Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.08.2013, Az.: 16 K 313/11

Vorliegen einer umsatzsteuerfreien Vermietung bei unentgeltlicher Überlassung von Räumen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
22.08.2013
Aktenzeichen
16 K 313/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 55486
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0822.16K313.11.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 08.10.2014 - AZ: V R 56/13

Fundstelle

  • UStB 2014, 138

Amtlicher Leitsatz

Die unentgeltliche Überlassung von Räumen ist keine umsatzsteuerfreie Vermietung.

Tatbestand

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Die Klägerin betreibt einen Möbeleinzelhandel. In 2008 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung Osnabrück bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die auch die Streitjahre betraf. Die Außenprüfung stellte zu den hier streitigen Rechtsfragen den nachfolgend geschilderten Sachverhalt fest. Die Klägerin hatte durch Mietvertrag vom 18. August 2004 ab 1. Oktober 2004 drei separat zu nutzende Pavillons in der B.straße 7 A in M. zur Nutzung durch Mitarbeiter und Gäste von der Bau- und Vermietungsgesellschaft A. angemietet. Nach dem Mietvertrag hatten die Pavillons eine Nutzfläche von 209 qm. Zwei der Pavillons sind als Schlafbereich konzipiert mit jeweils eigenem Bad, während der dritte Pavillon als gemeinsamer allgemeiner Wohnbereich, bestehend aus Küche und Wohnzimmer genutzt wird. Die Klägerin stattete die Pavillons mit Inventar aus. Der hierfür getätigte Aufwand war mit Umsatzsteuer belastet, die die Klägerin in den Streitjahren mit 27.992,81 € für 2004, 5.027,15 € für 2005 und 421,66 € für 2006 als abziehbare Vorsteuerbeträge berücksichtigte.

2

Die Klägerin stellte die in Rede stehenden Räumlichkeiten ihren Gesellschafter - Geschäftsführern zur Verfügung. In den Geschäftsführerverträgen wurde diesbezüglich durch Vertragsänderung vereinbart: "Die Gesellschaft stellt dem Geschäftsführer eine der Betriebswohnungen in der B.straße 7 A zur Verfügung, wenn und solange sich der Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaft in M. aufhält." Die Änderungen im jeweiligen Geschäftsführervertrag datieren vom 1. August 2004. Nicht ersichtlich ist aus der geänderten Vertragsgestaltung, dass die Geschäftsführer jeweils zu einer größeren Arbeitsleistung als zuvor verpflichtet gewesen sind wären.

3

Die Außenprüfung nahm an, dass die Klägerin einen steuerbaren aber nach § 4 Nr. 12 a Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerbefreite Leistung an die Arbeitnehmer durch die Wohnungsüberlassung verwirkliche. Deshalb sei der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen. Dadurch dass die Klägerin auch die Energiekosten des Pavillons trage, erbringe sie zusätzlich eine steuerpflichtige Leistung an die Geschäftsführer. Diesbezüglich schätze die Außenprüfung eine monatliche Bemessungsgrundlage von 150 €.

4

Entsprechend dem Ergebnis der Außenprüfung setzte der Beklagte durch Änderungsbescheide vom 22. Februar 2010 die Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass sie allein aus betrieblichen Gründen ihren Geschäftsführern die Möglichkeit einräume bei ihrer Tätigkeit vor Ort in den Pavillons zu nächtigen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Geschäftsführer ihren jeweiligen Wohnsitz weit entfernt vom Betriebssitz der Klägerin hätten und dort mit ihren Familien zusammen lebten. Um ihre Geschäftsführertätigkeit konkret ausüben zu können, sei es jedoch erforderlich, dass sie zeitweise am Betriebssitz der Klägerin tätig seien. Nur in diesem Zusammenhang werde es Ihnen ermöglicht im Pavillon zu nächtigen. Daher erbringe die Klägerin keine steuerbaren Umsätze mit der Überlassung des jeweiligen Pavillons. Auf die BFH Entscheidung vom 30. März 2006 V R 6/04 werde hingewiesen.

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Die Klägerin beantragt,

6

die Umsatzsteuer 2004 um 28.040,81 €, die Umsatzsteuer 2005 um 5.315,18 € und die Umsatzsteuer 2006 um 709,66 € herabzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Klägerin die Räumlichkeiten im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes an die Geschäftsführer steuerfrei vermiete. Vertragliche Gestaltung und tatsächliche Durchführung sprächen insgesamt für eine Vermietung. Die Geschäftsführer könnten immer dann, wenn sie es für erforderlich hielten, die Räumlichkeiten nutzen. Jedem Gesellschafter werde ein Wohnbereich zur Verfügung gestellt, so dass diese Räumlichkeiten von ihm in Besitz genommen werden könnten. Wenn die Geschäftsführer die Räumlichkeiten nutzten, stünden diese nicht mehr für andere zur Verfügung. Damit sei eine Nutzung durch andere Personen ausgeschlossen. Die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen schließe deshalb den streitigen Vorsteuerabzug aus.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte. Dem Gericht haben die bei dem Beklagten für die Klägerin geführten Steuerakten einschließlich der Betriebsprüfungs-Arbeitsakte vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist für das Streitjahr 2004 teilweise begründet, im Übrigen unbegründet. Mit der Überlassung der sogenannten Betriebsleiterwohnungen an die Gesellschafter - Geschäftsführer erbringt die Klägerin unentgeltliche sonstige Leistungen für den privaten Bedarf des Personals, die nach § 3 Abs. 9 a Nr. 2 UStG einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt und somit steuerbar sind. Diese sonstigen Leistungen sind jedoch - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht § 4 Nr. 12 a UStG von der Umsatzsteuer befreit.

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Das Gericht beurteilt die in Rede stehenden Leistungen der Klägerin deshalb als unentgeltlich, weil hierfür einerseits nach den vertraglichen Regelungen von der Klägerin kein Entgelt erzielt wurde und anderseits die Geschäftsführer für die Leistung ihrerseits keine besondere Leistung erbracht haben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach den Geschäftsführerverträgen die Geschäftsführer bereits nach den zuvor geltenden Verträgen aus dem Dezember 1997 zu umfangreichen Arbeitsleistungen für die Gesellschaft verpflichtet waren. Diese Dienstleistungsverpflichtungen sind aufgrund der durch Verträge vom August 2004 ergänzten Geschäftsführerverträge nicht erweitert worden.

13

Entgegen der Auffassung der Klägerin erfolgte die Überlassung der Betriebsleiterwohnungen nicht dem alleinigen oder aber überwiegendem betrieblichen Interessen der Klägerin. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die Geschäftsführer der Klägerin mindestens seit 1997 ihrerseits die Pflichten aus den Dienstverträgen (auch) vor Ort, also am Sitz der Klägerin zu erfüllen hatten. Diesbezüglich ist im Streitjahr 2004 mit der Überlassung der Betriebsleiterwohnungen aus der Sicht der Klägerin keine neue Situation eingetreten, aus der ein überwiegend betriebliches Interesse ableitbar wäre. Die Überlassung der Wohnungen war damit überwiegend im Interesse der nutzenden Geschäftsführer, die damit sehr praktikabel ihr eigenes Bedürfnis des Wohnens am Arbeitsort befriedigen konnten. Dem Umstand, dass die Geschäftsführer weit entfernt vom Sitz der Klägerin eigene Familienwohnsitze unterhielten, kommt insoweit keine Bedeutung zu. Daher ist von einer Leistungserbringung durch die Klägerin auch unter Beachtung des BFH Urteils V R 6/04 vom 30.03.2006 auszugehen.

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Die Leistung der Klägerin ist nicht steuerbefreit. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (vgl. zuletzt Entscheidung vom 18.07.2013 C 210/11) setzt eine Vermietung eines Gebäudes im Sinne des Artikel 13 Teil B Buchstabe b der 6. Richtlinie voraus, dass sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind, die diesen Umsatz kennzeichnen, das heißt, dass der Vermieter eines Gebäudes dem Mieter gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, seine Sache in Besitz zu nehmen und andere von ihr auszuschließen. Im Streitfall mangelt es bereits an der Zahlung eines Mietzinses. Im Übrigen hatten die Geschäftsführer der Klägerin kein Nutzungsrecht an einen bestimmten Gebäude oder Gebäudeteil. Auch gab es rechtlich keine Vereinbarungen über die Dauer der jeweiligen Nutzung durch den einzelnen Geschäftsführer.

15

Mithin ist der Vorsteuerabzug, der mit dem Erwerb des Inventars durch die Klägerin einhergeht, entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen. Die Korrekturen, die entsprechend Textziffer 31.2 des Außenprüfungsberichtes bzgl. des Vorsteuerabzugs vorgenommen wurden, sind deshalb rückgängig zu machen. Dies erhöht die abziehbaren Vorsteuerbeträge für 2004 im Umfang von 27.992,81 €, für 2005 i.H.v. 5.027,15 € und für 2006 i.H.v. 421,66 €.

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Dem genannten Vorsteuerabzug ist jedoch die Umsatzsteuer gegenzurechnen, die sich aufgrund der unentgeltlichen Überlassung der Betriebsleiterwohnungen ergibt. Die Bemessungsgrundlage hierfür ist nach § 10 Abs. 4 Nr. 3 UStG zu ermitteln. Dies sind die bei der Ausführung der Umsätze entstandenen Ausgaben. Dabei sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem entsprechenden maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15 a UStG entspricht. Deshalb ist es im Ergebnis gerechtfertigt, die Umsatzsteuer für die unentgeltliche Überlassung monatlich mit einem Betrag anzunehmen, der dem 60. Teil des Vorsteuerabzugs aus der Inventaranschaffung entspricht. Für das Streitjahr 2004 sind dies 466,53 €, die für drei Monate in Summe 1.400 € an Umsatzsteuer ausmachen. Eine weitere Erhöhung der Bemessungsgrundlage scheidet aus, weil der Beklagte bereits die Überlassung der Energie entsprechend Textziffer 30.3 des BP-Berichtes der Besteuerung unterworfen hat und die Aufwendungen der Klägerin aus der Anmietung der Betriebsleiterwohnungen nicht umsatzsteuerbelastet erfolgten.

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Als Folge für die Streitjahre 2005 und 2006 ergibt sich, dass die Umsatzsteuer für die Überlassung der Betriebsleiterwohnungen den streitigen Vorsteuerabzug übersteigt. Damit würde im Ergebnis eine höhere Umsatzsteuer für diese Streitjahre festzusetzen sein. Hieran ist jedoch das Gericht wegen des bestehenden allgemeinen Verböserungsverbotes gehindert (vgl. Gräber/Stapperfend § 96 Finanzgerichtsordnung - FGO - Rdnr. 7)

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Mithin war die Umsatzsteuerfestsetzung für 2004 um 26.592 € auf 804.532,33 € herabzusetzen und die Klage für die übrigen Jahre abzuweisen.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 FGO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. § 708, Nr. 10, 711 ZPO.