Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 06.10.2020, Az.: 13 A 900/18

Arbeitszeit; Entlastung von dienstlichen Aufgaben; Freizeitausgleich; Fürsorgepflicht; Mehrarbeit; Treu und Glauben; Unionshaftungsanspruch

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.10.2020
Aktenzeichen
13 A 900/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71881
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zum Anspruch eines Schulleiters auf Entlastung von dienstlichen Aufgaben und Freizeitausgleich

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Entlastung von dienstlichen Aufgaben sowie die Gewährung von Freizeitausgleich.

Der H. geborene Kläger ist seit I. Rektor (Besoldungsgruppe A13) der Grundschule J. in K..

Im Schuljahr 2015/2016 nahm er an der von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Niedersachsen in Auftrag gegebenen und von der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-Universität Göttingen durchgeführten Niedersächsischen Arbeitszeitstudie für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (im Folgenden: Arbeitszeitstudie) teil. In der im August 2016 veröffentlichten Studie wird die dokumentierte Arbeitszeit von ca. 3000 Lehrkräften öffentlicher Schulen in Niedersachsen im Schuljahr 2015/2016 analysiert und ausgewertet. Die Dokumentation der Arbeitszeit erfolgte über ein gesamtes pädagogisches Jahr vom 13. April 2015, dem ersten Schultag nach den Osterferien 2015, bis zum 3. April 2016, dem letzten Tag der Osterferien 2016.

In der Studie wurde ausgehend von einem Wochenarbeits-Soll das jeweilige durchschnittliche Wochen-Ist pro Teilnehmer, unterschieden nach Schularten, ermittelt. Als Wochenarbeits-Soll wurde – vorbehaltlich individueller Abweichungen aufgrund von Teilzeit, Altersermäßigungen etc. – ein durchschnittlicher Wert von 46:38 Stunden für den Studienzeitraum festgelegt. Mit dem so festgelegten Wochenarbeits-Soll wird die wöchentliche Arbeitszeit einer Lehrkraft an einer öffentlichen Schule auf die durchschnittliche Arbeitswoche einer verbeamteten Person im öffentlichen Dienst umgerechnet. Eine derartige Umrechnung war nach der Arbeitszeitstudie erforderlich, um eine Vergleichbarkeit der Wochenarbeitszeiten der Lehrkräfte mit Beamten im öffentlichen Dienst herzustellen. Während bei Lehrkräften die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nur durch die Regelstundenanzahl nach § 3 Nds. ArbZVO-Schule festgelegt ist und je nach Schulform variiert, gilt für verbeamtete Beschäftigte im öffentlichen Dienst gem. § 2 Nds. ArbZVO eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Dabei wird in der Studie für die Berechnung des Wochenarbeits-Soll unterstellt, dass die gesamte Arbeitszeit der Lehrkraft innerhalb der Schulzeiten, also ausschließlich an Schultagen, geleistet wird. Dies entspricht der Arbeitszeitleistung bei Beamten im öffentlichen Dienst an Arbeitstagen. Der berechnete Normwert von 46:38 Stunden stellt das Wochenäquivalent dar, welches Lehrkräfte an Schultagen ableisten müssten, um ohne weitere Arbeit an Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien auf eine mit dem öffentlichen Dienst vergleichbare Arbeitsjahressumme zu kommen. In der Studie ist dazu festgehalten, dass die zugrundeliegenden Prämissen nicht der Realität entsprächen, da Lehrkräfte auch an Wochenenden und in den Ferien arbeiteten, aber notwendig seien, um ein vergleichbares Wochenarbeits-Soll zu berechnen.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung des Wertes von 46:38 Stunden als Wochenarbeits-Soll wird auf die Ausführungen zum Gliederungspunkt 4.1.1 „SOLL-Variablen“, hier das „Wochenarbeitszeit-SOLL (Normwoche)“ auf S. 49-51 der Arbeitszeitstudie, Bezug genommen.

Das grundsätzliche Wochenarbeitszeit-Soll von 46:38 Stunden gilt allerdings nur in den Fällen, in denen keine individuellen Faktoren zu einer Verringerung der Soll-Arbeitszeit führen, wie etwa Teilzeitreduktion, Schwerbehinderung, Arbeitszeitkonto, Altersermäßigung oder flexible Unterrichtsstunden. In der Auswertung der persönlichen Arbeitszeiterfassung des Klägers wird für den Kläger eine individuelle durchschnittliche Soll-Wochenarbeitszeit von 44:58 Stunden anstelle von 46:38 Stunden festgelegt, da der Kläger in den Schuljahren 2014/2015 und 2015/2016 zum Zwecke des Ausgleichs seines Arbeitszeitkontos eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung in Höhe von einer Unterrichtsstunde in Anspruch genommen hatte. Dadurch verringerte sich das Wochenarbeits-Soll für den Kläger nicht nur um 0:45 Stunden, sondern um 1:40 Stunden. In der Arbeitszeitstudie wird für Grundschulen ein durchschnittlicher Zeitaufwand von 1:40 Stunde pro erteilter Unterrichtsstunde zugrunde gelegt, da neben der 45-minütigen Unterrichtsstunde noch Zeiten von Vor- und Nachbereitung einberechnet worden sind (vgl. Arbeitszeitstudie, S. 51, Tabelle 12). Zieht man von dem Wochenarbeits-Soll von 46:38 Stunden den Zeitaufwand von 1:40 Stunden ab, ergibt sich der Wert von 44:58 Stunden.

Die Arbeitszeit der teilnehmenden Lehrkräfte ist in die Kategorien „Unterricht“, „Funktionen“ und „Weitere Tätigkeiten“ unterteilt. Die Kategorie „Unterricht“ umfasst ausschließlich die reine Unterrichtszeit sowie Vertretungsunterricht und Aufsichten in Pausen, Klausuren oder Prüfungen. Von der Kategorie „Funktionen“ sind Funktionsarbeiten wie z. B. die Tätigkeit als Beratungslehrer, im Personalrat oder zusätzliche Tätigkeiten wie im Rahmen der Jahrgangsleitung, Lernmittelausleihe oder Gesundheitsförderung erfasst. Ebenfalls dazu zählen die Schulleitungsfunktionen. Dagegen fallen in die Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ alle anderen Tätigkeitskategorien, die nicht schon von „Unterricht“ oder „Funktionen“ abgedeckt werden. Dies sind die Kategorien „Unterrichtsnahe Lehrarbeit“ (z. B. Korrekturzeiten, Unterrichtsvor- und Nachbereitung etc.), „Kommunikation“ (z. B. Konferenzen, Sitzungen, Arbeitsgruppen, pädagogische Kommunikation mit Schülern, Eltern, Kollegen etc.), „Fahrten/Veranstaltungen“ (Fahrten und Veranstaltungen mit und ohne Übernachtung, z. B. Konzerte, Tage der offenen Tür oder auch Klassenfahrten, Schüleraustausche einschließlich Vor- und Nachbereitung), „Arbeitsorganisation“ (z. B. Materialbestellung, Klassenzimmer gestalten), „Weiterbildung“ (alle formalen Fort- und Weiterbildungszeiten) und „Sonstige Tätigkeiten“ (u. a. Krankheitstage, Arztbesuche, Sonderurlaub, Fördergutachten). Im Einzelnen sind in der Arbeitszeitstudie für jede Kategorie Unterkategorien aufgeführt und mit Aufzählungen der davon jeweils umfassten Tätigkeiten versehen, um eine genaue Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten für die teilnehmenden Lehrkräfte bei den Eintragungen zu ermöglichen.

Für alle teilnehmenden Lehrkräfte an Grundschulen ergibt sich aus der Arbeitszeitstudie eine durchschnittliche wöchentliche Mehrarbeit in Höhe von 1:20 Stunden. Dabei wird in der Studie nicht zwischen Schulleitern und anderen Lehrkräften unterschieden. Die durchschnittliche Ist-Wochenarbeitszeit des Klägers beträgt laut seiner persönlichen Auswertung 53:41 Stunden. Das wöchentliche Arbeitszeit-Soll wird damit um 8:42 Stunden überschritten. Die individuelle Arbeitszeit des Klägers teilt sich dabei wie folgt auf: In der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ überschreitet der Kläger die wöchentliche Soll-Arbeitszeit von 11:54 Stunden um durchschnittlich 19:11 Stunden. Dagegen bleibt er in der Kategorie „Unterricht“ um 0:46 Stunden hinter den eigentlich zu leistenden 9:45 Stunden, in der Kategorie „Funktionen“ um 9:42 Stunden hinter dem Soll von 23:19 Stunden zurück.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 zeigte der Kläger bei der Beklagten seine Überlastung an und beantragte, ihn von zusätzlich übertragenen Aufgaben zu entlasten, um eine gesetzeskonforme Wochenarbeitszeit zu erreichen. Zur Begründung führte er an, dass seine durchschnittliche Arbeitszeit durch stetige Übertragung neuer Aufgaben ohne entsprechende Entlastung in anderen Bereichen dauerhaft gestiegen sei.

Der Kläger hat am 31. Januar 2018 Untätigkeitsklage erhoben. Mit seiner Klage hat er zunächst die Entlastung von dienstlichen Aufgaben geltend gemacht. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 2. Februar 2018 geantwortet und den Kläger auf bereits bestehende Maßnahmen zur Entlastung hingewiesen. Gleichzeitig hat sie dem Kläger ein Gespräch angeboten, welches am 5. Februar 2018 stattfand. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde dem Kläger weitere Unterstützung durch die zuständige Dezernentin in Form von regelmäßigen sowie anlassbezogenen Gesprächen zugesagt. Außerdem wies die Beklagte den Kläger auf das Beratungs- und Unterstützungsprogramm der Beklagten sowie auf eine künftige Entlastung zum 1. März 2018 durch Übertragung der dienstrechtlichen Befugnisse der Grundschulen auf die Beklagte hin.

Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2018 hat der Kläger das Antwortschreiben der Beklagten vom 2. Februar 2018 in seine Klage einbezogen.

Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2019 hat der Kläger seine Klage erweitert und zusätzlich die Gewährung von Freizeitausgleich für wöchentliche Mehrarbeit in Höhe von jeweils 8 Stunden und 42 Minuten seit dem 1. November 2017 geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2020 hat der Kläger erneut seine Klage erweitert und den Anspruch auf Freizeitausgleich auf den Zeitraum seit dem 13. April 2015 erstreckt.

Zur Begründung der begehrten Entlastung trägt er im Wesentlichen vor, die auf die Schulen übertragenen Aufgaben hätten sich in den letzten Jahren stetig gewandelt und insgesamt zu einer Zunahme an von den Schulen auszuführenden Tätigkeiten geführt, ohne an anderer Stelle entlastet worden zu sein. Dabei handele es sich insbesondere um die folgenden Aufgabenübertragungen:

- Die Einführung der „Verlässlichen Grundschule“ zum Schuljahr 1999/2000 bzw. verpflichtend für alle Grundschulen zum Schuljahr 2004/2005, wodurch die Grundschulen für alle Schülerinnen und Schüler ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sicherstellen müssten. Die dafür eingesetzten pädagogischen Mitarbeiter müssten von den Grundschulen eigenverantwortlich eingestellt werden.

- Die Neuregelung der inneren Schulverfassung durch das Gesetz zur Eigenverantwortlichen Schule vom 17. Juli 2006, wodurch insbesondere die Auffangzuständigkeit der Gesamtkonferenz in allen wesentlichen Angelegenheiten der Schule an die Schulleitung abgegeben worden sei.

- Die Errichtung der Ganztagsschule, wobei die Schulleitung die Gesamtverantwortung für die Schule und deren Qualitätssicherung und -entwicklung zu tragen und insbesondere Arbeitsverträge oder Verträge mit außerschulischen Anbietern zu schließen habe.

- Die Einführung der inklusiven Schule, insbesondere die Gesamtverantwortung der Schulleitung für die Umgestaltung hin zur inklusiven Schule.

- Die Beratungspflicht in der Grundschule, mit der die frühere Laufbahnempfehlung durch mindestens zwei Beratungsgespräche über die individuelle Lernentwicklung des jeweiligen Schülers im 4. Schuljahr und die damit einhergehende Dokumentation der individuellen Lernentwicklung ersetzt worden sei.

Durch die zum 1. März 2018 in Kraft getretenen Änderungen des Runderlasses „Dienstrechtliche Befugnisse und sonstige personalrechtliche Aufgaben und Befugnisse sowie Zuständigkeiten nach dem Niedersächsischen Besoldungsgesetz“ des Kultusministeriums vom 22. Januar 2016, 14-03 000 (24) (im Folgenden: Runderlass „dienstrechtliche Befugnisse“) habe sich seine Arbeitsbelastung nicht verringert. Insbesondere verbleibe die vorbereitende Arbeit weiterhin bei den Grundschulen.

Die im Rahmen der Studienteilnahme durchgeführte Zeiterfassung sei ausreichend aussagekräftig und belege seine anhaltende Arbeitszeitüberschreitung. Das Niedersächsische Kultusministerium habe das Expertengremium Arbeitszeitanalyse eingesetzt, das in seinen „Empfehlungen zur Entwicklung arbeitszeitrechtlicher Normen für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen von niedersächsischen Schulen“ vom 22. Oktober 2018 (im Folgenden: Empfehlungen des Expertengremiums Arbeitszeitanalyse) ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Niedersächsische Arbeitszeitstudie eine geeignete empirische Basis zur Beurteilung der von Lehrkräften erbrachten Tätigkeiten und der hierfür aufgebrachten Zeiten darstelle und deshalb zur Grundlage der Überlegungen des Gremiums gemacht worden sei. Den Bericht des Expertengremiums Arbeitszeitanalyse habe sich das Kultusministerium zu Eigen gemacht. Deshalb könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass sich die Arbeitszeit von Lehrkräften, insbesondere im Falle des Klägers, nicht messen lasse. Da auch die individuell für den Kläger ermittelten Zeitangaben zu den Datensätzen der Arbeitszeitstudie gehörten, könnten die Daten auch in diesem Verfahren zum aktuellen Zeitpunkt zugrunde gelegt werden.

Da der Dienstherr es versäumt habe, ein nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gefordertes System zur Messung der Arbeitszeit von Arbeitnehmern zu etablieren, könne seinen individuellen Ergebnissen auf Grundlage der Arbeitszeitstudie nicht entgegengehalten werden, dass sie keine verlässliche Grundlage für die Feststellung einer zu starken Arbeitsbelastung bieten würden. Vielmehr gelte zu seinen Gunsten hinsichtlich des Beweises der Arbeitszeitüberschreitung eine Beweislastumkehr, da die Beklagte mangels Umsetzung eines Systems zur Arbeitszeitmessung den Beweis für die Arbeitszeitüberschreitung vereitelt habe.

Er könne gewisse Aufgaben auch nicht einfach verschieben oder „liegen lassen“, um eine Arbeitszeitüberschreitung zu vermeiden. Denn einerseits schaffe wegen der dauerhaften Überlastung der niedersächsischen Schulen eine bloße Verschiebung von Aufgaben keine Abhilfe. Zudem seien alle außerunterrichtlichen Aufgaben in den wiederkehrenden Plan der Schulhalbjahre für Unterrichtsstunden, Konferenzen, Arbeiten bzw. Klausuren und Lehrpläne eingebettet. Deren Erledigung lasse sich nicht verschieben.

Zur Begründung des Anspruchs auf Freizeitausgleich trägt er vor, die dienstliche Inanspruchnahme über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus sei rechtswidrig. Der Anspruch auf Freizeitausgleich ergebe sich zum einen aus dem im Beamtenrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben, zum anderen auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch, da der Dienstherr qualifiziert gegen geltendes Europarecht verstoßen habe, indem er entgegen der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG kein System zur Messung der Arbeitszeit errichtet habe. Deshalb komme ihm, dem Kläger, eine Beweislastumkehr wegen Beweisvereitelung durch den Dienstherrn zugute.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Februar 2018 zu verurteilen, ihn von dienstlichen Aufgaben so zu entlasten, dass eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden im Jahr gewährleistet wird,

2. die Beklagte zu verpflichten, ihm Freizeitausgleich für wöchentliche Mehrarbeit im Umfang von 8 Stunden und 42 Minuten seit dem 13. April 2015 zu gewähren,

3. die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage entgegen. Die Klage sei bereits (teilweise) unzulässig, da der Klageantrag nicht bestimmt sei. Es sei nicht deutlich gemacht worden, welche Entlastungsmaßnahmen der Kläger begehre und welche Aufgabenbereiche zu der vom Kläger behaupteten Arbeitszeitüberschreitung führen würden.

Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet, da der Kläger eine Arbeitszeitüberschreitung nicht substantiiert dargelegt habe. Dass sich der Kläger lediglich auf die Daten aus der Arbeitszeitstudie aus dem Erhebungszeitraum 2015/2016 stütze, sei nicht ausreichend. Vielmehr müsse der Kläger aktuelle Daten vorlegen. Dass auch im aktuellen Zeitraum im Vergleich zu der in der Studie ermittelten Sollarbeitszeit eine regelmäßige individuelle Überschreitung der Wochenarbeitszeit vorliege, habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Allein der Umstand, dass das Expertengremium Arbeitszeitanalyse in seinem Abschlussbericht unter Bezugnahme auf die Arbeitszeitstudie eine durchschnittliche Arbeitszeitüberschreitung von Schulleitern an Grundschulen in Höhe von 5:20 Stunden festgestellt habe, lasse nicht den Schluss zu, dass dies auf jeden Schulleiter zutreffe. Der Kläger müsse vielmehr individuell in seinem Einzelfall eine Arbeitszeitüberschreitung darlegen und beweisen.

Es liege auch kein Verstoß gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften vor. Die Ursache einer etwaigen Überschreitung der Sollarbeitszeit liege nicht beim Dienstherrn, sondern sei der Sphäre des Klägers zuzurechnen. Ein Indiz dafür sei unter anderem, dass im Durchschnitt die tatsächliche Wochenarbeitszeit aller in der Studie berücksichtigten Grundschulleiter (aller Schulformen) um 6:42 über der Wochensollarbeitszeit liege. Dagegen überschreite der Kläger diese nicht lediglich um 6:42, sondern sogar um 8:42 Stunden. Außerdem seien die Arbeitszeitüberschreitungen hauptsächlich in der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ aufgetreten, also bei außerunterrichtlichen Tätigkeiten, für die allein der Kläger verantwortlich sei. Der zeitliche Aufwand hierfür könne nicht im Einzelnen überprüft, sondern nur grob pauschalierend geschätzt werden. Eine diesbezügliche Rückverlagerung der Pflichten auf den Dienstherrn sei nicht möglich. Der Kläger müsse vielmehr seine Aufgabenwahrnehmung besonders effektiv gestalten und zur Diensterfüllung nicht zwingend erforderliche Aufgaben, etwa koordinierende Gesprächsrunden über die Schule hinaus, gegebenenfalls zurückstellen. Bei einem Beamten in herausgehobener Stellung und aufgrund der weiten Handlungsspielräume eines Schulleiters könne davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger gelinge, die arbeitszeitrechtlichen Vorgaben einzuhalten.

Es komme auch nicht zu einer Beweislastumkehr, da die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung des EuGHs zur Verpflichtung zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeitmessung hier nicht anwendbar sei. In dem dort entschiedenen Fall habe es sich um einen Arbeitnehmer aus der Privatwirtschaft gehandelt. Allein die fehlende Bereitstellung eines Systems zur Arbeitszeitmessung für Lehrkräfte stelle noch keine Beweisvereitelung dar.

Ein Anspruch auf Freizeitausgleich stehe dem Kläger nicht zu, da der Kläger die Höhe seiner Arbeitszeitüberlastung nicht substantiiert habe darlegen können. Im Übrigen fehle es auch an dem für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht, da die Pflicht zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeitmessung nicht offensichtlich sei, sofern eine solche Pflicht überhaupt bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (Arbeitszeitstudie) sowie auf den Abschlussbericht des Expertengremiums Arbeitszeitanalyse Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

I. Die Klage ist zulässig. Soweit der Kläger die Entlastung von dienstlichen Aufgaben begehrt, ist sein Klageantrag nicht mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Zwar richtet sich der Antrag zu 1. auf keine konkrete Entlastungsmaßnahme. Dies beruht aber darauf, dass die Wahl der Entlastungsmaßnahme, sollte eine Überlastung des Klägers festgestellt werden, der Beklagten weder von dem Kläger noch von dem Gericht vorgegeben werden kann. Aufgrund der Komplexität der unterschiedlichen möglichen Maßnahmen, die zu der begehrten Entlastung führen könnten, muss es der Beklagten überlassen werden, selbst zu entscheiden, durch welche Maßnahme sie die begehrte Entlastung herbeiführt.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Entlastung von dienstlichen Aufgaben für die Zukunft (1.) noch auf Gewährung von Freizeitausgleich für die Vergangenheit (2.).

1. Der Kläger kann Ansprüche auf Entlastung von dienstlichen Aufgaben weder aus § 60 Abs. 3 Satz 2 NBG (a) noch aus einem allgemeinen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Dienstherrn (b), der allgemeinen Fürsorgepflicht i. V. m. Art. 33 Abs. 5 GG (c), aus Art. 3 Abs. 1 GG (d) oder aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben bzw. § 242 BGB (e) herleiten.

a) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Entlastung aus § 60 Abs. 3 Satz 2 NBG zu. Die in § 60 Abs. 3 NBG geregelte Mehrarbeit setzt voraus, dass zwingende dienstliche Verhältnisse die Mehrarbeit erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Dies ist hier nicht der Fall, da sich die vom Kläger geltend gemachten Überstunden nach seinem eigenen Vortrag nicht auf Ausnahmefälle beschränken, sondern dauerhaft auftreten und systembedingt seien. Außerdem erfordert § 60 Abs. 3 Satz 2 NBG die dienstliche Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit. Beides liegt hinsichtlich der vom Kläger geleisteten Überstunden nicht vor.

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Entlastung aufgrund eines Schadensersatzanspruchs gegen den Dienstherrn aus dem Beamtenverhältnis. Denn zusätzlicher Dienst eines Beamten kann nicht als materieller Schaden angesehen werden. Der Aufwand von Zeit und Arbeitskraft und der damit verbundene Verlust von Freizeit stellen keinen ersatzfähigen Schaden dar (VGH Kassel, Urt. v. 20. Mai 2010 - 1 A 1686/09 - juris, Rn. 32).

c) Ein Anspruch auf Entlastung ergibt sich nicht aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Kläger. Zwar verbietet es die Fürsorgepflicht als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG, den Beamten über seine physischen und psychischen Kräfte hinaus zeitlich in Anspruch zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 11. März 2008 – 2 BvR 263/07 – NVwZ-RR 2008, 505 f., unter Hinweis auf BVerwGE 38, 191, 196). Ebenso unzulässig ist aufgrund der Fürsorgepflicht eine gleichheitswidrige Beanspruchung der Arbeitskraft des Klägers im Verhältnis zu ihm vergleichbaren Schulleitern oder den altersgleichen übrigen Landesbeamten (VGH Kassel, Urteil vom 20. Mai 2010 - 1 A 1686/09 - juris, Rn. 31). Ein Leistungsanspruch des Beamten besteht aber nur dann, wenn anderenfalls die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Dies wäre nur bei unzumutbaren Belastungen der Fall.

Dass der Kläger durch die Übertragung immer neuer Aufgaben in einer den Kern der Fürsorgepflicht verletzenden Art und Weise in Anspruch genommen worden ist, ließ sich auf der Grundlage des klägerischen Vortrags nicht feststellen. Der Kläger hat bereits das Bestehen einer Arbeitszeitüberschreitung in quantitativer und qualitativer Hinsicht nicht hinreichend plausibel darlegen können. Die vom Kläger als Grundlage für den Entlastungsanspruch herangezogenen Daten weisen erhebliche Unstimmigkeiten auf (aa). Diese Unstimmigkeiten konnte der Kläger nicht zur Überzeugung der Kammer auflösen (bb).

aa) Der Kläger stützt den geltend gemachten Entlastungsanspruch auf die Ergebnisse der Arbeitszeitstudie, insbesondere auf seine individuelle Auswertung, die eine durchschnittliche Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit um 8:42 Stunden ergeben hat. Zwar gibt es aufgrund der vom Kläger vorgelegten Daten Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die von ihm geschuldete Wochenarbeitszeit deutlich überschreitet. Die auf den Kläger bezogenen Werte aus der Arbeitszeitstudie, die den Erhebungszeitraum von April 2015 bis April 2016 abbildet, sind allerdings mangels Plausibilität nicht geeignet, eine wesentliche, den Kern der Fürsorgepflicht verletzende Arbeitszeitüberschreitung zu belegen und können deshalb nicht als Grundlage eines individuellen Entlastungsanspruchs dienen.

Auffällig ist, dass der Kläger in der Kategorie „Unterricht“ um 0:46 Stunden hinter seinem Soll zurückbleibt. Im Durchschnitt hat der Kläger damit im Erhebungszeitraum der Studie eine Unterrichtsstunde pro Woche zu wenig erteilt. Auch in der Kategorie „Funktionen“, zu der auch die Schulleitungsfunktionen gehören, unterschreitet der Kläger sein Soll um 9:42 Stunden. Die Überschreitung der Wochensollarbeitszeit um durchschnittlich 8:42 Stunden beruht dagegen allein auf der Überschreitung des Solls in der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“. Hier überschreitet der Kläger sein Soll um 19:11 Stunden.

Ähnliche Diskrepanzen ergeben sich auch durch einen Vergleich zwischen der individuellen Auswertung des Klägers und der Auswertung der Arbeitszeit von Grundschulleitern in den Empfehlungen des Expertengremiums Arbeitszeitanalyse. Auch wenn diese Auswertung in Bezug auf Grundschulleiter nicht repräsentativ ist (vgl. dazu die Feststellung im Abschlussbericht des Expertengremiums Arbeitszeitanalyse auf S. 32), kann sie dennoch als Orientierung herangezogen werden, da zumindest die Daten von 78 Grundschulleitern ausgewertet worden sind.

Nach dieser Auswertung ergibt sich eine durchschnittliche wöchentliche Mehrarbeit von Grundschulleitern in Höhe von 5:20 Stunden, beim Kläger sind es 8:42 Stunden. Im Durchschnitt verteilt sich die Arbeitszeit aller Grundschulleiter wie folgt: Im Bereich „Unterricht“ werden durchschnittlich pro Woche 10:02 Stunden aufgewendet (beim Kläger durchschnittlich 8:59 Stunden), in der Kategorie „Funktionen“ 21:45 Stunden (beim Kläger 13:37 Stunden) und in der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ 20:09 Stunden (beim Kläger 31:05 Stunden). Auch wenn die Auswertung nur eine Orientierung bieten kann, so wird dennoch deutlich, dass der Kläger nicht nur von seinen individuellen Soll-Arbeitszeiten, sondern auch im Vergleich zu der Gruppe der Grundschulleiter in Bezug auf den Umfang der geleisteten Mehrarbeit und der durchschnittlich pro Kategorie aufgewendeten Arbeitszeit nicht unerheblich abweicht. Insbesondere ist eine vergleichbar hohe Arbeitszeit in der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ wie beim Kläger im Durchschnitt aller Grundschulleiter gerade nicht festzustellen.

bb) Diese Diskrepanzen hat der Kläger nicht auflösen können.

Die Ausführungen des Klägers zur Unterschreitung des Funktionen-Solls sind nicht geeignet, die aufgezeigten Unstimmigkeiten auszuräumen. Weshalb der Kläger das Soll in der Kategorie „Funktionen“ um 9:42 Stunden unterschreitet, dafür aber das Soll in der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ um 19:11 Stunden überschreitet und im Wochendurchschnitt 31:05 Stunden Aufgaben wahrnimmt, die er nicht als Unterricht oder Schulleitungstätigkeit ausweist, konnte der Kläger nicht plausibel erklären. Soweit er hierzu anführt, in der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ den Zeitaufwand für Aufgaben angegeben zu haben, die auch in der Kategorie „Funktionen“ hätten eingetragen werden können, ist dies eher ein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger in dem Erhebungszeitraum die Eintragungen seiner Arbeitszeit nicht mit der gebotenen Genauigkeit vorgenommen hat. So hat der Kläger in der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ zum Teil Arbeiten erfasst, die nach den ausführlichen Beschreibungen der Tätigkeitskategorien in der Arbeitszeitstudie (vgl. Ziff. 3.1, Tab. 1: Tätigkeitskategorien und deren Beschreibung, S. 18-20 der Arbeitszeitstudie) in der Kategorie „Funktionen“ hätten erfasst werden müssen. Der Kläger hat unter anderem Absprachen mit z. B. dem Hausmeister, Personalauswahl und die Arbeitsanleitung der Schulverwaltungskraft der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ zugeordnet. Dabei handelt es sich jedoch um Tätigkeiten, die der Kategorie „Funktionen“, dort der Unterkategorie „Schulleitungsfunktionen“ (Merkmal „Leitung“ oder „Gebäude“) unterfallen.

Dass der Kläger in nicht unerheblichem Umfang Tätigkeiten im Rahmen der Studie falsch zugeordnet hat, erschüttert die grundsätzliche Aussagekraft der dort erhobenen individuellen Zeiten für den Kläger. Zwar ändert die falsche Zuordnung der erfassten Arbeitszeit zu einer Kategorie nichts an dem Gesamtumfang der Arbeitszeit. Für eine substantiierte Darlegung einer Arbeitszeitüberschreitung, auf deren Grundlage ein subjektiver Anspruch auf Entlastung in einer bestimmten Höhe geltend gemacht wird, genügt allerdings nicht lediglich die quantitative Darlegung der Arbeitszeitüberschreitung. Vielmehr erfordert dies auch eine substantiierte Darlegung, inwiefern sich in qualitativer Hinsicht die Arbeitszeitüberschreitung auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche verteilt. Dies ist nicht nur deshalb erforderlich, um die Gesamtüberschreitung der Arbeitszeit zu plausibilisieren, sondern auch, um im Einzelnen überprüfen zu können, ob die Arbeitszeitüberschreitung der Sphäre des Dienstherrn oder des Klägers zuzurechnen ist.

Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Arbeitszeitstudie gerade darauf ausgelegt war, mit Hilfe differenzierter Tätigkeitskategorien eine einfache, aber auch genaue und eindeutige Zuordnung der erfassten Tätigkeiten zu ermöglichen. Dabei sollte das eingesetzte Kategoriensystem vor allem auch Überschneidungsfreiheit und eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu den Kategorien gewährleisten (vgl. hierzu auch Ziff. 3.1 der Arbeitszeitstudie, S. 22). Unstimmigkeiten, wie sie die Aufzeichnungen des Klägers aufweisen, sollten im Rahmen der Arbeitszeitstudie durch eigens hierfür eingeführte Plausibilitätsprüfungen gerade vermieden werden (vgl. hierzu Ziff. 3.3 bzw. S. 26-30 der Arbeitszeitstudie). Eine Plausibilitätsprüfung war insbesondere dann angezeigt, wenn das eingetragene Funktionen-Ist deutlich unter dem jeweiligen Funktionen-Soll lag (vgl. S. 30 der Arbeitszeitstudie). Eine solche Auffälligkeit liegt vor, weil der Kläger in der Kategorie „Funktionen“ das Soll um 9:42 Stunden wöchentlich unterschreitet. Diese Unstimmigkeit konnte weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt werden.

Wie oben dargestellt, beruht die Arbeitszeitüberschreitung des Klägers allein auf der Überschreitung des Solls in der Kategorie „Weitere Tätigkeiten“. Die Kammer kann deshalb nicht ausschließen, dass dies möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass der Kläger von einer Delegation oder Prioritätensetzung nicht hinreichend Gebrauch gemacht hat. Die unter die Kategorie „Weitere Tätigkeiten“ fallenden Aufgaben werden in der Studie eindeutig von den Schulleitungsfunktionen aus der Kategorie „Funktionen“ unterschieden (vgl. Ziff. 3.1, Tab. 1: Tätigkeitskategorien und deren Beschreibung, S. 18-20 der Arbeitszeitstudie). Es handelt sich deshalb bei den vom Kläger wahrgenommenen, die Überstunden auslösenden Tätigkeiten um solche Aufgaben, die nicht originär dem Schulleiter aufgrund seiner Leitungsfunktion obliegen, sondern grundsätzlich auch auf andere Lehrkräfte übertragen werden könnten.

Soweit der Kläger bezüglich der Unterschreitung des Unterrichts-Solls um 0:46 Stunden pro Woche ausführt, er könne sich dies nur so erklären, dass von ihm zu erteilender Unterricht aufgrund von Tagungen, Fortbildungen, Schulleiter-Besprechungen und sonstigen Veranstaltungen ausgefallen sei, kann er auch damit die Unstimmigkeiten nicht auflösen. Denn der vorgeschriebene Unterricht ist nicht nur in einzelnen Fällen von dem Kläger nicht erteilt worden. Vielmehr hat der Kläger im Erhebungszeitraum durchschnittlich pro Woche eine Unterrichtsstunde zu wenig erteilt. Dass der Kläger angegeben hat, der Unterrichtsausfall sei auf die Wahrnehmung anderer Aufgaben zurückzuführen, lässt eher darauf schließen, dass der Kläger auch insoweit von den Instrumenten der Delegation und der Prioritätensetzung nicht hinreichend Gebrauch gemacht hat.

Damit kann und soll dem Kläger nicht abgesprochen werden, dass er sich in besonderer Weise für seine Schule einsetzt. Als Grundlage für einen individuellen Entlastungsanspruch können die vorgelegten Daten mangels Plausibilität aber nicht dienen.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil das Expertengremium Arbeitszeitanalyse die Arbeitszeitstudie für eine geeignete empirische Basis zur Beurteilung der von Lehrkräften erbrachten Tätigkeiten und der hierfür aufgewendeten Zeiten hält. Dies gilt nur für den generellen Aussagewert der Arbeitszeitstudie. Auf die individuellen Aufzeichnungen des Klägers ist diese Feststellung nicht übertragbar, da für die Geltendmachung eines subjektiven Anspruchs die Arbeitszeitüberschreitung in quantitativer und qualitativer Hinsicht hinreichend plausibel dargelegt werden muss. Die Empfehlungen des Expertengremiums Arbeitszeitanalyse beziehen sich nicht auf einen subjektiven Entlastungsanspruch einer einzelnen Lehrkraft, sondern wurden im Hinblick auf die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung an Gymnasien von 23,5 auf 24,5 Regelstunden und das darauf erfolgte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 9. Juni 2015 übermittelt.

Da bereits die tatsächliche Grundlage eines Entlastungsanspruchs nicht hinreichend plausibilisiert worden ist, war der Frage, ob von der Beklagten zwischenzeitlich ergriffene Entlastungsmaßnahmen zu einer zeitlichen Entlastung des Klägers geführt haben können, nicht mehr nachzugehen.

Auf die Frage, ob die Grundsätze der Beweisvereitelung hier anzuwenden sind, kommt es ebenfalls nicht an. Im Übrigen lässt sich von einer Beweisvereitelung schon deshalb nicht sprechen, weil die Beklagte allein durch das Fehlen eines Systems zur Arbeitszeitmessung (wie in der Arbeitszeitrichtlinie gefordert) den Beweis nur erschwert, aber nicht vereitelt hat. Eine Unmöglichkeit der Beweisführung besteht vorliegend gerade nicht. Denn durch die wissenschaftlich begleitete Arbeitszeiterfassung für das Schuljahr 2015/2016 ist der Beweis, dass auf Dauer erhebliche Mehrarbeit geleistet wird, grundsätzlich möglich. Lediglich in dem hier vorliegenden Einzelfall konnte die Mehrarbeit in quantitativer und qualitativer Weise auf Grundlage der Arbeitszeitstudie nicht in hinreichend plausibler Weise festgestellt werden.

Zudem fehlt es an Anhaltspunkten für das für die Annahme einer Beweisvereitelung erforderliche schuldhafte Verhalten der Beklagten (vgl. zu diesem Erfordernis Schoch/Schneider/Bier/Dawin, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 108 Rn. 75-79). Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass wegen der Ausnahmeregelung des Art. 17 der Arbeitszeitrichtlinie, unter die nach ihrer Auffassung auch Schulleiter fallen, keine Verpflichtung zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeitmessung bestanden habe, ist darin jedenfalls kein schuldhaftes Verhalten zu sehen. Ob es sich bei einem Schulleiter um eine sonstige Person mit selbständiger Entscheidungsbefugnis vergleichbar einem leitenden Angestellten handelt und deshalb die Ausnahmeregelung des Art. 17 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie eingreift, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

d) Der Kläger kann die begehrte Entlastung auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten. Eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Grundschulleitern als tauglicher Vergleichsgruppe ist nicht zu erkennen.

e) Auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, der auch im Verhältnis zwischen Beamten und dem Dienstherrn anwendbar ist, ergibt sich kein Entlastungsanspruch. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter 1. c) verwiesen.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Freizeitausgleich für die Vergangenheit. Ein Anspruch ergibt sich weder aus § 60 Abs. 3 Satz 2 NBG (a) noch aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 (b) oder aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch (c).

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freizeitausgleich in Höhe von 8:42 Stunden für den Zeitraum seit dem 13. April 2015 gem. § 60 Abs. 3 Satz 2 NBG, da es an der erforderlichen Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit durch den Dienstherrn fehlt.

b) Ein Anspruch auf Freizeitausgleich ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB, der auch im Verhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn gilt. Dieser Grundsatz kann grundsätzlich eine Pflicht zum Ausgleich von Zuvielarbeit entstehen lassen, soweit sich die Inanspruchnahme des Beamten über die regelmäßige Dienstzeit hinaus als rechtswidrig erweist und die dem Dienstherrn obliegende Unterlassungsverpflichtung verletzt wird. Insbesondere in Fällen einer gleichheitswidrigen Überbeanspruchung kann deshalb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Verpflichtung des Dienstherrn bestehen, die die Überlast hervorrufenden Umstände im Rahmen der bestehenden Pflichtstundenregelung zu berücksichtigen und ihnen dadurch Rechnung zu tragen, dass zur Wahrung der Grenze der allgemeinen Gesamtarbeitszeit der Beamten entweder die Anforderungen im nicht unmittelbar unterrichtsbezogenen Bereich eingeschränkt werden oder eine entsprechende Entlastung erfolgt (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 22. August 2000 - 1 N 2320/96 - ZBR 2002, 185 ff. und Urteil vom 20. Mai 2010 - 1 A 1686/09 - juris Rn. 38).

Die Voraussetzungen für diesen Anspruch liegen jedoch nicht vor, da eine Arbeitszeitüberschreitung vom Kläger nicht substantiiert dargelegt worden ist und der Kläger auch nicht hat darlegen können, dass deren Vermeidung nicht möglich war. Insofern wird auf die Ausführungen unter 1. c) Bezug genommen.

Selbst wenn man für einen Freizeitausgleich für in der Vergangenheit zu viel geleistete Arbeit keinen exakten Ausgleich fordern würde, sondern einen auf Schätzung beruhenden annähernden Ausgleich genügen ließe (so wohl BVerwG, Urteil vom 23. September 2004, 2 C 61/03), entbindet dies den Kläger nicht von der Pflicht, die geltend gemachte Arbeitszeitüberschreitung zu substantiieren und plausible Daten vorzulegen, die Grundlage eines individuellen Entlastungs- und Freizeitausgleichsanspruchs sein können. Dies ist jedoch nicht erfolgt.

Abgesehen davon dürfte ein Anspruch auf Freizeitausgleich erst ab dem 1. Juli 2019 bestehen. Denn ein Anspruch auf Freizeitausgleich wegen rechtswidriger Zuvielarbeit nach § 242 BGB besteht grundsätzlich erst ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat. Vorliegend hat der Kläger einen Anspruch auf Freizeitausgleich erstmalig mit Schriftsatz vom 27. Juni 2019 geltend gemacht. Das vorgerichtliche Schreiben des Prozessbevollmächtigten an die Beklagte vom 10. Oktober 2017, mit welchem eine Überlastung des Klägers angezeigt und eine Entlastung von dienstlichen Aufgaben zur Erreichung einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beantragt wurde, enthält keine Geltendmachung eines Anspruchs auf Freizeitausgleich. Beantragt wurde darin nur eine Entlastung für die Zukunft. Die Beklagte musste das Schreiben auch nicht als konkludente Geltendmachung von Freizeitausgleich verstehen, da sich die begehrte Maßnahme in dem Schreiben ausdrücklich auf die Zukunft richtete.

Darüber hinaus ist jedenfalls der Anspruch für den Zeitraum vom 13. April 2015 bis 31. Dezember 2016 nicht mehr durchsetzbar, weil sich die Beklagte insoweit auf die Einrede der Verjährung nach §§ 195, 199 BGB berufen hat. Der Anspruch auf Freizeitausgleich aus § 242 BGB unterliegt mangels besonderer öffentlich-rechtlicher Verjährungsvorschriften der Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB, die entsprechend anwendbar sind. Der Anspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich für den Zeitraum ab dem 13. April 2015 wurde erstmals mit Schriftsatz vom 10. Januar 2020 geltend gemacht. Für den Zeitraum vom 13. April 2015 bis zum 31. Dezember 2016 ist jedenfalls spätestens mit dem Schluss des Jahres 2019 Verjährung eingetreten, da der Kläger von seiner individuellen Auswertung der Arbeitszeitstudie bereits im September 2016 Kenntnis erhalten hat.

c) Auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch ergibt sich für den Kläger kein Anspruch auf Freizeitausgleich. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09 -, juris Rn. 47, 48 m. w. N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an den Geschädigten bezweckt, zwischen diesem Verstoß und dem dem Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Es fehlt jedenfalls an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen europäisches Recht. Ein Verstoß gegen Unionsrecht ist hinreichend qualifiziert, wenn der Mitgliedstaat sein Ermessen offenkundig und erheblich überschritten hat. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs offenkundig verkannt worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09 -, juris Rn. 51 f.; BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 a. a. O., Rn. 41 und Urteil vom 20. Juli 2017 a. a. O., Rn. 16), sondern auch dann, wenn der Verpflichtete bei der Anwendung des Unionsrechts über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügt (vgl. EuGH, Urteil vom 23. Mai 1996 - C-5/94 -, juris Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 a. a. O., Rn. 42).

Gemessen an diesen Maßstäben liegt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG, ein System zur Messung der Arbeitszeit einzuführen, nicht vor. Der Verstoß ist jedenfalls nicht offenkundig oder gar vorsätzlich. Denn die Beklagte ist davon ausgegangen, dass die Regelungen der RL 2003/88/EG wegen der darin enthaltenen Ausnahmeregelungen in Art. 17 auf Schulleiter nicht anwendbar sind. Ob die Ausnahmeregelung in Art. 17 auch Schulleiter erfasst, ist jedenfalls nicht eindeutig zu beantworten und in der Rechtsprechung nicht geklärt. Von einem hinreichend qualifizierten Verstoß kann nicht ausgegangen werden. Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln liegen ebenfalls nicht vor. Bis zur Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 waren darüber hinaus die Folgen eines Verstoßes gegen die Richtlinie auch noch nicht gerichtlich festgestellt.

Davon abgesehen steht einem Anspruch auf Freizeitausgleich aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch für den Zeitraum vom 13. April 2015 bis 31. Dezember 2016 auch hier die von der Beklagte erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch unterliegt den Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 BGB (MüKo BGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 195 Rn. 19). Mit Ablauf des Jahres 2019 waren etwaige bis zum 31. Dezember 2016 entstandene Ansprüche verjährt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen, in welchem Umfang und durch welche Maßnahmen eine Lehrkraft vom Dienstherrn eine Entlastung verlangen kann und ob ihr für zurückliegende Zeiträume wegen geleisteter Überstunden ein Anspruch auf Freizeitausgleich zusteht, ist von grundsätzlicher Bedeutung, da dies neben dem Kläger eine Vielzahl von Lehrkräften betrifft.