Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.05.1999, Az.: V 602/96

Gewerblicher Grundstückshandel eines Zimmermeisters; Errichtung und Verkauf von Einfamilienhaus und Vierfamilienhaus in drei Jahren

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.05.1999
Aktenzeichen
V 602/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 18018
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0527.V602.96.0A

Fundstellen

  • DB (Beilage) 2001, 9 (amtl. Leitsatz)
  • DStRE 2000, 518-519 (Volltext mit amtl. LS)
  • SteuerBriefe 2000, 1138-1139

Tatbestand

1

Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

2

Der Kläger ist Zimmermeister. Mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Oktober 1990 des Notars ... in ... (Urkundenrollennr. 1023/90) erwarb der Kläger ein unbebautes Grundstück für 55.000,00 DM. Der Kläger bebaute dies Grundstück mit einem Einfamilien-Eichenfachwerkhaus und verkaufte es mit notariellem Vertrag vom 22. Juli 1991 des Notars Dr. Rothardt in ... (Urkundenrollennr. 581/91) für 368.000,00 DM. In dem notariellen Kaufvertrag verpflichtete sich der Kläger, das im Rohbau veräußerte Grundstück schlüsselfertig herzustellen.

3

Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 26. Juli 1991 des Notars ... in ... (Urkundenrollennr. 602/91) erwarb der Kläger ein weiteres unbebautes Grundstück für 53.700,00 DM. Der Kläger bebaute dieses Grundstück mit einem Vierfamilienhaus.Anschließend veräußerte er es mit notariellem Vertrag vom 1. September 1992 des Notars ... in ... (Urkundenrollennr. 1095/92) für 480.000,00 DM. Die Wohnungen in dem Vierfamilienhaus wurden nicht als Wohnungseigentum geteilt. Es wurden auch keine Abgeschlossenheitsbescheinigungen eingeholt.

4

In ihrer Einkommensteuererklärung haben die Kläger keinen Gewinn aus der Veräußerung des Vierfamilienhauses erklärt. Demgegenüber ging der Beklagte davon aus, dass es sich bei dem Veräußerungserlös für das Vierfamilienhaus um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handele. Den Gewinn aus der Veräußerung schätzte der Beklagte auf 100.000,00 DM und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

5

Die Kläger meinen, es lägen keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. Sie seien nicht selbständig und nachhaltig mit Gewinnabsichttätig geworden. Sie hätten sich auch nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Die Veräußerung des Vierfamilienhauses sei vielmehr im Rahmen der nichtsteuerpflichtigen Vermögensverwaltung erfolgt.

6

Die Kläger beantragen, im Einkommensteuerbescheid 1992 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusetzen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Der Beklagte meint, der Kläger sei mit der Erstellung und Veräußerung der Häuser gewerblich tätig geworden. Der Gewinn aus der Veräußerung des Vierfamilienhauses sei daher als Gewinn aus Gewerbebetrieb steuerpflichtig. Der Kläger habe zwar nicht mehr als drei Objekte im engen zeitlichen Zusammenhang veräußert. Die Voraussetzungen für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit nach der vom Bundesfinanzhof entwickelten sogenannten Drei-Objekte-Grenze lägen damit nicht vor. Nach der Rechtsprechung desX. Senats des Bundesfinanzhofes liege eine gewerbliche Tätigkeit aber bereits dann vor, wenn die Errichtung von Wohnobjekten in zumindest bedingter Veräußerungsabsicht und die Veräußerung hiermit in sachlichem sowie zeitlichem Zusammenhang erfolge, weil diese Tätigkeit dem Bild eines Bauunternehmers bzw. Bauträgers entspreche.

8

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte verwiesen. Dem Gericht haben die Steuerakten zu Steuernummer ... vorgelegen.

Gründe

9

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat durch den Verkauf des von ihm errichteten Vierfamilienhauses keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Der Verkauf erfolgte vielmehr im Rahmen der Vermögensverwaltung.

10

Nach § 15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ist Voraussetzung für die Annahme eines Gewerbebetriebs eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommenwird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG anzusehen ist. Darüber hinaus muss die Tätigkeit den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreiten.

11

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Beschluss des Großen Senats vom 3. Juli 1995 ) sind Errichtung und Verkauf von bis zu drei Wohnungen oder Eigenheimen als private Vermögensverwaltung, nicht aber als gewerblicher Grundstückshandel anzusehen. Erst wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs mit Bau und Verkauf (grundsätzlich fünf Jahre) mindestens vier Objekte veräußert werden, ist ohne Vorliegen besonderer Umstände von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen, weil die äußeren Umstände den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt.

12

Der Kläger hat diese sogenannte Drei-Objekte-Grenze nicht überschritten. Unter einem Objekt im Sinne des gewerblichen Grundstückshandels ist jedes einzelne Immobilienobjekt zu verstehen, das selbständig veräußert und genutzt werden kann. Bei einem Mehrfamilienhaus liegen erst dann mehrere Objekte vor, wenn eine Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz erfolgte. Denn erst eine solche Teilung schafft die zivilrechtliche Voraussetzung für das Entstehen selbständiger Wirtschaftsgüter (vgl. BFH-Urteile vom 10. Oktober 1991 XI R 22/90, BFH/NV 1992, 238, 239; in BFHE 164, 347 [BFH 16.04.1991 - VIII R 74/87], BStBl II 1991, 844); Urteil vom 21. Mai 1993 VIII R 10/92, BFH/NV 1994, 94).

13

Da eine Aufteilung des Vierfamilienhauses in Wohnungseigentum unstreitig nicht erfolgte, hat der Kläger auch unter Berücksichtigung des in 1991 von ihm erstellten und veräußerten Hauses nicht mehr als drei Objekte innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs errichtet und veräußert.

14

Der Senat schließt sich auch nicht der Rechtsmeinung desX. Senats des Bundesfinanzhofs an, wonach unabhängig von der Zahl der veräußerten Objekte eine gewerbliche Tätigkeit bereits dann anzunehmen ist, wenn der Veräußerer durch die Errichtung der veräußerten Wohneinheiten entsprechend dem Bild eines Bauunternehmers nachhaltig als produzierender Unternehmer tätig geworden ist, indem er wertschöpfend Produktionsfaktoren einsetzte, um ein marktgängiges Produkt zu schaffen (vgl. Vorlagebeschluss an den Großen Senat vom 29. Oktober 1997 X R 183/96, BStBl II 1998, 332 ff). Der Senat folgt vielmehr der Rechtsprechung des Finanzgerichts München (Urteil vom 23. Dezember 1998 VII K 3286/96, EFG 1999, 429 f) und des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11. November 1998 I K 2702/97, EFG 1999, 379 f), wonach die von der Rechtsprechung zur Abgrenzung des gewerblichen Grundstückshandels von der privaten Vermögensverwaltung entwickelte Drei-Objekt-Grenze unabhängig davon anzuwenden ist, ob die Veräußerung der Grundstücke in baulich unverändertem Zustand oder durch Errichtung der Wohneinheiten durch den Veräußerer erfolgte.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

16

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen des Vorlagebeschlusses des X. Senats an den Großen Senat des Bundesfinanzhofes (Beschluss vom 29. Oktober 1997, a.a.O.) und der abweichenden Rechtsprechung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11. November 1998 a.a.O.) und des Finanzgerichts München (Urteil vom 23. Dezember 1998 a.a.O.) zugelassen.