Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 10.06.2020, Az.: L 7 AS 1/18 B

Abänderung; dieselbe Angelegenheit; Erinnerung; Prozesskostenhilfe; Verfahrensgebühr; Vergütungsfestsetzung; von Amts wegen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
10.06.2020
Aktenzeichen
L 7 AS 1/18 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71532
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 22.12.2017 - AZ: S 85 SF 109/17 E

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Änderung einer nach § 55 Abs. 1 RVG erfolgten Vergütungsfestsetzung setzt stets eine vorherige Erinnerung gemäß § 56 RVG voraus.
2. Aus der Entstehungsgeschichte des § 17 Nr. 1 RVG lässt sich ableiten, dass das einzelne gerichtliche Verfahren regelmäßig eine eigene Angelegenheit darstellt und mehrere (parallele) Rechtsstreitigkeiten entsprechend grundsätzlich verschiedene Angelegenheiten sind.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers werden der Erinnerungsbeschlusses des Sozialgerichts Hannover vom 3. Januar 2018 und der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 10. Mai 2017 aufgehoben.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhilfeverfahren (PKH).

Der Beschwerdeführer wurde beim Sozialgericht (SG) Hannover mit Beschluss vom 24. Februar 2016 in dem Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 59 AS 2878/15 dem dortigen Kläger und mit weiterem Beschluss vom 24. Februar 2016 in dem Klageverfahren S 59 AS 2880/15 der dortigen Klägerin, der Lebensgefährtin des Klägers des Verfahrens S 59 AS 2878/15, die mit diesem eine Bedarfsgemeinschaft bildete, jeweils als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.

In dem Klageverfahren S 59 AS 2878/15 stritt der dortige Kläger mit dem Jobcenter Region Hannover um die Rechtmäßigkeit eines Bescheids vom 13. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2015, mit dem das Jobcenter Region Hannover es abgelehnt hatte, im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) einen gegenüber dem Kläger ergangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Mai 2014 abzuändern. Mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Mai 2014 hatte das Jobcenter Region Hannover seine gegenüber dem Kläger ergangenen Leistungsbewilligungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 1. August 2013 bis 28. Februar 2014 teilweise in Höhe von 2.042,01 EUR aufgehoben und den Betrag zur Erstattung angefordert, weil der Kläger in diesem Zeitraum Einkommen aus einer Beschäftigung erzielt hatte.

In dem Klageverfahren S 59 AS 2880/15 stritt die dortige Klägerin mit dem Jobcenter Region Hannover ebenfalls um die Rechtmäßigkeit eines Bescheids vom 13. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2015, mit dem das Jobcenter Region Hannover es ebenfalls abgelehnt hatte, im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X einen gegenüber der Klägerin ergangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Mai 2014 abzuändern. Auch hier hatte das Jobcenter Region Hannover mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Mai 2014 seine gegenüber der Klägerin ergangenen Leistungsbewilligungen für den Zeitraum 1. August 2013 bis 28. Februar 2014 teilweise in Höhe von 2.042,01 EUR aufgehoben und den Betrag zur Erstattung angefordert, weil der Lebensgefährte der Klägerin, der Kläger des Verfahrens S 59 AS 2878/15, in diesem Zeitraum Einkommen aus einer Beschäftigung erzielt hatte.

Die von dem Beschwerdeführer für die Kläger gestellten Überprüfungsanträge hinsichtlich der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 7. Mai 2014 datierten beide vom gleichen Tag, dem 16. Juli 2014, und waren in der Begründung wortwörtlich identisch („Das warme Wasser wird mit einer Kombigastherme aufbereitet. Es fehlt Zündstrom. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung sind falsch berechnet.“). Auch die von dem Beschwerdeführer für die Kläger eingelegten Widersprüche gegen die die Überprüfungsanträge ablehnenden Bescheide vom 13. Mai 2015 datierten vom gleichen Tag, dem 21. Mai 2015, und waren ebenfalls in der Begründung wortgleich („Ich verweise auf die Gründe des Überprüfungsantrags.“). Die für die Kläger am 12. August 2015 erhobenen Klagen waren in der Begründung ebenfalls identisch. In der von 9:02 Uhr bis 9:08 Uhr dauernden mündlichen Verhandlung des SG vom 24. April 2017, in der beide Verfahren zusammen verhandelt wurden, nahm der Beschwerdeführer beide Klagen zurück.

Mit Schreiben vom 15. März 2016 beantragte der Beschwerdeführer beim SG die Erstattung der Gebühren und Auslagen für seine Tätigkeit in den beiden Klageverfahren. Abgerechnet wurden dabei nach dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) jeweils eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,00 EUR sowie die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR und 19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 60,80 EUR, insgesamt also jeweils 380,80 EUR. Diese Beträge setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen vom 16. März 2016 (im Verfahren S 59 AS 2880/15) und 17. März 2016 (im Verfahren S 59 AS 2878/15) auch jeweils fest und überwies die Beträge an den Beschwerdeführer.

Mit Schreiben vom 24. April 2017 reichte der Beschwerdeführer beim SG zwei neue Abrechnungen für seine Tätigkeit in den Klageverfahren ein. In beiden Verfahren setzte er erneut jeweils die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von jeweils 300,00 EUR an, nunmehr aber auch jeweils eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von jeweils 100,00 EUR. Hinzu kamen noch die Post- und Telekommunikationspauschalen nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von jeweils 20,00 EUR und 19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von jeweils 79,80 EUR, insgesamt also zweimal 499,80 EUR. Für beide Klageverfahren rechnete er allerdings die bereits erhaltenen 380,80 EUR an, so dass er im Ergebnis für beide Klageverfahren jeweils die Auszahlung weiterer 119,00 EUR geltend machte.

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 10. Mai 2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Verfahren S 59 AS 2878/15 die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf weitere 119,00 EUR fest und überwies dem Beschwerdeführer diesen Betrag.

Im Verfahren S 59 AS 2880/15 setzte die Urkundsbeamtin sodann die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse insgesamt zustehende Vergütung mit weiterem Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 10. Mai 2017 auf 107,10 EUR fest und machte gegenüber dem Beschwerdeführer aufgrund der bereits ausgezahlten 380,80 EUR einen Erstattungsbetrag in Höhe von 273,70 EUR geltend. Bei den Verfahren S 59 AS 2878/15 und S 59 AS 2880/15 habe es sich gebührenrechtlich um „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 15 RVG gehandelt, sodass der Beschwerdeführer die Gebühren nur einmal fordern könne. Zur Bestimmung, ob dieselbe Angelegenheit vorliege, komme es auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags an. Von derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG sei in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen, ein innerer Zusammenhang gegeben sei, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliege. Dies sei hier der Fall. Die mit den Klagen angegriffenen Bescheide einschließlich der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 7. Mai 2014 hätten auf einem vollständig einheitlichen Lebenssachverhalt beruht, nämlich der Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft infolge des erzielten Einkommens aus der Erwerbstätigkeit des Klägers. Der Akteninhalt beider Klageverfahren sei nahezu identisch. Es sei auch teilweise auf die Ausführungen im jeweiligen Parallelverfahren Bezug genommen worden. Die Ansprüche hätten verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Da der Beschwerdeführer sowohl die Verfahrens- als auch die Terminsgebühr bereits im Klageverfahren S 59 AS 2878/15 erhalten habe, könne in diesem Verfahren nur noch die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG aufgrund der Tätigkeit für einen weiteren Auftraggeber festgesetzt werden. Bezüglich der Verfahrensgebühr, aus der die Erhöhung berechnet werde, werde auf die formlose Vergütungsfestsetzung im Verfahren S 59 AS 2878/15 Bezug genommen. Die Erhöhungsgebühr betrage danach 90,00 EUR. Zusammen mit der Umsatzsteuer in Höhe von 19 % errechne sich der Betrag von 107,10 EUR.

Gegen den im Verfahren S 59 AS 2880/15 ergangenen und am 11. Mai 2017 zugestellten Vergütungsfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdeführer am 12. Mai 2017 beim SG Erinnerung eingelegt. Er halte die Rechtsauffassung der Urkundsbeamtin für unzutreffend. In beiden Verfahren sei PKH bewilligt worden. Ob insbesondere die Terminsgebühr nur einmal angefallen sei, sei aus seiner Sicht ungeklärt.

Das SG hat mit Beschluss vom 3. Januar 2018 die Erinnerung zurückgewiesen. Zwar sei der Beschwerdeführer grundsätzlich berechtigt gewesen, für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in getrennten Klageverfahren gegen die Bescheide des Jobcenters Region Hannover vorzugehen. Ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig werde, erhalte aber die Gebühren nur einmal und könne sie nach § 15 Abs. 2 RVG auch nur einmal fordern. Von derselben Angelegenheit gehe das BSG aus, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben sei, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliege und zwar auch dann, wenn die Angelegenheit verschiedene Gegenstände und teilweise getrennte Prüfaufgaben betreffe. Dies habe das BSG für Individualansprüche nach dem SGB II bei der Gebührenbestimmung im Widerspruchsverfahren angenommen. Insofern sei es unerheblich, wenn über die Aufhebung und Erstattung in getrennten Bescheiden und in selbständigen Widerspruchsverfahren entschieden werde und es sich prinzipiell um Individualansprüche der Kläger handele. Ausreichend sei allein der einheitliche Lebenssachverhalt. Dieser Auffassung schließe sich das SG an und gehe davon aus, dass es sich vorliegend um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handele. Bereits die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 7. Mai 2015 hätten auf einem vollständig einheitlichen Lebenssachverhalt beruht, nämlich der zeitgleichen Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die zwei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgrund des Bezugs von Erwerbseinkommens des Klägers. Erst recht gelte dies für die Rüge, bei den Kosten der Unterkunft seien zu Unrecht die Kosten des Zündstroms nicht berücksichtigt worden. Denn dieser Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II werde anteilig pro Kopf der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt. Die anwaltliche Tätigkeit für beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wäre eindeutig als dieselbe Angelegenheit eingestuft worden, hätte der Beschwerdeführer Klagen gegen die ursprünglichen Bewilligungsbescheide mit der Begründung erhoben, die Kosten der Unterkunft seien zu niedrig berücksichtigt. Warum etwas Anderes gelten solle, wenn der Beschwerdeführer diesen Umstand im Rahmendes § 44 SGB X geltend mache, sei nicht ersichtlich. Der Begriff derselben Angelegenheit sei für das Widerspruchsverfahren, zu dem die Entscheidung des BSG ergangen sei, nicht anders auszulegen als für das Klageverfahren. Vielmehr würden die §§ 7 und 15 RVG allgemein für die Gebühren gelten, also sowohl für das Widerspruchs- als auch für das Klageverfahren. Da dem Beschwerdeführer im Verfahren S 59 AS 2878/15 die Verfahrens- und die Terminsgebühr bereits gewährt worden sei, hätte in diesem Verfahren nur noch die Erhöhungsgebühr für einen weiteren Auftraggeber gemäß Nr. 1008 VV RVG in Höhe von hier 90,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 17,10 EUR festgesetzt werden können. Auch die Festsetzung einer zweiten Terminsgebühr komme nach den §§ 7 Abs. 1 und 15 Abs. 2 RVG in derselben Angelegenheit nicht in Betracht.

Gegen den am 4. Januar 2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 5. Januar 2018 eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers. Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Erinnerungsverfahren.

Der Beschwerdegegner hält die Entscheidung der Urkundsbeamtin und des SG für zutreffend.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Beiakten S 59 AS 2878/15 und S 59 AS 2880/15 Bezug genommen.

II.

1.

Die aufgrund eines Beschwerdewerts von mehr als EUR 200,00 nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthafte und fristgemäß eingelegte Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist begründet und führt zur Aufhebung des Erinnerungsbeschlusses vom 3. Januar 2018 und des Beschlusses der zuständigen Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim SG vom 10. Mai 2017.

2.

Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Zusammensetzung der drei Berufsrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG, nachdem der Berichterstatter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen hat. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).

3.

Für die mit weiterem Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 10. Mai 2017 erfolgte Änderung der zuvor bereits mit Beschluss vom 16. März 2016 auf Antrag des Beschwerdeführers erfolgten Vergütungsfestsetzung von Amts wegen fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die Änderung einer nach § 55 Abs. 1 RVG erfolgten Vergütungsfestsetzung setzt vielmehr stets eine vorherige Erinnerung gemäß § 56 RVG voraus (vgl. Beschluss des Senats vom 16. September 2019 – L 7 R 26/19 B - m.w.N.). Eine solche ist gegen den Beschluss vom 16. März 2016 durch die gemäß § 56 Abs. 1 RVG allein berechtigten Personen nicht eingelegt worden. Sie kann auch nicht in dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 24. April 2017 gesehen werden, mit dem der Beschwerdeführer beim SG zwei neue Abrechnungen für seine Tätigkeit in den Klageverfahren S 59 AS 2878/15 und S 59 AS 2880/15 eingereicht hatte. Dieses Schreiben stellt lediglich einen Antrag auf Nachliquidation hinsichtlich der zunächst nicht geltend gemachten Terminsgebühr dar. Aber selbst wenn man in dem Schreiben eine Erinnerung sehen wollte, würde zugunsten des Beschwerdeführers das Verböserungsverbot (reformatio in peius) eingreifen, so dass auch in diesem Fall die Urkundsbeamtin des SG nicht berechtigt gewesen wäre, ihren ersten Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 16. März 2016 zum Nachteil des Beschwerdeführers zu ändern. Allein deswegen war die Entscheidung des SG vom 10. Mai 2017 aufzuheben.

4.

Der Beschwerdeführer hat allerdings keinen Anspruch auf Festsetzung höherer Gebühren als ihm bereits mit Beschluss der Urkundsbeamtin des SG vom 16. März 2016 zugebilligt worden sind.

Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt Rahmengebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sowie ggf. eines besonderen Haftungsrisikos nach billigem Ermessen, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann. Ausgangspunkt bei der Bemessung einer Rahmengebühr ist grundsätzlich die so genannte Mittelgebühr, d.h. die Hälfte von Höchst- zzgl. Mindestgebühr als Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - SozR 4-1935 § 14 Nr. 2; Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. April 2006 - L 4 B 4/05 KR SF -; Mayer in: Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 24. Aufl. 2019, § 14 Rn 18 ff.). Bei von einem Dritten zu ersetzenden Gebühren ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich und entsprechend zu korrigieren, wenn sie unbillig ist. Dies ist der Fall, wenn die geltend gemachten Gebühren die Toleranzgrenze von circa 20% zur tatsächlich objektiv angemessenen Gebührenhöhe überschreiten (vgl. BSG, aaO.).

Unter Berücksichtigung der ausgeführten Kriterien ist die vom Beschwerdeführer erfolgte Gebührenansetzung unbillig. Der Beschwerdeführer hat weder Anspruch auf Festsetzung einer Verfahrensgebühr noch Anspruch auf Festsetzung einer Terminsgebühr in der von ihm beantragten Höhe für seine Tätigkeit in dem Verfahren S 59 AS 2880/15. Zwar handelt sich bei der Tätigkeit im Verfahren S 59 AS 2880/15 gebührenrechtlich nicht um „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG bezogen auf seine Tätigkeit im Verfahren S 59 AS 2878/15 und auch um keine rechtsmissbräuchliche Anmeldung von Mehrkosten. Der Beschwerdeführer muss sich jedoch Synergieeffekte aus dem Verfahren S 59 AS 2878/15 in so großem Umfang anrechnen lassen, dass die Verfahrens- und die Terminsgebühr nur jeweils in Höhe der Mindestgebühr angefallen sind. Da er im Verfahren S 59 AS 2880/15 bereits einen Betrag in Höhe von 380,80 EUR erhalten hat, kann er in diesem Verfahren keine höhere Vergütung geltend machen.

a)

Der Begriff „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG dient gebührenrechtlich zur Abgrenzung desjenigen anwaltlichen Tätigkeitsbereichs, den eine Pauschgebühr abgelten soll (Mayer in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl. 2019, § 15 RdNr. 5; Toussaint in: Hartmann, RVG-Kommentar, 49. Aufl. 2019; § 15 RdNr. 10). Wann „dieselbe Angelegenheit“ im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, ist im RVG weder definiert noch abschließend geregelt. Der Gesetzgeber hat vielmehr die abschließende Klärung des Begriffs "derselben Angelegenheit" im Sinne des § 7 Abs. 1 RVG sowie des § 15 Abs. 2 RVG der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen (BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 4 AS 27/13 R – juris RdNr. 15; BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 6 KA 4/07 R - juris RdNr. 16). Hintergrund ist, dass keine allgemeine Richtlinie gegeben werden kann, wann dieselbe Angelegenheit und wann verschiedene Angelegenheiten vorliegen, weil die in Betracht kommenden Lebensverhältnisse vielseitig sind (Mayer in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl. 2019, § 15 RdNr. 5).

§ 16 RVG enthält allerdings einen Tätigkeitskatalog, der beispielhaft bezeichnet, wann „dieselbe Angelegenheit“ anzunehmen ist (BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 4 AS 27/13 R – juris RdNr. 15; BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 6 KA 4/07 R - juris RdNr. 16). Außerdem enthält § 17 RVG einen weiteren Tätigkeitskatalog, der „verschiedene Angelegenheiten“ benennt, sowie § 18 RVG einen Tätigkeitskatalog, der „besondere Angelegenheiten“ aufzählt.

Von dem Tätigkeitskatalog des § 16 RVG wird die vorliegenden Fallgestaltung nicht erfasst. Auch die in §§ 17und 18 RVG genannten Tätigkeiten scheinen auf den ersten Blick die hier vorliegende Fallgestaltung nicht zu beinhalten.

§ 17 Nr. 1 RVG legt allerdings fest, dass das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten sind. Das RVG unterscheidet also zwischen „Rechtszug“ und „Rechtsmittel“, wodurch klargestellt wird, dass der „Rechtszug“ nicht der gesamte Instanzenzug, sondern gebührenrechtlich die „Angelegenheit“ bezogen auf das gerichtliche Verfahren ist (ebenso Ahlmann in: Riedl/Sußbauer, RVG-Kommentar, 10. Aufl. 2015, § 15 RdNr. 9). Bestätigt wird dies durch die Formulierung in § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG, in der es heißt: „Ist der Rechtsanwalt am 1. Juli 2004 in derselben Angelegenheit und, wenn ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, in demselben Rechtszug bereits tätig, gilt für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, dieses Gesetz.“ Der Gesetzgeber verwendet hier die Worte „in demselben Rechtszug“ als Synonym für „in derselben Angelegenheit“, sofern ein gerichtliches Verfahren anhängig ist.

Obgleich die Regelung vom Wortlaut her nur in instanzieller ("vertikaler") Hinsicht regelt, welche Teile einer gerichtlichen Auseinandersetzung als verschiedene Angelegenheiten anzusehen sind und keine Aussagen zur ("horizontalen") Abgrenzung mehrerer Gerichtsverfahren („Rechtszüge“) trifft, lässt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift gleichwohl ableiten, dass das einzelne gerichtliche Verfahren regelmäßig eine eigene Angelegenheit darstellt und mehrere (parallele) Rechtsstreitigkeiten entsprechend grundsätzlich verschiedene Angelegenheiten sind, mit der Folge, dass sich die hier vorliegende Tätigkeit in zwei verschiedenen Gerichtsverfahren unter § 17 Nr. 1 RVG subsumieren lässt und grundsätzlich von zwei verschiedenen Angelegenheiten auszugehen ist.

§ 17 Nr. 1 RVG ist durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl. I, S. 2586) in das RVG eingefügt worden und ersetzte den bisherigen § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, der bestimmt hatte, dass der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann. Ausgehend von dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG a.F. hatte der Bundesgerichtshof (BGH) die Auffassung vertreten, dass gebührenrechtlich grundsätzlich mehrere Angelegenheiten vorliegen, wenn mehrere prozessuale Verfahren mit demselben Streitgegenstand nebeneinander geführt werden, solange sie nicht miteinander verbunden sind (Bundesgerichtshof <BGH>, Beschluss vom 10. Mai 2010 – II ZB 14/09 - juris RdNr. 13). Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) war in einer Entscheidung zum früheren § 7 Abs. 2 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) der Ansicht, dass – vorbehaltlich besonderer Ausnahmefälle – mehrere selbständige (Gerichts-)Verfahren regelmäßig als verschiedene Angelegenheiten anzusehen seien(BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2000 – 11 C 1/99 - juris RdNr. 23). Dieser von der Rechtsprechung postulierte Grundsatz der Identität von Klageverfahren und Angelegenheit war dem Gesetzgeber bei der Einfügung des § 17 Nr. 1 RVG bekannt, und sollte durch die Streichung des § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG und die Einfügung des § 17 Nr. 1 RVG nicht geändert werden (BT-Drs. 17/11471, S. 267). Wörtlich heißt es in dem Entwurf des 2. KostRMoG: „Das geltende Recht wird bereits unter Berufung auf § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG so ausgelegt, dass mehrere Rechtszüge verschiedene Angelegenheiten bilden (Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., Nummer 7001, 7002 VV RVG, Rnr. 22). Es soll nunmehr in der neuen Nummer 1 des § 17 RVG klargestellt werden, dass jeder Rechtszug und die übrigen Rechtszüge verschiedene Angelegenheiten bilden.“ (BT-Drs. 17/11471, S. 267).

Entsprechend hat der BGH seine Rechtsauffassung, dass das einzelne gerichtliche Verfahren regelmäßig eine Angelegenheit darstellt, auch nach Einfügung des § 17 Nr. 1 RVG und Streichung des § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG a.F. beibehalten (BGH, Beschluss vom 24. März 2016 – III ZB 116/15 – juris RdNr. 7) Diese Rechtsprechung ist überwiegend auf Zustimmung gestoßen (vgl. z.B.Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, § 15, RdNr. 23; Enders in: Hartung/Schons/Enders, RVG-Kommentar, 3. Aufl. 2017, § 15 RdNr. 7 u. § 17 RdNr. 6; Ahlmann in: Riedl/Sußbauer, RVG-Kommentar, 10. Aufl. 2015, § 15 RdNr. 9; Hinne in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, § 17 RdNr. 2; Toussaint in: Hartmann, Kostenrecht, 49. Aufl. 2019, § 15 RVG RdNr. 17).

Die Entscheidungen des BSG zum Begriff „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG, in denen der Grundsatz der Identität von Klageverfahren und Angelegenheit nicht thematisiert wird, stehen dem nicht entgegen. Die Entscheidungen des BSG sind nicht zu Fallgestaltungen ergangen, in denen zu klären war, ob die Tätigkeiten eines Rechtsanwalts in mehreren Gerichtsverfahren in einer Instanz als dieselbe Angelegenheit anzusehen sind, sondern zu außergerichtlichen Tätigkeiten von Rechtsanwälten (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 4 AS 27/13 R – juris RdNr. 1 <Erstattung von Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren durch mehrere Widerspruchsführer einer Bedarfsgemeinschaft>; BSG, Urteil vom 9. März 2016 – B 14 AS 5/15 R – juris RdNr. 1 <Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren für ein isoliertes Vorverfahren wegen einer Mahngebühr>; BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 – B 6 KA 4/07 R - juris RdNr. 1 <Erstattung der Rechtsanwaltskosten im Verfahren vor dem Berufungsausschuss>).

Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, dass auch bei Tätigkeiten des Rechtsanwalts in gerichtlichen Verfahren der Begriff „dieselbe Angelegenheit“ nach inhaltlichen Kriterien wie einheitlicher Auftrag, einheitlicher Rahmen sowie innerer Zusammenhang der Tätigkeiten abzugrenzen sei (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 30. Juli 2019 – L 1 SF 155/19 B – juris RdNr. 8 f.; Thüringer LSG, Beschluss vom 15. April 2015 – L 6 SF 331/15 B – juris RdNr. 18; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. November 2019 – L 2 AL 27/17 B - juris RdNr. 32; v.Seltmann in: BeckOK RVG, Stand: 1. März 2020, § 15 RdNr. 5; Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG-Kommentar, 7. Aufl. 2018, § 15 RdNr. 4; Isolde Bölting, Heinz Rulands in: Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht/RVG, 2. Aufl. 2019, § 15 RdNr. 5), folgt der Senat dem nicht. Der Grundsatz der Identität von Klageverfahren und Angelegenheit ermöglicht es dem Kostenbeamten, mit vertretbarem Arbeits- und Zeitaufwand die Angelegenheiten im Sinne von § 15 RVG zu bestimmen (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Oktober 2016 – L 15 SF 229/14 E - juris RdNr. 31). Müsste der Kostenbeamte dagegen in großem Maß die materiellen Gegebenheiten berücksichtigen, wäre dies unökonomisch und kaum praktikabel (Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Oktober 2016 – L 15 SF 229/14 E - juris RdNr. 31).

b)

Aufgrund des - auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden - Grundsatzes von Treu und Glauben und des daraus abgeleiteten Missbrauchsverbots hat allerdings jede Prozesspartei die Verpflichtung, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2014 – VI ZB 9/13 – NJW 2014, 2285 = juris RdNr. 6; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. November 2018 – L 7 AS 73/17 B - juris RdNr. 25). Ein Verstoß kann dazu führen, das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten im Kostenfestsetzungsverfahren abzusetzen (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - VI ZB 1/12 – juris RdNr. 9 m.w.N.; BGH Beschluss vom 11. September 2012 – VI ZB 59/11 - juris RdNr. 9 m.w.N.; Thüringer LSG, Beschluss vom 6. November 2014 – L 6 SF 1022/14 B - juris RdNr. 18). Nach der Rechtsprechung des BGH kommt dies u.a. bei einer Festsetzung von Mehrkosten für eine willkürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts in mehrere Prozessmandate in Betracht, weil der Kläger einen oder mehrere gleichartige oder in einem inneren Zusammenhang stehende und aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - VI ZB 1/12 – juris RdNr. 10 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 11. September 2012 - VI ZB 59/11 – juris RdNr. 10 m.w.N.) oder wenn mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Klagebegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den- oder dieselben Beklagten vorgegangen sind (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - VI ZB 1/12 – juris RdNr. 10 m.w.N.; BGH Beschluss vom 11. September 2012 – VI ZB 59/11 - juris RdNr. 10 m.w.N.).

c)

Ausgehend von diesen Voraussetzungen sind die Tätigkeiten des Beschwerdeführers in den Verfahren S 59 AS 2878/15 und S 59 AS 2880/15 weder als „dieselbe Tätigkeit“ im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG zu qualifizieren noch kann dem Beschwerdeführer ein missbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden. Aufgrund des Grundsatzes der Identität von Klageverfahren und Angelegenheit liegen gebührenrechtlich zwei Angelegenheiten vor. Das SG hat davon abgesehen, die Verfahren S 59 AS 2878/15 und S 59 AS 2880/15 zu verbinden, obwohl sich dies aufgrund der einheitlichen Lebenssachverhalte angeboten hätte. Diese Entscheidung ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu korrigieren. Eine willkürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts in mehrere Prozessmandate und damit ein missbräuchliches Verhalten des Beschwerdeführers durch Erhebung zweier statt einer Klage liegt nicht vor. Es gab einen sachlichen Anlass für den Beschwerdeführer, für jeden der von ihm vertretenen Kläger gesonderte Klagen zu erheben. Denn das Jobcenter Region Hannover hatte zuvor auch gegenüber beiden Klägern jeweils gesonderte Bescheide und Widerspruchsbescheide erlassen. Es lag vor diesem Hintergrund nahe, für jeden Kläger gesondert gegen die an sie gerichteten Bescheide vorzugehen. Daran ändert es auch nichts, dass beide Streitgegenstände sich nicht nur hinsichtlich des Datums der Bescheide, sondern auch inhaltlich entsprachen. Zwar hätten beide Streitgegenstände von dem Beschwerdeführer auch einheitlich bearbeitet werden können sowie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Die Aufspaltung des eigentlich einheitlichen Sachverhalts erfolgte aber letztlich durch die Behörde durch den Erlass zweier Bescheide und zweier Widerspruchsbescheide, so dass dem Beschwerdeführer kein missbräuchliches Verhalten durch die Erhebung zweier Klagen vorgeworfen werden kann.

d)

Die Verfahrens- und Terminsgebühr nach Nr. 3102 VV RVG und Nr. 3106 VV RVG sind allerdings jeweils lediglich in Höhe der Mindestgebühr entstanden.

Zwar war die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin im Verfahren S 59 AS 2880/15 überdurchschnittlich bei einer streitigen Erstattungsforderung in Höhe von 2.042,01 EUR. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin im Verfahren S 59 AS 2880/15 als Empfängerin von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II waren jedoch deutlich unterdurchschnittlich, mit der Folge, dass diese beiden Kriterien sich gegenseitig aufheben.

Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit waren im Verfahren S 59 AS 2880/15 zudem jeweils deutlich unterdurchschnittlich. Maßgeblich für diese Bewertung ist, dass der Beschwerdeführer zwei parallele Klageverfahren führte, in dem er eine nahezu wörtlich identische Klage und Klagebegründung verfasst hatte, wobei der jeweilige Unterschied allein in den unterschiedlichen Individualpersonen als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft bestand. Irgendwelche verfahrensspezifisch zu berücksichtigende Besonderheiten bzw. rechtliche, tatsächliche oder sonstige Unterschiede sind weder aus dem Vortrag des Beschwerdeführers noch aus den Gesamtumständen ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat damit aufgrund des inhaltlich identischen und lediglich hinsichtlich der jeweiligen Personen unterschiedlichen Streitgegenstände sämtliche anwaltlichen Tätigkeiten, einschließlich Sachverhalts- und Rechtsrecherche etc., für beide Klageverfahren nutzen können, weshalb keine mehrfachen Prüfungen oder Ausarbeitungen erforderlich waren. Diese anwaltliche Vorgehensweise ist weder rechtlich noch aus irgendwelchen sonstigen Gesichtspunkten zu beanstanden oder zu kritisieren. Im Gegenteil gehört vielmehr die mehrfache Nutzbarmachung von investierter Arbeitszeit, einschließlich des Vorhaltens, der Pflege und der Aktualisierung von Musterschriftsätzen, Entscheidungsübersichten etc. zu den anwaltlichen Kernkompetenzen. Wird aber die notwendige anwaltliche Arbeit in mehreren Parallelverfahren bei vergleichbarer oder sogar identischer Sach- und Rechtslage genutzt, so fällt für den Rechtsanwalt weniger vergütungsrechtlich relevante Arbeit an mit einer entsprechend geringeren Einstufung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit (vgl. Beschlüsse des Senats vom 30. April 2020 – L 7 AS 20/19 B -, vom 1. Juni 2017 - L 7 AS 6/16 B – und vom 7. April 2016 - L 7/14 AS 35/14 B -; vgl. auch: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 2. Dezember 2011 - L 15 SF 28/11 -; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. September 2011 - L 19 AS 879/10 B -; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 25. Mai 2009 - L 2 SF 50/09 E).

Bestimmt der abrechnende Rechtsanwalt vor diesem Hintergrund – gemäß seiner nach dem RVG bestehenden Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abrechnung - durch entsprechende Erhöhung bzw. Verminderung der angesetzten Gebühr, in welchem Verfahren welche Tätigkeitsanteile erbracht bzw. als Synergieeffekt aus dem Parallelverfahren übernommen wurden, tritt insoweit die aus der Ausübung des zustehenden Ermessens als rechtsgestaltende Erklärung gemäß § 315 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) resultierende Bindungswirkung ein, weshalb auch im Rahmen der Überprüfung der Gebührenmessung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG die Kriterien von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit entsprechend zu gewichten sind. Unterlässt der abrechnende Rechtsanwalt hingegen diese bei auch zeitlich parallel geführten Klageverfahren mangels einer objektiv möglichen Bewertung allein ihm mögliche Bestimmung der individualisierten Tätigkeitsanteile, kann dadurch die gebotene Berücksichtigung des Synergieeffekts nicht umgangen werden. Vielmehr ist es in dieser Konstellation nicht zu beanstanden, im Rahmen der Überprüfung der Gebührenmessung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG die dem abrechnenden Rechtsanwalt obliegende Bestimmung durch die eigene Bestimmung des Verfahrens mit der erbrachten vollen Tätigkeit, einschließlich Sachverhalts- und Rechtsrecherche etc., zu ersetzen (vgl. Beschluss des Senats vom 30. April 2020 – L 7 AS 20/19 B). Dies hat die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim SG durch die antragsgemäße Festsetzung der Verfahrensgebühr im Parallelverfahren S 59 AS 2878/15 getan. Für das Verfahren S 59 AS 2880/15 verbleibt auf dieser Bestimmungsgrundlage neben der alleinigen individuellen Anpassung an die Person der dortigen Klägerin keine vergütungsrelevante Tätigkeit des Beschwerdeführers. Die Synergieeffekte waren damit derart hoch, dass sie nur noch den Ansatz der Verfahrensgebühr in Höhe der Mindestgebühr rechtfertigen.

Das Gleiche gilt für den Ansatz der Terminsgebühr. Wie bei allen Rahmengebühren sind insoweit sämtliche Kriterien des § 14 RVG zu prüfen, wobei die Dauer des Termins lediglich das Kriterium des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit in dem Termin abdeckt (Beschluss des Senats vom 3. Juni 2019 - L 7 AS 5/17 B). Dieser Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war bei einer Terminsdauer von insgesamt nur sechs Minuten für zwei Klageverfahren deutlich unterdurchschnittlich. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war aufgrund der gleichzeitig erfolgten Tätigkeit im Verfahren S 59 AS 2878/15 nur noch minimal, weil sich die gleichen Rechtsfragen stellten wie in diesem Verfahren. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse gelten die obigen Ausführungen.

Eine höhere Gebührenbemessung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der so genannten Toleranzgrenze, weil die vom Beschwerdeführer bestimmte Gebühr die angemessene Gebührenhöhe um weit mehr als 20% übersteigt.

Insgesamt hat der Beschwerdeführer in dem vorliegenden Verfahren daher Anspruch auf eine Verfahrensgebühr in Höhe von 50,00 EUR, eine Terminsgebühr in Höhe von 50,00 EUR, die Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 EUR sowie Umsatzsteuer in Höhe von 22,80 EUR, insgesamt also 142,80 EUR. Da er in dem vorliegenden Verfahren aber bereits einen Betrag in Höhe von 380,80 EUR erhalten hat, kann er keine weiteren Gebühren verlangen. Er müsste eigentlich einen Betrag in Höhe von 238,00 EUR erstatten.

Aufgrund des auch im Beschwerdeverfahren geltenden Verbots der reformatio in peius (vgl. Müller-Rabe/Burhoff in: Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 24. Aufl. 2019, § 56 Rn 29) kann dies im vorliegenden Verfahren mangels einer Erinnerung und ggf. einer Beschwerde des Beschwerdegegners allerdings nicht überprüft werden. Ob der Beschwerdegegner gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 16. März 2016 in dem hier vorliegenden Verfahren S 59 AS 2880/15 noch Erinnerung einlegen kann, um auf diese Weise die Erstattung des überzahlten Betrages zu erreichen, kann der Senat hier offenlassen, weil dies nicht Streitgegenstand ist.

5.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

6.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).