Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 26.03.2015, Az.: 10 A 9932/14

Arbeitsdatei; Datenschutz; gewaltbereiter Fußballfan; Fußballfan; Personenbezogene Daten; polizeiliche Datenverarbeitung; polizeiliches Informationssystem; Verfahrensbeschreibung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
26.03.2015
Aktenzeichen
10 A 9932/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die allgemeinen Bestimmungen über die polizeiliche Datenverarbeitung in den §§ 30, 31, 38, 39 Abs. 3 Nds. SOG erlauben die Errichtung und den Betrieb einer Arbeitsdatei, in der sog. Szenekundige Beamte personenbezogene Daten aus präventivpolizeilichen Maßnahmen und und der Strafverfolgung im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen speichern.
2. Dient eine Datei mehreren Zwecken (hier: der präventiv polizeilichen Gefahrenprognose und der Verfolgung von Straftaten), und begründen diese Zwecke unterschiedlich hohe rechtliche Anforderungen an die Speicherung von Daten, sind die strengeren Anforderungen maßgeblich.
3. Die Rechtsgrundlage der Speicherung einzelner Einträge in der Arbeitsdatei richtet sich nach der Herkunft der jeweiligen Daten. Im Zusammenhang mit präventivpolizeilichen Maßnahmen erhobene Daten sind nach § 38 Abs. 1 Nds. SOG zu speichern, im Rahmen der Strafverfolgung erhobene Daten nach Maßgabe des § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG.
4. Ist die Herkunft einzelner Datensätze nicht zweifelsfrei erkennbar, sind auch insofern die strengeren Anforderungen maßgeblich. Daher ist im Zweifel anzunehmen, dass personenbezogen Daten im Rahmen der Verfolgung von Straftaten erhoben oder erlangt worden sind.

Tenor:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben und die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Juli verpflichtet, die Einträge über die Klägerin in der Arbeitsdatei Szenekundige Beamte hinsichtlich der folgenden Ereignisse zu löschen:

- Identitätsfeststellung am 3. November 2011 im Fährhafen Puttgarden

- Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs am 9. Januar 2010.

- Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs am 17.5.2009.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu drei Vierteln und die Beklagte zu einem Viertel.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Löschung personenbezogener Daten, die die Beklagte in der Datei „Szenekundige Beamte“ – SKB – zu ihrer Person gespeichert hat.

Diese Datei betreibt die Beklagte als browserbasierte Datenbank mit Zugriff von vernetzten Arbeitsplatzcomputern. Die Datenbank ist auf Servern des IT.Niedersachsen abgelegt. In der Datenbank sind personenbezogene Daten zu Personen gespeichert, die die Beklagte der Problemfanszene zurechnet. Im Fall der Klägerin sind dies neben zwei Lichtbildern Name, Geburtsdatum und -ort, der Eintrag „Ultra“ im Eingabefeld „Spitzname“, ihre Wohnanschrift und Erkenntnisse über gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen (Identitätsfeststellungen und Ingewahrsamnahmen) und Ermittlungsverfahren nach Strafprozessrecht mit Kurzsachverhalten und jeweils dem „Bezugsspiel“.

Schnittstellen oder Verknüpfungen zu anderen Dateien oder Verfahren bestehen nach der Verfahrensbeschreibung nicht. Nach Auskunft der Beklagten in der mündlichen Verhandlung werden Erkenntnisse aus der Datei anderen Behörden schriftlich mitgeteilt.

Am 12. März 2014 erließ die Polizeidirektion Braunschweig der Klägerin gegenüber ein Betretens- und Aufenthaltsverbot für das Stadtgebiet der Stadt Braunschweig.

Mit Schreiben vom 12. März 2014 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Auskunft darüber, ob und ggf. welche personenbezogene Daten zu ihrer Person in der „SKB-Datenbank“ gespeichert seien.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass personenbezogene Daten über sie in der SKB-Arbeitsdatei gespeichert seien. Neben zwei Lichtbildern, dem Geburtstag und -ort und der Wohnanschrift der Klägerin seien dies die folgenden Erkenntnisse:

Anlass

Delikt/Vorfall

Vorgangsnr/
Tagebuchnr

Tatzeit/
Vorfallszeit

Tatort (Bezugsspiel)

Straftat

Nötigung/gefährliche Körperverletzung

….    

26.10.2013

96 –Braunschweig (Vorfeld)

Straftat

Körperverletzung

….    

13.07.2013

Preußen Münster – 96

Identitätsfeststellung

Im Fährhafen Puttgarden vor Ausreise nach Dänemark

….    

03.11.2011

FC Kopenhagen – 96

Identitätsfeststellung

Nach Drittortauseinandersetzungen zwischen Bremer und Hannoveraner Ultras

….    

04.02.2011

FC Oberneuland – 96 II

Ingewahrsamnahme

zur Verhinderung von Auseinandersetzungen mit Herner Gleichgesinnten

….    

28.03.2011

Arminia Bielefeld II – Herne

Straftat

Hausfriedensbruch pp (eingestellt)

….    

09.01.2010

Arminia Bielefeld - 96

Straftat

Verdacht Landfriedensbruch (Verfahren nach § 170 II StPO eingestellt)

….    

17.05.2009

VFC Plauen – 96 II

Ingewahrsamnahme

Zur Verhinderung von anlassbezogenen Straftaten

….    

14.03.2009

96 – Borussia Dortmund

Eine weitere Auskunftserteilung lehnte die Beklagte unter Hinweis auf § 16 Abs. 4 NDSG ab.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2014 erwiderte die Klägerin auf die Ausführungen der Beklagten in dem Bescheid vom 9. Mai 2014 und beantragte ergänzend die Löschung sämtlicher in der Arbeitsdatei SKB zu ihrer Person gespeicherten Daten. Hierzu setzte sie der Beklagten eine Frist bis 30. Mai 2014, der die Beklagte nicht nachkam.

Am 12. Juni 2014 hat die Klägerin Klage erhoben mit den folgenden Anträgen:

1. der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2014 wird aufgehoben,

2. Die für die Klägerin in der durch die Beklagte geführten „SKB-Datenbank“ gespeicherten personenbezogenen Daten werden gelöscht.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, betreffend der bisherigen Speicherung der personenbezogenen Daten der Klägerin Auskunft zu erteilen über folgende Fragen:

3.1 Ist die Klägerin in der SKB-Datenbank einer spezifizierten Fan-Kategorie zugeordnet?

3.2 Ist neben dem Vor- und Zunamen der Klägerin ggf. ein Spitzname in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.3 Ist die Staatsangehörigkeit der Klägerin in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.4 Ist eine Mobil- und/oder eine Festnetznummer der Klägerin in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.5 Ist der Beruf, bzw. und/oder der Arbeitgeber der Klägerin in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.6 Ist die Zugehörigkeit zu einer Fangruppierung bzw. und/oder der Verein, dem die Sympathien der Klägerin gelten, in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.7 Ist das durch die PD Braunschweig erlassene Stadtverbot vom 12.03.2014 in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.8 Sind die von der Klägerin im Niedersachsenstadion oder anderen Fußballstadien besuchten Fußballspiele in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.9 Zu welchem Zweck sind die Daten der Klägerin in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.10 Aufgrund welcher Rechtsgrundlage wurden die Daten der Klägerin in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.11 Wo stammen die für die Klägerin in der SKB-Datenbank gespeicherten Daten her?

3.12 Wurden ggf. von welchen anderen polizeilichen Dienststellen übermittelte Daten betreffend der Klägerin in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.13 Wurden – zumindest auch – bereitgestellte Daten von Polizeibehörden außerhalb von Niedersachsen für die Klägerin in der SKB-Datenbank gespeichert?

3.14 An welche Empfänger wurden Datensätze der Klägerin aus der SKB-Datenbank weitergeleitet?

Sie gehe davon aus, dass die Polizeibehörden Erkenntnisse aus polizeilichen Datenbanken an die Hannover 96 GmbH und Co. KGaA weitergegeben hätten, die auf Grundlage dieser Erkenntnisse ein Verfahren zum Erlass eines bundesweiten Stadionverbots gegen die Klägerin eingeleitet hat.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2014 hat die Beklagte der Klägerin weitergehend Auskunft erteilt. Die Klägerin hat daraufhin „einen Großteil der Klaganträge/Auskunftsansprüche“ für erledigt erklärt. Auf Hinweis des Gerichts hat sie diese Erklärung klarstellend auf die Klaganträge zu 3.2 bis 3.5 und 3.7 bis 3.14 beschränkt und die Anträge wie folgt neugefasst:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2015 in der Gestalt des Bescheides vom 9. Juli 2014 wird aufgehoben.

2. Die für die Klägerin in der durch die Beklagte geführte SKB-Datenbank gespeicherten personenbezogenen Daten werden gelöscht.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, betreffend der bisherigen Speicherung der personenbezogenen Daten der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Fragen

3.1 Ist die Klägerin in der SKB-Datenbank einer spezifizierten Fan-Kategorie zugeordnet?

3.2 Ist die Zugehörigkeit zu einer Fangruppierung bzw. und/oder der Verein gespeichert, dem die Sympathien der Klägerin gelten?

Mit Schriftsatz vom 22. September 2014 hat die Beklagte einen Papierauszug der zu der Klägerin gespeicherten Daten und eine Abschrift der Verfahrensbeschreibung zur Gerichtsakte gereicht. Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2015 hat sie mitgeteilt, dass der Eintrag hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Körperverletzung am 13. Juli 2013 anlässlich der Begegnung Preußen Münster – Hannover 96 nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO aus der Arbeitsdatei und allen anderen polizeilichen Datenbanken gelöscht worden sei.

In der mündlichen Verhandlung am 26. März 2015 hat die Beklagte einen aktuellen Auszug aus der Datenbank vorgelegt, der in dem Feld „Spitzname“ keine Eintragung mehr enthält, dafür aber einen weiteren Eintrag über eine Gefährderansprache am 12. Juli 2014. Die Beteiligten haben daraufhin das Verfahren hinsichtlich des Auskunftsanspruchs übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt. Hinsichtlich der begehrten Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2014 hat die Klägerin die Klage zurückgenommen.

Die Klägerin begehrt weiterhin die Löschung der über sie gespeicherten personenbezogenen Daten. Die Sammlung und Speicherung von Daten zu ihrer Person seien ebenso wie die Weitergabe an Dritte rechtswidrig und verletzten sie in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Die weitere Speicherung der über sie vorgehaltenen Daten sei nicht für Zwecke der Gefahrenabwehr erforderlich. Sie bestreitet, dass die vorhandenen Erkenntnisse einen Restverdacht begründeten. Die Beklagte müsse für jeden einzelnen zu ihrer Person gespeicherten Vorfall darlegen, dass insoweit ein Resttatverdacht und insgesamt eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich gleichartiger Straftaten bestehe. Im Falle der Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO bedürfe es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Darlegung zusätzlicher Anhaltspunkte für einen Restverdacht.

Außerdem seien die Daten rechtswidrig erhoben worden. Die Arbeitsdatei Szenekundige Beamte sei ohne Rechtsgrundlage erstellt worden. Die Verfahrensbeschreibung zu der Datei verstoße in verschiedenen Punkten gegen die Vorgaben des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes: Sie sehe entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 6 NDSG keine Frist für die Sperrung und Löschung der Daten vor und enthalte auch keine Regelung zur Erteilung von Auskünften aus der Datei. Entgegen ihres eigenen Wortlauts (S. 1 oben) und entgegen § 22 Abs. 5 NDSG sei die Verfahrensbeschreibung nicht dem Landesbeauftragten für den Datenschutz übermittelt worden.

Die Verfahrensbeschreibung sei außerdem widersprüchlich. In Nr. 8.2 werde eine regelmäßige Übermittlung von Daten ausgeschlossen, zugleich sehe aber die Zweckbestimmung in Nr. 4 vor, dass „[d]ie Daten ... in den praktischen Arbeitsabläufen genutzt [würden], um die von der hannoverschen Fanszene ausgehenden Gefahren bei einer Auswärtsbegegnung der für den jeweiligen Spielort örtlich und sachlich zuständigen Polizeibehörden ... im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung als Vorausmeldung mitteilen zu können.“ Dies setze eine regelmäßige Datenübermittlung gerade voraus. So werde beispielsweise bei jedem Auswärtsspiel in Hamburg eine Datenübermittlung erfolgen, also mindestens einmal jährlich.

Die Klägerin beantragt schließlich,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Juli 2014 zu verpflichten, die in der Arbeitsdatei „szenekundige Beamte“ zur Person der Klägerin gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die weitere Speicherung der streitgegenständlichen Daten. Die Einrichtung und der Betrieb der Arbeitsdatei Szenekundige Beamte seien rechtmäßig. Es sei zwar nicht mehr nachweisbar, dass die Verfahrensbeschreibung in der ersten Fassung dem Landesbeauftragten für den Datenschutz übermittelt worden sei. Jedenfalls die Neufassung der Verfahrensbeschreibung sei ihm aber nachweisbar zugeleitet worden. Die Verfahrensbeschreibung sei auch tatsächlich zutreffend und verstoße nicht gegen Datenschutzbestimmungen. Die (weitere) Speicherung der noch in der Datei enthaltenen Einträge mit personenbezogenen Daten der Klägerin sei erforderlich, weil sie der Problemfanszene zuzuordnen sei. Die Einträge seien geeignete Anhaltspunkte für diese Einstufung. In allen noch über die Klägerin gespeicherten Ermittlungsverfahren bestehe ein Restverdacht fort.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat und soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren § 92 Abs. 3 VwGO entsprechend einzustellen. Dabei geht die Kammer davon aus, dass sich die beiderseitigen Erledigungserklärungen der Beteiligten auf die zwischenzeitlich gelöschten Einträge bezogen haben.

Mit dem noch zur Entscheidung des Gerichts gestellten Begehren ist die Klage zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I. Soweit die Klägerin begehrt, den Eintrag zu ihrer Person insgesamt und die Einträge hinsichtlich der Ingewahrsamnahme am 14. März 2009, der Ingewahrsamnahme am 28. März 2011, der Identitätsfeststellung am 4. Februar 2011, der Gefährderansprache am 12. Juli 2014 und des Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs einer Nötigung/gefährlichen Körperverletzung am 26. Oktober 2013 zu löschen, ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Löschung dieser Daten; der die Löschung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2014 erweist sich insofern als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für die Errichtung und den Betrieb der Arbeitsdatei Szenekundige Beamte und die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten in der Datei sind die allgemeinen Bestimmungen über die polizeiliche Datenverarbeitung in den §§ 30, 31, 38, 39 Abs. 3 Nds. SOG.

Nach diesem Maßstab hat die Klägerin weder hinsichtlich der Datei insgesamt (2.) noch hinsichtlich der vorstehend genannten Einträge (3.) einen Anspruch auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Löschung sämtlicher zu ihrer Person gespeicherter Daten.

a. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 6 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes – NDSG – in Verbindung mit § 48 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung – Nds. SOG –. Danach sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist.

Das ist hier nicht schon unter dem Gesichtspunkt der Fall, dass die Errichtung und der Betrieb der Arbeitsdatei Szenekundige Beamte als solche rechtswidrig wären. Die dahingehend erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

aa. Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, die Einrichtung der Datei und ihr Betrieb verstießen gegen die Vorschriften des Gesetzes über das Bundeskriminalamt – BKAG –. Diese Vorschriften sind schon dem Grund nach auf die Arbeitsdatei SKB nicht anwendbar, weil sie keine Verbunddatei des Bundeskriminalamts ist.

Verbunddateien im Sinne der §§ 8 und 9 BKAG sind die Dateien, die das Bundeskriminalamt im Rahmen seiner Aufgaben durch seine Zentralstelle führt. Schon das ist bei der Arbeitsdatei SKB, die die Beklagte in eigener Verantwortung und auf Rechensystemen unter ihrer eigenen Kontrolle führt, nicht der Fall. Dass die Beklagte aus der Datei jährlich zum Beginn einer Fußballsaison sogenannte Informationspakete an die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze in Duisburg übersendet, gebietet keine andere Beurteilung, sondern zeigt gerade, dass die Datei nicht in einem stehenden Verbund geführt wird, auf den das Bundeskriminalamt, die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze oder andere Dritte lesend und/oder schreibend zugreifen können. Ob und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze eigene (Verbund-)Dateien führt, bedarf hier keiner Entscheidung.

Angesichts dessen erweist sich der Betrieb der Datei nicht schon aufgrund einer fehlenden Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 6 BKAG als rechtswidrig. Die dahingehende Rechtsprechung der Kammer zur Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ (Urteil vom 22.5.2008 – 10 A 2412/07 –, nachgehend Nds. OVG, Urteil vom 16.12.2008 – 11 LC 229/08 –, BVerwG, Urteil vom 9.6.2010 – BVerwG 6 C 5.09 –), auf die die Klägerin dazu Bezug nimmt, ist auf die Arbeitsdatei SKB offenkundig nicht übertragbar.

Auch die weiteren Einwände der Klägerin wegen Verstößen gegen § 9 BKAG und § 34 BKAG greifen deshalb nicht durch. Das Erfordernis einer Errichtungsanordnung i. S. d. § 34 BKAG gilt (nur) für automatisierte Dateien mit personenbezogenen Daten im Zuständigkeitsbereich des Bundeskriminalamts. Im Bereich des Niedersächsischen Landesrechts bedarf es keiner Errichtungsanordnung i. S. d. § 34 BKAG, sondern einer Verfahrensbeschreibung nach § 8 NDSG.

bb. Soweit die Klägerin die von der Beklagten überreichte Verfahrensbeschreibung als unzureichend rügt, begründet dies ebenfalls keine Rechtswidrigkeit der (weiteren) Datenspeicherung oder des (weiteren) Betriebs der Arbeitsdatei.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Verpflichtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Auch aus dem Fachrecht ergibt sich hier nichts Gegenteiliges. Nach § 17 NDSG sind Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig „ist“. Diese Vorschrift stellt ausdrücklich auf den Rechtsstand zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Löschungsbegehren ab; das ist hier, nachdem der die Löschung ablehnende Bescheid der Beklagten nicht bestandskräftig geworden ist, der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Ob die Speicherung zu einem früheren Zeitpunkt unzulässig war, ist danach nicht maßgeblich.

Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Vorschrift damit durchaus Anreiz für Behörden bieten kann, personenbezogene Daten umfangreich zu speichern und im Nachhinein die formalen Voraussetzungen zu korrigieren oder erst zu schaffen. Die Vorschrift dient allerdings auch – und wohl vorrangig – den Interessen des Betroffenen, weil sie einen Löschungsanspruch auch hinsichtlich personenbezogener Daten verleiht, deren Erhebung und Speicherung ursprünglich rechtmäßig war und erst später unzulässig geworden ist. Dass vorhandene Daten, die die Behörde nach gegenwärtigem Stand (wieder) erheben und speichern könnte und dürfte, weiter gespeichert werden, ist demgegenüber eine geringfügige Belastung. Ein etwaiger tatsächlicher Vorteil der Behörde dadurch, dass sie (einst unzulässig gespeicherte) Daten überhaupt besessen hat und hat nutzen können, lässt sich im Nachhinein nicht revidieren. Ein Verbot der weiteren Speicherung solcher Daten kann daher allenfalls als Sanktion und Warnsignal verstanden werden. Für eine solche, zumal uneingeschränkte Sanktionsfunktion hat sich der Gesetzgeber aber augenscheinlich nicht entschieden.

Mithin ist die Rechtmäßigkeit des Betriebs der Arbeitsdatei anhand der gegenwärtig gültigen Verfahrensbeschreibung vom 14. August 2014 zu beurteilen. Auf etwaige, von der Klägerin gerügte Mängel der Verfahrensbeschreibung vom 1. März 2005 kommt es dagegen nicht an. Gleiches gilt für ihren Einwand, dass die Verfahrensbeschreibung vom 1. März 2005 dem Landesbeauftragten für den Datenschutz vorenthalten worden und die Arbeitsdatei als Geheimdatei geführt worden sei.

Auch soweit die Klägerin Mängel der Verfahrensbeschreibung vom 14. August 2014 rügt, greift ihr Vorbringen nicht durch.

Der Einwand, dass die Verfahrensbeschreibung unter Nr. 7 keine Fristen für die Sperrung von Daten vorsehe, trifft formal zu, denn dort sind lediglich Lösch- und Prüffristen ausdrücklich erwähnt. Im Hinblick auf § 39 a Satz 2 Nds. SOG begründet das allerdings keinen rechtlichen Mangel der Verfahrensbeschreibung. Denn die Sperrung tritt nach dieser Vorschrift an die Stelle der Löschung, wenn diese schutzbedürftige Belange des Betroffenen berühren würde oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist. Die Sperrung folgt damit der Löschungsverpflichtung und mithin auch deren Fristen. Der Formulierung in § 8 Satz 1 Nr. 6 NDSG „Fristen für die Sperrung und Löschung der Daten“ ist auch nicht zu entnehmen, dass die Fristen unabhängig voneinander oder gar unterschiedlich festzulegen wären.

Die Verfahrensbeschreibung wird auch nicht dadurch in sich widersprüchlich oder gar unwirksam, dass unter Nr. 2 neben dem zweizeiligen Feld

Bezeichnung dieser anderen Verfahren oder Dateien

X       

Verknüpfungen zu anderen Verfahren oder Dateien bestehen
nicht.

nur ein Kreuz auf Höhe der ersten Zeile angebracht ist. Das Formular sieht augenscheinlich nur ein Kreuz vor, das sich erkennbar auf den gesamten Inhalt des Feldes bezieht und zum Ausdruck bringen soll, dass keine Verknüpfung zu anderen Verfahren oder Dateien bestehen. Solche sind in dem unmittelbar angrenzenden Feld „Bezeichnung dieser anderen Verfahren oder Dateien“ auch nicht aufgeführt. Die Verfahrensbeschreibung ist insofern für einen objektiven Betrachter weder unstimmig noch unrichtig.

Die Behauptung der Klägerin, die Verfahrensbeschreibung enthalte keine Regelungen zur Auskunftserteilung, trifft sachlich nicht zu. Unter Nr. 13 der Verfahrensbeschreibung ist angekreuzt „Schriftliche Mitteilung“ (in Abgrenzung zu „Einsichtnahme vor Ort“) und „Sonstiges: § 16 NDSG“. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 NDSG bestimmt die Daten verarbeitende Stelle das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung. Von diesem Ermessen hat die Beklagte mit der Wahl der schriftlichen Auskunft mit hinreichender Klarheit Gebrauch gemacht.

cc. Soweit die Klägerin rügt, die Datei werde unter Verstoß gegen die Verfahrensbeschreibung geführt, weil eine regelmäßige Datenübermittlung stattfinde, trifft dies nicht zu.

Eine regelmäßige Übertragung im Sinne der Verfahrensbeschreibung liegt nicht schon dann vor, wenn zu konkreten Anlässen Daten übermittelt werden, auch wenn diese Anlässe selbst mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfinden oder wiederkehren. Zwar lässt der Wortlaut „regelmäßige Datenübermittlung“ in der Verfahrensbeschreibung eine solche Auslegung grundsätzlich zu. Er kann aber nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss anhand der Funktion der Verfahrensbeschreibung ausgelegt werden. Maßgeblich ist danach § 8 Satz 1 Nr. 4 NDSG, nach der in der Verfahrensbeschreibung die Art regelmäßig zu übermittelnder Daten, deren Empfänger, in den Fällen des § 6 auch die Auftragnehmer, sowie die Herkunft regelmäßig empfangener Daten festzulegen sind. Der Begriff der „regelmäßigen Übermittlung“ wird darüber hinaus im NDSG nicht verwendet. Eine Rechtsgrundlage für die regelmäßige Übermittlung enthält jedoch § 42 Abs. 3 Nds. SOG. Die Norm betrifft Datenübermittlungen, die ohne aktuelles Ersuchen in allgemein bestimmten Fällen wiederkehrend durchgeführt werden, ohne dass eine Prüfung der Erforderlichkeit der Datenübermittlung im Einzelfall erfolgt (vgl. die Ausführungsbestimmungen zu § 42 Nds. SOG). Diesen Anforderungen entsprechend sind auch § 8 Satz 1 Nr. 4 NDSG und die Verfahrensbeschreibung auszulegen. Die aus Anlass jeweils konkreter Fußballspiele unstreitig stattfindende Übermittlung von Daten an wechselnde Polizeibehörden vor Ort – die nach Auskunft des sachkundigen Beamten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung schriftlich oder per Telefax erfolgt – ist danach keine regelmäßige Übermittlung, sondern selbst dann anlassbezogen, wenn sie wiederkehrend und nach den Spielplänen der Fußballigen vorhersehbar (und damit im nichttechnischen Sinne regelmäßig) stattfindet.

dd. Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht die Errichtung der Arbeitsdatei Szenekundige Beamte auch auf einer hinreichenden Rechtsgrundlage. Sie hält sich im Rahmen der §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 3 Nds. SOG, denn sie dient der Erfüllung der Aufgaben der Polizei. Zu diesen Aufgaben gehört die allgemeine Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und die Verhütung von Straftaten (§ 1 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nds. SOG). Nach der Verfahrensbeschreibung soll die Arbeitsdatei dabei helfen, bei Fußballbegegnungen im Niedersachsenstadion die Gefährdungslage in Bezug auf das zu erwartende Verhalten, Auftreten und die Zusammensetzung der Heimfangruppierungen, sowie ihr Verhältnis zur jeweiligen gegnerischen Fanszene betrachten zu können, und bei Auswärtsspielen die jeweils zuständige Polizeidienststelle bei der zu erstellenden Gefährdungsprognose zu unterstützen. In der Erstellung solcher Gefahrenprognosen zur Einschätzung des Kräftebedarfs und der Festlegung von Einsatztaktiken liegt eine im klassischen Sinne gefahrenabwehrende Tätigkeit.

Darüber hinaus dient die Datei zur Überzeugung der Kammer auch der Verhütung von Straftaten. Das folgt aus der Verfahrensbeschreibung vom 8. August 2014, soweit danach die Datei einen „Datenrückhalt als Grundlage für die Begründung von Speicherungen in der Verbunddatei Gewalttäter Sport [schaffen soll], für die Tatsachen vorzuhalten sind, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Person künftig anlassbezogene Straftaten begehen wird.“ Jedenfalls die Verbunddatei Gewalttäter Sport dient damit ausdrücklich der Straftatenverhütung. Gleiches gilt aber auch für die Arbeitsdatei Szenekundige Beamte, soweit die darin gespeicherten Erkenntnisse zur Ergänzung und Bewertung der in die Verbunddatei Gewalttäter Sport gespeicherten Sachverhalte herangezogen werden. Auch die Einlassungen der Terminsvertreter der Beklagten zur Erläuterung der Verfahrensbeschreibung haben den Eindruck der Kammer nicht entkräften können. Soweit die Vertreterin der Beklagten hierzu ausgeführt hat, die Datei diene auch dazu, „bei Nachfragen aus kriminologischer Erfahrung einen Rückschluss darauf zu gewinnen, ob ein Bezug zum Sport besteht ... [und] ... einen Zusammenhang zu erhärten oder auszuräumen und nicht einen Erstzusammenhang zu dokumentieren“, hat die Kammer diesen „Bezug bzw. Zusammenhang konkreter Vorfälle mit dem Sport“ als Bezug gerade im Hinblick auf die für die Datei Gewalttäter Sport anzustellende Wiederholungsprognose sportanlassbezogener Straftaten verstanden.

Soweit die Klägerin behauptet, dass die Arbeitsdatei über die in der Verfahrensbeschreibung genannten Zwecke hinaus und ohne anderweitige Rechtsgrundlage auch zur Verfolgung von Straftaten genutzt werde, greift auch dieser Einwand nicht durch. Weder die bloße Möglichkeit einer rechtswidrigen oder missbräuchlichen Nutzung der Daten noch tatsächliche dahingehende Verstöße haben zur Folge, dass die Errichtung und der Betrieb der Arbeitsdatei zu den gesetzlich und in der Verfahrensbeschreibung vorgesehenen Zwecken rechtswidrig würde.

b. Die vorstehenden Erwägungen stehen auch einem Löschungsanspruch aus § 39 a Satz 1 Nds. SOG jedenfalls insofern entgegen, als die Klägerin diesen auf die Arbeitsdatei SKB insgesamt richtet. Denn dieser Löschungsanspruch setzt voraus, dass die gespeicherten Daten für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Die Kammer hat keine Zweifel, dass die Arbeitsdatei geeignet ist, die in der Verfahrensbeschreibung ausgewiesenen Zwecke zu fördern. Weil eine Erstellung der Gefahrenprognosen ohne eine entsprechende Datengrundlage kaum möglich erscheint und eine Speicherung konkreter Merkmale im allgemeinen polizeilichen Auskunftssystem für einen größeren Bearbeiterkreis recherchierbar (und daher kein weniger belastendes, milderes Mittel) wäre, erachtet die Kammer den Betrieb der Arbeitsdatei auch als erforderlich.

3. Erweist sich danach der Betrieb der Arbeitsdatei als grundsätzlich erforderlich im Sinne von § 39 a Satz 1 Nds. SOG und nicht als grundsätzlich unzulässig im Sinne der §§ 172 Abs. 6 NDSG i. V. m. §§ 48, 38 Abs. 1, 39 Abs. 3 Nds. SOG, kommt ein Löschungsanspruch nur in Bezug auf einzelne Einträge in Betracht.

Auch insofern setzt ein Löschungsanspruch voraus, dass die Speicherung der einzelnen Datensätze entweder nach § 17 NDSG i. V. m. § 48 Nds. SOG unzulässig ist – mithin die Voraussetzungen der (weiteren) Speicherung der Einträge nicht (mehr) gegeben sind – oder nach § 39 a Satz 1 Nds. SOG nicht (mehr) erforderlich ist.

a. Die Rechtsgrundlage für die Speicherung einzelner Einträge in der Arbeitsdatei richtet sich nach der Herkunft der jeweiligen Daten.

aa. Nach § 38 Abs. 1 Nds. SOG kann die Polizei im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben (der Gefahrenabwehr) Daten speichern, verändern und nutzen, die sie zum gleichen Zweck erhoben hat. Das betrifft im Fall der Klägerin die Einträge, die über gegen sie gerichtete polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr Auskunft geben, namentlich ihre Ingewahrsamnahmen am 14. März 2009 und am 28. März 2011, die Feststellung(en) ihrer Identität am 4. Februar 2011 und am 3. März 2011 sowie eine Gefährderansprache am 12. Juli 2014.

bb. Soweit die Polizei personenbezogene Daten im Rahmen der Verfolgung von Straftaten über eine tatverdächtige Person und in Zusammenhang damit über Dritte rechtmäßig erhoben oder rechtmäßig erlangt hat, darf sie nach § 39 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG auch solche Daten zu Zwecken der (allgemeinen) Gefahrenabwehr speichern, verändern oder nutzen.

Erhöhte Anforderungen gelten nach § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG, wenn diese Daten für den besonderen Zweck der Verhütung von Straftaten gespeichert, verändert oder genutzt werden. Zu diesem Zweck darf die Polizei die (im Rahmen der Verfolgung von Straftaten erhobenen oder erlangten) Daten nur speichern, verändern oder nutzen, wenn dies wegen der Art, Ausführung oder Schwere der Tat sowie der Persönlichkeit der tatverdächtigen Person zur Verhütung von vergleichbaren künftigen Straftaten dieser Person erforderlich ist.

cc. Ist nach diesen Maßstäben der rechtliche Rahmen der Speicherung nicht eindeutig bestimmbar, weil weder die Herkunft der einzelnen Einträge noch der Zweck ihrer Speicherung und jeweiliger Zugriffe nachvollziehbar dokumentiert sind, geht die Kammer davon aus, dass an die weitere Speicherung die jeweils höchsten in Frage kommenden rechtlichen Anforderungen zu stellen sind.

Daraus folgt zunächst, dass für jeden Eintrag anzunehmen ist, dass seine Speicherung dem Zweck der Straftatenverhütung dient. Denn mit jeder Abfrage zu ihrer Person kann auf die gespeicherten Daten der Klägerin insgesamt zugegriffen werden, ohne dass danach differenziert würde, ob die Abfrage zur Erstellung einer allgemeinen Gefahrenprognose erfolgt oder zur Verhütung von Straftaten.

Sodann ist im Zweifel anzunehmen, dass die personenbezogenen Daten der Klägerin im Rahmen der Verfolgung von Straftaten erhoben oder erlangt worden sind, soweit nicht das Gegenteil klar erkennbar ist. Das folgt aus der Überlegung, dass die erhöhten Anforderungen an die Wiederholungsprognose nach § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG nur für Daten im Sinne des § 39 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG gelten, die im Rahmen der Verfolgung von Straftaten erhoben oder erlangt worden sind.

Hiervon ausgehend hält die Kammer jedenfalls alle Einträge, bei denen der Ausgang oder das Aktenzeichen eines Ermittlungsverfahrens vermerkt ist, für Daten im Sinne von § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG. Das sind hier die Einträge betreffend „Verdacht Landfriedensbruch (eingestellt § 170, II StPO)“ am 17.5.2009 und „Hausfriedensbruch pp (eingestellt)“ am 9.1.2010. Ebenso nach § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG zu beurteilen sind Einträge, in denen konkrete Straftatbestände genannt sind, hier der Vorfall vom 26.10.2013 mit dem Eintrag „Nötigung/gef. KV“.

Nur Einträge, aus denen hinreichend klar hervorgeht, dass sie einen ausschließlich präventivpolizeilichen Zusammenhang betreffen, sind dagegen nach § 38 Abs. 1 Nds. SOG zu beurteilen. Das kann sich daraus ergeben, dass die beschriebenen Handlungsformen erkennbar dem allgemeinen Polizeirecht zuzuordnen sind, etwa wenn von einer Ingewahrsamnahme und nicht von einer Festnahme die Rede ist. Das kann auch auf Maßnahmen zutreffen, die – wie die Gefährderansprache – bisher nicht als polizeiliche Standardmaßnahmen normiert sind. Schließlich kann auch die Beschreibung der Umstände einen präventiven Charakter erkennen lassen, beispielsweise bei einer „Ingewahrsamnahme zur Verhinderung von ...“.

b. Nach diesen Maßstäben ergibt sich für die Einträge hinsichtlich der Ingewahrsamnahme am 14. März 2009, der Ingewahrsamnahme am 28. März 2011, der Identitätsfeststellung am 4. Februar 2011, der Gefährderansprache am 12. Juli 2014 und des Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs einer Nötigung/gefährlichen Körperverletzung am 26. Oktober 2013 folgendes:

aa. Die Einträge hinsichtlich der Ingewahrsamnahme am 14. März 2009, der Ingewahrsamnahme am 28. März 2011, der Identitätsfeststellung am 4. Februar 2011 und der Gefährderansprache am 12. Juli 2014 sind hinsichtlich der Zulässigkeit ihrer Speicherung nach § 38 Abs. 1 Nds. SOG zu beurteilen. Sie sind erkennbar präventivpolizeilichen Maßnahmen zuzuordnen; dass die personenbezogenen Daten im Rahmen der Verfolgung von Straftaten erhoben worden sind, ist nicht ersichtlich.

bb. Dagegen ist der Eintrag hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs einer Nötigung/gefährlichen Körperverletzung am 26. Oktober 2013 hinsichtlich der Zulässigkeit der Speicherung nach § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG zu beurteilen, weil die personenbezogenen Daten im Rahmen der Strafverfolgung erhoben worden sind. Die Speicherung darf daher nur erfolgen, wenn sie wegen der Art, Ausführung oder Schwere der Tat sowie der Persönlichkeit der tatverdächtigen Person zur Verhütung von vergleichbaren künftigen Straftaten dieser Person erforderlich ist.

c. Weder aus § 17 NDSG i. V. m. § 48 Nds. SOG noch aus § 39 a Satz 1 Nds. SOG ergibt sich danach ein Anspruch der Klägerin auf die Löschung dieser Daten.

aa. Die Speicherung der Einträge über die Ingewahrsamnahme am 14. März 2009, die Ingewahrsamnahme am 28. März 2011, die Identitätsfeststellung am 4. Februar 2011 und die Gefährderansprache am 12. Juli 2014 ist nach § 38 Abs. 1 Nds. SOG zulässig. Die Daten wurden im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Polizei und nicht ausschließlich zur Dokumentation polizeilichen Handelns im Sinne von § 39 Abs. 2 Nds. SOG erhoben und können zu dem gleichen Zweck auch in der dafür eingerichteten Arbeitsdatei gespeichert werden.

Einem Löschungsanspruch aus § 39 a Satz 1 Nds. SOG steht entgegen, dass die (weitere) Speicherung dieser Daten im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist. Die Einträge sind aus sich heraus aussagekräftig und geben Auskunft darüber, dass die Klägerin mehrmals Adressatin polizeilicher Maßnahmen geworden ist:

Am 14. März 2009 ist sie im Zusammenhang mit dem Fußballspiel Hannover 96 – Borussia Dortmund „zur Verhinderung von anlassbezogenen Straftaten“ in Gewahrsam genommen worden. Am 4. Februar 2011 wurde „nach Drittortauseinandersetzungen zwischen Bremer und Hannoveraner Ultras“ anlässlich der Begegnung FC Oberneuland – Hannover 96 II die Identität der Klägerin festgestellt. Am 28. März 2011 wurde sie „zur Verhinderung von Auseinandersetzungen mit Herner Gleichgesinnten“ wiederum in Gewahrsam genommen. Am 12. Juli 2014 wurde ihr gegenüber im Zusammenhang mit dem Testspiel 1. FC Germania Egestorf/Langreder – Hannover 96 (auch) eine Gefährderansprache vorgenommen.

Im Hinblick auf den Zweck der Arbeitsdatei, die Erstellung valider Gefahrenprognosen zu unterstützen, sind diese Umstände von Relevanz. Denn sie lassen einerseits den Schluss zu, dass die Klägerin entweder die jeweiligen Fußballbegegnungen besucht oder sich anlässlich dieser Begegnungen in deren Umfeld aufgehalten hat. Zugleich geben sie Aufschluss über die Bereitschaft der Klägerin, Auswärtsspiele zu besuchen, über die von ihr (bisher) besuchten Spielpaarungen und die daran beteiligten Vereine, hier die Erstligamannschaft und die Reserve von Hannover 96 sowie Arminia Bielefeld bzw. Arminia Bielefeld II.

Sodann lassen die Vorfälle erkennen, dass die Klägerin in der Vergangenheit polizeilich dahingehend in Erscheinung getreten ist, dass sie seitens der konkret handelnden Beamten dem Kreis der polizeirechtlich Verantwortlichen zugerechnet worden ist. Für die Erstellung polizeilicher Prognosen ist diese Zuordnung auch dann relevant, wenn sie der Klägerin in einzelnen oder auch in allen Fällen zu Unrecht widerfahren ist. Denn die Beklagte erstellt diese Prognosen nicht (nur) im Hinblick auf zu erwartende Handlungen der Klägerin, sondern auch im Hinblick auf die erforderliche Kräftezahl und die Einsatztaktik bei Fußballspielen insgesamt. Prognostisch relevante Anhaltspunkte liegen deshalb schon darin, dass in der Vergangenheit ein polizeiliches Einschreiten gegen die Klägerin nach der jeweiligen Einschätzung der Einsatzkräfte vor Ort erforderlich war und tatsächlich Kräfte gebunden hat. Ein Schuldvorwurf oder die Behauptung eines Resttatverdachts ist mit der Speicherung insofern nicht verbunden, aber auch nicht rechtliche Voraussetzung der Speicherung.

Die Beklagte könnte zwar derartige Anhaltspunkte auch personenunabhängig speichern. Dieses mildere und ebenfalls geeignete Mittel ist allerdings nicht in gleicher Weise zweckförderlich. Denn bei einer anonymisierten Erfassung allein der Anzahl der von polizeilichen Maßnahmen betroffenen Personen ließe sich eine Einschätzung zu erwartender Fangruppen nur hinsichtlich ihres Umfangs, nicht aber hinsichtlich der Zusammensetzung treffen.

bb. Die Speicherung des Eintrags hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs einer Nötigung/gefährlichen Körperverletzung am 26. Oktober 2013 ist nach § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG zulässig. Die Einschätzung der Beklagten, dass hinsichtlich dieser Taten ein Restverdacht gegen die Klägerin besteht, der die Prognose trägt, dass sie auch zukünftig gleichartige Straftaten begehen könnte, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Das ergibt sich aus dem von der Beklagten mitgeteilten Sachverhalt, nach dem der Klägerin vorgeworfen worden ist, in einer Nacht vor dem szenewichtigen Erstligaheimspiel gegen Eintracht Braunschweig im Nahbereich des Niedersachsenstadions zwei Unbekannte genötigt zu habe, ihre Identität und hannoversche Herkunft durch Vorlage ihrer Personalausweise nachzuweisen. Soweit die Klägerin demgegenüber einwendet, sie sei mit einem Freund aus der Gruppe etwas zurückgefallen und habe dann nur schlichtend eingegriffen, steht das der Annahme eines Restverdachts nicht entgegen. Zum einen wurde das gegen die Klägerin geführte Strafverfahren nicht wegen erwiesener Unschuld, sondern gem. § 153 a StPO nach Erfüllung einer Geldauflage eingestellt. Sodann rechtfertigen auch die festgestellten Umstände die Annahme der Beklagten, dass die Klägerin und ihre Begleiter sich am Niedersachsenstadion in der Erwartung aufgehalten haben, dass Anhänger der Eintracht Braunschweig dort Störaktionen durchführen könnten. Einen plausiblen Grund, sich um kurz vor drei Uhr nachts im Nahbereich des Stadions aufzuhalten, hat die Klägerin nicht genannt. Dass sie zufällig einige Bekannte getroffen und mit diesen einen Spaziergang gemacht haben will, erachtet die Kammer als Schutzbehauptung. Ebenso wenig hat die Klägerin einen plausiblen Anlass dafür dargelegt, dass ihre Begleiter im Rahmen der Auseinandersetzung mit Dritten von diesen deren Ausweise verlangt haben.

II. Soweit die Klägerin darüber hinaus die Löschung der Einträge begehrt, die die Ermittlungsverfahren wegen der Vorwürfe des Landfriedensbruchs am 17. Mai 2009 und Hausfriedensbruchs am 9. Januar 2010 und die Identitätsfeststellung am 3. November 2011 im Fährhafen Puttgarden betreffen, ist die Klage begründet. Die Klägerin hat hinsichtlich dieser Einträge einen Löschungsanspruch aus § 17 NDSG i. V. m. §§ 48, 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG bzw. aus § 39 a Nds. SOG. Der die Löschung ablehnende Bescheid vom 9. Juli 2014 erweist sich insofern als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO).

1. Für die Einträge, die die Ermittlungsverfahren betreffen, ergibt sich der Löschungsanspruch aus § 17 NDSG i. V. m. § 48 Nds. SOG. Die Zulässigkeit der Speicherung ist hinsichtlich dieser Einträge nach § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG zu beurteilen, weil die personenbezogenen Daten im Rahmen der Strafverfolgung erhoben worden sind. Die Speicherung darf daher nur erfolgen, wenn sie wegen der Art, Ausführung oder Schwere der Tat sowie der Persönlichkeit der tatverdächtigen Person zur Verhütung von vergleichbaren künftigen Straftaten dieser Person erforderlich ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

a. Das Verfahren wegen Landfriedensbruchs gegen die Klägerin wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das steht der Speicherung dieses Verfahrens nicht per se entgegen, solange ein Restverdacht besteht, dass die Klägerin die ihr vorgeworfene Tat begangen haben könnte. Die Berücksichtigung von Verdachtsgründen, die auch nach einer Verfahrensbeendigung durch Freispruch oder Einstellung fortbestehen können, verstößt nicht höherrangiges Recht. Sie ist insbesondere mit der im Strafrecht geltenden Unschuldsvermutung vereinbar, weil sie schon keine Schuldfeststellung oder -zuweisung darstellt, wenn und soweit sie bei Wiederholungsgefahr anderen Zwecken, insbesondere der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, dient (s. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231).

Im Falle eines Freispruchs oder der Verfahrenseinstellung bedarf es aber im Hinblick auf die in § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG geforderte Wiederholungsgefahr einer sorgfältigen Prüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung zur präventiv-polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen. Diese Prüfung ist einer schematischen Betrachtung nicht zugänglich, sondern bedarf der eingehenden Würdigung aller hierfür relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Gründe für den Freispruch.

Aus sich heraus trägt der Eintrag „Straftat | Verdacht Landfriedensbruch (eingestellt 170 II StPO | VFC-Plauen - 96 II“ nach diesem Maßstab keine für eine Speicherung hinreichende Wiederholungsgefahr gleichartiger Straftaten. Die bloße Angabe eines Straftatbestands lässt bei einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keinen Aufschluss darüber zu, welche tatsächliche Handlung der Klägerin vorgeworfen worden ist, und ob die Einstellung des Verfahrens darauf beruht, dass sie diese tatsächlich nicht begangen hat oder ob die vorgeworfene tatsächliche Handlung schon nicht unter den Tatbestand der angegebenen Strafvorschrift fällt.

Auch der in der Datei nicht gespeicherte, von der Beklagten erst im gerichtlichen Verfahren ergänzte Kurzsachverhalt gibt dahingehend keinen Aufschluss. Die Beklagte hat lediglich mitgeteilt, dass die Klägerin Mitglied einer ca. 20 Personen starken Gruppe gewesen sei, die im Nahbereich des Stadions aus einer Straßenbahn gestiegen sei. Einige Personen aus der Gruppe hätten sich in einem Waldstück mit Holzknüppeln bewaffnet, dann sei die Gruppe in Richtung des Heimbereichs der Fans von Plauen gelaufen. Dort hätten sich Plauener Fans aufgehalten und gegrillt. Eine Konfrontation sei durch polizeiliche Maßnahmen verhindert worden. Die Klägerin sei Bestandteil der Gruppierung aus Hannover gewesen. Dieser Sachverhalt begründet keinen Restverdacht hinsichtlich der Klägerin. Denn für eine Beteiligung an einem Landfriedensbruch i. S. d. § 125 Abs. 1 StGB genügt es nicht, bloßer Teil der Menschenmenge gewesen zu sein, aus der heraus Gewalttätigkeiten begangen (oder hier: zu begehen versucht) wurden. Ob sich jemand an diesen „als Täter oder Teilnehmer beteiligt" hat und damit Täter des Landfriedensbruchs ist, bestimmt sich vielmehr nach den allgemeinen Teilnahmegrundsätzen der §§ 25 ff. StGB. Danach stellt jedoch das bloß inaktive Dabeisein oder Mitmarschieren weder eine psychische Beihilfe noch ein bestimmte Gewalttätigkeiten auf andere Weise unterstützendes Verhalten dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9.9.2008 – 4 StR 368/08 –, juris). Täterschaftliche Handlungen in diesem Sinne wirft auch die Beklagte der Klägerin nicht vor.

Der Eintrag ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zulässig, dass aus dem mitgeteilten Sachverhalt hervorgeht, dass ein Angriff durch (präventiv-)polizeiliches Einschreiten unterbunden worden ist und damit auch ein Handeln vorlag, in dessen Rahmen personenbezogene Daten nach § 38 Abs. 1 Nds. SOG hätten erhoben und gespeichert werden können, ohne die strengeren Anforderungen des § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG zu erfüllen. Gegenstand des Löschungsantrags ist der Eintrag in seiner gegenwärtigen Form, der die Klägerin dem Verdacht aussetzt, die ihr vorgeworfene Straftat begangen zu haben. Dieser Makel ist maßgeblich für den rechtlichen Rahmen der Speicherung.

bb. Auch hinsichtlich des Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs ist der Eintrag in der Arbeitsdatei aus sich heraus nicht geeignet, einen Resttatverdacht zu begründen, der eine den Maßstäben des § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG genügende Wiederholungsprognose trägt. Der Eintrag beschränkt sich auf die Nennung eines Straftatbestands ohne tatsächliche Angaben und ist daher unergiebig.

Darüber hinaus hat die Beklagte selbst mitgeteilt, dass keine Erkenntnisse mehr erlangt werden konnten und „falls erforderlich, ... die Ermittlungsakte beizuziehen“ sei. Insofern ist schon nicht erkennbar, dass die Beklagte bei der Speicherung überhaupt eine Prüfung der Voraussetzungen des § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG vorgenommen und einen Resttatverdacht hinterfragt hat.

Erst die Klägerin hat hierzu – von der Beklagten unwidersprochen – den Anlass des Ermittlungsverfahrens dahingehend geschildert, dass Fußballfans Getränke aus einem Bord-Bistro eines Zuges der Deutschen Bahn entwendet haben sollen. Ob und ggf. auf welcher tatsächlichen Grundlage dabei ein Restverdacht gegen die Klägerin bestand und fortbesteht, bleibt offen. In der von der Klägerin vorgelegten Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 25. März 2010 – …. – ist festgehalten, dass der Klägerin eine Sachbeschädigung oder ein Diebstahl nicht nachzuweisen sei und ein Hausfriedensbruch tatbestandlich nicht vorliege. Aus der Verfügung geht außerdem hervor, dass die Beschuldigten keine Einstellungsnachricht erhalten haben, weil sie nicht verantwortlich vernommen worden sind. Ein Restverdacht wegen Hausfriedensbruchs – und nur dahingehend lautet der Eintrag in der Arbeitsdatei – lässt sich angesichts dessen unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt annehmen.

Selbst wenn man einen Restverdacht bejahen wollte, müsste die Beklagte zudem eine Wiederholungsprognose dahingehend anstellen, dass von der Klägerin erneute, gleichartige Straftaten zu erwarten seien. Auch eine solche Wiederholungsprognose trägt der Eintrag in der Arbeitsdatei nicht. Weder ist Hausfriedensbruch ein „szenetypisches Delikt“, dessen Zusammenhang mit Sportereignissen sich nach allgemeiner Anschauung sofort erschließt, noch wird ohne Kenntnis des Sachverhalts überhaupt erkennbar, dass die konkret vorgeworfene Tat tatsächlich im Umfeld des Freundschaftsspiels Arminia Bielefeld gegen Hannover 96 geschehen ist, wie der Eintrag im Feld „Bezugsspiel/Anlass“ suggeriert. Hierzu hätte es zumindest einer Angabe zum Ort des Vorfalls bedurft. Dass der Vorgang bei der Bundespolizeiinspektion Münster bearbeitet worden ist, ist allenfalls ein Anhalt. Zwar liegt auch Bielefeld im Revier dieser Bundespolizeiinspektion; der Zuständigkeitsbereich erstreckt sich allerdings auf ein Gebiet von der hessischen bis kurz vor die niederländische Grenze und nahezu das gesamte Grenzgebiet zu Niedersachsen einschließlich mehrerer Bahnstrecken.

cc. Hinsichtlich der Speicherung einer Identitätsfeststellung am 3. November 2011 im Fährhafen Puttgarden ist die Speicherung aufgrund von § 38 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG zu beurteilen, nach dem die Beklagte personenbezogene Daten schon zu einfachen Zwecken der Gefahrenabwehr speichern darf. Diese Voraussetzungen erachtet die Kammer als gegeben.

Dabei geht die Kammer aufgrund des von der Klägerin vorgelegten Schreibens der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt vom 13. Januar 2012 davon aus, dass diese Daten von der Bundespolizei im Rahmen der Aufgabenerfüllung der präventiven Gefahrenabwehr erhoben und an die Beklagte weitergeleitet worden sind, nicht aber im Sinne von § 39 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG ausschließlich zur befristeten Dokumentation gespeichert worden sind. Soweit in dem Schreiben von einer Speicherung zur befristeten Dokumentation polizeilichen Handelns die Rede ist, geht die Kammer davon aus, dass es sich um die (weitere) Speicherung im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei handelt, die mit dem Schreiben zugleich einen Antrag der Klägerin auf Löschung dieser Daten ablehnt.

Der Anspruch aus Löschung ergibt sich hier aus § 39 a Nds. SOG, weil die Speicherung jedenfalls in der gegenwärtigen Form nicht zu einem der in den §§ 38, 39 Nds. SOG genannten Zwecke erforderlich ist. Das folgt hier aus der geringen Aussagekraft des Eintrags in der Arbeitsdatei und den besonderen Umständen des Fußballspiels, in dessen Zusammenhang die Identitätsfeststellung erfolgt ist.

Dass die Klägerin kontrolliert und ihre Identität festgestellt worden ist, gibt keinen Aufschluss darüber, dass sie als Handlungsstörerin in Anspruch genommen worden ist. Die Kontrolle erfolgte nach der Auskunft der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt vom 13. Januar 2012 als grenzpolizeiliche Kontrolle, die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 lit. a) BPolG zur Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt auch ohne Vorliegen einer konkreten Gefahr erlaubt ist und jeden Bürger treffen kann.

Der bloße Umstand der Kontrolle lässt daher nur den Rückschluss auf die Ausreise der Klägerin zu. Selbst wenn dies in anderen Fällen zumindest Aufschluss über die Mobilität der Klägerin und ihre Bereitschaft zum Besuch von Auswärtsspielen zulässt, greifen auch diese Überlegungen für das konkrete Spiel am 3. November 2012 nicht.

Die Teilnahme von Hannover 96 an der Europa League als zweitwichtigsten europäischen Wettbewerb gilt gemeinhin als ein sportlicher Höhepunkt der Vereinsgeschichte. Das Auswärtsspiel in Kopenhagen ist unter großer medialer Aufmerksamkeit wie kaum ein anderes Spiel in der Geschichte des Vereins von Auswärtsfans begleitet worden. Unter diesen Fans waren zahlreiche Fans, die sonst selten oder nie Auswärtsspiele besuchen. Dass die Klägerin zu diesem Spiel hat reisen wollen, hat sie mit tausenden Fans gemein. Aufgrund der besonderen Umstände dieses Spiels lässt die Tatsache, dass sie bei der Anreise dorthin kontrolliert worden ist, daher weder auf eine besondere Mobilität noch auf einen regelmäßigen Besuch von Auswärtsspielen schließen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 2, § 155 Abs. 2, Abs. 1 VwGO. Dabei geht die Kammer hinsichtlich des erledigten Teils des Klagebegehrens davon aus, dass die Klägerin die Kosten nach dem Rechtsgedanken des § 156 VwGO zu tragen hat. Die Beklagte hat den Anspruch sofort anerkannt und der Klage insoweit abgeholfen; sie hat durch ihr Verhalten auch keinen Anlass zur Klage gegeben, weil die Klägerin die streitgegenständlichen Fragen erst mit der Klage an sie herangetragen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

IV. Die Kammer hat die Berufung zugelassen, weil sie der Frage, ob die Errichtung und der Betrieb der Arbeitsdatei Szenekundige Beamte als solche rechtmäßig sind, grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beimisst.