Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.05.1999, Az.: XI 679/97
Anspruch auf Aufhebung eines Einkommensteuerbescheides; Begriff des Arbeitnehmers im Einkommensteuerrecht; Pflicht zur Einbehaltung und Abführung des Solidaritätszuschlages
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 06.05.1999
- Aktenzeichen
- XI 679/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19486
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0506.XI679.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 631 BGB
- § 135 Abs. 1 FGO
Fundstelle
- NWB DokSt 1999, 1250
Verfahrensgegenstand
Lohnsteuerfestsetzung 4-7/97
Der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 6. Mai 1999,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Zusteller von Anzeigenblättern sowie die Kontrolleure, die die ordnungsgemäße Zustellung überwachen, Arbeitnehmer der Klägerin sind.
Die Klägerin betreibt den Vertrieb und die Zustellung von Druckerzeugnissen, u.a. seit 1997 auch die Zustellung des Verlagsobjektes "...". Dabei handelt es sich um ein sog. Anzeigenblatt, das mittwochs mit einer Auflage von ca. 80.000 Stückund sonntags mit einer Auflage von ca. 105.000 Stück in ... und Umgebung kostenlos an die Haushalte verteilt wird.
Die Anzeigenblätter stehen mittwochs ab ca. 14.00 Uhr und sonntags ab ca. 7.00 Uhr zur Verteilung zur Verfügung. Mit der Zustellung des Blattes sind ca. 500 Zusteller betraut. Sie haben mit der Klägerin eine Agenturvertrag genannte Vereinbarung (Bl. 13 Gerichtsakte - GA) geschlossen. Nach § 1 übernimmt der Zusteller "unter Wahrung der Selbständigkeit ... als selbständiger Unternehmer i.S.d. HGB die Zustellung der in § 2 bezeichneten Druckerzeugnisse". Dabei ist jedem Zusteller ein Bezirk zugewiesen, in dem er die Druckerzeugnisse an sämtliche Haushalte, Handels- und Gewerbebetriebe, Behörden und sonstige Einrichtungen zu verteilen hat. Nach § 3 hat der Zusteller im Krankheitsfall und bei Verhinderung, sofern er die Verteilung nicht durch eine Ersatzperson vornehmen lässt, die Klägerin sofort zuverständigen. Der Zusteller haftet für die ordnungsgemäße Verteilung der Druckerzeugnisse durch seinen Ersatzmann. § 4 des Vertrages sieht eine Schadensersatzpflicht des Zustellers bei nicht vertragsgemäßem Verhalten vor. Die Vergütung richtet sich nach der Zahl der ausgetragenen Druckerzeugnisse. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen mit den Zustellern und der im wesentlichen gleichlautenden Vereinbarungen mit den Kontrolleuren, die allerdings eine monatliche Vergütung erhalten, wird auf die von der Klägerin vorgelegten Formulare (Bl. 13, 14 GA) verwiesen. Über die im Vertrag festgelegte Vergütung hinaus können die Kontrolleure im Rahmen von Zusatz- oder Sonderkontrollen auf Stundenbasis zuzüglich Kilometergeld Sondervergütungen abrechnen.
Der Beklagte sieht in den Zustellern und Kontrolleuren Arbeitnehmer der Klägerin, für die die Klägerin Lohnsteuern anzumelden und abzuführen hat. Mit Bescheiden über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 29.10.1997 für das zweite Vierteljahr 1997 und für Juli 1997 (Bl. 49, 53 Lohnsteuerarbeitgeberakte - LStA) setzte der Beklagte abweichend von der Anmeldung Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag auch für die an die Zusteller und Kontrolleure gezahlten Vergütungen fest. Hiergegen richtet sich die am 20.11.1997 beim Finanzamt angebrachte Sprungklage. Der Beklagte stimmte der ihm am 20.01.1998 zugestellten Sprungklage mit einem am 20.02.1998 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz zu (Bl. 18, 19 GA).
Die Klägerin meint, die Zusteller und Kontrolleure seien Selbständige. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalles handele es sich bei ihnen nicht um Arbeitnehmer. Es fehle die persönliche Abhängigkeit von der Klägerin. Da die Zusteller nur verpflichtet seien, die Druckerzeugnisse am Erscheinungstag zu verteilen, verbleibe ihnen ein Zeitraum von mehr als 10 Stunden, wodurch es an einer Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeitund Inhalt der Tätigkeit mangele. Es sei keine feste Arbeitszeit vereinbart. Dass die Tätigkeit gleichbleibend im zugeteilten Zustellbezirk ausgeübt werde, geschehe nur, um Überschneidungen zu vermeiden, und sei mit der Tätigkeit eines Arbeitnehmers, z.B. in Büroräumlichkeiten, nicht vergleichbar. Die Vergütungen der Zusteller bewegten sich zwar regelmäßig in einem bestimmten Rahmen, doch könnten sie durch die Übernahme weiterer Bezirke und den Einsatz etwaiger Transportmittel selbst über die Höhe der ihnen zufließenden Gewinne entscheiden.
Ansprüche auf Urlaub, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Überstundenvergütung oder auf sonstige Sozialleistungen seien nicht vereinbart. Den zeitlichen Umfang der Dienstleistungen bestimmten die Zusteller selbst, weil lediglich ein Erfolg, nicht aber eine Dienstleistung geschuldet werde. Zusteller und Kontrolleure könnten und müßten völlig selbständig über die Organisation und Durchführung ihrer Tätigkeit entscheiden. Durch die Möglichkeit, weitere Zustellbezirke zu übernehmen und den Einsatz etwaiger Transportmittel trügen die Zusteller auch ein nicht unerhebliches Unternehmerrisiko. Dadurch könnten sie, wenn auch in relativ geringem Umfang, auch Unternehmerinitiative entfalten. Der geringe Kapitaleinsatz sei nur auf die Art der Tätigkeit zurückzuführen und lasse keinen Schluss auf eine Arbeitnehmertätigkeit zu. Die Zusteller und Kontrolleure seien nicht verpflichtet, Arbeitsmittel zu beschaffen, weil praktisch keine Arbeitsmittel für die Zustellung der Anzeigenblätter benötigt würden. Es gebe keine irgendwie geartete Zusammenarbeit der Zusteller und Kontrolleure mit anderen Mitarbeitern, weil solche nicht vorhanden seien. Die Zusteller und Kontrolleure seien auch nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert, weil ein solcher Betrieb schon nicht vorhanden sei. Entscheidend sei, dass ausweislich des Agenturvertrages die Zusteller und die Kontrolleure lediglich den Erfolg ihrer Tätigkeit schuldeten und sich nach ihrer freien Entscheidung durchaus anderer Personen für die Erbringung des so geschuldeten Erfolges bedienen bzw. vertreten lassen könnten. Dass es sich bei der Zustellung von Anzeigenblättern um eine relativ einfache Tätigkeit handele, sei unschädlich, weil es im konkreten Fall an einer Weisungsabhängigkeit fehle.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für das zweite Vierteljahr 1997 dahin zu ändern, dass die Lohnsteuer auf 3.578,65 DM und der Solidaritätszuschlag auf 268,37 DM, und den Bescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für Juli 1997 dahin zu ändern, dass die Lohnsteuer auf 1.049,66 DM und der Solidaritätszuschlag auf 78,71 DM herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt Klagabweisung.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die Zustellerund Kontrolleure Arbeitnehmer der Klägerin seien. Sie stünden in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung der Klägerin und seien in den geschäftlichen Organismus der Klägerin eingegliedert. Bei derart einfachen Arbeiten wie dem Zeitungverteilen sei nach ständigen Rechtsprechung des BFH eher eine Eingliederung anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten. Es reiche daher im Streitfall aus, dass die Klägerin durch die Zuteilung eines Zustellbezirks und eines zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen die Austeilung zu erfolgen hat, Weisungen erteile. Ein Unternehmerrisiko der Zusteller und Kontrolleure sei nicht feststellbar. Die Verdienstmöglichkeiten würden durch die in dem Zustellbezirk vorhandenen Haushalte und durch die Zahl der zu verteilenden Anzeigenblätter festgelegt. Die Höhe des Verdienstes durch die Wahl des Transportmittels zu beeinflussen, sei lediglich eine theoretische Möglichkeit und stelle kein Unternehmerrisiko dar. Die Schadensersatzverpflichtung sei auch nicht mit dem Tragen eines unternehmerischen Risikos gleichbedeutend. Ob in dem Vertrag die mit einem Arbeitsverhältnis verbundenen Sozialleistungen vereinbart worden seien oder nicht, spiele keine Rolle. Derartige Regelungen gehörten nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein solches habe - regelmäßig - zur Folge, dass entsprechende Ansprüche entstünden. Auch der Tatsache, dass sich die Zusteller durch Dritte vertreten lassen könnten, komme keine entscheidende Bedeutung bei. Das äußere Erscheinungsbild, dem eine maßgebende Bedeutung zukomme, spreche für die Arbeitnehmerstellung der Zusteller. Ihre Tätigkeit würde danach nämlich als unselbständiger Teil der Leistung der Klägerin empfunden.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 19.02.1998 und vom 27.04.1998 (Bl. 24, 29 GA) verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin ist Arbeitgeberin der Zusteller und Kontrolleure und demgemäß verpflichtet, für diese Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag einzubehalten und abzuführen. Nach § 1 Abs. 2 und 3 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV), der nach der ständigen Rechtsprechung den Arbeitnehmerbegriff zutreffend auslegt, liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Die Frage, wer Arbeitnehmer ist, ist unter Beachtung dieser Bestimmung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Eine Würdigungnach dem Gesamtbild bedeutet, dass die für und gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale gegeneinander abgewogen werden (BFH-Urteil vom 14.06.1985 VI R 150-152/82 BStBl II 1985, 661 zugleich mit einer Aufzählung von für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechenden Merkmalen). Angesichts der Fülle denkbarer Abgrenzungskriterien kann es nicht darauf ankommen, wie eine Tätigkeit oder die tätige Person im Einzelfall bezeichnet worden ist. Ein Zeitungsausträger kann sowohl Arbeitnehmer sein oder als Selbständiger tätig werden (BFH a.a.O.).
Von diesen Grundsätzen geht auch die Klägerin aus. Ihrer Wertung kann jedoch nicht gefolgt werden. Das Gesamtbild der Verhältnisse spricht hier dafür, sowohl die Zusteller als auch die Kontrolleure als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen. Entscheidend ist, dass sie einfache Tätigkeiten ausführen, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist. Als einfache Tätigkeiten werden vor allem Handarbeiten beurteilt, bei denen der Tätigekaum eine eigene Initiative entfalten kann und deshalb besonders den Weisungen des Auftraggebers unterliegt (BFH-Urteil vom 03.08.1978 VI R 212/75, BStBl II 1979, 131). Die im Streitfall zu beurteilenden Tätigkeiten der Zusteller und Kontrolleure sind solche einfacher Art. Die Tätigkeit der Zusteller beschränkt sich darauf, die Druckerzeugnisse an einem bestimmten Ort in Empfang zu nehmen, wenn nötig, zu dem Verteilbezirk zu transportieren, dort durch die Straßen zu gehen oder zu fahren und in jeden erreichbaren Briefkasten, sofern der Besitzer den Einwurf von Werbung nicht untersagt hat, ein Exemplar einzuwerfen. Eshandelt sich dabei um reine Handarbeiten, deren Ausführung lediglich erfordert, kräftig genug zu sein, um die gebündelten Druckerzeugnisse am Auslieferungsort zum gewählten Transportmittel schaffen und mit diesem den Verteilbezirk erreichen zu können, sowie beweglich genug zu sein, um in dem Verteilbezirk die Wege vom Transportmittel zum Briefkasten und zurück bewältigen zu können. Besondere persönliche Fähigkeiten verlangt diese Tätigkeit nicht. Dies wird auch daran deutlich, daß die Verteilung von Wurfsendungen - wie gerichtsbekannt ist - häufig von Schülern ausgeführt wird. Auch die Klägerin hat in ihren Agenturverträgen den Zustellern zugestanden, dass sich diese von über 13 Jahre alten Kindern vertreten lassen können, wenn deren Personensorgeberechtigten einwilligen.
Die Tätigkeit der Kontrolleure ist ebenfalls einfacher Art. Ihre Tätigkeit besteht darin, den Auslieferungsort der Druckerzeugnisse daraufhin zu überprüfen, ob die Zusteller die ihnen zugedachte Lieferung abgeholt haben, durch die Zustellbezirke zu gehen oder zu fahren, um festzustellen, ob die Verteilung erfolgt ist, und etwaigen Zweifeln daran z.B. durch Befragen der Bürger nachzugehen. Auch diese Tätigkeiten erfordern keine besonderen Fähigkeiten. Dass in den Verträgen mit den Kontrolleuren nichtausdrücklich eine Vertretung durch Kinder über 13 Jahre vorgesehen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal dem Vertragstext auch nicht zu entnehmen ist, dass eine solche Vertretung ausgeschlossen wäre.
Die gegen diese Wertung vorgebrachten Argumente der Klägerin überzeugen nicht. Der Senat folgt nicht dem Vortrag der Klägerin, die Zusteller unterlägen keiner Weisungsgebundenheit, sondern nur einer Vertragsbindung. Die Weisungsgebundenheit der Zusteller und Kontrolleure, die aus der vertraglichen Vorgabe folgt, die Druckerzeugnisse am Erscheinungstag abzuholen und zu verteilen bzw. deren Verteilung zu kontrollieren, läßt sich nicht mit der Erwägung in Frage stellen, den Zustellern und Kontrolleuren seien keine Vorgaben gemacht, in welcher Reihenfolge sie die Straßen ihres Bezirks aufzusuchen hätten. Druckerzeugnisse in Briefkästen einzuwerfen oder die Verteilung von Druckerzeugnissen zu kontrollieren, sind rein mechanische Tätigkeiten, die ins einzelne gehender Weisungen nicht bedürfen. Zudem überwacht die Klägerin die Erfüllung der vertraglichen Vereinbarungen mit den Zustellern durch ihre Kontrolleure. Die von der Klägerin vertretene Ansicht widerspricht der ständigen Rechtsprechung, wonach bei einfachen Tätigkeiten regelmäßig von einer Weisungsabhängigkeit auszugehen ist. Ist eine Tätigkeit sogar so einfach, dass der Arbeitnehmer für die Art und Weise ihrer Erledigung keiner über die schriftlich niedergelegten Vereinbarungen hinausgehenden Weisungen bedarf, spricht dies gerade nicht gegen eine nichtselbständige Tätigkeit. Andernfalls hätten es die Vertragsparteien in der Hand, unabhängig von der Art der Tätigkeit durch eine genaue Beschreibung der auszuführenden Arbeiten im Vertrag zu einer selbständigen Tätigkeit zu kommen. Da dies bei einfachen Tätigkeiten besonder leichtfiele, wären die Maßstäbe zur Abgrenzung der selbständigen von der nichtselbständigen Tätigkeit in ihr Gegenteil verkehrt. Zudem verblieb der Klägerin jedenfalls die Befugnis, den Zeitpunkt bestimmen zu können, wann die Zusteller - und damit auch die Kontrolleurefrühestens mit ihrer Arbeit beginnen konnten, da die Klägerin den Zeitpunkt der Anlieferung der Druckerzeugnisse festlegen konnte.
Die von der Klägerin mit den Zustellern und Kontrolleuren getroffenen Vereinbarungen sind keine Werbeverträge im Sinne der §§ 631 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Für das Werbevertragsrecht ist kennzeichnend, dass der Hersteller das Unternehmerrisiko für das Gelingen des geschuldeten Arbeitsergebnisses trägt.
Daran fehlt es hier. Angesichts der einfachen Tätigkeiten besteht kein Risiko, dass die Anzeigenblätter nicht verteilt werden könnten oder die Kontrolle der Zusteller misslingen könnte.
Der im Streitfall herbeizuführende Erfolg ist keiner im Sinne des Werbevertragsrechts, weil er sich bereits dadurch herbeiführen lässt, dass die geschuldeten Tätigkeiten - Verteilen bzw. Kontrollieren - eine zeitlang fortgeführt werden. Die Zusteller und Kontrolleure schulden ihre Arbeitskraft und keinen Arbeitserfolg. Was sie zu tragen haben, ist das Arbeitnehmerrisiko "ohne Arbeit kein Lohn".
Die Zusteller und Kontrolleure tragen auch im übrigen kein Unternehmerrisiko. Ein eigenes Unternehmerrisiko trägt, wer sich auf eigene Rechnung und Gefahr betätigt und die Höhe der Einnahmen wesentlich durch eine Steigerung seiner Arbeitsleistung oder durch die Herbeiführung eines besonderen Erfolgs beeinflussen kann (Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 19, 6). Die Verdienstmöglichkeiten der Zusteller sind durch die Anzahl der in ihrem Bezirk vorhandenen Haushalte bestimmt und von der Arbeitsleistung der Zusteller unabhängig. Entgegen der Ansicht der Klägerin führt das Abstellen auf den vorgegebenen Bezirk nicht dazu, dass dann auch der Bezirksschornsteinfeger als Arbeitnehmer anzusehen sei. Er wird zwar von der Verwaltungsbehörde für einen bestimmten Kehrbezirk bestellt und untersteht deren Aufsicht. Er übt seine Tätigkeit aber nicht unter der Leitung der Verwaltungsbehörde und nach deren Weisungen aus (BFH-Urteil vom 13.11.1996 XI R 53/95 BStBl II 1997, 295). Ein Unternehmerrisiko läßt sich auch nicht mit der Begründung bejahen, die Zusteller könnten weitere Zustellbezirke übernehmen und dadurch ihre Einnahmen steigern. Ein Fabrikarbeiter, der Überstunden leistet, bleibt dennoch Arbeitnehmer. Dass die Zusteller und Kontrolleure je nach gewähltem Transportmittel unterschiedlich hohe Kosten und damit unterschiedlich hohe Einkünfte erzielen, macht noch kein Unternehmerrisiko aus. Der Beklagte verweist mit Recht darauf, dass auch Arbeitnehmer für ihre Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unterschiedliche Transportmittel benutzen, ohne dass sie trotz der dadurch verursachten unterschiedlich hohen Werbungskosten und Einkünfte deshalb als Unternehmer anzusehen wären.
Weder die Verpflichtung, unter bestimmten Umständen Schadensersatz zu leisten noch das Risiko, dass der Vertrag bei schlechter Erfüllung gekündigt werden könnte, stellt ein Unternehmerrisiko dar. Es handelt sich vielmehr um Risiken, die auch ein Arbeitnehmer bei entsprechender Gestaltung des Arbeitsvertrages tragen muss. Bei den Kontrolleuren spricht die Vereinbarung eines monatlichen Festgehaltes zusätzlich gegen die Annahme eines Unternehmerrisikos.
Der Senat ist mit dem Beklagten der Auffassung, dass mit der Entscheidung der Zusteller und Kontrolleure, zusätzliche Bezirke zu übernehmen und das Transportmittel frei zu wählen, keine Unternehmerinitiative entfaltet wird. Derartige Entscheidungen sind nicht ihrer Wesensart nach unternehmerisch, sondern werden genauso gut nichtselbständig Tätigen abverlangt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Zusteller und Kontrolleure selbst nach Einschätzung der Klägerin einen geringen Kapitaleinsatz erbringen.
Richtig ist allerdings, dass den Zustellern und Kontrolleuren ein gewisser zeitlicher Spielraum für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung eingeräumt ist und sie auch die Möglichkeit haben, Vertreter für sich tätig werden zu lassen. Dem kommt aber im Rahmen der Abwägung aller für und wider die Selbständigkeit sprechenden Umstände keine entscheidende Bedeutung zu. Während die Abonnenten von Tageszeitungen erwarten, dass die Zeitung bis zur üblichen Frühstückszeit im Briefkasten liegt, und sich so enge zeitliche Vorgaben für die Verteilung ergeben, besteht ein vergleichbarer Zeitdruck für die Verteilung der Anzeigenblätter nicht. Wenn die Klägerin deshalb ihren Zustellern keine - aus der Natur der Sache heraus - überflüssigen zeitlichen Vorgaben für die Verteilung macht, ist der dadurch eingeräumte zeitliche Spielraum kein Ausdruck einer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der Zusteller und Kontrolleure, sondern des mangelnden Interesses der Klägerin an einer anderweitigen Regelung.
Die Vertretungsregelung widerspricht zwar dem Grundsatz, dass Arbeitnehmer ihre Dienste in der Regel in Person zu erbringen haben. Da die Klägerin hier jedoch Tätigkeiten einfacher Art zu vergeben hat, die zu erledigen eine sehr große Anzahl von Personen in der Lage ist, was auch dadurch dokumentiert wird, dass die Klägerin bereits über 13 Jahre alte Kinder als Zusteller für geeignet hält, kann dem Umstand, dass die Arbeitnehmer sich vertreten lassen können, keine entscheidende Bedeutung zukommen. Die übrigen Abgrenzungskriterien, die die Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit herausgearbeitet hat und die von der Klägerin auch erörtert worden sind, geben für die Entscheidung des Streitfalls nichts her. Dies gilt insbesondere für die fehlende Vereinbarung von Sozialleistungen, weil diese nicht Voraussetzung eines Arbeitsverhältnisses sind, sondern vielmehr umgekehrt das Arbeitsverhältnis Ansprüche auf Sozialleistungen begründet. Dass die Zusteller und Kontrolleure in den Agenturverträgen als selbständig bezeichnet werden, hält schon die Klägerin selbst zu Recht nicht für erheblich.
Der Senat sieht keinen Grund, die Revision zuzulassen. Es handelt sich um eine Entscheidung, die in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, insbesondere des vom Beklagten in den Prozess eingeführten nicht veröffentlichten BFH-Urteils vom 24.01.1975 (VI R 89/72), durch Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse getroffen wurde. Der Senat hält es auch weiterhin für möglich, dass Zeitungsausträger oder Verteiler von Anzeigenblättern selbständig tätig werden, dies allerdings nur, wenn zu dem schlichten Verteilen der Druckerzeugnisse z.B. weitere Tätigkeitsfelder von Gewicht hinzutreten, sie finanzielles Risiko tragen oder der "Zusteller" selbst Arbeitnehmer beschäftigt, die die eigentliche Verteilung übernehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.