden. Im Übrigen lehnte es die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.
Die Bezirksregierung Lüneburg nahm die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Anlass, mit Bescheid vom 5. November 2004 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Durchführung der von der Klägerin geplanten Mahnwache am Verladekran in Dannenberg nochmals aufgrund einer individuellen Gefahrenprognose zu untersagen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass die Protestszene eine Strategie der Unberechenbarkeit verfolge, deren Zweck im Rahmen eines übergreifend abgestimmten Gesamtkonzepts vor allem darin bestehe, Polizeikräfte an einzelnen Orten zu binden, um gleichzeitig andernorts rechtswidrige Aktionen wie dauerhafte Blockaden und Beschädigungen der Schienen- und Straßentransportstrecke durchführen zu können. Bei einer Gesamtbetrachtung sei eine Sachlage gegeben, welche die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfülle. Nach Einlegung eines Widerspruchs ersuchte die Klägerin das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Bescheides vom 5. November 2004 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
Auf die Beschwerde der Bezirksregierung Lüneburg lehnte der erkennende Senat mit Beschluss vom 6. November 2004 (11 ME 322/04 ) unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 3. November 2004 den Antrag der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung ab. Ebenfalls mit Beschluss vom 6. November 2004 (3 B 69/04) lehnte das Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den an die Klägerin gerichteten Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 ab.
Der Castor-Transport durchfuhr am 8. November 2004 Lüneburg und erreichte am Vormittag des 9. November 2004 das Zwischenlager Gorleben. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten vom 9. November 2004 kamen anlässlich des Transports insgesamt 15 710 Kräfte der Polizei und des Bundesgrenzschutzes zum Einsatz. Der Straßentransport wurde von 10 097 Einsatzkräften begleitet.
Die Klägerin hat am 23. November 2004 Klage erhoben, mit der sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung und der Verfügung der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 begehrt hat. Zur Begründung hat sie die versammlungsrechtlichen Maßnahmen der Bezirksregierung Lüneburg angegriffen und insbesondere ausgeführt: Das im Wege der Allgemeinverfügung angeordnete Versammlungsverbot sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 15 Abs. 1 VersG nicht gedeckt. Im räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung seien nicht allein auf den Castor-Transport bezogene Versammlungen, sondern unabhängig vom konkreten Anlass jegliche öffentliche Versammlungen untersagt worden. Die Allgemeinverfügung beschränke sich damit nicht auf die Regelung eines Einzelfalls, sondern beinhalte ein generelles Flächenverbot. Jährlich wiederkehrende weit reichende Versammlungsverbote seien der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten. Hinsichtlich der von ihr angemeldeten Mahnwache sei nicht die Zuständigkeit der Bezirksregierung Lüneburg, sondern des Landkreises Lüchow-Dannenberg begründet gewesen. Mit der ausschließlichen Veröffentlichung in der Elbe-Jeetzel-Zeitung sei die Allgemeinverfügung nicht hinreichend öffentlich bekannt gemacht worden, zumal Versammlungsteilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet anreisten. Die Allgemeinverfügung verletze das Grundrecht auf rechtliches Gehör, denn sie schließe Einzelfallentscheidungen über angemeldete Versammlungen aus. Auch werde das Grundrecht der Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt, wenn es nur noch so wahrgenommen werden könne, dass die Umsetzung der angegriffenen politisch umstrittenen Entscheidung auf keinen Fall gefährdet werden könne. Auf der Grundlage der von der Bezirksregierung Lüneburg im Bescheid vom 5. November 2004 genannten Umstände habe nicht angenommen werden können, dass von der von ihr angemeldeten Versammlung Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgegangen wären. Aufrufe und Aktionen anderer Protestinitiativen könnten ihr nicht zugerechnet werden. Polizeilich zu räumende Sitzblockaden habe sie in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt im Zusammenhang mit angemeldeten Versammlungen durchgeführt.
Die der Allgemeinverfügung zugrunde liegende Gefahrenprognose sei ebenfalls fehlerhaft. Der Sachverhalt sei unvollständig, teilweise unzutreffend und insgesamt einseitig dargestellt worden. Dass sich eine Vielzahl von Demonstranten friedlich verhalte und Ausschreitungen bzw. Exzesse in großem Umfang von der Polizei ausgingen, sei außer Acht gelassen worden. Die zur Begründung der Allgemeinverfügung angeführten Vorfälle aus Vorjahren rechtfertigten die Annahme eines polizeilichen Notstands nicht. Vor Ort gegen einzelne Versammlungen oder Störer zu richtende Maßnahmen wären jeweils ausreichend gewesen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu begegnen, soweit solche überhaupt zu erwarten gewesen seien. Gegen die behördliche Gefahrenprognose sprechende Erkenntnisse und Indizien seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Friedliche Sitzblockaden seien durch das Versammlungsrecht geschützt und dürften nicht als Störung der öffentlichen Sicherheit gewertet werden. Dies müsse umso mehr gelten, als der Castor-Transport durch einzelne Aktionen in Vorjahren im Ergebnis zeitlich nicht oder nur unerheblich verzögert worden sei. Soweit sich die Gefahrenprognose auf Erkenntnisse zum streitgegenständlichen Castor-Transport stütze, sei unzutreffend von einem aufeinander abgestimmten Vorgehen der Protestinitiativen und -gruppen ausgegangen worden, die tatsächlich sämtlich eigene Planungen und Zielsetzungen verfolgten. Sie selbst bekenne sich wie andere Initiativen auch zu Gewaltfreiheit. Gewaltsame Einzelaktionen seien ihr nicht zuzurechnen. Das behördliche Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt worden. Im Rahmen der Güterabwägung seien das berechtigte Interesse an der Durchführung friedlicher Proteste und die hohe Bedeutung der Versammlungsfreiheit nicht angemessen zur Geltung gebracht worden. Den Interessen der beteiligten Transportunternehmen komme das ihnen beigemessene Gewicht nicht zu. Eine völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Rücknahme des radioaktiven Abfalls bestehe nicht. Die atomrechtliche Transportgenehmigung beruhe auf unzutreffenden Erwägungen und sei im Verwaltungsverfahren nicht beigezogen worden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei verletzt worden, denn polizeiliche Standardmaßnahmen hätten genügt, um die Durchführung des Castor-Transports zu gewährleisten. Dafür spreche auch, dass nur ein ganz geringer Teil der in Vorjahren im Zusammenhang mit Castor-Transporten eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit einer Verurteilung beendet worden sei.
Nach teilweiser Rücknahme der erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Allgemeinverfügung der Beklagten, veröffentlicht am 23. Oktober 2004 in der Elbe-Jeetzel-Zeitung, sowie das daraufhin ergangene Versammlungsverbot hinsichtlich der Mahnwache am Verladekran durch Bescheid vom 5. November 2004 rechtswidrig waren,
hilfsweise, Beweis zu erheben gemäß den im Termin zur mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts zuletzt gestellten Beweisanträgen.
Die beklagte Polizeidirektion Lüneburg hat als Rechtsnachfolgerin der Bezirksregierung Lüneburg beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die von der Bezirksregierung Lüneburg getroffenen versammlungsrechtlichen Maßnahmen verteidigt und ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten. Insbesondere hat sie erwidert: Die anlässlich des Castor-Transports gegebene Sachlage habe zum Erlass eines präventiven Versammlungsverbots in Gestalt einer Allgemeinverfügung berechtigt. Für den Erlass der Allgemeinverfügung sei die Bezirksregierung Lüneburg zuständig gewesen, nachdem sie als Fachaufsichtsbehörde am 8. Oktober 2004 gemäß § 102 Abs. 1 Nds. SOG von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht habe. Die Allgemeinverfügung sei ortsüblich in hinreichender Form öffentlich bekannt gemacht worden, indem sie in mehreren, in den räumlich betroffenen Landkreisen erscheinenden örtlichen Tageszeitungen veröffentlicht worden sei. Die angestellte Gefahrenprognose sei unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung, die dort ergänzend dargelegten Erkenntnisse und den Beschluss des Senats vom 6. November 2004 (11 ME 322/04 ) nicht zu beanstanden. Unmittelbar im Vorfeld des Castor-Transports erfolgte Ankündigungen hätten die Annahme bekräftigt, dass die Protestszene eine Strategie der Unberechenbarkeit verfolgt habe. Das Vorgehen der Protestinitiativen sei im Rahmen eines aufeinander abgestimmten Gesamtkonzepts darauf gerichtet gewesen, den Polizeikräften die Begleitung der Proteste und Reaktionen insbesondere auf geplante Blockaden der Transportstrecke durch eine Vielzahl von einzelnen Aktionen und eine hohe Beweglichkeit der Demonstranten entlang der Transportstrecke zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. Ziel sei es gewesen, möglichst viele Polizeikräfte zu binden, um den auf die Verhinderung oder zumindest größtmögliche zeitliche Verzögerung des Castor-Transports gerichteten Protesten unter Berücksichtigung der Länge der Transportstrecke zum Erfolg zu verhelfen. Diese Annahme sei durch die Ereignisse während der Durchführung des Castor-Transports bestätigt worden. Für die Überprüfung der Gefahrenprognose sei nicht entscheidend, ob die einbezogenen Erkenntnisse der Klägerin zuzurechnen und sich die genannten Vorfälle aus Versammlungen heraus entwickelt hätten oder nicht. Ein individuelles, allein gegen Störer gerichtetes Vorgehen sei angesichts der Erfahrungen aus Vorjahren nicht möglich gewesen. Zu befürchten gewesen sei insbesondere, dass einzelne Störer nicht hinreichend von den sich rechtmäßig verhaltenden Versammlungsteilnehmern hätten getrennt werden können. Insgesamt sei die Heranziehung der Grundsätze des polizeilichen Notstands gerechtfertigt gewesen.
Mit Urteil vom 16. März 2006 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg rechtswidrig ist, soweit darin unangemeldete Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge (sogenannte Spontanversammlungen) für den Zeitraum vom 6. November 2004, 00:00 Uhr, bis einschließlich 7. November 2004, 24:00 Uhr, außerhalb des durch Ziffer IV a der Allgemeinverfügung beschriebenen räumlichen Bereichs der Schienentransportstrecke von Lüneburg nach Dannenberg und angemeldete öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge außerhalb desselben Bereichs untersagt worden sind. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen bzw. das Verfahren insoweit eingestellt, als die Klägerin die Klage zurückgenommen hatte. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das mit der angegriffenen Allgemeinverfügung ausgesprochene Versammlungsverbot sei in dem Umfang, in dem der Klage stattzugeben sei, unverhältnismäßig und rechtswidrig. Die generelle Untersagung von Versammlungen sei insoweit nicht erforderlich gewesen. Weder seien in diesem Umfang von der Allgemeinverfügung betroffene Versammlungen als Störer anzusehen gewesen noch hätten sie nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstands als Nichtstörer in Anspruch genommen werden können. Die Behörde sei vielmehr verpflichtet gewesen, im Einzelfall aufgrund einer individuellen Gefahrenprognose zu entscheiden, ob von der konkreten Versammlung Gefahren ausgingen, die beschränkende Maßnahmen oder eine Untersagung hätten rechtfertigen können. Zwar sei die der Allgemeinverfügung zugrunde liegende Gefahrenprognose, nach der während des Castor-Transports eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter bestanden habe, unter Auswertung der im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung vorliegenden Erkenntnisse nicht zu beanstanden. Da Ausschreitungen und Störungen aber nur von einzelnen Demonstranten bzw. einer Minderheit zu erwarten gewesen seien, habe für die übrigen Versammlungsteilnehmer die Versammlungsfreiheit erhalten bleiben müssen. Ein polizeilicher Notstand, bei dem die Polizei Störungen der öffentlichen Sicherheit nicht mehr durch ein Vorgehen gegen die Störer bzw. mit eigenen Kräften bewältigen könne, sei nicht zu erwarten gewesen. Hinsichtlich angemeldeter Versammlungen sei nicht hinreichend dargelegt worden, dass Störungen der öffentlichen Sicherheit nicht individuell mit Einzelmaßnahmen handhabbar gewesen wären. Auch im Nachhinein könne nicht vom Vorliegen eines polizeilichen Notstands ausgegangen werden. Insbesondere seien weder die Zahl der angemeldeten Versammlungen mit insgesamt 57, davon 15 im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung, noch die Zahl der zu erwartenden Teilnehmer so groß gewesen, dass es der Behörde nicht möglich gewesen wäre, die Versammlungen einer einzelfallbezogenen Prüfung zu unterziehen. Für unangemeldete Versammlungen gelte bezogen auf das Wochenende vor dem Castor-Transport (6. und 7. November 2004) im Ergebnis das Gleiche.
Soweit unangemeldete Versammlungen für den Zeitraum ab dem 8. November 2004, 00:00 Uhr, untersagt worden seien, sei die Allgemeinverfügung dagegen rechtmäßig, denn insoweit seien die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfüllt gewesen. Ab dem 8. November 2004 sei mit Tausenden von Demonstranten zu rechnen gewesen, die von der Polizei nicht sämtlich hätten begleitet werden können, da entlang der gesamten Transportstrecke Protestveranstaltungen geplant gewesen seien. Zu rechnen gewesen sei mit Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke, mit Eingriffen in den Bahn- und Straßenverkehr, mit Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. Bei der Vielzahl der zu erwartenden Proteste habe es nicht mehr als Erfolg versprechend angesehen werden können, gegen Störungen der öffentlichen Sicherheit, die von unangemeldeten Versammlungen ausgingen, ohne Vernachlässigung des allgemeinen Schutzauftrags mit polizeilichen Einzelmaßnahmen auf der Grundlage individueller Gefahrenprognosen vorzugehen. Dies gelte umso mehr, als nach den Erfahrungen mit früheren Castor-Transporten Störungen der öffentlichen Sicherheit oftmals in der Nähe von friedlichen Versammlungen entstünden und die verantwortlichen Personen nicht wirksam von friedlichen Demonstranten getrennt werden könnten. Versammlungen auf und neben der Schienentransportstrecke seien von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt. Die Allgemeinverfügung sei hinsichtlich ihres räumlichen, zeitlichen und gegenständlichen Geltungsbereichs teilbar, weshalb der Klage nur teilweise durch Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung zu entsprechen sei.
Die Untersagungsverfügung der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 sei demgegenüber nicht zu beanstanden. Anlässlich der von der Klägerin geplanten Versammlung am Verladekran in Dannenberg seien Störungen der öffentlichen Sicherheit, vor allem durch Verhinderungsblockaden im unmittelbaren Umfeld der Verladestation zu befürchten gewesen. Die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands hätten vorgelegen. Den von der Klägerin hilfsweise gestellten Beweisanträgen sei nicht zu entsprechen gewesen.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
Zur Begründung der Berufung und in Erwiderung auf das Vorbringen der Beklagten wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend macht sie insbesondere geltend: In der Begründung der Allgemeinverfügung sei nicht auf die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands eingegangen worden. Unklar bleibe deshalb, ob sich die Bezirksregierung Lüneburg des Umstands bewusst gewesen sei, dass die Allgemeinverfügung nur bei Annahme eines polizeilichen Notstands und hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen habe ergehen dürfen. Das daraus folgende Ermessensdefizit könne durch nachträgliches Vorbringen im gerichtlichen Verfahren nicht mehr geheilt werden. Da eine kollektive Unfriedlichkeit der geplanten Versammlungen nicht zu erwarten gewesen sei, sei die Versammlungsfreiheit der überwiegenden friedlichen Mehrheit von Versammlungsteilnehmern uneingeschränkt zu erhalten gewesen. Einzelne unfriedliche Aktionen bis hin zu Ausschreitungen seien nicht geeignet, die Inanspruchnahme friedlicher Versammlungen zu rechtfertigen. Dies gelte umso mehr, als nicht hinreichend dargelegt worden sei, dass drohende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit nicht von der Polizei hätten bewältigt werden können. Eine Allgemeinverfügung, die vor allem Nichtstörer in Anspruch nehme, die friedlich zu demonstrieren beabsichtigten, könne nicht als geeignetes Mittel angesehen werden, um versammlungsfremde Aktionen, wie etwa Straßenunterhöhlungen, auf welche die Allgemeinverfügung überwiegend gestützt worden sei, zu verhindern. Der Bezirksregierung Lüneburg sei es zumutbar gewesen, für angemeldete Versammlungen individuelle Gefahrenprognosen anzustellen. Erst ein solches Vorgehen hätte die Feststellung ermöglicht, ob die einzelne angemeldete Versammlung überhaupt von Einfluss auf den Eintritt des von der Beklagten letztlich angenommenen polizeilichen Notstands gewesen wäre oder - wie die von ihr geplante friedliche Versammlung - als nicht gefahrsteigernd hätte bestätigt werden können. Das von der Bezirksregierung Lüneburg durchgeführte Kooperationsgespräch habe den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, denn sie habe keine Gelegenheit erhalten, ihre eigenen Vorstellungen zur Konfliktlösung vorzutragen. Die Untersagungsverfügung vom 5. November 2004 sei gleichfalls rechtswidrig, denn auch insoweit sei zu Unrecht auf die Grundsätze des polizeilichen Notstands zurückgegriffen worden. Der vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angeführte Aufruf der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 3. November 2004 könne ihr nicht zugerechnet werden. Die Erteilung von Auflagen als gegenüber einem Versammlungsverbot milderem Mittel sei nicht geprüft worden. Entgegen den Ausführungen der Beklagten seien anlässlich des Castor-Transports allenfalls durch Art. 8 GG geschützte demonstrative Schienen- bzw. Straßenblockaden vorgesehen gewesen, nicht aber Verhinderungsblockaden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und festzustellen, dass die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg, veröffentlicht am 23. Oktober 2004 in der Elbe-Jeetzel-Zeitung, sowie das Versammlungsverbot hinsichtlich der Mahnwache am Verladekran durch Bescheid vom 5. November 2004 rechtswidrig gewesen sind, und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie trägt zur Begründung der von ihr eingelegten Berufung und in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Klägerin sei die erlassene Allgemeinverfügung in vollem Umfang rechtmäßig. Ein unzulässiges Flächenverbot sei mit der Allgemeinverfügung nicht ausgesprochen worden. Die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands hätten vorgelegen. Zwar verhalte sich die Mehrheit der Versammlungsteilnehmer friedlich. Von einer großen Gruppe von Demonstranten seien aber rechtswidrige Verhinderungsblockaden zu erwarten gewesen. Hinzu komme, dass sich eine Minderheit unfriedlich verhalte, indem sie etwa Ankettaktionen an der Schiene oder Straßenunterhöhlungen plane. Es gebe einen Kern gewaltbereiter Autonomer, die überwiegend von auswärts anreisten und gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei anstrebten. Ankündigungen gewalttätiger Aktionen habe es auch im Vorfeld des streitgegenständlichen Castor-Transports gegeben. Bei der Vielschichtigkeit des Protests sei es den Einsatzkräften nicht möglich, vor Ort zwischen den unterschiedlichen Gruppen von Demonstranten zu unterscheiden und gewalttätige Einzelaktionen, wie etwa Straßenunterhöhlungen, wirksam zu unterbinden, wenn sie - wie teilweise in der Vergangenheit - im Schutze friedlicher Versammlungsteilnehmer erfolgten. Hinsichtlich unangemeldeter Versammlungen sei das Versammlungsverbot auch bereits für das Wochenende vor dem Transport gerechtfertigt gewesen. Im Zuge unangemeldeter Versammlungen vorgenommene Sabotageakte, wie Straßenunterhöhlungen oder das Anbringen sogenannter Schienenhemmschuhe, brächten erhebliche Gefahren nicht nur für die Transportfahrzeuge, sondern auch für Leib und Leben der Einsatzkräfte und unbeteiligter Dritter mit sich. Da Einsatzkräfte nicht unbegrenzt zur Verfügung stünden, seien erhebliche Verzögerungen infolge von Beschädigungen der Transportstrecke nicht verkraftbar. Um nach Störaktionen den Zustand der Transportstrecke prüfen und gegebenenfalls wiederherzustellen zu können, bedürfe es eines zeitlichen Vorlaufs. Auf die jeweilige Versammlung bezogene individuelle Gefahrenprognosen würden die polizeilichen Möglichkeiten zur Erforschung der konkreten Gefährdungssituation übersteigen, zumal in der Vergangenheit angemeldete Versammlungen trotz Kooperation mit dem Veranstalter häufig einen von den Planungen abweichenden Verlauf genommen hätten. Zudem entfernten sich nach Beendigung einer Versammlung oftmals nicht alle Teilnehmer vom Versammlungsort, sondern starteten anschließend rechtswidrige Blockadeaktionen auf der Transportstrecke. Auch wenn in der Allgemeinverfügung das Vorliegen eines polizeilichen Notstands nicht ausdrücklich festgestellt worden sei, sei doch das Vorliegen einer entsprechenden Sachlage hinreichend dargelegt worden. Ob sich die im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung angestellte Gefahrenprognose bei einer vom heutigen Erkenntnisstand ausgehenden rückschauenden Betrachtung (ex post) als zutreffend erweise, sei nicht entscheidend. Ein Ermessensfehler sei nicht festzustellen. Das mit der Klägerin geführte Kooperationsgespräch genüge den zu stellenden Anforderungen.
Der Senat hat die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge abgelehnt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. Mai 2008 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren und zum Verfahren der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (3 B 69/04) sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakten und Beiakten zum Parallelverfahren 11 LC 138/06, in welche der Klägerin Einsicht gewährt worden ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Klage ist, soweit sie nicht nach teilweiser Klagerücknahme vom Verwaltungsgericht einzustellen war, insgesamt abzuweisen, denn die streitgegenständliche Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg ist in vollem Umfang rechtmäßig. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Neben der Allgemeinverfügung ist auch der Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 rechtlich nicht zu beanstanden.
1) Die von der Klägerin gegen die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig (a), aber nicht begründet, denn die erlassene Allgemeinverfügung erweist sich insgesamt als rechtmäßig (b).
a) Die mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der ergangenen Allgemeinverfügung erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin ist zulässig. Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Eine Wiederholungsgefahr ist begründet, wenn die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den betroffenen Veranstalter besteht und die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 ff. = DVBl. 2004, 822 ff.). Da es sich bei der Klägerin um eine der großen Protestinitiativen handelt, die anlässlich der Durchführung von Castor-Transporten Versammlungen veranstalten, und die Beklagte in diesem Zusammenhang voraussichtlich auch zukünftig gegebenenfalls versammlungsbeschränkende Maßnahmen in Gestalt einer Allgemeinverfügung ergreifen wird, sind diese Anforderungen erfüllt.
b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist aber nicht begründet. Die angegriffene Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.
aa) Der auf diese Rechtsgrundlage gestützte Erlass eines Versammlungsverbots im Wege einer Allgemeinverfügung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Entsprechend dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 VersG bezieht sich die Befugnis der zuständigen Behörde darauf, eine einzelne Versammlung oder einen einzelnen Aufzug zu verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig zu machen. Die Vorschrift schließt allerdings den Erlass einer Allgemeinverfügung nicht aus, von der zusammenfassend mehr als nur eine Versammlung betroffen ist. Als Allgemeinverfügung kann ein Verwaltungsakt gemäß § 35 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG unter anderem ergehen, wenn er sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Dies ist bei versammlungsbeschränkenden Maßnahmen der Fall, wenn sich die Maßnahmen vor dem Hintergrund eines bestimmten Ereignisses oder Anlasses an alle Personen wenden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines bestimmten Zeitraums an einem bestimmten Ort oder innerhalb eines näher bezeichneten räumlichen Bereichs zu Versammlungen zusammenzukommen beabsichtigen. Während die Adressaten bei dieser Form der personenbezogenen Allgemeinverfügung nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt sind, liegt der Regelung mit einem bestimmten Anlass ein konkreter Einzelfall zugrunde. Die Bestimmtheit des geregelten Lebenssachverhalts unterscheidet die personenbezogene Allgemeinverfügung von der Rechtsnorm, bei der weder der Adressatenkreis noch der zu regelnde Lebenssachverhalt konkret bestimmt ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 35 Rn. 103; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., Abschnitt J, Rn. 363). Anlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung ist der im November 2004 durchgeführte Castor-Transport. Da es sich um einen einzelnen und konkret erkennbaren Lebenssachverhalt handelt, nimmt der Umstand, dass sich die versammlungsbeschränkenden Maßnahmen auf eine Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern ausgewirkt haben, der Allgemeinverfügung nicht den Charakter eines einzelfallbezogenen Verwaltungsakts (vgl. auch Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, Komm. zum VersG, 14. Aufl., § 15 Rn. 17; Hettich, Versammlungsrecht in der kommunalen Praxis, Rn. 208; Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422, 429).
Das ergangene Versammlungsverbot ist auch nicht deshalb als abstrakt-generelle Regelung anzusehen, die den Erlass einer Rechtsnorm erfordern würde, weil bisher bei jedem durchgeführten Castor-Transport eine versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung erlassen worden ist. Die Allgemeinverfügung ist im Jahre 2004 ebenso wie in den Vorjahren jeweils auf der Grundlage einer von der Behörde neu angestellten Gefahrenprognose ergangen, in die neben den Erfahrungen aus Vorjahren Erkenntnisse über den jeweils bevorstehenden Castor-Transport eingeflossen sind. Der bloße Umstand, dass die einzelfallbezogene Prüfung und Interessenabwägung bei jedem Castor-Transport im Ergebnis zur Anordnung versammlungsbeschränkender Maßnahmen durch Allgemeinverfügung geführt hat, lässt den einzelfallbezogenen Charakter der jeweiligen Allgemeinverfügung nicht entfallen. Um eine abstrakt-generelle Regelung würde es sich nur handeln, wenn bezogen auf ein bestimmtes Gebiet unabhängig von einem konkreten Anlass jegliche öffentliche Versammlung untersagt worden wäre (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15 Rn. 16; Lisken/Denninger, a.a.O., Rn. 364). Ein solches sogenanntes Flächenverbot, das einer Bannmeilenregelung im Sinne des § 16 VersG gleichkommen würde, enthält die konkret auf den Castor-Transport im November 2004 bezogene Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg jedoch nicht (vgl. zum Castor-Transport im November 2003: Beschl. des Senats v. 16.5.2005 - 11 LA 318/04 -, V.n.b.).
bb) Die formelle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Allgemeinverfügung unterliegt keinen Zweifeln. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der Bezirksregierung Lüneburg und der öffentlichen Bekanntgabe der Allgemeinverfügung folgt der Senat den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen in diesem Umfang auf die erstinstanzliche Entscheidung (dort S. 30) Bezug (vgl. zur Zulässigkeit der Bezugnahme: BVerwG, Beschl.v. 3.1.2006 - 10 B 17/05 -, juris, m.w.N.). Der Umstand, dass zu den anlässlich des Castor-Transports durchgeführten Versammlungen Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet zu erwarten waren, begründete keine Verpflichtung der Bezirksregierung Lüneburg, die Allgemeinverfügung überregional oder sogar bundesweit bekanntzumachen. Da sich der Schwerpunkt des Protests auf die von der Allgemeinverfügung räumlich betroffenen Landkreise konzentriert und maßgeblich von dort aus organisiert wird, ist die in diesen Landkreisen erfolgte Veröffentlichung der Allgemeinverfügung in mehreren örtlichen Tageszeitungen ausreichend (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 41 Rn. 53).
cc) Gemessen an den Anforderungen des § 15 Abs. 1 VersG ist die streitgegenständliche Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Versammlungsbeschränkende Maßnahmen dürfen nach § 15 Abs. 1 VersG nur ergriffen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist. Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht ( BVerfG, Beschl.v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315 ff. = DVBl. 1985, 1006 ff.). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt ( BVerfG, Beschl.v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 -, juris; Beschl.v. 21.4.1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, 834 ff.). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. zu Letzterem: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., Rn. 151). Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Bloße Vermutungen reichen nicht aus (BVerfG, Beschl.v. 19.12.2007, a.a.O., m.w.N.). Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, so sind auch diese in einer den Grundrechtsschutz hinreichend berücksichtigenden Weise einzubeziehen (vgl. BVerfG, Beschl.v. 6.6.2007 - 1 BvR 1423/07 -, NJW 2007, 2168 ff.). Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (vgl. BVerfG, Beschl.v. 14.5.1985, a.a.O.). Dabei können an die Wahrscheinlichkeit umso geringere Anforderungen gestellt werden, je größer und folgenschwerer der drohende Schaden ist (Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15 Rn. 30). Andererseits sind die Anforderungen an die Gefahrenprognose umso höher, je größer der Korridor und je länger der demonstrationsfreie Zeitraum ist (Kniesel/Poscher, a.a.O., S. 429). Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (BVerfG, Beschl.v. 21.4.1998, a.a.O.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist durch den Einsatz des jeweils mildesten Mittels zu wahren.
Hiervon ausgehend erweist sich die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg in vollem Umfang als rechtmäßig.
(1) Bei Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung war mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es ohne versammlungsbeschränkende Maßnahmen zu unmittelbaren Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit kommen würde. Die von der Bezirksregierung Lüneburg angestellte Gefahrenprognose ist insoweit nicht zu beanstanden. Insbesondere lagen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Transportstrecke über einen möglichst langen Zeitraum von Gegnern des Castor-Transports blockiert werden sollte, um den Transport zu verhindern oder jedenfalls so lange wie möglich zu verzögern und dadurch die Kosten für die Durchführung des Transports so weit wie möglich zu steigern. Im Zusammenhang mit den zu befürchtenden Blockadeaktionen war auch mit Sachbeschädigungen, insbesondere an der Schienen- und der Straßentransportstrecke zu rechnen.
Vor allem die Klägerin und die Protestinitiative "Widersetzen" hatten ihre Anhänger vor dem Castor-Transport zu Blockadeaktionen auf der Transportstrecke aufgerufen. In einer Mitteilung im Internet vom 14. Oktober 2004 kündigte die Klägerin eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straßenstrecke an (vgl. Anlage 17 zur Allgemeinverfügung). Geplant sei, zurück zu den Wurzeln zu gehen. Nachdem es im letzten Jahr mit der erfolgreichen Schienenblockade bei Rohstorf eine Aktion gegeben habe, die ausschließlich von gut vorbereiteten Bezugsgruppen bestritten worden sei, werde es diesmal wieder eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straße geben, die für alle offen sei, die sich auch kurzfristig dazusetzen wollten. Daneben werde es weiter einen Kern von Bezugsgruppen geben, die sich gut vorbereiteten und die Blockaden gemeinsam planten. Die Auftaktdemonstration beginne am 6. November 2004 in Dannenberg, wo am ganzen Wochenende Bezugsgruppen gebildet und Aktionskonzepte besprochen würden. Irgendwann rechtzeitig werde dann in Richtung Straßenstrecke umgezogen. Angemeldet werde eine Versammlung vor dem Verladekran. Hingewiesen wurde in dieser Mitteilung zudem darauf, dass die wendländische Aktionsgruppe "Widersetzen" zwei Blockadepunkte in Langendorf auf der nördlichen Straßenstrecke und in Groß Gusborn auf der Südstrecke plane. Die Bäuerliche Notgemeinschaft wolle im Anschluss an die Auftaktdemonstration Aktionen auf der Straßenstrecke starten.
In dem Internetaufruf der Gruppe "Widersetzen" heißt es: "Falls der Castor-Zug Dannenberg erreichen sollte, wird es höchste Zeit zum WiderSetzen. Wir brauchen Euch in Groß Gusborn und Langendorf. Auf der Straße ist Platz für viele tausend Menschen." "WiderSetzen" sitze in Groß Gusborn und Langendorf. Gebraucht würden Menschen, die sich mit auf die Straße setzten (vgl. Anlage 18 der Allgemeinverfügung). In einer Anzeige der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 3. November 2004 wird unter der Überschrift "Bewegung, Bewegung - MitGehen, RumStehen, AusSitzen" ausgeführt: "Ziehen Sie sich warm an, gehen Sie los, Sie bleiben bestimmt nicht alleine! Bleiben Sie, wo es Ihnen passt, ob an Schiene oder Straße oder im Kulturzelt! Und daran denken: Wenn die Beine müde sind: hinsetzen! Und nicht entmutigen lassen!" (vgl. Bl. 141 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06).
Nach einem Bericht der taz vom 3. November 2004 stellten Vertreter von 15 norddeutschen Anti-Atom-Gruppen am 2. November 2004 in der Hamburger Roten Flora ihre Konzepte gegen den Castor-Transport vor. In dem Artikel heißt es: "Dabei stehen erneut zahlreiche Schienen- und Straßenblockaden auf der Castor-Route im Vordergrund. Sie sollen den Transport immer wieder verlangsamen oder zeitweise ganz zum Erliegen bringen. Aktionen sind auf der gesamten Transportstrecke vorgesehen, auf der ab Sonntagabend die strahlende Fracht erwartet wird... Für die ‚heiße Phase‘ Anfang kommender Woche rechnen die Initiativen mit 3 000 bis 5 000 AtomkraftgegnerInnen. Dabei werde es wieder zu ‚spektakulären Aktionen‘ kommen, kündigte eine Sprecherin von Robin Wood an." (vgl. Bl. 152 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06).
Auch die Elbe-Jeetzel-Zeitung berichtete am 4. November 2004, dass die Widerstandsgruppe "Widersetzen" zum Straßentransport gewaltfreie Sitzblockaden in Groß Gusborn und Langendorf plane. Ebenso beabsichtige die Klägerin eine Sitzblockade (vgl. Bl. 208 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06). Bereits zuvor wurde die Klägerin in einem Bericht der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 15. Oktober 2004 mit der Ankündigung zitiert, es werde wieder "eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straße" geben. In Dannenberg würden schon am Wochenende vor dem Transport juristische Information und Blockadetrainings angeboten (vgl. Anlage 29 zur Allgemeinverfügung). In einer Pressemitteilung vom 3. November 2004 hat die Klägerin auch selbst nochmals im Internet angekündigt, dass sie sich auf eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straßentransportstrecke zwischen Dannenberg und Gorleben vorbereite. Das Presseteam unterstütze außerdem die große Blockadeaktion "WiderSetzen", die in diesem Jahr an der Nord- und Südtransportstrecke zwischen Dannenberg und Gorleben stattfinden werde (vgl. Bl. 143 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06). Auf beide Aktionen wird auch in einem von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg herausgegebenen Flugblatt mit der Überschrift "Grüne Wochen im Wendland" hingewiesen (vgl. Bl. 144 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06).
Einer Ankündigung der Bäuerlichen Notgemeinschaft auf den Internetseiten der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg lässt sich entnehmen, dass zumindest ein Teil der Protestszene eine Strategie der Unberechenbarkeit zu verfolgen beabsichtigte. So heißt es dort: "Unerwartete Aktionen werden dort stattfinden, wo niemand damit rechnet, wo sich die Polizei auf Riesen-Action einstellt, wird sie möglicherweise nur mit sich selbst zu tun haben. Nichts ist planbar - und das ist unsere ‚Stärke‘. Angemeldete Versammlungen werden die Hüter der Ordnung in Bewegung, die Einsatzleiter zur Verzweiflung bringen. Genauso unberechenbar werden sich Menschen aber auch andernorts treffen, dort, wo Protest auch noch Wirkung haben kann." (vgl. Bl. 140 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06).
Im Internetauftritt der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg wurde ferner auf die Aktion "widerStands-Nest - ein ganzes Dorf als Camp" in Metzingen an der Schienentransportstrecke hingewiesen (vgl. Bl. 145 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06). Unter dem zugehörigen Link wurde eine weitere Aktion unter dem Motto "Wir machen Arbeit" angekündigt. Bewegung und Geländespiele in frischer Waldluft seien angesagt, offen für alle. Jede(r) bestimme selbst das Tempo und wieweit sie oder er gehen möchte (vgl. Bl. 146 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06). Bei einem im Juli 2004 durchgeführten Sommerfest, an dem auch die Klägerin beteiligt war, wurde unter anderem ein Vortrag mit praktischen Übungen zum Thema "Anketten als direkte, gewaltfreie Aktionsform" angeboten (vgl. Anlage 20 zur Allgemeinverfügung).
Den genannten Erkenntnissen ist zu entnehmen, dass ein wesentlicher Bestandteil der Planungen von Protestgruppen im Vorfeld des Castor-Transports darin bestand, Blockadeaktionen zu organisieren. Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, sind allerdings von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonst wie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Beschl.v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 ff. = DVBl. 2002, 256 ff.; Urt.v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. -, BVerfGE 73, 206 ff. [BVerfG 11.11.1986 - 1 BvR 713/83] = DVBl. 1987, 86 ff.; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15 Rn. 163, 195 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257, 259 f.; Hettich, a.a.O., Rn. 24, 221 f.). Ebenso sind gefährliche Eingriffe in den Schienen- oder Straßenverkehr, wie das Bereiten von Hindernissen, Unterhöhlungen von Straßen, Ausheben von Gullydeckeln oder Ankettaktionen, nicht vom Schutzbereich des Art. 8 GG gedeckt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., Rn. 206; Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a.a.O.). Die beabsichtigte Verhinderung bzw. Erschwerung des Castor-Transports durch Sitzblockaden stellt demzufolge eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Dass sich die von Protestinitiativen und -gruppen geplanten Sitzblockaden und sonstigen Blockadevorhaben allein auf symbolische und kurzfristige Aktionen beschränken sollten, nach denen die Transportstrecke jeweils ohne erhebliche Behinderung des Transports wieder uneingeschränkt freigegeben werden sollte, kann angesichts der angeführten öffentlichen Ankündigungen und Aufrufe nicht angenommen werden. Insbesondere nach der Berichterstattung in der taz vom 3. November 2004 ging es zumindest einigen Protestinitiativen darum, den Castor-Transport immer wieder zu verlangsamen oder zeitweise ganz zum Erliegen zu bringen, wobei Aktionen auf der gesamten Transportstrecke vorgesehen waren. Verfehlt ist die im Vorbringen der Klägerin zum Ausdruck kommende Auffassung, Sitzblockaden müssten als friedliche Protestform von der zuständigen Behörde bzw. der Polizei stets hingenommen werden, weil die Blockade polizeilich jedenfalls durch Entfernung der Demonstranten beseitigt werden könne (vgl. zu einer Sandsackaktion in diesem Sinne: BVerfG, Beschl.v. 26.3.2001 - 1 BvQ 15/01 -, DVBl. 2001, 797 ff.). Die Durchführung des Castor-Transports war behördlich genehmigt. Blockadeaktionen, die in erster Linie auf eine größtmögliche Behinderung des Transports unter Beeinträchtigung der Rechte der beteiligten Transportunternehmen gerichtet sind, kann daher als Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit insbesondere mit räumlichen Beschränkungen des Versammlungsrechts begegnet werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15 Rn. 163; Hettich, a.a.O.). Auf die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich zur Rücknahme des radioaktiven Abfalls verpflichtet ist, kommt es angesichts der erteilten Transportgenehmigung für den Castor-Transport in diesem Zusammenhang nicht an. Ob die Transportgenehmigung auf zutreffenden Erwägungen beruht, bedarf im vorliegenden Verfahren gleichfalls keiner Klärung, sondern wäre gegebenenfalls in einem gegen diese Genehmigung gerichteten Verfahren gerichtlich zu klären.
Daneben waren auch Hinweise gegeben, dass über Blockadeaktionen hinaus Sachbeschädigungen an der Schienen- bzw. der Straßenstrecke geplant waren. In einem im Internet veröffentlichten Aufruf der Gruppe "mar-militante atomkraftgegnerInnen reloaded" vom 15. Oktober 2004 heißt es unter der Überschrift "Gorleben im November 2004: No risk - no fun!": "Dies ist ein Aufruf an alle Linksradikalen und Autonomen, sich an den Protesten rund ums Wendland wieder entschlossen und massiv zu beteiligen... Wenn wir es schaffen, dass wir durch dezentrales und vielfältiges Intervenieren die Unberechenbarkeit der Bewegung wieder ein wenig zu verstärken, haben wir schon eine Menge gewonnen! Wir gehen von dem Grundgedanken aus, den ökonomischen wie politischen Preis, den die Atomlobby und der Staat für die Durchführung der Transporte zu zahlen haben, immens zu erhöhen. Damit ist auch eine wesentliche Erhöhung materieller Schäden gemeint... Wie in den letzten Jahren auch, wird es vor Ort eine Infrastruktur geben, die wir nutzen können: Scheunen, Infopunkte, Vokü. Alles Weitere liegt auch an uns. Also organisiert euch, überlegt euch Möglichkeiten und Wege der direkten Intervention, der Verwirrung!" Der Artikel endet mit dem Aufruf: "Deutschland zerlegen, den Atomstaat demontieren! Schraube für Schraube, Schiene für Schiene! no risk, no fun!" (vgl. Anlage 25 zur Allgemeinverfügung). Auf den Internetseiten "www.contratom.de" und "www.gruene-buchholz.de" wurde nach dem nicht angegriffenen Vortrag der Bezirksregierung Lüneburg im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung (11 ME 322/04) zur Aktion "BrückeBesetzt" am Tag X aufgerufen. In der Ankündigung sei weiter ausgeführt worden: "Macht Euch bemerkbar in einem Tunnel unter der Castor-Trasse." (vgl. Bl. 137 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06).
Aufgrund dieser Anhaltspunkte musste befürchtet werden, dass wie im Vorjahr 2003, in dem eine Unterspülung des Bahndamms der Schienentransportstrecke durchgeführt werden sollte und die Straßentransportstrecke an einer zwischen Quickborn und Langendorf gelegenen Stelle unterspült wurde, und im Jahre 2002, in dem es auf demselben Abschnitt zu einer Unterhöhlung der Straßentransportstrecke gekommen war, erneut Beschädigungen an den Gleisanlagen bzw. der Straßenstrecke erfolgen sollten.
Soweit die genannten Erkenntnisse nicht sämtlich bereits bei Bekanntmachung der Allgemeinverfügung am 23. Oktober 2004 vorgelegen haben, können sie dennoch bei Überprüfung der behördlichen Gefahrenprognose berücksichtigt werden, denn es handelt sich um Erkenntnisse, die der Behörde noch vor der Durchführung des Castor-Transports bekannt geworden sind und welche die angestellte Gefahrenprognose lediglich bestätigen bzw. untermauern. Etwas anderes würde insoweit nur gelten, wenn es sich bei den nachgeschobenen Gründen um völlig neue Tatsachen handeln würde, die zu einer Wesensänderung der Allgemeinverfügung führen und den Erlass einer neuen Allgemeinverfügung erfordern würden (vgl. bereits Beschl. des Senats v. 6.11.2004 - 11 ME 322/04 -, Nds. VBl. 2005, 49 = Nds. RPfl. 2005, 42 = NordÖR 2004, 490 [OVG Niedersachsen 06.11.2004 - 11 ME 322/04] = NVwZ-RR 2005, 820 und Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a.a.O.). So verhält es sich bei der hier gegebenen aktualisierten Gefahrenprognose aber nicht. Hervorzuheben ist insbesondere, dass sämtliche Erkenntnisse noch vor der Durchführung des Castor-Transports vorgelegen haben und bereits in das gerichtliche Verfahren um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung (11 ME 322/04) eingeführt worden sind (vgl. zur Berücksichtigung einer aktualisierten Gefahrenprognose auch: BVerfG, Beschl.v. 6.6.2007, a.a.O.).
(2) Die zu erwartenden Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit rechtfertigten den Erlass eines räumlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen. Angesichts der sich abzeichnenden Blockadeaktionen und Beschädigungen der Schienen- bzw. der Straßentransportstrecke war die Bezirksregierung Lüneburg nicht gehalten, erst vor Ort gegen einzelne Versammlungen oder Versammlungsteilnehmer sowie gegen Störer vorzugehen. Da die geplanten Blockadeaktionen breit angelegt waren und sich auf weite Teile der Transportroute erstrecken sollten, stand mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die Einsatzkräfte nicht sämtliche Blockaden und Beschädigungen der Transportstrecke hätten verhindern können, wenn Personen mit entsprechenden Absichten erst einmal im Schutze rechtmäßiger Versammlungen auf die Transportstrecke gelangt wären. Dies gilt umso mehr, als innerhalb der Protestszene zumindest in Teilen eine Strategie der Unberechenbarkeit verfolgt werden sollte, also gerade beabsichtigt war, dort Aktionen zur Verhinderung oder zumindest größtmöglichen Behinderung des Castor-Transports durchzuführen, wo die Einsatzkräfte entsprechend der vorliegenden Anmeldungen von Versammlungen nicht mit solchen Aktionen rechneten (vgl. Ankündigung der Bäuerlichen Notgemeinschaft, Bl. 140 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06, und Aufruf der Gruppe "mar-militante atomkraftgegnerInnen reloaded", Anlage 25 zur Allgemeinverfügung). Ebenso war mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass bei Auflösung einzelner Blockaden sogleich andernorts neue Blockaden, insbesondere durch sich auf der Transportstrecke niederlassende Personen entstehen würden. Bei der Länge der Transportstrecke, der Gestalt des Geländes mit Wäldern, Brücken und stellenweise grabenförmigen Tälern entlang der möglichen Transportrouten sowie der zu erwartenden hohen Zahl von mehreren tausend Demonstranten war es den Einsatzkräften nicht möglich, die Transportstrecke in vollem Umfang zu sichern und gezielt herbeigeführte erhebliche Behinderungen des Transports, wie sie durch die Versammlungsfreiheit nicht mehr geschützt sind, auszuschließen. Bei Beschädigungen der Transportstrecke, deren Verhinderung durch die Bindung großer Teile der Einsatzkräfte bei der Auflösung von Sitzblockaden und die dann zu erwartende Unübersichtlichkeit der Lage deutlich erschwert worden wäre, wären gegebenenfalls umfangreichere Reparaturarbeiten erforderlich geworden, die den Transport gleichfalls hätten erheblich behindern und wesentlich verzögern können. Ob die Transportbehälter auch bei einer längeren Dauer des Transports hinreichenden Schutz vor radioaktiver Strahlung geboten hätten, bedarf keiner Klärung. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, dass Einsatzkräfte nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen und die Abwicklung des Transports deshalb bei erheblichen zeitlichen Verzögerungen, die zudem Protestaktionen weiteren Zulauf hätten verschaffen können, wesentlich erschwert bzw. gefährdet worden wäre (vgl. zum Vorbehalt der Verfügbarkeit von Einsatzkräften: BVerfG, Beschl.v. 26.3.2001, a.a.O.).
Soweit durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Veranstaltern und Versammlungsteilnehmern beschränkt worden ist, die nicht die Absicht hatten, sich an durch Art. 8 GG nicht gedeckten Verhinderungsblockaden oder rechtswidrigen Aktionen, wie Beschädigungen des Straßenkörpers oder der Gleisanlagen, zu beteiligen, ist dies nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstands nicht zu beanstanden. Wird eine versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung nicht nur auf Situationen bezogen, in denen Rechtsgütergefährdungen von der Versammlung selbst ausgehen, sondern auch auf solche, in denen Dritte aus Anlass der Versammlung und gegebenenfalls parallel zu deren Zielsetzung, wenn auch hinsichtlich der konkreten Umstände möglicherweise ohne Billigung durch den Veranstalter oder Leiter der Versammlung, zu Störern werden, können versammlungsbeschränkende Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des polizeilichen Notstands gerechtfertigt sein (vgl. BVerfG, Beschl.v. 26.3.2001, a.a.O.). Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstands setzt voraus, dass die Gefahr nicht auf andere Weise abgewehrt bzw. die Störung nicht auf andere Weise beseitigt werden kann und die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte Mittel und Kräfte verfügt, um die betroffenen Rechtsgüter wirksam zu schützen (BVerfG, a.a.O.; Hoffmann-Riem, a.a.O., S. 263; Dietel/Gintzel/Kniesel, § 15 Rn. 41 ff.). Ein polizeilicher Notstand kann auch dann angenommen werden, wenn sich die Masse der Versammlungsteilnehmer ordnungsgemäß verhält und nur eine Minderheit rechtswidrig agiert. Entscheidend ist allein, in welchem Maße diese Minderheit gegen geltendes Recht verstößt und inwieweit es Polizeikräften möglich ist, diese Minderheit von ihrem rechtswidrigen Tun abzuhalten (vgl. Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a.a.O.).
Die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands waren bezogen auf den Anfang November 2004 erfolgten Castor-Transport in vollem Umfang erfüllt (so bereits Beschl. des Senats v. 6.11.2004, a.a.O.). Versammlungsverbote oder Auflagen allein gegen Veranstalter zu richten, von deren Versammlungen erkennbar rechtswidrige Aktionen zu erwarten waren, sowie individuell gegen Störer vorzugehen, konnte nicht als Erfolg versprechend angesehen werden. Insoweit wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen, dass Versammlungen, die nicht oder zumindest nicht von vornherein ersichtlich darauf angelegt waren, den Bereich der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit zu überschreiten, genutzt worden wären, um die Transportstrecke bzw. die in der Allgemeinverfügung bezeichneten Bereiche im Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben zu erreichen. Einmal an diesen Orten angelangt, wäre es Castor-Gegnern ein Leichtes gewesen, dort zu einer auf die Verhinderung bzw. größtmögliche Verzögerung des Castor-Transports gerichteten Sitzblockade überzugehen, auch wenn dies möglicherweise nicht den Planungen des Veranstalters der angemeldeten Versammlung entsprochen oder von diesem gebilligt worden wäre. Die von Teilen der Protestszene verfolgte Strategie der Unberechenbarkeit ließ befürchten, dass Verhinderungsblockaden und andere nicht durch das Grundrecht des Art. 8 GG gedeckte Aktionen an einer Vielzahl von Stellen auf der Transportstrecke erfolgt wären, wodurch Reaktionen der Polizei zusätzlich erschwert worden wären. Bei der zu erwartenden Unübersichtlichkeit der Lage wäre es den Einsatzkräften vor Ort kaum möglich gewesen, zwischen sich rechtmäßig verhaltenden Versammlungsteilnehmern und Personen mit anderen Absichten zu unterscheiden. Die Befassung der Einsatzkräfte mit einer Vielzahl von Einsatzlagen auf der Transportstrecke hätte zudem Beschädigungen der Gleisanlagen bzw. der Straßenstrecke begünstigt, mit denen - wie bereits dargelegt - nach den Vorfällen der unmittelbar zurückliegenden Vorjahre 2002 und 2003 sowie unter Berücksichtigung entsprechender aktueller Aufrufe auch für den Castor-Transport des Jahres 2004 zu rechnen war. Insbesondere bei der Auflösung von Sitzblockaden wäre des Weiteren die Entstehung gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen zumindest einzelnen Demonstranten und der Polizei mit Körperverletzungen und Sachbeschädigungen nicht auszuschließen gewesen. Wie schon ausgeführt, ist die Transportstrecke aufgrund ihrer Länge und der Besonderheiten des Geländes in ihrem gesamten Umfang nur schwer zu kontrollieren. Auch wenn mit rund 10 000 Einsatzkräften beim Straßentransport etwa 2 000 Einsatzkräfte weniger als im Jahre 2003 zum Einsatz gebracht worden sind, kann nicht angenommen werden, dass ohne Vernachlässigung des allgemeinen Schutzauftrags der Polizei insgesamt so viele Polizeibeamte und Beamte des Bundesgrenzschutzes hätten mobilisiert werden können, dass Blockadeaktionen und Sachbeschädigungen trotz Unübersichtlichkeit der Lage bei zeitgleicher Durchführung rechtmäßiger Versammlungen auf der Transportstrecke in vollem Umfang wirksam hätte begegnet werden können. Auf die jeweilige Versammlung bezogene individuelle Gefahrenprognosen mit daran gegebenenfalls anknüpfenden versammlungsrechtlichen Maßnahmen und ein eingegrenztes punktuelles Vorgehen gegen Störer wären bei dieser Sachlage nicht in gleicher Weise geeignet gewesen, die Abwicklung des Transports ohne erhebliche Behinderungen zu gewährleisten.
Auch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Differenzierung zwischen angemeldeten und unangemeldeten Versammlungen konnte nicht als geeignet angesehen werden, Störungen der öffentlichen Sicherheit effektiv zu unterbinden. Von insgesamt 57 angemeldeten Versammlungen waren immerhin 15 bzw. nach Rücknahme von 4 Anmeldungen noch 11 innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung vorgesehen (vgl. Pressemitteilung der Polizeidirektion Lüneburg v. 9.11.2004). Bei der zu erwartenden hohen Gesamtteilnehmerzahl von Demonstranten an den angemeldeten Versammlungen bestand die begründete Besorgnis, dass im Schutze solcher Versammlungen rechtswidrige Aktivitäten mit - wie etwa bei Beschädigungen der Transportstrecke - möglicherweise weit reichenden Folgen entfaltet worden wären, die zumindest nicht sämtlich so rechtzeitig hätten erkannt werden können, dass sie allein mit Einzelmaßnahmen effektiv zu verhindern gewesen wären. Hätten sich im Zuge angemeldeter Versammlungen Verhinderungsblockaden gebildet, für die anzunehmen war, dass zumindest ein Teil der Demonstranten sich auf Aufforderung nicht entfernen oder sich nur zum Schein fortbewegen würde, um an anderer Stelle die Transportstrecke erneut zu blockieren, wäre eine außergewöhnlich komplexe und schwer zu bewältigende Einsatzlage entstanden. Die Sicherung des Castor-Transports gegen größere Behinderungen wäre dann nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet gewesen.
Soweit von der Klägerin darauf hingewiesen wird, dass die Polizei in früheren Jahren Störungen der öffentlichen Sicherheit ohne übermäßigen Aufwand habe bewältigen können, ist entscheidend zu beachten, dass in Vorjahren jeweils im Wege der Allgemeinverfügung ein zeitlich und räumlich beschränktes Versammlungsverbot für die Transportstrecke und Bereiche um die Verladestation in Dannenberg sowie das Zwischenlager in Gorleben angeordnet worden war. Aus der Situation in diesen Jahren kann deshalb nicht ohne Weiteres auf eine Sachlage geschlossen werden, bei der insgesamt mehrere tausend Demonstranten Zugang zur Transportstrecke und den genannten Bereichen haben, weil diese nicht oder nur eingeschränkt mit einem Versammlungsverbot belegt sind. Der Umfang der anlässlich der Castor-Transporte in früheren Jahren gebotenen polizeilichen Maßnahmen bedarf demzufolge keiner näheren Klärung. Ob die Proteste in Vorjahren überwiegend friedlich verlaufen sind, ist gleichfalls nicht entscheidungserheblich, weil - wie schon ausgeführt - auch friedliche Proteste den Schutzbereich des Art. 8 GG überschreiten, sofern sie auf die zwangsweise Durchsetzung eigener Forderungen bzw. die Steigerung der öffentlichen Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter gerichtet sind.
Auch wenn das bei den Protesten anlässlich der Castor-Transporte zum Ausdruck kommende Gewaltpotential über die Jahre tendenziell abgenommen hat, kann im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der im Vorfeld des streitgegenständlichen Castor-Transports vorliegenden Erkenntnisse und Anhaltspunkte nicht angenommen werden, dass die Abwicklung des Transports ohne die erlassene Allgemeinverfügung wirksam gegen erhebliche Behinderungen hätte geschützt werden können. Die bereits genannten Tatsachen stützen die von der Bezirksregierung Lüneburg angestellte Gefahrenprognose. Dies gilt in Anbetracht der dargelegten Umstände auch dann, wenn im Übrigen einzelne Ereignisse der Vergangenheit in der Allgemeinverfügung oder sonst von der Beklagten unzutreffend dargestellt worden oder als nicht aussagekräftig anzusehen sein sollten. Für die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung ist es nicht erforderlich, dass jeder einzelne darin von der Behörde angeführte Punkt einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhält. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr, dass - wie hier - genügend Umstände verbleiben, welche die Gefahrenprognose stützen und den Erlass der Allgemeinverfügung rechtfertigen (vgl. Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a.a.O.). Eines Eingehens auf sämtliche in der Allgemeinverfügung genannten Vorfälle aus früheren Jahren bedarf es daher nicht.
Dass die Gefahrenlage von der Bezirksregierung Lüneburg einseitig und unter Außerachtlassung gegenläufiger Indizien verzerrt dargestellt und gewürdigt worden wäre, kann unter Berücksichtigung der wiedergegebenen, die Gefahrenprognose tragenden Erkenntnisse nicht festgestellt werden und ist von der Klägerin auch nicht substantiiert dargelegt worden. Für die Gefahrenprognose wesentliche Gegenindizien, die bei der behördlichen Entscheidung nicht beachtet worden wären, hat die Klägerin nicht konkret benannt. Die insgesamt tendenziell abnehmende Gewaltbereitschaft und Aggressivität der Castor-Gegner ist bei Erlass der Allgemeinverfügung auch beispielsweise ausdrücklich in die behördlichen Erwägungen einbezogen worden (vgl. Seite 8 der Allgemeinverfügung). Zum Verhalten der Klägerin ist in der Allgemeinverfügung konkret ausgeführt worden, dass sie sich wie die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg als weiterer großer Protestinitiative zu einem gewaltfreien Protest bekenne, wobei allerdings unterschiedliche Auffassungen zum Begriff "Gewaltfreiheit" bestünden und eine klare Abgrenzung zu gewaltbereiten Demonstranten nicht erfolge (vgl. Seite 10 der Allgemeinverfügung).
Ebenso sind Anhaltspunkte dafür, dass die Bezirksregierung Lüneburg von vornherein auf den Erlass einer versammlungsrechtlichen Allgemeinverfügung festgelegt gewesen wäre und das ihr gemäß § 15 Abs. 1 VersG eingeräumte Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt hätte, nicht gegeben. Der bloße Umstand, dass bislang bei jedem Castor-Transport im Wege einer Allgemeinverfügung ein räumlich und zeitlich beschränktes Versammlungsverbot ausgesprochen worden ist, genügt insoweit nicht. Sowohl der Begründung der Allgemeinverfügung als auch dem Vorbringen der Beklagten ist zu entnehmen, dass für den Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung neben den Erfahrungen aus Vorjahren die aktuelle Einschätzung der Gefahrenlage unter Einbeziehung sämtlicher verfügbarer Erkenntnisse und Anhaltspunkte tragend gewesen ist.
Bei dieser Sachlage ist die Beiziehung weiterer Unterlagen, wie etwa von Vermerken über die Abstimmung mit anderen Behörden und dem Gesamteinsatzbefehl für den Castor-Transport, von der sich die Klägerin vor allem den Nachweis verspricht, dass die Bezirksregierung Lüneburg in Abstimmung mit der Polizei auf den Erlass eines Versammlungsverbots durch Allgemeinverfügung festgelegt gewesen sei und den Sachverhalt deshalb nur unzureichend aufgeklärt bzw. ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, nicht erforderlich. Selbst wenn die behördlichen Planungen frühzeitig den Erlass einer Allgemeinverfügung umfasst haben sollten, ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden, sofern - wie hier - die Entwicklung der Sachlage von der Behörde unter Beobachtung gehalten wird und im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung die Anordnung eines zeitlich und räumlich beschränkten Versammlungsverbots rechtfertigende Tatsachen und Erkenntnisse vorgelegen haben, welche in die behördliche Ermessensentscheidung einbezogen worden sind. Dies gilt umso mehr, als bei Großeinsatzlagen, wie einem Castor-Transport, frühzeitige behördliche Planungen unentbehrlich sind, um organisatorische und technische Vorbereitungen treffen und beispielsweise Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern sowie vom Bundesgrenzschutz bzw. der Bundespolizei rechtzeitig anfordern zu können. Dass vor Erlass der Allgemeinverfügung seitens der Bezirksregierung Lüneburg Abstimmungsgespräche mit der Polizei und anderen Behörden stattgefunden haben, deutet deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf hin, dass der Erlass der versammlungsrechtlichen Allgemeinverfügung von vornherein festgestanden hätte und nicht aufgrund einer umfassenden Gefahrenprognose und unter pflichtgemäßer Ausübung des gesetzlich eingeräumten Ermessens erfolgt wäre. Bei dem dahingehenden Vorbringen der Klägerin handelt es sich um eine Behauptung, die durch keinerlei greifbare Anhaltspunkte gestützt wird. Die insoweit von der Klägerin gestellten Beweisanträge sind daher als sogenannte Beweisermittlungs- bzw. -ausforschungsanträge unsubstantiiert und nicht geeignet, eine Pflicht zur Beweiserhebung auszulösen (vgl. zu Beweisermittlungs- bzw. -ausforschungs-anträgen etwa: BVerwG, Beschl.v. 31.1.2002 - 7 B 92/01 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 318; Beschl.v. 29.9.2005 - 1 B 54/05 -, Buchholz 402 242 § 60 Abs. 2 ff.
AufenthG Nr. 3). Auch wenn es sich um Umstände handelt, die in die Sphäre der Bezirksregierung Lüneburg bzw. der Beklagten fallen und der Klägerin deshalb nicht im Einzelnen bekannt sein können, kommt eine Beweiserhebung nur in Betracht, wenn für die unter Beweis gestellte Behauptung zumindest gewisse tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, woran es hier aber fehlt (vgl. allgemein: Höfling/Rixen in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 86 Rn. 87; Dawin in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2007, § 86 Rn. 94). Der im Parallelverfahren 11 LC 138/06 gestellte, auf die Beiziehung weiterer Unterlagen und die Vernehmung von Zeugen gerichtete Beweisantrag 1 vom 29. Mai 2008, dem sich die Klägerin angeschlossen hat, war daher zu a), b), e), f), h) und i) abzulehnen.
Der in der mündlichen Verhandlung des Senats von der Klägerin zu Protokoll gegebene Beweisantrag (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 29.5.2008), der sich ebenfalls auf die Beiziehung weiterer Unterlagen richtet, war zudem mangels Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung nicht zu entsprechen. Die polizeiliche Einsatzplanung sowie die Frage, ob die Polizei den Erlass einer Allgemeinverfügung stets vorausgesetzt hat, sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von der Bezirksregierung Lüneburg als sachlich zuständiger Versammlungsbehörde erlassenen Allgemeinverfügung nicht relevant. Soweit die Beiziehung sämtlicher bei der Beklagten zur polizeilichen Einsatzplanung anlässlich des Castor-Transports im Jahr 2004 vorliegender Verwaltungsvorgänge beantragt worden ist, ist das Beweismittel zudem nicht hinreichend bestimmt bezeichnet worden. Die mit dem von der Klägerin aufgegriffenen Beweisantrag 1 der Prozessbevollmächtigten des Verfahrens 11 LC 138/06 vom 29. Mai 2008 zu b) und d) unter Beweis gestellte Personal- und Einsatzplanung ist gleichfalls unerheblich, denn auch sie fällt nicht in die Verantwortung der für den Erlass der Allgemeinverfügung zuständigen Bezirksregierung Lüneburg. Im Übrigen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Senats nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass bei späteren Entwicklungen weitere Einsatzkräfte nicht nachgefordert werden könnten und sich die Personalplanung der Polizei deshalb stets an dem größtmöglichen Einsatz unter Einkalkulierung von Eventualitäten orientiere, so dass es alternativer Personalplanungen nicht bedürfe. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten.
Die Bezirksregierung Lüneburg war auch nicht von sich aus gehalten, in die Verwaltungsvorgänge weitere der von der Klägerin begehrten Unterlagen aufzunehmen oder weitere Informationen in den Verwaltungsakten zu dokumentieren. Die für die Gefahrenprognose tragenden Erkenntnisse und Anhaltspunkte sind in den Verwaltungsvorgängen enthalten (vgl. Anlagen zur Allgemeinverfügung/Beiakte B) bzw. im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung (3 B 66/04 und 11 ME 322/04) von der Bezirksregierung Lüneburg dargelegt worden. Die für die Ermessensentscheidung der Bezirksregierung Lüneburg maßgebenden tatsächlichen Grundlagen sind damit hinreichend dokumentiert. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Begriff des polizeilichen Notstands in der Allgemeinverfügung nicht ausdrücklich genannt worden ist. Da die dokumentierten Erkenntnisse und Anhaltspunkte das angeordnete zeitlich und räumlich beschränkte Versammlungsverbot tragen, war die ausdrückliche Erwähnung des polizeilichen Notstands, der letztlich nur eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darstellt, nicht erforderlich. Insbesondere kann allein aus der fehlenden Verwendung des Begriffs nicht auf eine fehlerhafte Ermessensausübung der Bezirksregierung Lüneburg geschlossen werden.
Auf die Frage, ob unmittelbar von der von der Klägerin geplanten Versammlung Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu erwarten gewesen wären, kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erlassenen Allgemeinverfügung nicht an. Handelt die Behörde nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstands, weil sie Gefahren für die öffentliche Sicherheit nicht allein durch ein Vorgehen gegen die Störer und den Einsatz eigener Mittel abwenden kann, ist sie gerade zur Inanspruchnahme sogenannter Nichtstörer berechtigt und dementsprechend befugt, versammlungsbeschränkende Maßnahmen auch gegen Versammlungen zu richten, die sich selbst innerhalb der Grenzen der nach Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit bewegen. Das Verhalten und die Absichten der Klägerin sind dann grundsätzlich nicht mehr relevant. Ebenso wenig ist in einer Situation des polizeilichen Notstands entscheidend, ob sich die Klägerin Aufrufe und Ankündigungen anderer Gruppen sowie rechtswidriges Verhalten Einzelner zurechnen lassen muss oder nicht und ob die einzelnen Protestinitiativen ein aufeinander abgestimmtes Gesamtkonzept verfolgt haben (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15 Rn. 41). Auch war die Bezirksregierung Lüneburg bei Erlass der Allgemeinverfügung nicht verpflichtet, gesondert auf die zeitlich vor Bekanntgabe der Allgemeinverfügung angemeldeten Versammlungen einzugehen, ihr Gefahrenpotential individuell abzuschätzen und sie in der Gefahrenprognose konkret zu würdigen. Maßgebend für den Erlass der Allgemeinverfügung war, dass anlässlich des Castor-Transports insgesamt erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit zu erwarten waren, denen nur durch versammlungsbeschränkende Maßnahmen unter Einbeziehung rechtmäßig durchgeführter Versammlungen hinreichend begegnet werden konnte. Eine gesonderte Würdigung des Gefahrenpotentials der bei Erlass der Allgemeinverfügung bereits angemeldeten Versammlungen hätte an dieser Sachlage nichts geändert und war deshalb entbehrlich. Der von der Klägerin mit Beweisantrag 1 vom 29. Mai 2008 zu c) und k) wie im Parallelverfahren 11 LC 138/06 begehrten weiteren Sachaufklärung bedurfte es demzufolge mangels Entscheidungserheblichkeit insoweit nicht.
Da eine Sachlage gegeben war, bei der den zu erwartenden erheblichen Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit nur durch versammlungsbeschränkende Maßnahmen unter Einbeziehung rechtmäßig durchgeführter Versammlungen hinreichend begegnet werden konnte, kam es auch nicht in Betracht, einzelne Gruppen von Versammlungen oder einzelne Veranstalter von vornherein von der Allgemeinverfügung auszunehmen (vgl. dazu auch Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a.a.O.). Auch konnten weitere behördliche Bemühungen um die Kooperation und Abstimmung mit Veranstaltern unterbleiben, die Versammlungen innerhalb des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung planten. Ebenso wie die Anordnung milderer versammlungsrechtlicher Maßnahmen als der verfügten räumlichen und zeitlichen Beschränkung der Versammlungsfreiheit waren derartige Bemühungen nicht als hinreichend Erfolg versprechend zur Abwehr der unmittelbar drohenden Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit anzusehen. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob das von der Bezirksregierung Lüneburg erstellte Protokoll über das am 18. Oktober 2004 durchgeführte Kooperationsgespräch die Unterredung mit Vertretern verschiedener Protestinitiativen, die Versammlungen angemeldet hatten, insoweit zutreffend wiedergibt, als darin ausgeführt wird, die Initiativen hätten auf Nachfrage bekundet, auch beim diesjährigen Castor-Transport an Blockaden der Schienen- und der Straßenstrecke festzuhalten. Selbst wenn dies - wie im Parallelverfahren 11 LC 138/06 von der dortigen Klägerin geltend gemacht - nicht bzw. nicht hinsichtlich sämtlicher Initiativen der Fall gewesen sein sollte, wird die behördliche Gefahrenprognose jedenfalls durch die übrigen vorliegenden Erkenntnisse hinreichend gestützt.
Der Erlass eines zeitlich und räumlich beschränkten Versammlungsverbots im Wege der Allgemeinverfügung war auch nicht von vornherein als untauglich anzusehen. Dies kann insbesondere nicht daraus abgeleitet werden, dass es in der Vergangenheit trotz des Erlasses von Allgemeinverfügungen immer wieder zu einzelnen rechtlich nicht geschützten oder sogar gewalttätigen Aktionen und Ausschreitungen innerhalb des von den Allgemeinverfügungen jeweils umfassten Geltungsbereichs gekommen ist. Entscheidend ist, dass ohne den Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung mit weitaus mehr nicht vom Versammlungsrecht gedeckten Aktivitäten im unmittelbaren Bereich der für den Castor-Transport vorgesehenen Transportstrecke sowie im Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben zu rechnen gewesen wäre, bei denen die Einsatzkräfte den Castor-Transport nicht mehr ausreichend gegen gezielt herbeigeführte erhebliche Behinderungen hätten schützen können (vgl. zum Castor-Transport im November 2003: Beschl. des Senats vom 16.9.2005, a.a.O.).
Ohne Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung bleibt weiterhin, ob und in welchem Umfang die Beklagte bei Umsetzung der Allgemeinverfügung deren Grenzen verkannt bzw. überschritten oder sonst außerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens gehandelt hat. Derartige Vollzugsmängel sind nicht geeignet, die Allgemeinverfügung und die ihr zugrunde liegende Gefahrenprognose in Frage zu stellen, sondern sind gegebenenfalls in gesonderten Einzelverfahren gerichtlich zu klären (vgl. bereits Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a.a.O.). In gleicher Weise ist unerheblich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Strafverfahren gegen Demonstranten von der Polizei ohne berechtigten Anlass eingeleitet bzw. später mit Freispruch beendet oder eingestellt worden sind.
Keiner Betrachtung bedarf ferner, ob die behördliche Gefahrenprognose bei einer vom heutigen Erkenntnisstand ausgehenden rückschauenden Betrachtung (ex post) durch die Ereignisse während der Abwicklung des Castor-Transports bestätigt wird. Nach § 15 Abs. 1 VersG ist die Gefahrenprognose auf der Grundlage der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu treffen. Der weitere Geschehensablauf, insbesondere der konkrete Schadenseintritt, ist für die Prognose allenfalls insofern von Bedeutung, als er eine zutreffende Prognose stützen kann. Umgekehrt ist aber ein günstigerer Geschehensverlauf grundsätzlich nicht geeignet, eine aus früherer Sicht (ex ante) nicht zu beanstandende Prognose zu entkräften (so auch Bay. VGH, Beschl.v. 26.11.1992 - 21 B 92.1672 -, BayVBl. 1993, 658 f.; vgl. zudem Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a.a.O.).
(3) Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung entspricht auch im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere sind die räumliche und zeitliche Reichweite der Allgemeinverfügung nicht zu beanstanden.
Räumlich erfasst das im Wege der Allgemeinverfügung erlassene Versammlungsverbot zunächst die Eisenbahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg, die möglichen Straßentransportstrecken von Dannenberg nach Gorleben in Gestalt der Nord- und der Südroute jeweils einschließlich eines Bereichs von 50 m beiderseits der Schienen- bzw. Straßentransportstrecke sowie Bereiche im direkten Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben. Die Allgemeinverfügung beschränkt sich insoweit auf den Schutz der für die Abwicklung des Castor-Transports unmittelbar erforderlichen Transportwege bzw. den Schutz von Orten, die aufgrund ihrer Symbolkraft in gesteigertem Maße Protest anziehen. Für diese Bereiche waren nach den dargelegten Erkenntnissen in besonderer Weise Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere durch Verhinderungsblockaden und Sachbeschädigungen, zu erwarten.
Die Einbeziehung der Verbindungsstraßen zwischen Quickborn und Kacherien nach Gusborn in den räumlichen Geltungsbereich des Versammlungsverbots begegnet gleichfalls keinen Bedenken. Dabei kann offen bleiben, ob die Verbindungsstraßen aufgrund der Transportgenehmigung oder bei Eintritt einer Notsituation in rechtlich zulässiger Weise für die Abwicklung des Transports hätten genutzt werden dürfen und ob sie ihrer Beschaffenheit nach tatsächlich dazu geeignet gewesen wären. Selbst wenn der Castor-Transport nicht über die genannten Verbindungsstraßen hätte geführt werden dürfen oder können, hat die Beklagte jedenfalls überzeugend dargelegt, dass die Polizei auf eine Nutzung der Verbindungsstraßen angewiesen war, um auf aktuell auftretende Einsatzlagen auf der Nord- oder der Südroute mit einer schnellen Verlagerung von Polizeikräften reagieren zu können (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats, Seite 5, und Schriftsatz der Beklagten vom 26.3.2008 im Verfahren 11 LC 138/06 ). Da nach dem nicht angegriffenen Vorbringen der Beklagten erst kurz vor Verlassen der Verladestation in Dannenberg festgelegt wird, ob der Castor-Transport auf der nördlichen oder der südlichen Straßentransportstrecke geführt wird und Aktionen zur Verhinderung oder zumindest größtmöglichen Behinderung des Transports entlang beider Routen zu befürchten standen, musste in Anbetracht der Länge der Transportstrecken mit dem Erfordernis der Verlagerung von Einsatzkräften gerechnet werden. Wären zu diesem Zeitpunkt auf den Verbindungsstraßen zwischen der Nord- und der Südroute Versammlungen durchgeführt worden, wie der von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg als Klägerin des Parallelverfahrens 11 LC 138/06 geplante Aufzug zwischen Langendorf und Groß Gusborn in beiden Richtungen mit einer erwarteten Teilnehmerzahl von etwa 200 Personen, die sich gegebenenfalls noch durch Zustrom von weiteren Demonstranten erhöht hätte, hätte dies einer möglichst schnellen und effektiven Verlagerung von Einsatzkräften von der Nord- auf die Südroute oder umgekehrt entgegengestanden. Ein milderes Mittel als das räumlich beschränkte Versammlungsverbot, das in gleicher Weise geeignet gewesen wäre, die bei der Länge der Transportrouten und den nur begrenzt zur Verfügung stehenden Einsatzkräften erforderliche Beweglichkeit der zum Einsatz gelangenden Beamten der Polizei und des Bundesgrenzschutzes zu erhalten, ist nicht ersichtlich. Auch wenn die Beklagte auf das Erfordernis der Verlagerung von Einsatzkräften erst im Berufungsverfahren hingewiesen hat, kann dieser Gesichtspunkt bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung berücksichtigt werden. Ein Nachschieben von Gründen begegnet - wie schon dargelegt - jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn die Gründe bereits bei Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben und sie nicht zu einer Wesensänderung des Verwaltungsakts führen (vgl. auch Wolff in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 113 Rn. 70 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 63 ff.). Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Einbeziehung der Verbindungsstraßen in das räumlich beschränkte Versammlungsverbot bedeutet auch nicht, dass der Zugang zu dem gesamten Gebiet zwischen der Nord- und der Südroute unterbunden und ein über viele Quadratkilometer reichendes "Sonderrechtsgebiet" geschaffen worden wäre. Die Allgemeinverfügung erstreckt sich ausschließlich auf die bezeichneten Bereiche und untersagt allein die Durchführung von Versammlungen. Sie hat keine Ermächtigung begründet, den Zugang zu dem Gebiet zwischen der Nord- und der Südroute insgesamt, also etwa auch für Anwohner, zu unterbinden und innerhalb der gesamten Fläche gegen Versammlungen vorzugehen. Dementsprechend ist die Allgemeinverfügung insoweit auch nicht als "Scheinverfügung" anzusehen, die tatsächlich allein dem Zweck diente, ein möglichst weit reichendes Gebiet in der Umgebung der für den Straßentransport in Betracht kommenden Nord- und Südroute für Versammlungen zu sperren, um Protestbekundungen in der Nähe des Castor-Transports zu behindern.
Hervorzuheben ist im Übrigen, dass durch die Allgemeinverfügung die Durchführung von Versammlungen, wie der von der Klägerin angemeldeten, nicht vollständig verboten worden ist. Begrenzt worden sind allein die Modalitäten der Durchführung von Versammlungen sowohl in örtlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Dieser Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, Zeit und Ort der Versammlung eigenständig festzulegen, stellt gegenüber dem vollständigen Verbot einer Versammlung das mildere Mittel dar. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt zwar grundsätzlich das Interesse des Veranstalters, einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu erzielen, und damit auch das Interesse an einer größtmöglichen Nähe zu den symbolhaltigen Örtlichkeiten (vgl. BVerfG, Beschl.v. 6.6.2007, a.a.O.; Beschl.v. 24.10.2001, a.a.O.). Durch die Verlagerung von Versammlungen in einen in Hör- und Sichtweite gelegenen Bereich werden der kommunikative Zweck der Versammlung und das anzuerkennende Interesse des Veranstalters an einem Beachtungserfolg aber nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt (vgl. BVerfG, Beschl.v. 26.3.2001, a.a.O.).
Dass außerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung keine geeigneten Versammlungsorte verblieben wären, ist nicht ersichtlich. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang erneut darauf, dass die während des Castor-Transports zu erwartenden erheblichen Störungen der öffentlichen Sicherheit die Veranstaltung von Versammlungen unmittelbar auf der Transportstrecke selbst bzw. im näheren Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben nicht zugelassen haben. Das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin hinsichtlich Zeit und Ort der von ihr geplanten Versammlung hatte deshalb nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Güterabwägung hinter das berechtigte Interesse an der Durchführung des behördlich genehmigten Castor-Transports und dessen Abwicklung ohne gezielt herbeigeführte erhebliche Behinderungen zurückzutreten. Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters einer Versammlung ist nicht vorbehaltlos geschützt. Bei zu erwartenden unmittelbaren Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit hat es vielmehr gegebenenfalls im Zuge einer Güterabwägung zurückzustehen (vgl. BVerfG, Beschl.v. 6.6.2007, a.a.O.; Beschl.v. 26.3.2001, a.a.O.; Beschl.v. 24.10.2001, a.a.O.). Insoweit waren der Klägerin auch gewisse Einschränkungen hinsichtlich der Beschaffenheit in Hör- und Sichtweite der Transportstrecke verbleibender Versammlungsorte, wie etwa von Äckern und Wiesen zuzumuten. Dass angesichts der Länge der Transportstrecke auch unter Inkaufnahme gewisser Einschränkungen bei der Wahl des Versammlungsorts überhaupt keine geeigneten Plätze für die Durchführung von Versammlungen verblieben wären, wird durch keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gestützt. Dies gilt umso mehr, als außerhalb des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung immerhin 42 angemeldete Versammlungen durchgeführt worden sind (vgl. Pressemitteilung der Polizeidirektion Lüneburg v. 9.11.2004). Konkrete Bemühungen der Klägerin, auch durch Rückfrage bei der Bezirksregierung Lüneburg einen anderen Versammlungsort entlang der Transportstrecke zu finden, sind nicht erkennbar.
Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der räumlichen Reichweite des angeordneten Versammlungsverbots ist weiterhin zu berücksichtigen, dass sich die Allgemeinverfügung neben den begrenzten Bereichen im Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben entlang der Transportstrecke mit einer Breite von 100 m auf einen relativ schmalen Korridor beschränkte (so ausdrücklich zur Allgemeinverfügung für den Castor-Transport im März 2001: BVerfG, Beschl.v. 26.3.2001, a.a.O.). Die Reichweite der räumlichen Beschränkung des Versammlungsrechts anlässlich des Castor-Transports 2004 ist insbesondere nicht mit der Ausdehnung des anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm Anfang Juni 2007 angeordneten räumlich beschränkten Versammlungsverbots vergleichbar, das mehrere Kilometer um den Veranstaltungsort herum gelegene Flächen umfasste (vgl. zum G8-Gipfel: BVerfG, Beschl.v. 6.6.2007, a.a.O.). Auch wurde in der angegriffenen Allgemeinverfügung ergänzend angekündigt, räumlich bestimmte Flächenabschnitte freizugeben, wenn diese nicht mehr für den Transport benötigt werden. Die angeordnete räumliche Beschränkung stellt sich dementsprechend im Rahmen einer Güterabwägung als das mildeste Mittel dar, um sowohl das anzuerkennende Interesse an der sicheren und ohne erhebliche Behinderungen verlaufenden Abwicklung des behördlich genehmigten Castor-Transports als auch das berechtigte Interesse an der öffentlich wahrnehmbaren Bekundung von Protest durch Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zur Geltung zu bringen.
Die Reichweite der Allgemeinverfügung ist auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Das unter Ziffer II. der Allgemeinverfügung angeordnete Versammlungsverbot beschränkte sich unter Berücksichtigung des zeitlichen Beginns am 8. November 2004 und der zum Endzeitpunkt unter Ziffer III. getroffenen Regelung auf die Zeitspanne, innerhalb derer die Abwicklung des Castor-Transports auf den bezeichneten Strecken und in den beschriebenen räumlichen Bereichen zu erwarten war. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erscheint auch die für unangemeldete öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge (sogenannte Spontanversammlungen) erfolgte Erstreckung des Versammlungsverbots auf das Wochenende vor dem Castor-Transport (6. und 7.11.2004) sachgerecht. Wie der Senat bereits im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung ausgeführt hat, war damit zu rechnen, dass der Castor-Transport in der Nacht von Sonntag, den 7. November, auf Montag, den 8. November 2004, im Bahnhof in Lüneburg eintreffen und anschließend nach Dannenberg weiterfahren würde (Beschl. des Senats v. 6.11.2004, a.a.O.). Angesichts dieser zeitlichen Nähe und im Hinblick auf den für Reparaturarbeiten nach Beschädigungen von Gleisanlagen oder des Straßenkörpers erforderlichen Zeitbedarf war es gerechtfertigt, unangemeldete Versammlungen, die behördlich zunächst nicht bekannt sind, also nicht von Beginn an polizeilich begleitet werden können, und bei denen eine verantwortliche Person, der gegenüber behördliche Anordnungen erfolgen können, erst ermittelt werden muss, sofern sie überhaupt vorhanden ist, bereits für das Wochenende vor dem Castor-Transport räumlich beschränkt zu untersagen. Die Auftaktdemonstration der Protestinitiativen sollte am 6. November 2004 erfolgen, so dass anschließend bereits mit einer erheblichen Zahl vor Ort befindlicher Demonstranten zu rechnen war. Auch wenn der Einsatz moderner technischer Geräte die Entdeckung von Beschädigungen oder Unterhöhlungen von Gleisanlagen oder Straßenabschnitten erleichtern mag, stand nach den vorliegenden Erkenntnissen zu befürchten, dass aus einem aktuellen Anlass oder unter Vorwand eines solchen initiierte Versammlungen jedenfalls von einem Teil von Demonstranten als Gelegenheit genutzt worden wären, ohne Begleitung von Einsatzkräften die Transportstrecke zu erreichen, um dort Beschädigungen vorzunehmen, die nicht ohne wesentliche zeitliche Verzögerung des nahe bevorstehenden Castor-Transports hätten behoben werden können. Der bloße Umstand, dass Beschädigungen der Transportstrecke durch den Einsatz technischer Geräte leichter zu erkennen sind, schließt aus Beschädigungen der Transportwege resultierende erhebliche Behinderungen des Castor-Transports nicht hinreichend aus, da auch der für Reparaturen bzw. Ausbesserungen der Transportstrecke notwendige Zeitbedarf zu berücksichtigen ist, durch den die Abwicklung des Castor-Transports erheblich hätte verzögert und das Erreichen des Zwischenlagers in Gorleben angesichts der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte letztlich auch hätte gefährdet werden können. Selbst wenn Beschädigungen der Transportswege durch Einsatzkräfte der Polizei und Zuhilfenahme technischer Mittel stets (rechtzeitig) erkannt und anschließend behoben werden könnten, wäre die Versammlungsbehörde im Übrigen nicht zu ihrer Duldung verpflichtet. Als strafbewehrte Sachbeschädigungen stellen Beschädigungen der Schienenwege und des Straßenraums von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckte Störungen der öffentlichen Sicherheit dar, denen - wie hier - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit versammlungsbeschränkenden Maßnahmen begegnet werden kann.
2) Soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung vom 5. November 2004 begehrt, ist die insoweit erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage gleichfalls unbegründet. Die Untersagung der von der Klägerin für den Bereich vor der Verladestation in Dannenberg angemeldeten Versammlung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Soweit die Bezirksregierung Lüneburg den auf den Antrag der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. November 2004 (3 B 66/04) hinsichtlich der teilweisen Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung zum Anlass genommen hat, das mit Bescheid vom 5. November 2004 ausgesprochene Versammlungsverbot auf eine individuelle Gefahrenprognose zu stützen, bedarf diese keiner Überprüfung. Da die von der Klägerin geplante Versammlung bereits durch die in vollem Umfang rechtmäßige Allgemeinverfügung verboten war, kommt es nicht darauf an, ob (auch) individuelle Gründe eine Untersagung der Versammlung ermöglicht hätten. Die Zulassung einer Ausnahme von dem mit Allgemeinverfügung angeordneten Versammlungsverbot kam nicht in Betracht. Entsprechend der Ankündigungen im Internet und den angeführten Zeitungsmeldungen plante die Klägerin eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straßenstrecke zwischen Dannenberg und Gorleben (vgl. Mitteilung im Internet vom 14.10.2004, Anlage 17 zur Allgemeinverfügung; Pressemitteilung vom 3.11.2004, Bl. 143 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06; Berichte der Elbe-Zeetzel-Zeitung vom 15.10. und 4.11.2004, Anlage 29 zur Allgemeinverfügung und Bl. 208 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06). In der Mitteilung der Klägerin im Internet vom 14. Oktober 2004 wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch auf die Anmeldung einer Versammlung vor dem Verladekran hingewiesen (vgl. Anlage 17 zur Allgemeinverfügung). Dass sich die angekündigte große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straßenstrecke - wie von der Klägerin geltend gemacht - allein auf symbolische und kurzfristige Aktionen, also durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte demonstrative Sitzblockaden beschränken sollte, war weder den Mitteilungen der Klägerin noch der Berichterstattung in der Presse zu entnehmen. Nach dem Artikel in der taz vom 3. November 2004 ging es den Protestinitiativen auch darum, den Castor-Transport immer wieder zu verlangsamen oder zeitweise ganz zum Erliegen zu bringen (vgl. Bl. 152 Beiakte C zum Verfahren 11 LC 138/06). Vor diesem Hintergrund war zumindest zu befürchten, dass die Versammlung der Klägerin aufgrund des gewählten symbolträchtigen Versammlungsorts unmittelbar vor dem Verladekran in Dannenberg eine nicht unerhebliche Zahl von Demonstranten angezogen hätte, die im Anschluss an eine demonstrative Sitzblockade zu Verhinderungsblockaden übergegangen wären und die Zufahrt des Geländes nicht mehr freigegeben hätten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer versammlungsrechtlichen Allgemeinverfügung sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls und insbesondere die bezogen auf den jeweils bevorstehenden Castor-Transport vorliegenden Erkenntnisse über zu erwartende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit entscheidend. Die sich insoweit fallübergreifend stellenden Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung und der Literatur hinreichend geklärt.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10 000,- Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).