Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 12.12.2007, Az.: L 5 V 3/05
Neufeststellung eines Versorgungsanspruchs nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG); Voraussetzungen der wesentlichen Änderung eines Versorgungsanspruches; Gesundheitsstörung als (weitere) Folge einer Schädigung i.S.d. Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ; Infolge von Komplikationen bei einer ärztlichen Behandlung von Schädigungsfolgen auftretende gesundheitlichen Folgen als sog. mittelbare Schädigungsfolgen; Beweislastverteilung im sozialgerichtlichen Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 12.12.2007
- Aktenzeichen
- L 5 V 3/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 46646
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2007:1212.L5V3.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 03.03.2005 - AZ: S 18 V 9/02
Rechtsgrundlagen
- § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X
- § 1 Abs. 2 Buchst. e BVG
- § 1 Abs. 3 BVG
- § 14 Nr. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 1 BVG
- § 14 Nr. 9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 1 BVG
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Neufeststellung des Versorgungsanspruchs des Klägers nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der Kläger ist der Auffassung, dass die infolge von Komplikationen bei einer ärztlichen Behandlungsmaßnahme entstandenen Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem BVG anzuerkennen und zu entschädigen sind.
Der 1923 geborene Kläger erlitt 1942/1943 während seines Kriegsdienstes eine Ruhrerkrankung in Nordafrika.
Ein im Jahre 1951 gestellter Antrag auf Versorgungsleistungen nach dem BVG wurde zunächst abgelehnt. Diese Entscheidung beruhte auf dem versorgungsärztlichen Gutachten des Dr. H. vom 12. März 1952, wonach keine sicheren Anhaltspunkte für einen Lebergewebsschaden oder für Darmstörungen infolge Amöbenruhr vorlägen (Bescheid des Versorgungsamtes I. vom 10. April 1952 in der Fassung der Entscheidung des Beschwerdeausschusses des Versorgungsamtes Köln vom 7. Juli 1952). Auf den erneuten Versorgungsantrag des Klägers vom 30. Dezember 1959 holte das mittlerweile zuständig gewordene Versorgungsamt Hannover u.a. das inner- und tropenfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. J., Tropeninstitut Hamburg, vom 22. Juli 1964 ein, in dem eine chronische Infektion mit Flexner-Ruhr-Erregern nachgewiesen wurde ("Shigella Flexneri"). Daraufhin gewährte das Versorgungsamt Hannover unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 10. April 1952 Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. unter Anerkennung folgender Schädigungsfolgen: Chronische Darminfektion mit Unterfunktion des Magens und der Bauchspeicheldrüse sowie neurovegetative Regulationsstörungen nach Ruhrerkrankung (Bescheid vom 17. September 1964).
Am 11. Januar 1973 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass sich nach Auffassung seiner behandelnden Ärzte die anerkannten Schädigungsfolgen wahrscheinlich verschlimmert hätten. Eine Sicherung dieser Verdachtsdiagnose sei jedoch nur durch einen operativen Eingriff (Laparotomie) möglich. Er beabsichtige, sich dieser Operation zu unterziehen. Daraufhin veranlasste das Versorgungsamt K. zeitnah eine erneute Begutachtung des Klägers durch L ... In diesem Gutachten wurden "gewisse zusätzliche Beschwerden" beschrieben, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Versorgungsleiden ständen. Eine sichere Aussage sei jedoch erst nach Durchführung der geplanten und aus ärztlicher Sicht zu befürwortenden Laparotomie (Eröffnung der Bauchhöhle) möglich (Gutachten vom 6. August 1973). Nachdem es in der Folgezeit nicht zu der vom Kläger geplanten Operation gekommen war, wurden seitens des Ärztlichen Dienstes des Beklagten wiederholt Zweifel am Fortbestehen von Schädigungsfolgen geäußert (vgl. etwa: Prüfungsvermerk bzw. versorgungsärztliche Stellungnahmen des M. vom 21. Juli, 6. August und 7. Oktober 1976). Schließlich forderte der Beklagte den Kläger unter Androhung einer Leistungsentziehung auf, sich der geplanten fachärztlichen Untersuchung und ggf. weiteren diagnostischen Maßnahmen zu unterziehen (Bescheid vom 20. September 1976). Nachdem der Kläger daraufhin mitgeteilt hatte, dass er sich nach eingehender ärztlicher Beratung gegen die Operation entschieden habe (Schreiben vom 29. September 1976), verblieb es bei der Gewährung von Versorgungsleistungen.
Im Juni 1997 erkannte der Beklagte nach einem Sturz während einer stationären Kurmaßnahme die Gesundheitsstörungen "unknöcherner Ausriss aus der radialen Handgelenkkapsel links" als weitere Schädigungsfolge bei unveränderter MdE an (Bescheide vom 5. und 6. Juni 1997).
Im Februar 2000 begab sich der Kläger wegen Beschwerden im Magen-Darmtrakt in die Behandlung von Prof. Dr. Manns (N. (O.) - Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie). Bei der dort am 24. Februar 2000 vorgenommenen Darmspiegelung kam es zu einer unbeabsichtigten Perforation eines Sigmadivertikels (Darmausstülpung im Dickdarm). Aufgrund dieser Komplikation wurde eine Not-Laparotomie mit Entfernung eines Teils des Dickdarms (Sigmaresektion) durchgeführt. # Auf diese Sigmaresektion sowie auf die operationsbedingte Narbenbildung führt der Kläger eine Reduzierung seiner körperlichen und psychischen Aktivität sowie eine Verschlimmerung der Beschwerden im Magen-Darmtrakt zurück.
Der Beklagte lehnte den Antrag, die o.g. Beschwerden als weitere Schädigungsfolgen nach dem BVG anzuerkennen und die Versorgungsbezüge entsprechend zu erhöhen, nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. P. ab. Zur Begründung führte er aus, dass es weder zu einer wesentlichen Änderung in den bereits anerkannten Schädigungsfolgen noch zum Hinzutreten von weiteren, insbesondere mittelbaren Schädigungsfolgen gekommen sei (Bescheid vom 19. April 2001).
Auf den Widerspruch des Klägers zog der Beklagte weitere medizinische Unterlagen bei und veranlasste eine versorgungsärztliche Begutachtung durch Dr. P ... Der Gutachter führte aus, dass der bei der Darmspiegelung unbeabsichtigt perforierte Sigmadivertikel vermutlich schicksalhaft und nicht infolge des Versorgungsleidens entstanden sei (Gutachten vom 29. Januar 2002). Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2002 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 30. März 2002 beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben. Er hat vorgetragen, dass die Darmspiegelung aufgrund des Versorgungsleidens indiziert gewesen sei, u.a. auch, um eventuelle weitere Schädigungsfolgen aufzuklären. Zwar sei mit dem Beklagten davon auszugehen, dass der perforierte Divertikel schädigungsunabhängig entstanden sei. Die Darmspiegelung sei jedoch wegen der schädigungsbedingten Beschwerden erfolgt. Aufgrund der Operationsfolgen habe sich die schädigungsbedingte MdE um mindestens 10 v.H. erhöht. Das SG hat nach Einholung eines Befundberichts des Allgemeinmediziners Dr. Q. und nach Beiziehung des von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. R. vom 20. März 2002 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass eine Infektion mit "Shigella Flexneri" schon im August 1973 nicht mehr vorgelegen habe, ebenso wenig wie der vormals diagnostizierte spastische Dickdarmkatarrh. Die bereits 1973 beschriebenen Beschwerden im Magen-/Darmtrakt hätten bis Anfang 2000 keine wesentliche Änderung erfahren. Diese Beschwerden seien nach dem Gutachtenten des Prof. Dr. R. am ehesten auf ein unabhängig von der Ruhrerkrankung bestehendes irritables Darmsyndrom zurückzuführen. Für die Frage eines Zusammenhangs der Beschwerden mit dem Versorgungsleiden hätten sich im Rahmen der Behandlung in der O. keine neuen Erkenntnisse ergeben. Somit könnten die nach der Sigmaresektion verbliebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch nicht als mittelbare Schädigungsfolge anerkannt werden (Urteil vom 3. März 2005).
Gegen das dem Kläger am 6. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine am 3. Mai 2005 eingelegte Berufung. Der Kläger vertieft sein Vorbringen dahingehend, dass allein die aus den Schädigungsfolgen resultierenden Beschwerden Anlass für die Behandlung in der O. und damit auch für die Darmspiegelung gewesen seien. Es habe keine andere Indikation für die Darmspiegelung vorgelegen. Auch seine behandelnden Ärzte würden einen Ursachenzusammenhang zwischen den derzeitigen Beschwerden und den anerkannten Schädigungsfolgen bejahen (vgl. die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung von Prof. Dr. S. vom 12. Juni 2006).
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 3. März 2005 und den Bescheid des Beklagten vom 19. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2002 aufzuheben,
- 2.
festzustellen, dass es sich bei den Gesundheitsstörungen "Instabilität der Bauchdecke mit Reizsyndrom des Darms infolge einer iatrogenen Sigmaperforation mit anschließender Laparotomie und Sigmateilresektion und Narbenhernien" um Schädigungsfolgen nach dem BVG handelt,
- 3.
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Beschädigtenversorgung nach einer MdE von mindestens 40 v.H. seit Juli 2000 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die bei der Darmspiegelung aufgetretenen Komplikationen allein auf das anlagebedingte (d.h. schädigungsunabhängige) Divertikel im Dickdarm zurückzuführen seien. Anlass für die Darmspiegelung sei nicht das Versorgungsleiden gewesen. Vielmehr habe die Darmspiegelung primär dem Ausschluss eines Tumorleiden gedient (Beratungsärztliche Stellungnahmen des Dr. T. vom 18. Januar und 29. August 2006).
Der Senat hat Prof. Dr. S. zur Indikation für die Darmspiegelung, zur (vermutlichen) Ursache der im Februar 2000 geklagten Beschwerden sowie zur Notwendigkeit der durchgeführten Darmspiegelung befragt (vgl. schriftliche Stellungnahme des Prof. Dr. S. /Dr. U. vom 11. August 2006).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die den Kläger betreffende Versorgungsakte (2 Bände nebst 3 Bänden HUK-Hefte), die den Kläger betreffende Schwerbehindertenakte des Beklagten, die von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen beigezogenen Vorgänge (Az: 3434/00) und die erst- und zweitinstanzliche Gerichtsakte verwiesen. Sie haben der Entscheidung zugrunde gelegen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Beklagte und das SG haben rechtsfehlerfrei einen Anspruch des Klägers auf Neufeststellung seiner Versorgungsbezüge abgelehnt.
# Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Bescheid über die Gewährung von Versorgungsleistungen dann aufzuheben, wenn in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Versorgungsanspruch ist entsprechend der geänderten Sachlage neu festzustellen. Eine wesentliche Änderung kann sowohl darin bestehen, dass weitere Schädigungsfolgen hinzugetreten sind als auch darin, dass sich die bereits festgestellten Schädigungsfolgen derart verschlimmert haben, dass sie mit einer höheren MdE zu bewerten sind. Eine Gesundheitsstörung kann nur dann als (weitere) Folge einer Schädigung i.S.d. BVG anerkannt werden, wenn zwischen dieser Gesundheitsstörung und dem schädigenden Ereignis (hier: Ruhrerkrankung während des Afrikafeldzuges 1942/1943) ein Ursachenzusammenhang zumindest wahrscheinlich ist (§ 1 Abs. 3 BVG). Dies ist dann der Fall, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 14 Nr. 4; Nr. 9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 1 BVG vom 26. Juni 1969 [Beilage Nr. 15/69 zum BAnz Nr. 119], zuletzt geändert durch 2. Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 27. August 1986 [BAnz Nr. 161 Seite 12297]).
Eine bereits vor der Darmspiegelung am 24. Februar 2000 eingetretene Verschlimmerung der bereits anerkannten Schädigungsfolgen ist nicht nachgewiesen. Zwar sind beim Kläger schon seit 1959 folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anerkannt: "Chronische Darminfektion mit Unterfunktion des Magens und der Bauchspeicheldrüse sowie neurovegetative Regulationsstörung nach Ruhrerkrankung". Allerdings besteht aus medizinischer Sicht bereits seit 1973 eine Unsicherheit, ob die seit diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Beschwerden im Magen-/Darmtrakt auf die seit 1959 bestandskräftig anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen sind. Denn 1973 konnte - im Gegensatz zur Erstbegutachtung durch Prof. Dr. J. im Jahre 1964 - weder ein spastischer Dickdarmkatarrh noch eine Infektion mit Shigella Flexneri nachgewiesen werden. Deshalb konnte # 1973 auch gerade nicht definitiv geklärt werden, ob die "gewisse" Zunahme der Beschwerden auf die Schädigungsfolgen oder aber auf schädigungsunabhängige (insbesondere anlagebedingte) Faktoren zurückzuführen war. Eine sichere Beurteilung des Ursachenzusammenhangs wäre nur mittels Laparotomie möglich gewesen (vgl. im Einzelnen: Gutachten des Prof. Dr. J. vom 6. August 1973). Zu dieser ist es aber - entgegen der ursprünglichen Absicht des Klägers (vgl. hierzu: Schreiben an das Versorgungsamt Hannover vom 11. Januar 1973) - in der Folgezeit nicht gekommen. Damit ist aus medizinischer Sicht zumindest seit 1973 offen geblieben, ob und in welchem Umfang die - unstreitig vorhandenen - Beschwerden des Klägers im Magen-/Darmtrakt auf die bestandskräftig anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen sind (vgl. hierzu: Beratungsärztliche Stellungnahmen des Dr. V. vom 21. Juli, 6. August und 7. Oktober 1976 sowie Gutachten des Prof. Dr. R. vom 20. März 2002, wonach die Anfang 2000 beim Kläger bestehenden Beschwerden am ehesten auf ein schädigungsunabhängiges irritables Darmsyndrom zurückzuführen sind). Da auch im Rahmen der im Februar 2000 durchgeführten Darmspiegelung bzw. der nachfolgenden Not-Laparotomie keine den Ursachenzusammenhang klärenden Befunde erhoben werden konnten, kann eine Verschlimmerung der bereits anerkannten Schädigungsfolgen nicht als nachgewiesen angesehen werden. Unabhängig davon stimmt der erkennende Senat dem SG auch insoweit zu, als für die Zeit vor der Darmspiegelung eine wesentliche Verschlimmerung des Beschwerdebildes im Magen-/Darmtrakt überhaupt nicht erkennbar bzw. belegt ist (vgl. hierzu: S. 5 des angefochtenen Urteils).
Ebenso wenig stellen die Komplikationen der im Februar 2000 durchgeführten Darmspiegelung eine Spätfolge der anerkannten Schädigung dar ("mittelbare Schädigungsfolge").
Zwar sind gesundheitlichen Folgen, die infolge von Komplikationen bei einer ärztlichen Behandlung von Schädigungsfolgen auftreten, als sog. # mittelbare Schädigungsfolgen anzuerkennen (§ 1 Abs. 2 Buchstabe e BVG; vgl. zum Begriff der mittelbaren Schädigungsfolge: Nr. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 1 BVG sowie Seite 154 f. der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung - AHP 2004). Allerdings wurde die Darmspiegelung, bei der es zu der unbeabsichtigten Perforation des Sigmadivertikels kam, nicht nachweislich zur Behandlung der Schädigungsfolgen durchgeführt. Vielmehr ist - wie bereits ausgeführt - nach wie vor unklar, ob die zum Zeitpunkt der Darmspiegelung bestehenden Beschwerden im Magen-/Darmtrakt schädigungsbedingt waren. Dementsprechend kann nicht als erwiesen angesehen werden, dass die Behandlung in der MHH im Februar 2000 aufgrund schädigungsbedingter Beschwerden erfolgt ist. Diese bereits seit 1973 bestehende Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes geht im vorliegenden Rechtsstreit zu Lasten des Klägers (vgl. zum Grundsatz der objektiven Beweislast im sozialgerichtlichen Verfahren: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 103 Rdnr 19 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Dass es sich auch bei der - zu den folgenreichen Komplikationen führenden - Divertikelbildung nicht um Folgen des Versorgungsleidens handelt, ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. R. vom 20. März 2002 und der ärztlichen Stellungnahme des Dr. T. vom 10. April 2003. Dieser Einschätzung folgt auch der als Arzt ebenfalls sachkundige Kläger ausdrücklich (vgl. Schriftsatz vom 22. Mai 2003).
Mittelbare Schädigungsfolgen können entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht mit der Argumentation bejaht werden, dass die Darmspiegelung der Klärung des Ausmaßes der Schädigungsfolgen bzw. dem Nachweis einer eingetretenen Verschlimmerung gedient habe.
Zwar sind die gesundheitlichen Folgen einer medizinischen Untersuchung auch dann als Schädigungsfolgen anzuerkennen, wenn die medizinische Untersuchung dazu gedient, das Ausmaß der anerkannten Schädigungsfolgen zu bestimmen und ihre Auswirkung gegenüber anderen Krankheitsfaktoren abzugrenzen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1962 - 11 RV 398/61, BSGE 17, 60, 61), selbst wenn im Ergebnis weitere Schädigungsfolgen nicht festgestellt werden können (BSG, Urteile vom 4. November 1981 und 5. August 1993 - 2 RU 39/80 [SozR 2200 § 548 Nr. 59] und 2 RU 34/92 [Soziale Sicherheit 1995, 35]). Allerdings handelte es sich bei der im Februar 2000 durchgeführten Darmspiegelung nicht um einen solchen Eingriff, der Art, Umfang und Ausmaß der Schädigungsfolgen klären sollte. Vielmehr war ein solcher - auch diagnostischen Zwecken dienender - ärztlicher Eingriff in Form einer Laparotomie dem Kläger bereits im Jahre 1973 angeraten worden (Gutachten des Prof. Dr. J. vom 6. August 1973). Der Beklagte hatte den Kläger sogar unter Androhung einer Leistungsentziehung zur Vornahme dieser Untersuchung aufgefordert (vgl. Bescheid vom 20. September 1976). Zu diesem vom Kläger zunächst auch beabsichtigten Eingriff ist es jedoch nie gekommen. An die Gründe für die Unterlassung dieser Operation will sich der Kläger - trotz seiner ansonsten sehr detaillierten Erinnerung sowohl an das schädigende Ereignis als auch an seine diesbezügliche Krankheitsgeschichte - mittlerweile nicht mehr erinnern können (Schriftsatz vom 20. April 2006).
Nachdem es über einen Zeitraum von ca. 27 Jahren nicht zu der Laparotomie gekommen war, stellte sich der Kläger im Februar 2000 wegen seiner aktuellen Beschwerden im Magen-Darmtrakt bei Prof. Dr. S. vor (Wechsel von Durchfall und Verstopfung mit sturzartiger Darmentleerung, Blähungen, zeitweises Druckgefühl im Oberbauch, zunehmende Schwäche und abnehmender Appetit). In dieser Situation wurde eine Darmspiegelung durchgeführt, die - auch in Kenntnis der anerkannten Schädigungsfolgen - primär dem Ausschluss einer Tumorerkrankung diente. So haben die behandelnden Ärzte Prof. Dr. S. /Dr. U. gegenüber dem erkennenden Senat ausdrücklich bestätigt, dass auch unabhängig von der in Streit stehenden Kriegsbeschädigung allein aufgrund des geschilderten Beschwerdebildes zur Darmspiegelung geraten worden wäre (Stellungnahme des Prof. Dr. S. /Dr. U. vom 11. August 2006). Diese medizinische Einschätzung der behandelnden Ärzte wird sowohl vom ärztlichen Berater des Beklagten, Dr. T., als auch von dem von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen mit einer Begutachtung beauftragten Prof. Dr. R. geteilt. Die gegenteilige Auffassung des Klägers, wonach es außer den Schädigungsfolgen keine andere Indikation für die Darmspiegelung gegeben haben soll (Stellungnahme vom 5. November 2005), ist dagegen unsubstantiiert. Unabhängig davon setzt ein zur Klärung von Art und Ausmaß der Schädigungsfolgen dienender ärztlicher Eingriff im Regelfall auch eine Veranlassung durch den zuständigen Leistungsträger oder aber zumindest eine Absprache über die Vorgehensweise zwischen dem Betroffenen und dem Leistungsträger voraus. Diese Verfahrensweise hatte der Kläger auch bereits Anfang 1973 praktiziert, als er dem Beklagten frühzeitig mitteilte, dass er sich einem ärztlichen Eingriff (Laparotomie) unterziehen wolle, wodurch sich neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Schädigungsfolgen ergeben könnten (Schreiben des Klägers vom 11. und 19. Januar 1973). Die damaligen Mitteilungen ermöglichten dem Beklagten, noch vor dem beabsichtigten Eingriff Kontakt mit den behandelnden Ärzten aufzunehmen und die erforderlichen Ermittlungen einzuleiten (Begutachtung durch Prof. Dr. J.). Dagegen informierte der Kläger den Beklagten über die im Februar 2000 durchgeführte Darmspiegelung erst mehrere Monate nach deren Durchführung (vgl. Antrag auf Neufeststellung der Schädigungsfolgen vom 18. Juli 2000). Nach alledem diente die im Februar 2000 erfolgte Darmspiegelung, in deren Verlauf es zu schweren Komplikationen kam, therapeutischen Zwecken (Abklärung der aktuellen Beschwerden im Magen-/Darmtrakt und Ausschluss eines Tumorleidens), nicht dagegen der gezielten Abklärung von Art und Umfang möglicher Schädigungsfolgen. Denn die Frage eines Ursachenzusammenhangs zwischen den aktuellen Beschwerden im Magen-/Darmtrakt und der im Krieg erlittenen Ruhrerkrankung war zum Zeitpunkt der Darmspiegelung bereits seit ca. 27 Jahren offen, ohne dass es dem Beklagten gelungen wäre, den Kläger zu weitergehenden Untersuchungen zu bewegen (insbesondere zu der mehrfach diskutierten Laparotomie). Ebenso wenig erbrachte die zu therapeutischen Zwecken durchgeführte Darmspiegelung neue Erkenntnisse zur Art und Umfang möglicher Schädigungsfolgen, die einer Anerkennung der Komplikationen der Darmspiegelung als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG erlauben würden.
Mangels Eintritts einer wesentlichen Änderung in den Schädigungsfolgen besteht auch kein Anspruch auf Erhöhung der schädigungsbedingten MdE.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.