Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.08.2013, Az.: 16 K 286/12

Anforderungen an die wirksame Ausübung der Option bei Grundstücksumsätzen gem. § 9 UStG nach Eintritt der sog. formellen Bestandskraft

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
22.08.2013
Aktenzeichen
16 K 286/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 56930
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0822.16K286.12.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 21.10.2015 - AZ: XI R 40/13

Fundstellen

  • DStR 2015, 6
  • DStRE 2015, 426-427
  • NWB 2014, 1340
  • NWB direkt 2014, 482
  • Ubg 2015, 318

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Wirksamkeit der Option bei Grundstücksumsätzen nach Eintritt der sog. formellen Bestandskraft.

Tatbestand

1

Der Kläger erwarb in 2003 das Grundstück Z von einer A-Verwaltungs GmbH. Dieses Grundstücksgeschäft wurde umsatzsteuerpflichtig gestaltet. Der Kläger nahm deshalb den Vorsteuerabzug in 2003 in Anspruch. Im Anschluss verpachtete der Kläger das Grundstück an eine AfA GmbH, die ihrerseits das Grundstück zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendete.

2

Der Kläger hielt die Geschäftsanteile der AfA GmbH mit der Rechtsfolge, dass ab Verpachtung des Grundstücks eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen Kläger und AfA GmbH anzunehmen war. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen.

3

Mit notariellem Vertrag vom 22. Oktober 2009 veräußerte der Kläger das Grundstück an seine Ehefrau. In dieser notariellen Urkunde war kein Verzicht auf eine Steuerbefreiung dieses Grundstücksumsatzes erklärt. Die Ehefrau des Klägers verpachtete nunmehr das Grundstück ab Erwerb an die AfA GmbH umsatzsteuerpflichtig.

4

Der Beklagte änderte der zuvor zugestimmten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr durch Änderungsbescheid vom 13. Februar 2012, in dem er zu Lasten des Klägers eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a Umsatzsteuergesetz (UStG) vornahm. Dabei nahm er an, dass der Kläger vor Ende des Korrekturzeitraumes das Grundstück umsatzsteuerfrei veräußert habe mit der Folge, dass im Streitjahr die Vorsteuerberichtigung vorzunehmen sei. Über die Höhe des Berichtigungsbetrages besteht Einvernehmen.

5

Die gegen die Steuerfestsetzung nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage begründete der Kläger zunächst damit, es läge bzgl. des Grundstücks eine nicht steuerbare Teilgeschäftsveräußerung vor, weil die Erwerberin mit der Verpachtung des Grundstücks die Leistung fortsetze, die auch der Kläger gegenüber der GmbH zuvor erbracht habe. Nach Hinweis durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2013, wonach der Kläger wegen des bestandenen Organschaftverhältnisses umsatzsteuerlich keine Vermietungsleistung gegenüber der GmbH habe erbringen können und deshalb kein (Teil-) Vermietungsunternehmen übertragen werden könne, hat der Kläger mit notariellem Vertrag vom 12. April 2013 den ursprünglichen Kaufvertrag über das Grundstück in der Weise neu gefasst, dass nunmehr bzgl. des Grundstücksverkaufs die Option nach § 9 UStG ausgeübt wird. Wegen des nunmehr umsatzsteuerpflichtigen Grundstücksumsatzes komme eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG nicht in Betracht. Die Steuer für die Grundstückslieferung schulde nach § 13 b UStG die Erwerberin.

6

Der Kläger beantragt,

7

die Umsatzsteuer um 9.550,47 EUR herabzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

10

Zum Zeitpunkt der Optionserklärung im notariellen Vertrag vom 12. April 2013 sei die Umsatzsteuer für das Streitjahr bereits formell bestandskräftig gewesen. Die formelle Bestandskraft sei einen Monat nach Abgabe der Steuererklärung im August 2010 eingetreten. Die Option nach § 9 UStG sei nach der Rechtsprechung des BFH aber nur bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft möglich. Auf die Entscheidungen VI R 1/08 vom 10.12.2008 und V B 146/97 vom 6. August 1998 werde verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist begründet. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG scheidet aus, weil der Kläger das Grundstück umsatzsteuerpflichtig veräußert hat.

12

Nach § 4 Nr. 9 a UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit. Ein derartiger Umsatz kann nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt werden, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der Kläger hat das Grundstück an seine Ehefrau geliefert, die das Grundstück ihrerseits steuerpflichtig vermietet. Damit sind auch die Voraussetzungen, die § 9 Abs. 2 UStG an die Option stellt, erfüllt.

13

Nach § 9 Abs. 3 UStG ist gesetzlich geregelt, dass der Verzicht auf die Steuerbefreiung bei einem Grundstückumsatz nur in dem gemäß § 311 b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden kann. Auch diese formelle Anforderung an die Optionsausübung ist im Streitfall erfüllt. Nach Auffassung des erkennenden Senats kann die Vorschrift nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nur in dem ersten notariellen Vertrag abschließend über eine Option eine Vereinbarung getroffen werden kann, die danach keiner Ergänzung mehr zugänglich wäre.

14

Im Unterschied zur Rechtsauffassung des Beklagten enthält § 9 UStG keine zeitliche Vorgabe, in der die Optionsausübung stattfinden müsste. Soweit der Beklagte dabei auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verweist, ist diese für den Streitfall nicht einschlägig. In der Entscheidung des BFH XI R 1/08 vom 10. Dezember 2008 hatte der BFH über den rückwirkenden Wechsel von der sogenannten Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung (§ 20 UStG) zu entscheiden. Hier ging es, wie in Randziffer 25 des Urteils ausdrücklich erwähnt, um die Rückgängigmachung von Verfahrenshandlungen. Hierfür hat der BFH erkannt, dass derartige Verfahrenshandlungen nur bis zur formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung möglich seien. Eine Rückgängigmachung von Verfahrenshandlungen liegt im Streitfall aber nicht vor. Die Ausübung der Option nach § 9 UStG macht keine Verfahrenshandlung rückgängig, denn die Steuerbefreiung eines Grundstückumsatzes folgt zunächst ohne weiteres Zutun dem Gesetz.

15

Soweit der Beklagte auf den Beschluss des BFH V B 146/97 vom 6. August 1998 hinweist, hält der Senat auch diese Entscheidung nicht für einschlägig. Der BFH hatte im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde über die Frage zu entscheiden, ob die zunächst ausgeübte Option nach § 9 UStG rückgängig gemacht werden kann. Der BFH hat dort ausgeführt, dass sachliche Gründe dafür, ein Rückabwicklungsbestreben im Rahmen des § 9 UStG anders zu behandeln als einen Widerruf im Rahmen des § 19 UStG, nicht erkennbar seien. Des Weiteren hat der BFH in dem Beschluss auf seine Entscheidung V R 34/97 vom 2. April 1998 verwiesen. Dort hatte der BFH ausgeführt, dass eine Grundstückslieferung wirksam nur vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den Besteuerungszeitraum, in dem sie ausgeführt worden ist, als steuerpflichtiger Umsatz behandelt werden könne. Das vorausgesetzte Gleichgewicht zwischen Steuer und Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger sei aber nicht mehr erreichbar, wenn der leistende Unternehmer seinen verzichtbaren Umsatz so spät als steuerpflichtig behandelt, dass eine Steuer wegen der Bestandskraft der Steuerfestsetzung für den Besteuerungszeitraum der Ausführung der Leistung nicht mehr festgesetzt werden könne.

16

Derartige Fallgestaltungen liegen im Streitfall nicht vor. Es ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Steuerfestsetzung des Streitjahres nicht festsetzungsverjährt und auch änderbar ist. Deshalb stellen sich im Streitfall nicht die Fragen, ob die Änderungsnormen der § 173, 175 AO erfüllt sind.

17

Wie der Streitfall des Weiteren aufzeigt, bedarf es auch nicht der zeitlichen Beschränkung der Optionsausübung, wie sie der Beklagte für zutreffend hält. Es ist zu berücksichtigen, dass nach der gesetzlichen Vorgabe des § 9 Abs. 3 UStG der Empfänger der Grundstückslieferung in die Frage der Optionsausübung unmittelbar eingebunden ist. Der Leistungsempfänger trägt dabei wegen der Regelungen in § 13 b UStG die sich ergebenden umsatzsteuerlichen Konsequenzen, weil er Steuerschuldner dieses Umsatzes wird. Daher bedarf es nicht einer nicht im Gesetz vorgesehenen Einschränkung der Optionsausübung für den Grundstücksumsatz.

18

Wegen wirksamer Option ist für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG kein Raum. Die Steuerfestsetzung war danach um 9.550,47 EUR herabzusetzen.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

20

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.