Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.08.2013, Az.: 2 K 35/13

Steuermindernde Berücksichtigung der Zahlungen von Steuerpflichtigen i.R.d. sog. Cash Settlements/Barausgleichs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.R.d. Abgeltungssteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.08.2013
Aktenzeichen
2 K 35/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 54434
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0828.2K35.13.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 20.10.2016 - AZ: VIII R 55/13

Fundstellen

  • DStR 2014, 8
  • DStRE 2014, 1173-1178
  • DStZ 2014, 224
  • EFG 2014, 541-545
  • ErbStB 2014, 88-89

Amtlicher Leitsatz

Im Rahmen der Abgeltungssteuer können auch Zahlungen von Steuerpflichtigen im Rahmen des sog. Cash Settlements / Barausgleichs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuermindernd berücksichtigt werden.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob bei der Einkommensteuer 2009 bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers am 19. Juni 2009 Zahlungen i.H.v. ./. 185.090 € für so genannte Cash-Settlement-Zahlungen im Zusammenhang mit Stillhaltergeschäften zu berücksichtigen sind.

2

Der Kläger hat im Streitjahr mehrere Börsentermingeschäfte bei der EUREX durchgeführt. Dabei handelt es sich um Optionen auf den Euro-Stoxx-50-Index. Insgesamt hat der Beklagte bei der Einkommensteuer 2009 - wie in der Aufstellung der Bank ausgewiesen - Kapitalerträge in Höhe von 203.361 € berücksichtigt. Darin sind Stillhalterprämien in Höhe von 11.649 € enthalten. Sofern Verluste aus Stillhaltergeschäften erzielt wurden, hat die Bank entsprechende Verluste und negative Kapitalertragsteuer ausgewiesen, da es sich - mit Ausnahme der beiden streitigen Vorgänge - um Stillhaltergeschäfte mit Glattstellung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 Einkommensteuergesetz (EStG) gehandelt hat. Nicht berücksichtigt wurden zwei Vorgänge, die am 19. Juni 2009 endfällig wurden. Auch hier handelt es sich um Optionen auf den Euro-Stoxx-50-Index. Einmal handelt es sich um den Verkauf Call-Opening, bei dem ein Verlust (1) von ./. 19.299 € ausgewiesen wurde, sowie einen Verkauf eines Put-Openings mit einem Verlust (2) von ./. 165.791 €. Dieser Gesamtbetrag von ./. 185.090 € wurden vom Beklagten nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt. Diese Beträge sind auch nicht in der Steuerbescheinigung der Bank ausgewiesen. Für diese Geschäfte hat der Kläger am 17. April 2009 eine Stillhalterprämie für Geschäft (1) von 11.702 € und am 19. Dezember 2008 für Geschäft (2) von 168.952 € erhalten. Beide Beträge wurden in den Steuererklärungen angegeben und der Besteuerung unterworfen.

3

Zur Abwendung der Zahlung von 185.090 € hat der Kläger am 19. Juni 2009 zwei weitere Geschäfte abgeschlossen. An diesem Tag wurden positive Stillhalteprämien aus Optionsgeschäften auf den Euro-Stoxx-50-Index in Höhe von 157.497 € und 24.042 € (gesamt 181.494 €) vereinnahmt. Diese wurden von der Bank als Kapitaleinkünfte in die Steuerbescheinigung mit aufgenommen und vom Beklagten der Besteuerung unterworfen.

4

Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass es sich bei den streitigen Beträgen um Aufwendungen für das Schließen von bestehenden Positionen handele. Diese seien zu berücksichtigen, da auch die am selben Tag erzielten Erträge aus dem Eingang neuer Wertpapiergeschäfte steuerlich erfasst worden seien. Hätte ein Glattstellungsgeschäft vorgelegen, so wären diese Positionen zu berücksichtigen gewesen. Wirtschaftlich seien Glattstellungsgeschäfte und Abrechnungen nach Cash-Settlement (Barausgleich) gleichwertig, sie führten zum selben Ergebnis. Steuerpflichtige könnten nicht in Glattstellungsgeschäfte "getrieben" werden. Diese lösten an Terminbörsen zusätzliche Transaktionskosten aus, die einen Verlust erhöhten. Positive Ergebnisse seien zu berücksichtigen, Verluste aus gleichartigen Titeln blieben jedoch unberücksichtigt.

5

Auf den Einwand des Beklagten, dass die fraglichen Beträge nicht der Kapitalertragsteuer unterworfen worden seien, machte der Kläger geltend, dass dies bei der Einkommensteuerfestsetzung erfolgen müsse. Weiterhin machte der Beklagte im Einspruchsverfahren geltend, dass weder erkennbar sei, dass es sich um so genannte Cash-Settlement-Zahlungen handele, noch dass ein Zusammenhang mit Erträgen, die der Abgeltungssteuer unterlägen, vorliege. Ausweislich des einschlägigen Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) stelle ein Barausgleich bei Stillhaltergeschäften auf Optionen einen ertragsteuerlichen unbeachtlichen Vermögensschaden dar.

6

Der Kläger erwiderte hierauf, dass sowohl die beteiligten Banken als auch Verbraucherschützer die Auffassung der Finanzverwaltung für falsch hielten. Der Beklagte beruft sich in seinem Einspruchsbescheid vom 11. Februar 2013 auf das o.g. BMF-Schreiben, das eindeutig regele, dass die entsprechenden Beträge nicht zu berücksichtigen seien. Zudem gehe aus den eingereichten Unterlagen nicht hervor, dass ein Zusammenhang mit Erträgen bestünde, die der Abgeltungssteuer unterworfen worden seien. Selbst dann könnten diese Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden. Gegen diesen Einspruchsbescheid richtet sich die vorliegende Klage.

7

Der Kläger macht geltend, dass ein Verweis auf das einschlägige BMF-Schreiben nicht ausreichend sei. Wenn Erträge besteuert würden, müssten auch die am selben Tag gezahlten Aufwendungen im Rahmen eines Cash-Settlements oder Glattstellungsgeschäftes berücksichtigt werden. Entsprechende Abrechnungen lägen vor. Glattstellungsgeschäfte sowie Stillhaltergeschäfte mit Barausgleich führten wirtschaftlich zum selben Ergebnis. Deshalb seien sowohl Aufwendungen im Rahmen einer Glattstellung wie auch eines Barausgleiches zu berücksichtigen. Die Finanzverwaltung berücksichtige bislang jedoch nur Aufwendungen im Rahmen eines Glattstellungsgeschäftes. Bei Glattstellungsgeschäften an Terminbörsen entstünden jedoch zusätzliche Kosten, die Verluste erhöhten. Die Auffassung der Verwaltung fände keine Stütze im Gesetz. Auch Stimmen der Literatur sprächen sich für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen aus. Richterin am Bundesfinanzhof (BFH) Jachmann habe gesagt, dass es im Rahmen der Abgeltungssteuer seit 2009 keine unbeachtliche Vermögensebene bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mehr geben solle.

8

Die Banken ermittelten täglich zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr einen gemeinsamen Abrechnungskurs (Cash-Settlement-Kurs), der veröffentlicht werde. Dieser Kurs sei vom Kläger abgefragt worden. Nachdem die Belastung bekannt war, wurden die Gegengeschäfte abgeschlossen, um die Beträge abzudecken. Ein Geschäft wurde um 14.10 Uhr ausgeführt (Entgelt 24.042,00 €), das zweite Geschäft um 14.11 Uhr (Entgelt 157.497,00 €, Gesamtwert 181.494 €). Die Ausführungszeiten würden systembedingt nicht angegeben.

9

Der Beklagte hält weiterhin an seiner Auffassung fest und macht geltend, dass das Urteil zum Aktenzeichen IX R 50/09 (Anmerkung RinBFH Jachmann, s.o.) einen anderen Sachverhalt betreffe und deswegen hier nicht zu berücksichtigen sei. Weiterhin ergäbe sich aus dem Schreiben des BMF vom 27. März 2013, dass dieses Urteil auf Fälle des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG nicht anzuwenden sei.

10

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten einen Zusammenhang der streitigen Beträge mit den bei Abschluss der Geschäfte erzielten und der Besteuerung unterworfenen Stillhalterprämien unstreitig gestellt.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist im vollen Umfang begründet.

12

I. Die Nichtberücksichtigung der Zahlungen aus den streitigen Geschäften bei Endfälligkeit (Barausgleich oder Cash-Settlement) ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

13

1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden, Einkünfte aus Kapitalvermögen. Schließt der Stillhalter ein Glattstellungsgeschäft ab, mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, bzw. der Gewinn aus der Veräußerung eines als Termingeschäft ausgestalteten Finanzinstruments. Nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist Gewinn im Sinne des Abs. 2 dieser Vorschrift der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten.

14

Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass die beiden verlustbringenden, am 19. Juni 2009 getätigten Stillhaltergeschäfte auf den EURO-STOXX-50-Index sachlich mit steuerpflichtigen Einnahmen zusammenhängen. Eine der Call-Positionen wurde am 17. April 2009 erworben, die zweite am 19. Dezember 2008. Es handelt sich um jeweils 10 Stück. Zu diesen Zeitpunkten hat der Kläger Stillhalterprämien i.H.v. 11.702 € und 165.791 € erhalten, die als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Jahr 2009 oder - für den in 2008 erhaltenen Betrag - als sonstige Einkünfte der Besteuerung unterworfen wurden. Somit ist ein Zusammenhang dieser beiden Beträge mit steuerpflichtigen Einnahmen - auch nach der Auffassung des Beklagten - unstreitig gegeben. Er hält insoweit nicht mehr an seiner Einwendung fest. Die beiden Geschäfte, die am 19. Juni 2009 zur Vermeidung der Zahlung von 185.090 € getätigt wurden, sind insoweit nach der Auffassung des Senats nicht maßgeblich. Gleichwohl hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass es sich bei diesen beiden Geschäfte um Vorgänge handelt, die abgeschlossen wurden, um die Zahlungen aus den endfällig gewordenen Geschäften abzuwenden. Er hat auch überzeugend vorgetragen, dass ihm ein Abschluss der streitigen Geschäfte mithilfe eines Glattstellungsgeschäfts (Closing-Vermerk) ebenfalls möglich gewesen wäre.

15

2. Eine Berücksichtigung der streitigen Beträge kann nach der Überzeugung des Senats auch gegen den eindeutigen Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG und die bisherige Rechtsprechung zur Rechtslage vor Einführung der Abgeltungssteuer erfolgen.

16

a. Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG sowie des § 20 Abs. 2 Nr. 3 a EStG spricht gegen eine Berücksichtigung von Prämien aus Stillhaltergeschäften, die einen Barausgleich darstellen. Es handelt sich hierbei weder um ein Glattstellungsgeschäft i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG noch um ein Termingeschäft nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG. Ein Glattstellungsgeschäft hätte vorgelegen, wenn die beiden Geschäfte mit einem sog. Closing-Vermerk abgeschlossen worden wären. Dies war hier jedoch nicht der Fall.

17

Gegen die Berücksichtigung des Barausgleichs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen spricht neben dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG auch die Tatsache, dass § 20 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG nicht auf Stillhaltergeschäfte anwendbar ist. Stillhaltergeschäfte sind keine Termingeschäfte im Sinne dieser Vorschrift.

18

b. Die Rechtsprechung des BFH, die zur Rechtslage vor Einführung der Abgeltungssteuer ergangen ist, kann nach der Überzeugung des Senats auf den Streitfall im Jahr 2009 nicht mehr angewandt werden.

19

Bis zur Einführung der Abgeltungssteuer war ein vom Stillhalter einer Kaufoption auf ein Indexzertifikat an den Optionsberechtigten gezahlter Barausgleich (cash-settlement) nicht als Werbungskosten gem. § 22 Nr. 3 EStG abziehbar. Dabei wurde bei Stillhaltergeschäften zwischen Eröffnungs- und Basisgeschäft getrennt, weshalb kein einheitliches Geschäft vorgelegen hat. Die Prämie wurde dem Optionsgeber als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Leistung, die vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden, gezahlt. Diese steht ihm auch zu, wenn keine Inanspruchnahme aus der Option erfolgt, oder das Basisgeschäft nicht durchgeführt wird. Die Prämie wird somit unabhängig von einem Basisgeschäft gewährt. Aus diesem Trennungsprinzip folgte, dass Verluste aus dem Basisgeschäft nicht bei den Einkünften aus Stillhaltergeschäften zu berücksichtigen waren. Der Vermögensnachteil, den ein Stillhalter erlitt, weil er aufgrund des Basisgeschäfts in Anspruch genommen wurde und einen Ausgleich entrichten musste, wurde der Vermögensebene zugeordnet (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. November 2001, BStBl. I 2001, 986, Rn 24). Der Unterschied zum Glattstellungsgeschäft wurde darin gesehen, dass der Steuerpflichtige die Glattstellungsprämie vor allem gezahlt hat, um die Einnahmen aus dem Stillhaltergeschäft zu sichern. Das Risiko der Vermögenseinbußen solle durch ein Glattstellungsgeschäft vermindert werden. In der Durchführung des Basisgeschäfts hat sich das Risiko, das durch § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG abgedeckt ist, verwirklicht (vgl. zum Ganzen Urteil des BFH vom 13. Februar 2008, IX R 68/07, BStBl. II 2008, 522).

20

Gegen diese Rechtsprechung wurde bereits eingewandt, dass die (künstliche) Aufspaltung eines Optionsgeschäfts in zwei voneinander unabhängige Teile beim cash-settlement dem wirtschaftlichen Sachverhalt widerspreche. Optionsgeschäfte begründen eine einseitige Bindungswirkung für den Stillhalter, dem das Risiko der Marktveränderung obliegt. Nur bei einer vorteilhaften Veränderung des Marktes wird der Inhaber der Option diese auch ausüben. Die Prämie ist unabhängig von der Ausübung der Option zu bezahlen. Eine Risikoabsicherung ist durch den Erwerb einer genau entgegen gerichteten Optionsposition möglich (sog. Glattstellungsgeschäft). Ein solches Geschäft entspricht wirtschaftlich einem Verkauf bzw. der Beendigung der ursprünglichen Stillhalterposition. Wird die Option bis zur Endfälligkeit aufrechterhalten, wird entweder das Basisgeschäft durchgeführt, oder es kommt zu einem Barausgleich (cash-settlement) (vgl. hierzu Hahne/Krause BB 2008, 1101ff). Bei Index-Zertifikaten ist eine Lieferung im Übrigen ausgeschlossen, da ein Index - im Gegensatz zu Aktien - nicht geliefert werden kann. Eine Trennung in zwei Geschäfte ist deswegen auch wenig überzeugend, da es gar nicht zur Lieferung eines Indexes kommen kann. Hier erfolgt immer ein Ausgleich durch Bargeld.

21

Durch die Umgestaltung der Einkunftsarten im Bereich der §§ 20, 22, 23 EStG bei der Einführung der Abgeltungssteuer, bei der nach § 20 Abs. 9 EStG ein Werbungskostenabzug nicht mehr möglich ist, und der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen hat, Aufwendungen für ein Glattstellungsgeschäft, die bislang Werbungskosten dargestellt haben, bei den Einnahmen zu berücksichtigen, muss die Rechtsprechung, die zur Sachverhalten vor 2009 ergangen ist, überdacht werden. Der Senat sieht sich durch die geänderte Systematik dieser Vorschrift gehindert, die o.g. Rechtsprechung fortzuführen.

22

Zu diesem Schluss dürfte auch der BFH selbst gekommen sein, der in seiner Presseerklärung zum Urteil vom 13. Februar 2008 ausgeführt hat, dass "... sich die Rechtslage mit der Einführung der Abgeltungssteuer ab 2009 wiederum ändert. Optionsgeschäfte jeglicher Art führen dann zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Verluste aus Basisgeschäften können deshalb künftig mit Einkünften aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden."

23

3. Nach dem Sinn und Zweck der Abgeltungssteuer ist jedoch im Rahmen der Auslegung eine Berücksichtigung des Barausgleichs vorzunehmen. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine allein am Wortlaut orientierte Lösung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig nicht vollständig umgesetzt worden ist.

24

a. Eine den Wortlaut korrigierende Auslegung wird dann zugelassen, wenn eine allein wortlautgemäße Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt worden ist. Weichen Gesetzeswortlaut und -zweck voneinander ab, so ist der Wortlaut der Gesetzesbestimmung ihrem Zweck entsprechend einzuschränken, sofern sich das Gesetz gemessen an seinem Zweck als planwidrig zu weitgehend erweist. Hingegen kommt eine teleologische Reduktion grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn der weite Wortlaut der Vorschrift Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist (vgl. Urteil des BFH vom 27. März 2007, VIII R 25/05, BStBl. II 2008, 298 m.w.N.).

25

b. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/4847, S. 54) sollen alle Finanzinstrumente einheitlich im Rahmen des § 20 EStG besteuert werden. Ziel der Neufassung des Begriffs der Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG unter dem Regime der Abgeltungssteuer war es, die laufenden Einnahmen und Veräußerungsgewinne aus Kapitalvermögen unabhängig von der Haltedauer der Kapitalanlage zu erfassen. Deshalb gehören auch Einnahmen aus Optionsprämien und Termingeschäften mit Differenzausgleich zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 Nr. 3 EStG), obwohl es sich um Kapitalüberlassungen handelt. Demnach soll es in diesem Bereich eigentlich keine steuerrechtlich unbeachtliche Vermögensebene mehr geben.

26

Nach dem § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zugrunde liegenden Nettoprinzip soll nur der beim Stillhalter verbliebene Vermögenszuwachs besteuert werden (BT-Drs 16/4847, S. 54). Geschäfte mit Barausgleich sind in der Gesetzesbegründung nicht explizit erwähnt. Im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers eine einheitliche Besteuerung nach dem Nettoprinzip herbeizuführen, ergibt sich, dass bei Stillhaltergeschäften ein Barausgleich zu berücksichtigen ist. Anhaltspunkte für eine Ausnahme gerade dieser Geschäfte sind der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Stillhaltergeschäfte an sich und auch ihre Ausgestaltung hinsichtlich der Beendigung gehören nach der Überzeugung des Senats nicht zu den Finanzinstrumenten, die einer Vielzahl von Personen bekannt und in den Details geläufig sind. Es ist deshalb durchaus möglich, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Stillhaltergeschäfte mit Barausgleich nicht bedacht wurden. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung der Stillhaltergeschäfte, die mit oder ohne Glattstellungsgeschäft abgeschlossen werden, ergeben sich keine Unterschiede. In beiden Fällen wird bei Abschluss des Geschäfts eine Prämie vereinnahmt. Bei Beendigung des Geschäfts ist wiederum ein gewisser Geldbetrag fällig, entweder durch das Glattstellungsgeschäft bei dem eine Prämie zu zahlen ist, oder durch den Ausgleich bei Ende der Optionsfrist. Die Werte basieren in beiden Fällen auf Kursen, die in gewissem Umfang wegen der mit den einzelnen Geschäften verbundenen Vorteilen und Risiken differieren. Eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit ist somit gegeben.

27

Da sich die Gesetzesbegründung nicht ausdrücklich zur Behandlung der Stillhaltergeschäfte mit Barausgleich äußert und auch nicht vorausgesetzt werden kann, dass diese Besonderheit bei dem nicht alltäglichen Stillhaltergeschäft und die bisherige - differenzierende Rechtsprechung des BFH - den Abgeordneten präsent war, sieht der Senat eine Regelungslücke, die durch Auslegung geschlossen werden kann.

28

4. Auch das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit spricht für eine Berücksichtigung des Barausgleichs. Deshalb sieht der Senat seine Entscheidung auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht als gerechtfertigt an.

29

a. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 9. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210-248) sind bei der Neugestaltung von gesetzlichen Regelungen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen sowie die Folgerichtigkeit der Regelung zu berücksichtigen.

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Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164 [BVerfG 21.06.2006 - 2 BvL 2/99] <180>; stRspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfGE 110, 412 [BVerfG 08.06.2004 - 2 BvL 5/00] <431>; 116, 164 <180>). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (stRspr; vgl. BVerfGE 110, 274 <291>; 112, 164 <174>; 116, 164 <180>). Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (stRspr; vgl. BVerfGE 112, 164 [BVerfG 11.01.2005 - 2 BvR 167/02] <174>). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (stRspr; vgl. BVerfGE 105, 73 [BVerfG 06.03.2002 - 2 BvL 17/99] <111>; 107, 27 <45 f.>; 112, 268 <279>).

31

Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 93, 121 [BVerfG 22.06.1995 - 2 BvL 37/91] <136>; 107, 27 <47>; 117, 1 <30>). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 105, 73 [BVerfG 06.03.2002 - 2 BvL 17/99] <125>; 107, 27 <46 f.>; 116, 164 <180>; 117, 1 <30>). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit (vgl. BVerfGE 84, 239 [BVerfG 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89] <268 ff.>) darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss (vgl. BVerfGE 82, 60 <89>; 99, 246 <260>, 107, 27 <46 f.>; 116, 164 <180>). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 99, 88 [BVerfG 30.09.1998 - 2 BvR 1818/91] <95>; 99, 280 <290>; 105, 73 <126>; 107, 27 <47>; 116, 164 <180 f.>; 117, 1 <31>).

32

b. Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen sowie den (privaten) existenzsichernden Aufwendungen andererseits.

33

aa. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher offen gelassen, ob das objektive Nettoprinzip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt, Verfassungsrang hat; jedenfalls aber kann der Gesetzgeber dieses Prinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (vgl. BVerfGE 81, 228 <237>; 107, 27 <48> m. w. N.). Hiernach entfaltet schon das einfachrechtliche objektive Nettoprinzip Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen. Die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer gehört zu diesen Grundentscheidungen, so dass Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes bedürfen (vgl. BVerfGE 99, 280 [BVerfG 11.11.1998 - 2 BvL 10/95] <290>; 107, 27 <48>). Auf dieser Grundlage kann die Frage nach dem Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips auch hier offen bleiben.

34

bb. Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips ist das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie zu beachten (stRspr; vgl. BVerfGE 82, 60; 87, 153; 107, 27 <48>; 112, 268 <281>; Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 -, NJW 2008, S. 1868 <1871f.>).

35

cc. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. auch Urteil des BFH vom 20. Oktober 2010, IX R 56/09, BStBl. II 2011, 409 m.w.N.). Wirtschaftlich sinnloses Verhalten wird von einem Gesetz somit nicht verlangt, es erfolgt vielmehr eine Besteuerung nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit (Urteil des BFH vom 26. September 2012, IX R 50/09, BStBl. I 2013, 231).

36

c. Der Senat ist unter Berücksichtigung der obigen Vorgaben zu der Überzeugung gelangt, dass eine Nichtberücksichtigung von Barausgleichen bei Stillhaltergeschäften nicht folgerichtig im Sinne der o.g. Rechtsprechung ist.

37

Die Leistungsfähigkeit des Klägers ist hier durch die Zahlung bei Beendigung des Stillhaltergeschäftes - unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung (Glattstellung oder Barausgleich) und rechtlichen Einordnung in einen Typus (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG oder nicht) - gemindert. Er hat hier auch überzeugend vorgetragen, dass aufgrund der Wertentwicklung an der Börse der Abschluss eines Glattstellungsgeschäft zu einem schlechteren Kurs möglich gewesen wäre und er damit einen höheren Wert als den Optionsbetrag i.H.v. ./. 185.090,00 € hätte aufwenden müssen. Im Ergebnis wäre auch durch das Abschließen eines Glattstellungsgeschäftes ein negativer Betrag entstanden. Eine Zahlung bei Beendigung der ursprünglich gezeichneten Optionen hätte sich somit nicht vermeiden lassen. Weshalb diese Zahlungen im Fall eines Glattstellungsgeschäftes steuerrechtlich berücksichtigt werden können, bei Unterlassen eines solchen Geschäfts jedoch nicht, erschließt sich dem Senat nicht.

38

Hierzu fehlt es an einem zu berücksichtigenden Grund, der auch nach der Umgestaltung der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit der Einführung der Abgeltungssteuer eine Differenzierung rechtfertigen kann. Die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ist bei beiden Geschäftstypen entweder durch das Gegengeschäft oder den bei Fristablauf entstehenden Barausgleich beeinträchtigt. Das Glattstellungsgeschäft wird i.d.R. abgeschlossen um Verluste zu vermeiden, somit den Abfluss von Liquidität durch ein Gegengeschäft zu verhindern, zumindest aber (stark) zu vermindern. Dadurch ergibt sich jedoch ein anderer Kurs, der nicht unbedingt günstiger für den Steuerpflichtigen oder den Fiskus sein muss. Weshalb die - im vorliegenden Fall nach der Überzeugung des Senats gegebene - Verlustminimierung durch den Kläger dazu führen soll, dass dieser abweichend von seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden soll, ist nicht ersichtlich.

39

Die Differenzierung zwischen beiden Geschäftstypen führt zu einer Verkomplizierung, die wirtschaftlich nicht angebracht und auch nicht nachvollziehbar ist. Sie steht auch einer Vereinfachung der Rechtslage entgegen, da sowohl die Banken im Hinblick auf den Kapitalertragssteuerabzug und den Ausweis in der Steuerbescheinigung sowie die Finanzverwaltung bei der Steuerveranlagung zwischen beiden Geschäftstypen unterscheiden müssen. Es liegt insoweit eine Verkomplizierung für alle Beteiligten vor. Der Senat geht davon aus, dass bei der Neuregelung im Zusammenhang mit der Abgeltungssteuer der Spezialfall Stillhaltergeschäfte mit Barausgleich nicht bedacht wurde und deshalb eine gesetzliche Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfolgte, die nicht mehr ganz systematisch ist. Da der Senat eine Regelungslücke sieht, ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht erforderlich. Die Regelungslücke kann durchaus im Rahmen der Auslegung geschlossen werden, ohne dass es einer Überprüfung der gesamten Systematik der §§ 20, 23 EStG bedarf.

40

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass wirtschaftlich betrachtet der Abschluss einer Stillhalteroption als Spekulationsgeschäft angesehen werden kann, da der Stillhalter nach Abschluss des Geschäfts keinen Einfluss auf die Wertentwicklung hat.

41

Stillhaltergeschäfte stellen Risikogeschäfte dar. Durch das Werbungskostenabzugsverbot könnten bei der Abgeltungssteuer die Prämien aus dem Glattstellungsgeschäft nicht mehr - wie früher als Werbungskosten - berücksichtigt werden, wenn dies nicht gesetzlich in § 20 Abs. 1 Nr. 11 HS. 2 EStG n.F. angeordnet wäre (so auch Philipowski, Stillhaltergeschäfte, DStR 2008, 353, 356). Ein Werbungskostenabzug ist nach § 20 Abs. 9 EStG seit Einführung der Abgeltungssteuer nicht mehr möglich. Deshalb geht der Senat davon aus, dass die Prämien für ein Glattstellungsgeschäft i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG negative Einnahmen darstellen. Nach dem o.g. Gebot der Folgerichtigkeit muss diese Ausnahmeregelung auch für vergleichbare Geschäfte - hier den Barausgleich - gelten. Der Barausgleich des Klägers kann deshalb als negative Einnahmen berücksichtigt werden.

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Hinzu kommt, dass auch nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG gewisse Anschaffungskosten mindernd zu berücksichtigen sind. Bei Termingeschäften ist der Differenzausgleich zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. a EStG). Bei all diesen Geschäften mangelt es an einer Kapitalüberlassung, so dass eine Vergleichbarkeit zu Stillhaltergeschäften gegeben ist. Beim Barausgleich handelt es sich um aufschiebend bedingte Zahlungen im Zusammenhang mit den Prämien, die beim Erwerb erzielt werden. Ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für den Ausschluss des Barausgleichs ist nach der Überzeugung des Senats nicht ersichtlich.

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5. Auch Teile der Literatur sprechen sich für eine Gleichbehandlung der beiden Typen bei Stillhaltergeschäften aus.

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Die Ungleichbehandlung zwischen Stillhaltergeschäften mit Glattstellungsgeschäft oder Barausgleich wird in der Kommentierung als nicht überzeugend angesehen (Schmidt-Weber-Grellet, § 20 EStG, Rn 120, 136; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff-Gersch, § 43 EStG, Rn J a 10). Da seit 2009 auch Verluste aus der Veräußerung von Aktien steuerrechtlich zu berücksichtigen sind, besteht kein Grund die wirtschaftlich vergleichbaren Verluste aus einem Stillhaltergeschäft mit Barausgleich zu berücksichtigen. Mit dem Stillhaltergeschäft sollen positive Einnahmen erzielt werden. Ein Verlust tritt deshalb hier wie auch bei anderen Geschäften unerwartet ein.

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Teilweise wird damit argumentiert, dass die in Stillhaltergeschäften eingeräumten Optionsrechte Wirtschaftsgüter sind. Eine Vergleichbarkeit mit den Finanzinstrumenten gem. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG n.F. wird als gegeben angesehen. Es werden bei der Einräumung des Optionsrechts durch Abschluss des Stillhaltervertrags und bei der Übertragung des Wirtschaftsguts durch Abschluss eines Veräußerungsvertrags identische Leistungen erbracht (Philipowski, Vereinnahmte Stillhalterprämien; Gezahlter Barausgleich nicht abziehbar? DStR 2010, 2283, 2286). Ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang ist gegeben, da die Option nur dann gegen Entgelt eingeräumt werden kann, wenn die aufschiebend bedingte Pflicht zur Zahlung eines Barausgleichs eingegangen wird. Die Pflicht zur Zahlung des Barausgleichs kann sogar auf demselben Vertrag wie der Anspruch auf Zahlung der Prämie beruhen. In der Regel wird zuerst die Prämie vereinnahmt und erst später der Barausgleich verausgabt.

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Da nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 Buchst a EStG n.F. auch Gewinne aus Termingeschäften mit Differenzausgleich zu den Einkünften zählen, sind auch entsprechende Geschäfte mit Barausgleich - insbesondere wenn wie hier eine Lieferung nicht möglich ist - vollumfänglich zu erfassen (so auch Jachmann Anmerkung zu IX R 68/07, jurisPR-SteuerR 25/2008). Ein Differenzierungsgrund ist nicht ersichtlich. Eine unterschiedliche Behandlung erscheint auch nicht folgerichtig (so auch Kirchhof-von Beckerath § 20 EStG, Rn 116b).

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Diese Auffassungen sprechen dafür, dass der Barausgleich bei Stillhaltergeschäften steuerrechtlich ebenfalls berücksichtigt werden sollte.

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Soweit vertreten wird, dass der Barausgleich bei Glattstellungsgeschäften nicht mindernd berücksichtigt werden kann, werden gleichzeitig verfassungsrechtliche Bedenken an der Systematik und Folgerichtigkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG an sich erhoben. So weit möchte der Senat jedoch nicht gehen, und hält es für sachgerecht die Regelung im Rahmen der ihm zustehenden Möglichkeiten verfassungsrechtlich auszulegen. Eine Ungleichbehandlung der beiden Arten von Stillhaltergeschäften wird deshalb aus den o.g. Gründen als nicht mehr gerechtfertigt angesehen (so auch Hahne/Kraus BB 2008, 1101, 1102).

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5. Dem steht auch die Verwaltungsmeinung nicht entgegen, die die Rechtslage vor Einführung der Abgeltungssteuer fortführt.

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Das Bundesministerium der Finanzen geht in seinem Schreiben vom 9. Oktober 2012, (BStBl. I 2012, 953, Rn 26, 34) davon aus, dass Vermögensverluste bei einem Stillhaltergeschäft aufgrund eines Barausgleichs einen einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Vermögensschaden darstellen. Es führt hierbei wohl die bisherige Rechtsprechung fort, ohne zu differenzieren. Dies ist aus den o.g. Gründen nicht überzeugend.

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Stillhaltergeschäfte berühren an sich die Vermögensebene, weshalb sie bis einschließlich 2008 auch bei § 23 EStG steuerrechtlich erfasst wurden. Da der Gesetzgeber mit Einführung der Abgeltungssteuer ab 2009 auch Geschäfte aus dem Bereich des § 23 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erfassen möchte, sollte dies auch folgerichtig umgesetzt werden. Die Argumentation mit dem Vorliegen eines Vermögensschadens nur weil es an einem Gegengeschäft mangelt, bei dem eine Stillhalterprämie erzielt werden kann, ist deshalb nicht überzeugend.

II.

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Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen. Für das Regime der Abgeltungssteuer ist noch nicht entschieden, wie Stillhaltergeschäfte mit Barausgleich zu behandeln sind. Auch ist zu überdenken, ob die bislang vom BFH etablierte Trennungstheorie nach der Umgestaltung der §§ 20, 23 EStG fortgeführt werden soll.