Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 25.01.2008, Az.: 13 A 583/06
Beendigung des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. § 30 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) durch einen Klinikaufenthalt ohne Rückkehrperspektive; Erfordernis dauerhaften oder längeren Aufenthaltes zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes; Fortbestand der Zuständigkeit eines Jugendhilfeträgers bei einer kurzzeitigen Unterbrechung der Jugendhilfeleistungen; Faktische oder förmliche Einstellung der Hilfe nach Leistungsgewährung als Unterbrechung der Jugendhilfeleistungen; Unterbrechung bei einer Einstellung als einzig fachlich vertretbare Entscheidung bei mangelnder Wiederaufnahmeperspektive der bisher geleisteten Hilfe; Pflichtwidrigkeit des Verhaltens eines örtlich und sachlich zuständigen Trägers bei Ablehnung oder Verzögerung seiner Zuständigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 25.01.2008
- Aktenzeichen
- 13 A 583/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 31210
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2008:0125.13A583.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I
- § 27 SGB VIII
- § 34 SGB VIII
- § 41 SGB VIII
- § 86 SGB VIII
- § 86a Abs. 4 S. 2 SGB VIII
- § 86b Abs. 3 S. 2 SGB VIII
- § 86d SGB VIII
- § 89c Abs. 1 S. 2 SGB VIII
- § 89c Abs. 2 SGB VIII
Fundstellen
- JAmt 2008, 165
- ZfF 2009, 93 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein Klinikaufenthalt kann den bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt beenden, wenn keine Rückkehrperspektive besteht.
- 2.
Zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes ist ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich, es genügt vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 5 C 46.01 -, FEVS 54, 198).
- 3.
Eine kurzzeitige Unterbrechung der Jugendhilfeleistungen kann die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers unter Umständen unberührt lassen.
- 4.
Für die Annahme einer Unterbrechung kann sprechen, dass nach Leistungsgewährung die Hilfe faktisch oder förmlich eingestellt wurde oder aufgrund der gegebenen Verhältnisse die Einstellung die einzig fachliche vertretbare Entscheidung war und wegen des unklaren zukünftigen Hilfebedarfs eine konkrete Wiederaufnahmeperspektive der bisher geleisteten Hilfe nicht gegeben war.
- 5.
Zur Frage des pflichtwidrigen Handelns im Sinne des § 89 c Abs. 2 SGB VIII.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
Im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 71.650,36 Euro an Jugendhilfekosten, die im Hilfefall von ... in der Zeit vom 28. Mai 2004 bis 30. November 2006 aufgewandt worden sind, nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten, sowie der Klägerin zusätzlich nach § 89 c Abs. 2 SGB VIII 23.883,45 Euro zu erstatten.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten für gewährte Jugendhilfeleistungen.
Die am 3. Oktober 1986 geborene ... ... ist die Tochter von Frau ... ... und Herrn ... .... In den Jahren 2003 und 2004 lebte die Kindesmutter in A. und der Kindesvater hielt sich in Belgien auf. Beide Elternteile übten das gemeinsame Sorgerecht für ihre Tochter aus (Urteil des Amtsgerichts A. vom 16. März 1998 - ). Nach der Scheidung der Eltern von ... ... lebte diese bei ihrer Mutter in A..
Anfang Oktober 2003 meldete sich Frau ... beim Jugendamt der Klägerin und teilte mit, dass sie erhebliche Schwierigkeiten mit ihrer Tochter habe. Sie erklärte, dass ihre Tochter in letzter Zeit häufig "abgängig" gewesen und auch jetzt wieder "unterwegs" sei. Einige Tage später meldete sie sich erneut beim Jugendamt der Klägerin und teilte mit, dass ... wieder aufgetaucht sei. Sie berichtete von bereits seit vielen Jahren bestehenden Schwierigkeiten mit ihrer Tochter und machte deutlich, dass sie keinen Sinn mehr darin sehe, ihre Tochter wieder bei sich im Haushalt aufzunehmen.
Seit dem 7. Oktober 2003 befand sich ... ... in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und - psychotherapie des Universitätsklinikums A.. Bei einer Untersuchung wurde die Entwicklung einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.31) diagnostiziert. Die behandelnden Ärzte empfahlen im Anschluss an die stationäre Behandlung eine außerhäusliche Unterbringung in einer auf das Krankheitsbild von ... spezialisierten Einrichtung. Die Unterbringung erfolgte schließlich vom 16. Dezember 2003 an in der sozialpädagogischen Einrichtung B., die in der Gemeinde R. gelegen ist. Mit Bescheid vom 27. Januar 2004 gewährte die Klägerin ... ... Leistungen der Eingliederungshilfe für ihren Aufenthalt in dieser Einrichtung.
Der Aufenthalt in der Einrichtung B. wurde am 2. Februar 2004 beendet, da sich ... nicht an die in der Hilfeplanung vereinbarten Absprachen gehalten hatte. Nach Beendigung der Maßnahme fuhr ... nach A. und kam zunächst bei ihrer Großmutter, Frau ..., unter. Am 3. Februar 2004 fand ein Gespräch im Jugendamt der Klägerin statt, an dem neben ... auch ihre Mutter und ihre Großmutter teilnahmen. Nach einem Vermerk des Jugendamtes der Klägerin vom 13. Februar 2004 über das Gespräch vom 3. Februar 2004 lehnte ... ausdrücklich und wiederholt und trotz der Hinweise auf wahrscheinlich auftretende Schwierigkeiten die weitere Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe ab und erklärte zudem, bis auf weiteres in O. leben zu wollen.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2004 hob die Klägerin die ... ... gewährte Hilfe gemäß § 35 a SGB VIII zum 2. Februar 2004 "wegen Sinn- und Zwecklosigkeit" auf. Zur Begründung heißt es: Die im Hilfeplangespräch vom 26. Januar 2004 getroffenen Vereinbarungen seien nicht eingehalten worden, so dass die Zusammenarbeit zwischen ... und der Einrichtung nicht mehr fortgesetzt werden könne. Im Gespräch vom 3. Februar 2004 sei festgestellt worden, dass anderweitige Hilfen nicht möglich erschienen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 6. Februar 2004 verzog ... nach O. und lebte bis zum 28. April 2004 bei der Familie .... Am 30. März 2004 meldete sie sich mit erstem Wohnsitz bei der Beklagten und auch bei der Berufsschule in O. an. Dazu war ... zuvor mit Schreiben vom 15. März 2004 von ihrer Mutter ermächtigt worden. Ebenfalls am 30. März 2004 beantragte ... die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Diesen Antrag lehnte die Beklagte - Sozialamt - mit Bescheid vom 31. März 2004 mit der Begründung ab, dass ... Ansprüche auf Unterhalt gegenüber ihren Eltern habe und diese der Gewährung von Sozialhilfe vorgingen.
Aufgrund fehlender finanzieller Mittel war ein weiterer Verbleib ...s bei der Familie ... nicht möglich. Sie wandte sich daher am 28. April 2004 an das Jugendhilfezentrum in O., welches an das Jugendamt der Beklagten angegliedert ist. Das Jugendamt der Beklagten nahm sie gemäß § 42 SGB VIII in Obhut. Am 29. April 2004 bat das Jugendhilfezentrum O. die Klägerin um Übersendung einer Kostenübernahmeerklärung. Mit Schreiben vom 7. Mai 2004 lehnte die Klägerin die Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung mit der Begründung ab, sie sei nicht der für ... ... zuständiger Jugendhilfeträger. Mit Schreiben vom 10. Mai 2004 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin erneut geltend, dass sie diese für den zuständigen Jugendhilfeträger halte und kündigte an, sie werde ... nach A. schicken, damit die Inobhutnahme dort fortgesetzt werden könne. Am 13. Mai 2004 brachte ein Mitarbeiter des Jugendhilfezentrums ... nach A. und übergab sie dem Jugendamt der Klägerin mit der Begründung, dass die Klägerin für Leistungen an ... zuständig sei.
Daraufhin wurde ... vom Jugendamt der Klägerin im Rahmen einer familiären Bereitschaftsbetreuung in Obhut genommen. Da aus Sicht der Klägerin eine dauerhafte Unterbringung ...s aufgrund der räumlichen Nähe zu ihrer Mutter nicht in Betracht kam, brachte die Klägerin ... im Jugendhilfezentrum der Stadt O. gemäß § 34 SGB VIII unter. In diesem Zusammenhang gab die Klägerin ein vorläufiges Kostenanerkenntnis bis zur endgültigen Klärung der Zuständigkeit ab. Am 28. Mai 2004 reiste ... schließlich wieder nach O.. Zu den Vorkommnissen im Einzelnen erklärte ... gegenüber der Klägerin (Niederschrift vom 13. Mai 2004, Bl. 50 Beiakte B):
"Am 03.02.2004 hatte ich beim Jugendamt A., Herrn M. zusammen mit meiner Mutter und meiner Oma ein ausführliches Gespräch über meine weitere Zukunft. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch keinerlei Interesse an Jugendhilfe und habe alle diesbezüglichen Überlegungen kategorisch abgelehnt. Ich wollte einfach meine Ruhe haben und mein Leben leben. Ich bin dann zunächst zu meiner Oma gezogen. Anschließend bin ich nach O. zur Familie ... gezogen und habe mich dort angemeldet. Familie ... ist die Familie einer Freundin aus O., die bereit war, mich aufzunehmen. Ich habe vom 06.02.2004 bis zum 28.04.2004, entsprechend meines Wunsches bei Familie ... gelebt. Dies war aus finanziellen Gründen, das Sozialamt in O. hat mir die Hilfe zum Lebensunterhalt verweigert, nicht mehr möglich. Das Sozialamt hat die Hilfe zum Lebensunterhalt unter dem Hinweis auf meine Minderjährigkeit verweigert und mich an das Jugendamt O. verwiesen. Ich habe mich dann an das Jugendhilfezentrum in O. gewandt, da ich auf keinen Fall nach A. zurück wollte. Auch dort habe ich zunächst, wie in A. erklärt, dass ich eigentlich keine Jugendhilfe möchte, sondern am liebsten "auf eigenen Füßen" stehen und in O. bleiben will. Im Verlauf der Unterbringung wurde ich durch Herrn Koslowski dahingehend motiviert, doch zum Jugendamt zu gehen, "um etwas für mich zu tun". Da der zuständige Sachbearbeiter nicht anwesend war, wurde ich zu Frau B. geschickt. Dieses Gespräch war für mich sehr belastend. Frau B. hat mich angeschrieen und gesagt, dass ich vom Jugendamt O. nichts zu erwarten hätte, da das Jugendamt A. zuständig sei. Ich sei schon der dritte Fall, wo Jugendliche einfach nach O. kämen. Auf meinen Hinweis, dass ich in O. gewohnt hätte und auch dort gemeldet sei, entgegnete sie, dass Jugendliche keine Wohnung anmieten dürften, und ich in den nächsten Zug nach A. steigen solle. Meine Erklärung, dass ich bei Familie ... gelebt habe, und noch keine eigene Wohnung angemietet hätte, ist anscheinend nicht gehört worden. Auch habe ich Frau B. deutlich erklärt, dass ich auf eigenen Wunsch in A. keine Jugendhilfe mehr haben wollte, dies nicht nur bezogen auf meine Unterbringung in A., sondern dass ich nichts mehr mit dem Jugendamt zu tun haben wollte.
...
Da es mir nicht gut ging, bin ich nach A. begleitet worden. Ich fühle mich in A. auch auf Grund meiner familiären Umstände nicht wohl und habe Angst. Ich habe Ihnen bereits damals erklärt, dass ich aus meinem Umfeld heraus möchte und meine Zukunft für mich alleine in O. sehe."
Mit Schreiben vom 6. Juli 2004 forderte die Klägerin die Beklagten zur Übernahme des Hilfefalles ... ... auf und bat um Kostenerstattung nach § 89 c SGB VIII. In diesem Schreiben kündigte sie weiter an, zu den anfallenden Kosten ein weiteres Drittel der aufgewendeten Kosten nach § 89 c Abs. 2 SGB VIII geltend zu machen. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass die Leistungen der Jugendhilfe eingestellt worden seien, da ... keine weiteren Hilfen mehr habe annehmen wollen. Damit sei die Hilfe zur Erziehung für ... beendet worden. Anschließend sei ... nach O. verzogen. Zu diesem Zeitpunkt sei weder Hilfe zur Erziehung geleistet worden, noch sei ein Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt bzw. seitens der Klägerin eine Anschlussmaßnahme in Aussicht gestellt worden. Damit sei die Beklagte nach § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII der zuständige Jugendhilfeträger.
Mit Schreiben vom 15. Juli 2004 lehnte die Beklagte die Übernahme des Hilfefalles und die Kostenerstattung ab. Sie erklärte, die Klägerin sei zuständiger Jugendhilfeträger nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII.
Die Klägerin hat am 2. Februar 2006 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie ergänzend geltend: Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich aus § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII. Vor der Aufnahme in die Einrichtung B. und vor Beginn der stationären Behandlung in der Klinik für Kinderund Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum A. habe ... ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt ihrer Mutter in A. gehabt. Zunächst habe sich daher ihre örtliche Zuständigkeit aus § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ergeben, da beiden Elternteilen die Personensorge zugestanden habe. Mit der Einweisung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie am 7. Oktober 2003 habe ... jedoch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im mütterlichen Haushalt aufgegeben. Eine Rückkehroption für ... in den mütterlichen Haushalt in A. habe schon bei der Aufnahme in die Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht mehr bestanden. Frau ... habe unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie ... nicht mehr bei sich aufnehmen wolle, da ...s Verhalten eine Zumutung für sie und ihre Familie sei. Zudem habe sie das Kinderzimmer bereits ausgeräumt, da sie nicht mehr damit gerechnet habe, dass ... noch einmal zu ihr zurückkehren würde. Da sowohl die stationäre Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie als auch die Unterbringung in der Einrichtung B. lediglich vorübergehender Natur gewesen seien, habe ... in der Folgezeit sowohl in A. als auch im Zuständigkeitsbereich der Beklagten lediglich tatsächliche Aufenthalte begründet. Allerdings habe ... ab dem 6. Februar 2004 in O. ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Sie sei in der Familie einer Freundin untergekommen, die sie in der Einrichtung B. kennen gelernt habe. ... habe dazu erklärt, dass sie in O. Freunde gefunden habe und versuchen wolle, dort auf eigenen Füßen zu stehen. Sie habe sich von ihrer Mutter distanzieren wollen. In O. habe sie ihren Schulabschluss nachholen und sich um eine ambulante Therapie bemühen wollen. ... habe sich aus ihrem familiären Umfeld in A. lösen und in O. einen neuen Lebensmittelpunkt begründen wollen. Sie sei schließlich vom 6. Februar 2004 bis zum 28. April 2004 im Haushalt der Familie ... geblieben. Dass sie dort nicht länger habe verbleiben können, sei lediglich dem Umstand geschuldet, dass das Sozialamt der Beklagten ihr keine Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt habe. Zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts sei aber ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt auch nicht erforderlich. Es genüge vielmehr, dass der Betreffende sich an einem Ort "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhalte und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe. Als sich ... am 28. April 2004 an das Jugendhilfezentrum O. gewandt habe und dort in Obhut genommen worden sei und nachfolgend beim Jugendamt der Beklagten vorgesprochen habe, sei folglich die Zuständigkeit der Beklagten gegeben gewesen. Sie hätte zumindest nach § 86 d SGB VIII vorläufig tätig werden müssen. Stattdessen sei ... nach A. verbracht worden. Aufgrund der dann bestehenden räumlichen Nähe zu ihrer Mutter habe sich ...s psychischer Zustand destabilisiert. Da nach sozialpädagogischer Einschätzung für ... ein Verbleib in A. unter keinen Umständen in Betracht gekommen sei, sei die Unterbringung in der Jugendschutzstelle O. nach § 34 SGB VIII veranlasst worden. Die Kosten seien bis zur Klärung der Zuständigkeit übernommen worden. Für die im Rahmen der Hilfe zur Erziehung entstandenen Aufwendungen in Höhe von 71.650,36 Euro bestehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 89 c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Für die genannten Jugendhilfemaßnahmen sei die Beklagte der örtlich zuständige Jugendhilfeträger gewesen. Da sie dennoch nicht tätig geworden sei, sei sie - die Klägerin - vorläufig gemäß § 86 d SGB VIII tätig geworden. Der Anspruch auf zusätzliche Erstattung von einem Drittel der entstandenen Aufwendungen ergebe sich aus § 89 c Abs. 2 SGB VIII. Das Verhalten der Beklagten sei pflichtwidrig gewesen. Indem das Jugendamt der Beklagten die Rückfahrt ...s nach A. veranlasst habe, obwohl die Zuständigkeitsfrage noch nicht abschließend geklärt gewesen sei, sei der Zuständigkeitsstreit auf dem Rücken von ... ausgetragen worden. Unverständlich sei, dass die Beklagte hierbei ...s psychischen Zustand nicht berücksichtigt habe. Da sich ... direkt an das Jugendamt der Beklagten gewandt hatte, wäre die Beklagte zunächst nach § 86 d SGB VIII verpflichtet gewesen, vorläufige Hilfeleistungen zu gewähren und sich erst im Anschluss daran den Fragen der Zuständigkeit und einer eventuellen Kostenerstattungspflicht zu widmen. Es sei untragbar, dass ein Jugendhilfeträger sich seiner Verpflichtung zum Tätigwerden entledige, indem er vollendete Tatsachen dadurch schaffe, dass er einen Jugendlichen in einen anderen Zuständigkeitsbereich verbringe. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sei eine rechtserhebliche Unterbrechung der Jugendhilfeleistungen durch die Beendigung der Jugendhilfemaßnahme eingetreten, mit der Konsequenz, dass bei der Inobhutnahme am 28. April 2004 und der ab 28. Mai 2004 begonnenen Hilfe zur Erziehung in Form der Heimunterbringung im Jugendhilfezentrum O. die örtliche Zuständigkeit neu zu bestimmen gewesen sei. Zwar werde vielfach angenommen, dass von einer Unterbrechung nur dann ausgegangen werden könne, wenn Jugendhilfeleistungen während einer längeren Zeit davor nicht erbracht worden seien. Allerdings werde dabei hervorgehoben, dass allein ein bestimmter Zeitablauf zur Annahme einer Unterbrechung nicht ausreiche. Damit sei aufgrund der Gesamtumstände des Hilfefalles zu ermitteln, ob von einer Unterbrechung ausgegangen werden könne. Vorliegend sei mit der Beendigung der Jugendhilfemaßnahme aufgrund des Bescheides vom 4. Februar 2004 eine Unterbrechung der Jugendhilfe eingetreten. ... habe ihr Ansinnen bekräftigt, keine Jugendhilfeleistungen mehr in Anspruch nehmen zu wollen. Diese Haltung sei respektiert worden mit der Folge, dass die Jugendhilfeleistungen einzustellen gewesen seien. Eine Hilfeleistung gegen den Willen des Betroffenen sei nicht möglich.
Bei Klageerhebung hatte die Klägerin - die Jugendhilfemaßnahme für ... ... war zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet - zunächst beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr die im Hilfefall ... ... aufgewendeten Jugendhilfekosten in der Zeit vom 13. Mai 2004 bis zum 31. Oktober 2005 in Höhe von 42.634,64 Euro, nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten,
festzustellen, dass die Beklagte für die Dauer der Hilfegewährung im Hilfefall ... ... über den oben genannten Leistungszeitraum hinaus zur Kostenerstattung verpflichtet ist, soweit keine Änderung der örtlichen Zuständigkeit eintritt sowie
die Beklagte zu verurteilen, ihr zusätzlich gemäß § 89 c Abs. 2 SGB VIII ein Drittel der aufgewendeten Jugendhilfekosten in Höhe von 42.634,64 Euro wegen pflichtwidrigen Handelns zu erstatten.
Wegen der Beendigung der Jugendhilfemaßnahme zum 30. November 2006 bedurfte es eines Feststellungsantrages nicht mehr. Zudem äußerte die Kammer Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten für die geltend gemachten Kosten der Inobhutnahme. Aus diesem Grunde verfolgte die Klägerin ihr Begehren insoweit nicht weiter, ersetzte den ursprünglich gestellten Feststellungsantrag durch einen Leistungsantrag und beantragte in der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2007 deshalb,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 73.836,17 Euro an Jugendhilfekosten, die im Hilfefall von ... ... in der Zeit vom 28. Mai 2004 bis 30. November 2006 aufgewandt worden sind, nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr zusätzlich nach § 89 c Abs. 2 SGB VIII 24.612,06 Euro zu erstatten.
Im Hinblick auf die Vereinnahmung von Kindergeld in Höhe von 2.185,81 Euro reduzierte die Klägerin ihr Begehren mit Schriftsätzen vom 12. Dezember 2007 und vom 15. Januar 2008 und beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 71.650,36 Euro an Jugendhilfekosten, die im Hilfefall von ... ... in der Zeit vom 28. Mai 2004 bis 30. November 2006 aufgewandt worden sind, nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten sowie
die Beklagte zu verurteilen, ihr zusätzlich nach § 89 c Abs. 2 SGB VIII 23.883,45 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus: Die Frage, ob und wenn ja, ab wann ... ... in O. ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte und damit eine neue Zuständigkeit begründet worden sei, müsse nicht geklärt werden, da die frühere Zuständigkeit der Klägerin nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII weiterhin bestanden habe. Die Tatsache, dass ... Anfang Februar 2004 nicht mehr gewillt gewesen sei, Leistungen der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen, habe nicht dazu geführt, dass die Zuständigkeit der Klägerin für Leistungen für ... ... geendet habe. Im Interesse der Kontinuität des Hilfeprozesses solle eine kurze Unterbrechung der Hilfe, die gerade bei Leistungen der Jugendhilfe nicht selten sei, keine Auswirkung auf die örtliche Zuständigkeit haben. Nach dem in den §§ 86 a Abs. 4 Satz 2 und 86 b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers blieben kurzfristige Unterbrechungen der Hilfe von bis zu drei Monaten ohne Auswirkungen. Diese Regelungen seien auf andere Unterbrechungen entsprechend anwendbar. Eine solche kurzfristige Unterbrechung habe hier vorgelegen. Die Leistungen der Klägerin für ... sei mit Bescheid vom 4. Februar 2004 beendet worden. Dabei sei der zuständige Mitarbeiter der Klägerin jedoch der Überzeugung gewesen, dass ... auch weiterhin dringend Unterstützung benötige; sie habe dies jedoch zum damaligen Zeitpunkt selbst nicht erkannt. Tatsächlich habe es dann auch nur kurze Zeit gedauert, bis ... sich wieder beim Jugendamt gemeldet und um Hilfe gebeten habe. Sie sei bereits am 27. Februar 2004 und damit nur drei Wochen nach Einstellung der Hilfe durch die Klägerin beim Jugendamt gemeinsam mit Herrn ... erschienen und habe um Hilfe gebeten. ... sei dabei darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin weiterhin zuständig sei. Ende April 2004 sei der Hilfebedarf ...s so groß geworden, dass sie um Aufnahme gebeten habe. Die Inobhutnahme sei im Jugendhilfezentrum am 28. April 2004 und damit nur ca. zweieinhalb Monate nach Einstellung der Hilfe durch die Klägerin erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsvorgänge der Beteiligten verwiesen; sie sind Gegen-stand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren war nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat. Die nach § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Einwilligung in die Klagerücknahme, mit der im Hinblick auf das vereinnahmte Kindergeld die Höhe der begehrten Erstattung verringert wurde, erteilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Januar 2008.
Im Übrigen hat die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), in vollem Umfang Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für die Umstellung der Klage vom ursprünglich gestellten Feststellungsantrag auf das Leistungsbegehren. Die insoweit erfolgte Klageänderung ist nach § 91 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zulässig, da die Beklagte darin eingewilligt hat und das Gericht diese Änderung für sachdienlich hält. Die Jugendhilfemaßnahme ist am 30. November 2006 und damit während des Laufs des gerichtlichen Verfahrens beendet worden. Vor diesem Hintergrund bedurfte es des ursprünglich gestellten Feststellungsantrages nicht mehr. Die Klägerin konnte nunmehr die Erstattung der insgesamt aufgewendeten Jugendhilfekosten durch eine Leistungsklage verfolgen. Die Einwilligung der Beklagten in diese Klageänderung konnte das Gericht annehmen, da sie sich, ohne ihr zu widersprechen, auf die geänderte Klage sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2007 eingelassen hat.
Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung der aufgewendeten Jugendhilfekosten im Hilfefall ... ... in der Zeit vom 28. Mai 2004 bis zum 30. November 2006 in Höhe von insgesamt 71.650,36 Euro, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie auf die Erstattung von einem Drittel der genannten Aufwendungen wegen pflichtwidrigen Handelns in Höhe von weiteren 23.883,45 Euro zu.
Die Klägerin hat Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für die Jugendhilfemaßnahme in der Zeit vom 28. Mai 2004 bis zum 30. November 2006 in Höhe der geltend gemachten 71.650,36 Euro.
Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch ist § 89 c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Nach dieser Regelung sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86 d SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach den §§ 86, 86 a und 86 b SGB VIII begründet wird.
Die Voraussetzungen dieser Regelung liegen vor. Ab dem 28. Mai 2004 erhielt ... ... von der Klägerin Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII, §§ 41, 34 SGB VIII bzw. §§ 41, 30 SGB VIII. Vor Beginn dieser Maßnahme hielt sich ... ... tatsächlich im Zuständigkeitsbereich der Klägerin auf. Somit war diese auch nach § 86 d SGB VIII zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtet, da die Beklagte nicht tätig wurde.
Auch die weitere Voraussetzung, dass die Beklagte der örtliche Träger der Jugendhilfe ist, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wird, ist gegeben. Die Beklagte war der örtlich zuständige Träger der Jugendhilfe. Das folgt aus § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII. Danach ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Diese Vorschrift nimmt Bezug auf § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII, der eingreift, wenn die Personensorge den Eltern gemeinsam zusteht. Das war vorliegend der Fall. Die Ehe der Eltern von ... ... wurde mit Urteil des Amtsgerichts A. vom 16. März 1998 (-, Bl. 61 ff Beiakte B) geschieden. Die elterliche Sorge beließ das Familiengericht beiden Eltern gemeinschaftlich.
Entscheidend kommt es somit darauf an, wo ... ... ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes ist ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich, es genügt vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 5 C 46.01 -, FEVS 54, 198). Ursprünglich hatte ... ... ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt ihrer Mutter, Frau ... ..., also im Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Selbst wenn es bereits Schwierigkeiten zwischen ... ... und ihrer Mutter gegeben hatte, so war doch ihr Aufenthalt im Haushalt der Mutter zukunftsoffen im Sinne der zitierten Rechtsprechung. Das änderte sich (spätestens) mit der Aufnahme ...s in die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums A. am 7. Oktober 2003. Der Aufenthalt ...s dort im Zeitraum vom 7. Oktober 2003 bis zum 16. Dezember 2003 begründete keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt; er beendete jedoch den gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt der Mutter und damit im Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Der Klinikaufenthalt war erforderlich, weil ... an erheblichen Persönlichkeitsstörungen litt, die sich im Borderline-Syndrom bzw. "Ritzen" sowie suizidalen Absichten manifestierten. Zwar war der Klinikaufenthalt nur vorübergehender Natur und sollte der Stabilisierung ...s dienen. Bereits zu diesem Zeitpunkt war aber eine Rückkehr ...s in den Haushalt ihrer Mutter ausgeschlossen. Frau ... ... hatte bereits im Vorfeld der Behandlung erklärt, dass sie ... nicht wieder bei sich aufnehmen wolle, da die Belastung durch ...s Verhalten für sie und für ihre Familie unzumutbar sei. Schließlich hat sie ...s Zimmer bereits während des Klinikaufenthalts aus- bzw. umgeräumt (vgl. Vermerk vom 4. Dezember 2003, Bl. 15 Beiakte B).
Auch während des Aufenthalts von ... in der Einrichtung B. gehen die Beteiligten übereinstimmend und nach Auffassung der Kammer zutreffend davon aus, dass ... dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt nicht begründet hat. Da ... wiederholt gegen die im Hilfeplangespräch am 26. Januar 2004 getroffenen Vereinbarungen (Protokoll der Hilfeplankonferenz vom 27. Januar 2004, Bl. 21 Beiakte B) verstoßen hatte, wurde ... am 2. Februar 2004 aus dieser Einrichtung entlassen. ... fuhr nach A. zurück und wohnte vorübergehend bei ihrer Großmutter, Frau ..., in A.. Bei einem Gespräch am 3. Februar 2004 im Jugendamt der Klägerin stellte ... unmissverständlich klar, dass sie weitere Jugendhilfeleistungen nicht in Anspruch nehmen wolle und werde. Zu ihren Vorstellungen über die nähere Zukunft erklärte ... nach einem Vermerk vom 13. Februar 2004:
"Sie führte aus, dass sie in der kurzen Zeit in O. Freunde gefunden habe und sich dem Umfeld hier in A., welches sie "runterziehen würde" entziehen möchte. Sie möchte so schnell wie möglich nach O., um dort zu versuchen, bald auf eigenen Füßen zu stehen. Dies, da sie nach der KJP und dem B. begriffen habe, dass Heim oder ähnliches nichts für sie sei. Befragt von der Mutter, wie sie sich dieses vorstelle, gibt sie an, dass sie bereits mit ihrer Freundin telefoniert habe und diese ihr zugesagt habe, dass sie bei deren Familie aufgenommen werden könne. Frau ... gab an, dass dies problematisch zu sehen sei, da man weder Freundin noch deren Familie kennen würde. ... ließ diesen Einwand unter dem Hinweis, dass sie wisse was sie wolle, nicht gelten. Sie wolle sich umgehend in der Schule anmelden, und sich dann um ambulante Therapie bemühen, weil sie wisse, dass dies besser für sie sei. Im folgenden habe ich dann versucht, ... davon zu überzeugen, dass die Schwierigkeiten, die sie erwarten würden, nur schwer von ihr zu bewältigen seien. Ich habe ihr in aller Deutlichkeit und sehr drastisch vor Augen geführt, in welche Abhängigkeiten sie sich begeben würde, um ihr Vorhaben umzusetzen. Dabei habe ich ihr noch einmal die ganze Palette von Möglichkeiten der Unterstützung aufgezählt. ... blieb bei ihrer Haltung, so dass mein Vorschlag war, ... in ihrer Haltung ernst zu nehmen und ihr die Verantwortung für die nahe Zukunft zu übergeben. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ich sie nicht zwingen könne, Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen. Sowohl Großmutter als auch Mutter sahen die Ausweglosigkeit der Situation und gaben an, dass ... dann wissen müsse, was sie tue. Im Anschluss habe ich dann auf die rechtlichen Möglichkeiten und Gefahren hingewiesen und noch einmal unterstrichen, mit welchen Schwierigkeiten ... in dem von ihr gewählten Umfeld "zu kämpfen" haben wird. All dies konnte die Jugendliche nicht davon abhalten, sich sicher zu sein, dass Richtige zu tun. Vor dem Hintergrund dieser sehr klaren Haltung wurde seitens Frau ... dem Vorhaben ...s zugestimmt. Von meiner Seite aus wurde ... abschließend erklärt, dass ich erhebliche "Bauchschmerzen" mit der Entscheidung hätte, keine weitere Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen."
Mit diesen Ausführungen wird deutlich, dass ... ... fest entschlossen war, einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs in O. zu begründen. Zum einen lehnte sie ausdrücklich und trotz entsprechender Bemühungen von Mitarbeitern des Jugendamtes der Klägerin, die ihr die Schwierigkeiten und Konsequenzen ihrer Haltung vor Augen führten, weitere Leistungen der Jugendhilfe ab und machte zudem deutlich, dass für sie ein weiterer Verbleib im Zuständigkeitsbereich der Klägerin ausschied. So führte sie aus, dass sie das Umfeld in A. "runterziehen" würde und dass sie bei ihrer Haltung, also der Ablehnung der Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen, bleibe. Auf der anderen Seite erklärte sie, dass sie eine Freundin und eine Familie in O. gefunden habe, bei der sie bleiben könne. Dies war offenbar auch mit der Familie ..., um die es sich dabei handelte, abgesprochen und fand die Zustimmung ihrer Mutter. ... äußerte in dem genannten Gespräch auch konkrete Zukunftspläne. So wolle sie versuchen, auf eigenen Füßen zu stehen. Zudem beabsichtige sie, sich umgehend in der Schule in O. anzumelden. Diese Vorhaben setzt ... ... mit Billigung ihrer Mutter schließlich auch um. Sie besuchte die Schule und meldet am 30. März 2004 in O. ihren Wohnsitz an. Darüber hinaus beantragte sie an diesem Tag auch die Gewährung von laufender Leistung zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Nach Auffassung der Kammer ist ...s Aufenthalt in O. als zukunftsoffen und "bis auf weiteres" zu begreifen. Mit der Beantragung von Sozialhilfeleistungen versuchte sie in O. ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Unterstützung der Familie ... und unabhängig von Jugendhilfeleistungen sicherzustellen. Mit der Anmeldung zur Schule gab sie auch nach außen zu erkennen, dass sie in nächster Zukunft in O. bleiben wollte. Dies untermauerte sie, indem sie sich schließlich mit Einverständnis ihrer Mutter in O. anmeldete. Die Konsequenz der Haltung ...s, die im Gespräch am 3. Februar 2004 zum Ausdruck kommt, ist der Bescheid der Klägerin vom 4. Februar 2004, mit dem diese die gewährte Hilfe zur Erziehung gemäß § 35 a SGB VIII wegen "Sinn- und Zwecklosigkeit" aufhebt. Dieser, ohnehin bestandskräftige, Bescheid ist aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden, da eine Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe gegen den Willen des Betroffenen - hier gegen den Willen ...s und ihrer Mutter - rechtswidrig ist (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2001 - 5 C 6.00 -, FEVS 53, 105). Da ... am 6. Februar 2004 nach O. zur Familie ... zog, begründete sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Dem steht nicht entgegen, dass alle Beteiligten, also auch die Mitarbeiter der Klägerin, das Fortbestehen eines Bedarfes an Leistungen der Jugendhilfe für ... sehen. Die hier in Frage stehende Leistung im Sinne des § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII ist die Unterbringung nach § 34 SGB VIII, die am 28. Mai 2004 beginnt. Während der letzten sechs Monte vor Beginn dieser Leistung hatte ... bei keinem Elternteil ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Also entscheidet nach § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII der gewöhnliche Aufenthalt unmittelbar vor Beginn der Leistung über die Zuständigkeit. Dies führt dazu, dass die Beklagte zuständig wurde, weil ... vor Beginn dieser Leistung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in O. begründet hatte.
Soweit die Beklagte meint, der von ... ... und ihrer Mutter Anfang Februar 2004 gefasste Entschluss, keine Jugendhilfeleistungen der Klägerin mehr in Anspruch zu nehmen, sei auf die jugendhilferechtliche Zuständigkeit der Klägerin für ... ohne Auswirkung geblieben, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Eine kurzzeitige Unterbrechung der Leistungen, die die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers unberührt lässt, liegt hier nicht vor.
Zunächst ist festzuhalten, dass § 86 SGB VIII keine Regelung trifft, ab wann eine Unterbrechung zur Änderung der Zuständigkeit führen soll. Solche Regelungen finden sich in § 86 a Abs. 4 Satz 2 SGB VIII und § 86 b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII, wonach Unterbrechungen der Hilfeleistungen von bis zu drei Monaten jeweils außer Betracht bleiben sollen. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 86 SGB VIII gerade nicht.
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. September 1997 (- 9 S 174/94 -, FEVS 48, 131). Dort heißt es:
"Deshalb wird der Begriff der "Unterbrechung" der Leistung auch vom Gesetzgeber verwendet, z.B. in den Zuständigkeitsnormen der §§ 86 a Abs. 4 S. 2, 86 b Abs. 3 S. 2 SGB VIII, in den Erstattungsvorschriften der §§ 103 Abs. 3 S. 3, 107 Abs. 2 BSHG, in den Vorschriften der §§ 90 Abs. 2 BSHG und 95 Abs. 3 SGB VIII über die Anspruchsüberleitung oder in der Übergangsbestimmung des Artikel 14 Abs. 2 KJHG. Alle diese Vorschriften regeln zwar nicht den vorliegenden Streitfall. Sie lassen jedoch erkennen, daß Hilfeleistungen nur dann als unterbrochen angesehen werden sollen, wenn sie während einer gewissen Zeit davor nicht erbracht werden. So haben nach §§ 86 a Abs. 4 S. 2, 86 b Abs. 3 S. 2 SGB VIII und nach Artikel 14 Abs. 2 KJHG Unterbrechungen von bis zu drei Monaten, nach §§ 90 Abs. 2 BSHG, 95 Abs. 3 SGB VIII, 103 Abs. 3 S. 3 und 107 Abs. 2 BSHG solche von zwei Monaten keine rechtlichen Folgen.
...
Schon das spricht gegen eine Unterbrechung der Leistungen. Hinzu kommt entscheidend, daß nach dem tatsächlichen Geschehensablauf, der als solcher zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitig ist, von einer Unterbrechung der Hilfeleistung erst recht nicht gesprochen werden kann."
Die Kammer versteht die genannte Entscheidung dahin, dass kurzzeitige Unterbrechungen außer Betracht bleiben sollen, ohne dass insoweit für den Fall des § 86 SGB VIII feste Fristen gelten. Entscheidend stellt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg aber darauf ab, wie der tatsächliche Geschehensablauf gewesen ist. Für die Frage, ob noch von einer Fortführung einer bereits begonnen Leistung oder ob von einer neuen Leistung infolge einer Unterbrechung, mit der Folge des Zuständigkeitswechsels, gesprochen werden kann, ist eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen Maßnahmen und Hilfen zugrunde zu legen, die zur Deckung eines qualitativ unveränderten jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlich sind. Dies gilt auch dann, wenn bei einem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfs verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikation, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden. Im Vordergrund steht somit die Kontinuität einer bedarfsgerechten Hilfegewährung im Rahmen einer in aller Regel auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfegewährung (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 -, BVerwGE 120, 116). Für die Annahme einer Unterbrechung kann z.B. sprechen, dass nach Leistungsgewährung die Hilfe faktisch oder förmlich eingestellt wurde oder aufgrund der gegebenen Verhältnisse die Einstellung die einzig fachliche vertretbare Entscheidung war und wegen des unklaren zukünftigen Hilfebedarfs eine konkrete Wiederaufnahmeperspektive der bisher geleisteten Hilfe nicht gegeben war (VG A. , Urteil vom 25. Oktober 2005 - 2 K 1949/02 -, zitiert nach [...]).
Vorliegend war die Hilfeleistung durch den Bescheid der Klägerin vom 4. Februar 2004 unterbrochen. Zum einen stellt die Weigerung ...s, weitere Jugendhilfeleistungen in Anspruch zu nehmen eine relevante Zäsur dar. Gegen den Willen eines Kindes oder Jugendlichen und ohne seine grundsätzliche Bereitschaft zur Mitwirkung an der Erreichung des Ziels der Hilfe ist eine Leistungsbewilligung nicht möglich. Mit der Zurückweisung von weiterer Hilfe durch ..., ihren Umzug nach O., ihre dort erfolgte Anmeldung und dem Schulbesuch sowie ihrem Versuch, auch wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen, war die bisherige Jugendhilfemaßnahme abgeschlossen. Eine weitere Hilfegewährung war nicht möglich; sie wäre vielmehr rechtswidrig - Frau ... ... hatte der Einstellung der Hilfe zugestimmt und ... ermächtigt, sich in O. mit Wohnsitz anzumelden - und, da ... eine Mitwirkung strikt ablehnte, auch nicht Erfolg versprechend gewesen. Zum anderen handelte es sich auch nicht um einen Hilfeprozess, der kontinuierlich fortgeführt wurde. Der Hilfeprozess endete mit der Rückkehr ...s vom B. nach A. Anfang Februar 2004. Die nächste Jugendhilfemaßnahme war die Inobhutnahme durch die Beklagte am 28. April 2004. Dabei geht die Kammer davon aus, dass unter den zuständigkeitsrechtlichen Begriff der Leistung im Sinne des § 86 SGB VIII nur Leistungen der Jugendhilfe im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII fallen, nicht hingegen "andere Aufgaben" der Jugendhilfe, die in § 2 Abs. 3 SGB VIII auch ausdrücklich den "Leistungen" im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII gegenübergestellt und von ihnen unterschieden werden. Demzufolge unterbricht eine Zeit der Inobhutnahme im Sinne des § 42 SGB VIII, welche keine "Leistung" der Jugendhilfe im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII, sondern eine "andere Aufgabe" der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII darstellt, Zeiten der Leistungen der Jugendhilfe im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII jedenfalls dann, wenn nicht gleichzeitig im Zeitraum der Inobhutnahme gleichsam begleitend aufgrund desselben Hilfebedarfs wie zuvor Leistungen der Jugendhilfe im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII weiter gewährt werden (VG Ansbach, Urteil vom 8. Februar 2007 - AN 14 K 04.03756 - zitiert nach [...]). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Bei der Maßnahme in der sozialpädagogischen Einrichtung B. handelte es sich um eine Hilfe nach § 35 a SGB VIII in stationärer Form. Hintergrund waren die damals bestehenden vielfältigen psychischen Probleme ...s. Die darauf folgende Jugendhilfemaßnahme war dann die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII am 28. April 2004. Die Behebung psychischer Probleme stand zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr an. Aus diesem Grunde wurde dann schließlich auch eine Leistung nach § 34 SGB VIII gewährt. Von einem qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarf konnte nicht mehr die Rede sein. Ein andauernder Hilfeprozess lag nicht vor.
Da somit mit dem Beginn des gewöhnlichen Aufenthalts ...s im Zuständigkeitsbereich der Beklagten Anfang Februar 2004 deren örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII begründet wurde, so ist sie nach § 89 c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII verpflichtet, der Klägerin die Kosten der Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung für ... ... ab dem 28. Mai 2004 bis zum 30. November 2006 zu erstatten.
Die Beklagte erhebt keine Einwendungen gegen die Höhe des insoweit geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs; auch die Kammer vermag Fehler insoweit nicht zu erkennen.
Das Erstattungsbegehren der Klägerin vom 6. Juli 2004 entspricht den Anforderungen, welche an ein wirksames, ordnungsgemäßes Erstattungsbegehren im Sinne des § 111 SGB X zu stellen sind. Voraussetzung für ein wirksames Erstattungsbegehren ist einerseits, dass das Erstattungsbegehren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird und dass zum anderen ausreichend deutlich wird, welche Leistungen zu erstatten sind; es müssen zumindest die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruches maßgeblich sind und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt werden, wobei eine Bezifferung der Kosten noch nicht erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 - 5 C 18.02 -, FEVS 53, 495; Bay. VGH, Urteil vom 30. August 2004 - 12 B 00.1434 -, FEVS 56, 273). Diese Voraussetzungen erfüllt das Schreiben vom 6. Juli 2004. Zwar ist der ausdrückliche Zeitraum nicht genannt. Gleichwohl erachtet die Kammer das Erstattungsbegehren als ausreichend. ... ... erhielt die Hilfe zur Erziehung im Jugendhilfezentrum der Beklagten. Damit war dieser sowohl die Art der Maßnahme, deren Kosten und insbesondere auch der Beginn dieser Maßnahme bekannt. Einer ausdrücklichen Erwähnung bedurfte es vor diesem Hintergrund im Schreiben vom 6. Juli 2004 nicht mehr. Das Erstattungsbegehren ist auch rechtzeitig innerhalb der Zwölfmonatsfrist geltend gemacht worden.
Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er beträgt fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit. Dabei weist die Kammer darauf hin, dass der Betrag, der mit der Klageänderung am 3. Dezember 2007 über den ursprünglich geltend gemachten Betrag von 42.634,64 Euro hinaus nunmehr zusätzlich geltend gemacht wird (29.015,72 Euro), erst mit Stellung des Antrags im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2007 rechtshängig geworden ist, damit fallen - insoweit - erst ab diesem Zeitpunkt Prozesszinsen an.
Auch soweit die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihr nach § 89 c Abs. 2 SGB VIII ein Drittel von 71.650,36 Euro, also 23.883,45 Euro, zu zahlen, hat die Klage Erfolg. Nach dieser Regelung hat der örtlich zuständige Träger zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten zu erstatten, die der örtliche Träger deshalb aufgewendet hat, weil der eigentlich zuständige Träger pflichtwidrig gehandelt hat.
Die Voraussetzungen des § 89 c Abs. 2 SGB VIII liegen vor. Die Beklagte hat pflichtwidrig im Sinne der genannten Vorschrift gehandelt, als ein Mitarbeiter des Jugendhilfezentrums der Beklagten ... ... am 13. Mai 2004 in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin verbrachte, wodurch diese nach § 86 d SGB VIII zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtet war.
Welche Anforderungen an die Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 89 c Abs. 2 SGB VIII zu stellen sind, ist umstritten. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12. September 2006 - 4 LA 505/04 -, NDV-RD 2007, 515; Urteil vom 13. Februar 2006 - 12 LC 12/05 -, zitiert nach [...]) ist das Verhalten eines örtlich und sachlich zuständigen Trägers pflichtwidrig, wenn er entgegen den Regelungen des SGB VIII durch inkorrektes Verwaltungshandeln die Wahrnehmung seiner Zuständigkeit ablehnt oder verzögert, so dass hierdurch die Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86 d SGB VIII des erstattungsberechtigten Trägers ausgelöst wird. Nach der Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 14. November 2006 - 5 B 810/04 -, zitiert nach [...]; so wohl auch Wiesner, SGB VIII, 3. Auflage, § 89 c Rn. 8) stellt allein die Tatsache, dass ein öffentlicher Jugendhilfeträger in einem Kompetenzkonflikt mit einem anderen Jugendhilfeträger seine Zuständigkeit aus rechtlichen Erwägungen heraus oder aufgrund einer unübersichtlichen tatsächlichen Situation verneint, nicht notwendig bereits eine pflichtwidrige Handlung i.S.d. § 89 c Abs. 2 SGB VIII dar, selbst wenn die Rechtsansicht des betroffenen Trägers fehlerhaft ist. Denn nicht jeder Rechtsirrtum sei pflichtwidrig. Pflichtwidrigkeit sei nur anzunehmen, wenn sich die Rechtsauffassung als in jeder Hinsicht unvertretbar oder willkürlich erweise oder wenn andere Umstände hinzutreten, die das Verwaltungshandeln als pflichtwidrig erscheinen ließen.
Hier kann die Kammer offen lassen, welcher Auffassung sie folgt. Auch die Voraussetzungen der "strengeren" Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts liegen vor.
Die Pflichtwidrigkeit des Handelns der Beklagten ergibt sich daraus, dass sie ... ... am 13. Mai 2004 in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin verbrachte. Statt die gebotenen jugendhilferechtlichen Schritte einzuleiten, hat die Beklagte durch das Verbringen von ... ... in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin versucht, dort ihren tatsächlichen Aufenthalt zu begründen und sich damit des "Falles" zu entledigen. Dies steht in eklatantem Widerspruch zur Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden der Beklagten nach § 86 d SGB VIII. Da ... ... zu diesem Zeitpunkt ihren tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten hatte, wäre es an ihr gewesen, vorläufig tätig zu werden und die erforderlichen Schritte unabhängig von der Auseinandersetzung über die Frage der örtlichen Zuständigkeit in die Wege zu leiten. Dies hat die Beklagte, ohne dass dies zu rechtfertigen wäre, unterlassen. Die Vorgehensweise verstößt in nicht hinzunehmender Weise gegen den Wortlaut und die Zielrichtung des § 86 d SGB VIII. Diese Regelung ist vor allem im Interesse der Leistungsberechtigten geschaffen worden, da wegen der komplizierten Zuständigkeitsregelungen in den §§ 86 bis 86 b SGB VIII, die zur Klärung schwieriger Aufenthaltsverhältnisse unter Umständen zu umfassenden Ermittlungen führen können, eine Verzögerung eintreten kann. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber den örtlichen Träger zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält. Mit der Verbringung ...s in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin hat die Beklagte versucht, sich ihrer Verpflichtung aus § 86 d SGB VIII zu entledigen. Die Pflichtwidrigkeit der Verbringung ...s in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin ergibt sich auch daraus, dass die Beklagte einen fortbestehenden Hilfebedarf gesehen und wegen der gesundheitlichen Verfassung von ... eine Verbringung als problematisch erachtet hat (vgl. Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 10. Mai 2004; Blatt 8 Beiakte C) und trotzdem nicht von der Verbringung absah.
Auch diesen Kostenerstattungsanspruch hat die Klägerin mit Schreiben vom 6. Juli 2004 hinreichend und rechtzeitig im Sinne des § 111 SGB X geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2 VwGO, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat und auf § 154 Abs. 1 VwGO, soweit die Beklagte in diesem Verfahren unterlegen ist. Dabei waren im Rahmen der Kostenentscheidung entsprechend § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO der Beklagten die Kosten des Verfahrens insgesamt aufzuerlegen, da sich die Rücknahme lediglich auf die Kosten der Inobhutnahme und auf einen Betrag von 2.185,81 Euro zuzüglich einem Drittel bezieht und damit angesichts eines Streitwertes i. H. v. 99.326,51 Euro nur gering ist.
Das Urteil ist gemäß § 167 VwGO, § 709 ZPO gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das Verfahren ist nicht gerichtskostenfrei (§ 188 Satz 2, 2. Hs. VwGO).