Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.05.1999, Az.: VI 144/97

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Steueranmeldung; Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; Gesetzestechnische Ausgestaltung als Verkehrsteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.05.1999
Aktenzeichen
VI 144/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 20447
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0518.VI144.97.0A

Verfahrensgegenstand

Steueranmeldung gem. § 50 a Abs. 4 EStG für das II. Quartal 1996

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 18. Mai 1999,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein Tennisverein, der Vergütungen im Sinne des § 50 a Abs. 4 Nr. 2 Einkommensteuergesetz an beschränkt Steuerpflichtige zahlt. Für das II. Quartal 1996 gab der Kläger beim Finanzamt eine Anmeldung der Steuerabzugsbeträge für Vergütungen in Höhe von 28.848,00 DM ab. Der hierauf entfallende Steuerabzugsbetrag beträgt 7.212,00 DM zuzüglich 540,90 DM Solidaritätszuschlag.

2

Der Beklagte legt die Anmeldung der Besteuerung zugrunde. Gegen die Anmeldung legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 1997 als unbegründet zurückwies.

3

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die ersatzlose Aufhebung der Steuerfestsetzung, da durch die Abzugsteuer nach § 50 a Abs. 4 EStG wegen der Besteuerung des Roheinkommens und nicht des Reineinkommens das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verwischt werde. Im Ergebnis sei deshalb die Abzugssteuer nach § 50 a Abs. 4 EStG keine Einkommensteuer, sondern eine Umsatzsteuer. § 50 a Abs. 4 EStG verstoße deshalb gegen Artikel 33 Abs. 1 der sechsten EU-Richtlinie. Dies sei von Grams, DB 1996, 907 im einzelnen dargelegt worden.

4

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Steueranmeldung für das II. Quartal 1996 vom 3. September 1996 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 1997 ersatzlos aufzuheben.

5

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

In der Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist unbegründet.

8

Der Steuerabzug nach § 50 a EStG verstößt nicht gegen Artikel 33 Abs. 1 der sechsten EU-Richtlinien (6. EURL). Nach Artikel 33 Abs. 1 der 6. EURL hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden Gemeinschaftsbestimmung über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, ein Mitgliedsstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen dem Mitgliedsstaat nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind. Dies bedeutet im Umkehrschluß, daß es in Mitgliedstaaten nicht erlaubt ist, Steuern beizubehalten, die den Charakter der Umsatzsteuer aufweisen.

9

Kennzeichnend für den Charakter der Umsatzsteuer ist, daß sie allgemein auf Umsätze erhoben wird, die im Zusammenhang mit der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistung stehen, sie dem Preis dieser Gegenstände bzw. Dienstleistung proportional gegenübersteht und sie auf jeder Produktionsund Vertriebsstufe erhoben wird (vgl. EuGH-Urteil vom 31.3.1992, Rs. 200/90, RIW 1993, 1045). Dabei erfolgt die Bemessung der Umsatzsteuer nach bestimmten Merkmalen des Verkehrsvorgangs unter Ausblendung der persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners.

10

Nach ihrer gesetzestechnischen Ausgestaltung ist die Umsatzsteuer eine Verkehrsteuer (vgl. Beschluß vom 16.10.1986, V B 64/86, BStBl. II 1987, 95, BFHE 148, 10). Ihrer wirtschaftlichen Auswirkung nach ist sie aber eine Verbrauchsteuer (vgl. EuGH-Urteil vom 5.5.1982 Rs. 15/81, UStR 1982, 242). Verbrauchsteuern belasten den Verbrauch oder Gebrauch bestimmter Leistungen und knüpfen damit an die Einkommens- und Vermögensverwendung an (vgl. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, 1991, S. 79). Nach Artikel 33 Abs. 1 der 6. EURL sind die Mitgliedsstaaten jedoch nicht gehindert Verbrauchsteuern beizubehalten, so daß es für die Charakterisierung vornehmlich auf die gesetzestechnische Ausgestaltung als Verkehrsteuer ankommen muß. Dem steht insbesondere die Erwähnung der Grunderwerbsteuer als typische Verkehrsteuer nicht entgegen. Mit der Grunderwerbsteuer wurde lediglich die Beibehaltung und Einführung einer einzelnen besonders benannten Verkehrsteuer zugelassen, ohne das eine Erstreckung - anders als bei Verbrauchssteuern - auf alle Verkehrsteuern erfolgte.

11

Der Steuerabzug gemäß § 50 a EStG hat hiernach nicht den Charakter einer Umsatzsteuer. So geht die ganz herrschende Meinung davon aus, daß es sich bei dem Abzug nach § 50 a EStG um eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer für bestimmtebeschränkt steuerpflichtige Einkünfte handelt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991, I R 86/89, BStBl. II 1992, 185, BFHE 166, 74; Kumpf in Herrmann/Heuer/Rauphach, § 50 a EStG Rn. 3; Schmidt/Heinecke, § 50 a EStG Rn. 1; Frotscher, § 50 a EStG Rn. 1; Blümich/Krabbe, § 50 a EStG Rn. 5; a. A. Grams, DB 1996, 907).

12

Der Senat folgt im Ergebnis der ganz herrschenden Meinung. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut der Regelung, sondern auch seine systematische Stellung und der Kontext der Gesamtregelung, in den der Steuerabzug gestellt ist.

13

Die Einkommensteuer knüpft als Personensteuer nicht an bestimmte Verkehrsvorgänge, sondern an die unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse einer Person bestimmte Leistungsfähigkeit aufgrund der von ihr erzielten Einkünfte an. Hierin unterscheidet sie sich sowohl von den Verbrauchsteuern, die nicht den Vorgang der Einkommenserzielung, sondern die aus versteuertem Einkommen erfolgte Verwendung, den Verbrauch oder Gebrauch bestimmter Sachen und Rechte zum Gegenstand haben, als auch von den Verkehrsteuern, die ohne Personenbezug an bestimmte Verkehrsvorgänge anknüpft. Wenngleich die Einkommensteuer bei beschränkter Steuerpflicht überwiegend Objektsteuerzüge aufweist, bleibt Steuersubjekt und Steuerschuldner der Einkünfteerzielende (vgl. § 50 a Abs. 5 Satz 4 EStG).

14

Zudem ist § 50 a im Kontext der Gesamtregelung der beschränkten Steuerpflicht zu sehen. Dabei wird durch § 49 EStG bestimmt, welche Einkünfte ihrer Art nach unter die beschränkte Steuerpflicht im Sinne von § 1 Abs. 4 EStG fallen. § 50 enthält einige Besonderheiten zur Ermittlung der Höhe des zu versteuernden Einkommens und § 50 a regelt - ähnlich wie 39 d EStG zur Lohnsteuer und § 44 EStG zur Kapitalertragsteuer - das Verfahren über die Steuererhebung durch Steuerabzug. Zudem differenzieren § 49 ff. EStG einkünftebezogen, lassen teilweise den Abzug von Betriebsausgaben und Werbungskosten, den Verlustabzug und -ausgleich (§ 50 Abs. 1 EStG) sowie einen progressiven Steuersatz (§ 50 Abs. 3 EStG) zu.

15

Der Senat verkennt nicht, das die vorgenannten Regelungen nicht für alle Einkunftsarten eingreifen. Insbesondere die in § 50 a Abs. 4 Nr. 2 EStG im Wege des Steuerabzugs belasteten Einkünfte, wozu auch die streitigen Vergütungen gehören, unterliegen einem linearen Steuersatz von 25 vom Hundert. Ein Abzug für Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und Steuern ist unzulässig. Der Steuerabzug nach § 50 a EStG hat zudem Abgeltungswirkung, so daß der Personensteuerbezug nahezu vollständig verloren geht.

16

Dennoch entsteht hierdurch keine der Umsatzbesteuerung vergleichbar Verbrauchsbesteuerung, da für die Besteuerung weder an einen Verkehrsvorgang noch an den Verbrauch oder Gebrauch eines Gegenstandes angeknüpft wird. Steuerschuldner und Steuerträger fallen nicht auseinander, sondern sind der Person des Steuerpflichtigen vereint.

17

Die im übrigen eingreifende Abgeltungswirkung des Steuerabzugs (§ 50 Abs. 5 EStG) berücksichtigt typisierend durch Festlegung eines vergleichsweisen niedrigen Steuersatzes von 25 v.H., daß die üblicherweise anfallenden Betriebsausgaben bei individueller Einkünfteermittlung regelmäßig zu einer Unterschreitung des für den Steuerabzug angesetzten Steuersatzes führen. Der Abzugsteuersatz geht von der Annahme aus, daß bei einem Steuersatz von 50 v.H. die Einnahmen um die Hälfte durch Betriebsausgaben oder Werbungskosten vermindert werden. Die Betriebsausgaben werden damit in verfassungsgemäßer Weise pauschal berücksichtigt (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 1972, I R 191/70, BStBl. II 1973, 134).

18

Gleichwohl auftretende Überbesteuerungen werden gemäß § 50 Abs. 5 Nr. 3 EStG durch völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Einkommensteuer vermieden. Die Erstattung setzt voraus, daß die mit den Einnahmen in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten höher sind als die Hälfte der Einnahmen. Diese Regelung belegt sogleich eindeutig, das die Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten vom Steuerabzug mit Abgeltungswirkung in typisierender Weise erfolgt, als eine Ertragsbesteuerung und keine auf den Umsatz abzielende Besteuerung gegeben ist. Ein Verstoß gegen Artikel 33 Abs. 1 der 6. EURL liegt mithin nicht vor. Die angefochtene Steueranmeldung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

20

Die Revision war nicht zuzulassen, da es sich um einen aufgrund der gesetzlichen Regelung eindeutigen und zudem einzelnen Fall handelt, dem keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.