Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.01.2008, Az.: 11 A 443/07

Asylantrag; Asylverfahren; Asylverfahrensdurchführung; Ausreise; Ausreisefrist; Durchführung; Frist; Verzicht

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.01.2008
Aktenzeichen
11 A 443/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG beträgt die Ausreisefrist nach der Auffangregelung des § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat. Die Vorschrift des § 38 Abs. 2 AsylVfG, die bei einer Rücknahme des Asylantrages eine Ausreisefrist von einer Woche vorsieht, ist nicht entsprechend anwendbar.

Tatbestand:

1

Die am 10. April 2004 in Varel geborene Klägerin ist serbische Staatsangehörige. Ihre aus dem Kosovo stammenden Eltern (M. und A. D.) haben erfolglos ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragt.

2

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2005 zeigte der Landkreis Friesland als Ausländerbehörde gem. § 14 a Abs. 2 AsylVfG die Geburt der Klägerin an. Nach Anhörung lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihren als gestellt angesehenen Asylantrag mit Bescheid vom 21. Februar 2006 als offensichtlich unbegründet ab.

3

Das hiergegen beim erkennenden Gericht anhängig gemachte Klageverfahren (12 A 1316/06 bzw. 11 A 4570/06) wurde von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Januar 2007 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

4

Mit Bescheid vom 24. Januar 2007, zugestellt am 27. Januar 2007, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Bescheid vom 21. Februar 2006 aufgehoben, das Asylverfahren eingestellt und festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Außerdem wurde die Klägerin aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen und anderenfalls ihre Abschiebung nach Serbien angedroht. Wegen der Ausreisefrist ist auf § 38 Abs. 2 AsylVfG hingewiesen worden.

5

Am 9. Februar 2007 hat die Klägerin Klage erhoben.

6

Sie trägt vor, dass die Ausreisefrist einen Monat betragen müsse.

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Die Klägerin beantragt,

8

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2007 aufzuheben, soweit ihr darin die Abschiebung angedroht worden ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist wegen der Ausreisefrist auf den angefochtenen Bescheid. Jedenfalls dürfe die Abschiebungsandrohung nicht insgesamt aufgehoben werden.

12

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Rechtsstreits 11 A 4570/06 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

14

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

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1. Die auf §§ 34 AsylVfG, 59 AufenthG beruhende Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid des Bundesamtes ist an sich rechtmäßig. Die Klägerin ist weder als Asylberechtigte anerkannt noch ist ihr die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Auch ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sie einen Aufenthaltstitel besitzt.

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2. Die im Bescheid des Bundesamtes festgesetzte Ausreisefrist, die isoliert aufgehoben werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 2001 - 9 C 22.00 - BVerwGE 114, 122 <124 f.>), ist dagegen rechtswidrig.

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Es findet nämlich die Auffangregelung des § 38 Abs. 1 AsylVfG Anwendung, nach der in allen „sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt“, die Ausreisefrist einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens beträgt.

18

Im Falle des Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG kann dagegen insbesondere die Sonderregelung des § 38 Abs. 2 AsylVfG, die bei Rücknahme des Asylantrages eine Ausreisefrist von einer Woche vorsieht, nicht herangezogen werden. Der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG ist in dieser Vorschrift - wie etwa auch in § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG - gerade nicht erwähnt. Dem kommt besonderes Gewicht auch deshalb zu, weil der Gesetzgeber in anderen Bestimmungen die Rücknahme des Asylantrages und den Verzicht nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG ausdrücklich gleich gestellt hat (§§ 32 Satz 1, 71 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Trotz Kenntnis der hier zu beurteilenden Problematik ist zudem im Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I. S. 1970) eine Änderung des § 38 Abs. 2 AsylVfG nicht erfolgt, obwohl gerade auch § 14 a AsylVfG modifiziert wurde (Art. 3 Nr. 10).

19

Durch eine einmonatige Ausreisefrist wird die Zielsetzung des § 14 a AsylVfG, der sukzessiven Asylantragstellung einzelner Familienmitglieder zur Verhinderung einer Aufenthaltsbeendigung vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2006 - 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161 <Rn. 31>), auch nicht spürbar beeinträchtigt. Vielmehr ist aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen erkennbar, dass der Gesetzgeber denjenigen, dessen Asylantrag als nach § 14 a AsylVfG gestellt gilt, durch die Möglichkeit des Verzichts in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht (vgl. dazu auch § 10 Abs. 3 AufenthG) teilweise privilegieren wollte, um ihm einen gewissen Anreiz dafür zu bieten, ein vielfach von vornherein aussichtsloses Asylverfahren alsbald zu beenden.

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Angesichts des Umstandes, dass danach eine auszufüllende Regelungslücke nicht besteht, ist auch eine entsprechende Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG nicht geboten.

21

Diese Auffassung entspricht auch der ganz überwiegenden Rechtsprechung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 11. August 2006 - 1 A 1437/06.A - <juris, Rn. 71 ff.>; VG Göttingen, Beschluss vom 14. Dezember 2007 - 4 B 172/07 -; VG Münster, Urteil vom 2. November 2007 - 8 K 98/07.A - <juris>; VG Osnabrück Beschluss vom 28. Juni 2007 - 5 B 69/07 - <juris>; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 18a L 545/07.A - <juris>; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 1 L 777/07 - <juris>; VG Kassel, Urteil vom 26. Januar 2007 - 4 E 1023/06.A - <juris>; VG Schwerin, Urteil vom 8. Januar 2007 - 7 A 1113/06 As - < juris>).

22

Der gegenteiligen eher vereinzelten Auffassung (vgl. etwa VG Stade, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - 6 B 1261/07 -; VG Würzburg, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - W 7 S 06.30300 - <juris>; VG Wiesbaden, Urteil vom 30. Juni 2005 - 1 E 714/05.A - <juris>;; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: Februar 2006, Rn. 8 zu § 38) vermag sich das Gericht aus den oben dargestellten Gründen nicht anzuschließen, zumal die erwähnten Entscheidungen substantiierte Begründungen vermissen lassen.