Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.01.2008, Az.: 1 B 3602/07
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 17.01.2008
- Aktenzeichen
- 1 B 3602/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 45698
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2008:0117.1B3602.07.0A
Verfahrensgang
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 1. Kammer - am 17. Januar 2008 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2 500,- € festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin beantragte am 17. Mai 2005 in Deutschland Asyl. Dabei gab sie an, Kamerunerin zu sein, G. zu heißen und am in der Stadt B. in Kamerun geboren zu sein. Als Mitglied der SDF sei sie in Kamerun von politischer Verfolgung bedroht. Der Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 26. Mai 2005 als offensichtlich unbegründet abgelehnt; es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG oder § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragstellerin wurde eine Ausreisefrist von einer Woche gesetzt. Ihr wurde die Abschiebung nach Kamerun angedroht. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und die Klage gegen die Ablehnung des Asylantrages wurden vom erkennenden Gericht mit Beschluss vom 7. Juni 2005 (2 B 2221/05 ) und mit Gerichtsbescheid vom 14. Juli 2005 (1 A 2220/05 ) als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidungen sind rechtskräftig geworden. Am 18. August 2005 wurde die Aussetzung der Abschiebung der Antragstellerin (Duldung) gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG zunächst bis zum 13. Februar 2006 angeordnet, da die Abschiebung der Antragstellerin nach Kamerun mangels Personalpapieren unmöglich war. Die Duldung wurde seither mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 14. Januar 2008. Am 21. November 2007 wurde die Antragstellerin in den Räumen der Zentralen Ausländerbehörde Köln Mitarbeitern der Botschaft der Republik Kamerun vorgeführt. Sie wurde dort mehrmals auf deutsch, englisch und französisch angesprochen, reagierte aber nicht. Auch als ihr gesagt wurde, dass man dann die von ihr im Asylantrag angegebenen Personalien übernehmen werde, regte sich kein Widerspruch. Daraufhin sagte die kamerunische Botschaft zu, dass der Antragstellerin auf die von ihr im Asylantrag angegebenen Personalien Passersatzpapiere ausgestellt würden. Dies teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin am 13. Dezember 2007 mit und kündigte ihr gemäß § 60a Abs. 5 AufenthG an, dass sie ab dem 14. Januar 2008 nach Kamerun abgeschoben werden wird. Mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 18. Dezember 2007 begehrt die Antragstellerin, dass ihre Abschiebung nach Kamerun im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt wird. Ferner beantragt sie Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 123 VwGO statthaft und zulässig. Es liegt hier ein Fall vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes vor, da die zukünftig drohende Abschiebung vorläufig verhindert werden soll. Hierfür ist das Verfahren nach § 123 VwGO statthaft (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 58 AufenthG, Rdnr. 21). Sofern man die Abschiebung als Verwaltungsakt begreift und deshalb von der Antragstellerin ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis verlangt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. vor § 40 Rdnr. 33 ff.), ist auch dieses hier gegeben. Eine Abschiebung der Antragstellerin nach Kamerun würde Tatsachen schaffen, die im Falle eines erfolgreichen nachträglichen Rechtsschutzverfahrens nicht mehr ohne weiteres wieder rückgängig gemacht werden könnten.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie hat aller Voraussicht nach keinen Anspruch darauf, nicht nach Kamerun abgeschoben zu werden. Denn die geplante Abschiebung nach Kamerun erscheint bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig bzw. wird jedenfalls die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen.
Die rechtlichen Voraussetzungen einer Abschiebung nach §§ 58 ff. AufenthG liegen vor.
Die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 AufenthG sind gegeben. Die Antragstellerin ist vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ablehnung ihres Asylantrags ist seit August 2005 rechtskräftig gerichtlich bestätigt. Seither ist die Antragstellerin nach § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 AufenthG vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik verpflichtet. Die seither ausgesprochenen Duldungen berühren gemäß § 60a Abs. 3 AufenthG ihre Ausreisepflicht nicht. Eine freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht ist im Falle der Antragstellerin nicht gesichert und eine Überwachung ihrer Ausreise erforderlich. Dies ergibt sich hier schon aus § 58 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG. Denn die Antragstellerin ist nicht innerhalb der einwöchigen Frist, die ihr das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im ablehnenden Asylbescheid vom 26. Mai 2005 gesetzt hat, aus der Bundesrepublik freiwillig ausgereist.
Die nach § 59 AufenthG für eine Abschiebung erforderliche Abschiebungsandrohung liegt ebenfalls vor und ist vollziehbar. Sie wurde gemäß §§ 34, 36 AsylVfG vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im ablehnenden Asylbescheid erlassen und vom erkennenden Gericht im Jahre 2005 rechtskräftig bestätigt.
Die Abschiebung der Antragstellerin ist inzwischen auch nicht mehr gemäß § 60a AufenthG ausgesetzt. Ihre Duldung war bis zum 14. Januar 2008 befristet. Sie wurde nicht verlängert. Im Gegenteil: Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin am 13. Dezember 2007 mit der nach § 60a Abs. 5 AufenthG erforderlichen Monatsfrist darüber informiert, dass sie ab dem 14. Januar 2008 nach Kamerun abgeschoben werden soll.
Die Antragstellerin hat auch keinerlei Anspruch auf eine erneute Aussetzung ihrer Abschiebung. Die Fälle, in denen die Abschiebung auszusetzen ist und der Ausländer eine Duldung verlangen kann, sind in § 60a Abs. 2 AufenthG abschließend geregelt (Renner, a.a.O., § 60a AufenthG Rdnr. 15). In Bezug auf die Antragstellerin liegt aber inzwischen kein Fall des § 60a Abs. 2 AufenthG mehr vor. Ihre Abschiebung ist weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich.
Sie ist rechtlich möglich, da aufgrund der rechtskräftig bestätigten ablehnenden Asylbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahre 2005 feststeht, dass in Bezug auf Kamerun kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegt. Das jetzt von der Antragstellerin vorgelegte fachärztliche Attest, wonach sie seit etwa fünf Jahren infolge der in Kamerun angeblich erlittenen Verfolgung an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, kann insofern im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden. Da die Erkrankung laut dem vorgelegten Attest schon seit fünf Jahren besteht - und damit schon während des Asylverfahrens gegeben war - steht die Rechtskraft der früheren Entscheidungen über den Asylantrag entgegen. Sollte die Erkrankung erst nachträglich eingetreten sein, wäre sie jedenfalls allein gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mittels eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu § 60 Abs. 7 AufenthG geltend zu machen, keineswegs gegenüber der Antragsgegnerin dieses Verfahrens.
Die Abschiebung ist nun auch tatsächlich möglich. Das einzige ihr bislang entgegen stehende tatsächliche Hindernis, das Fehlen von Passpapieren, wird voraussichtlich in Kürze entfallen. Die kamerunische Botschaft hat der Antragsgegnerin die Ausstellung entsprechender Reisepapiere zugesagt. Diese Zusage ergibt sich aus dem Protokoll vom 22. November 2007 über die Botschaftsvorführung der Antragstellerin. Die geringfügige Verzögerung, die jetzt noch bis zum Abschluss der Vorbereitung der Abschiebung zu erwarten ist, rechtfertigt eine erneute Duldung nicht (vgl. Renner, aaO., § 60a Rn. 15).
Wenn die Antragstellerin nun vorträgt, dass über ihre Staatsangehörigkeit und Identität keinerlei Gewissheit bestünde, kann dies nicht zum Erfolg des Antrags führen. Die Antragstellerin hat keinerlei subjektives Recht darauf, nur in ihren Heimatstaat abgeschoben zu werden. Sie kann vielmehr unabhängig von ihrer wahren Staatsangehörigkeit jedenfalls in den Staat abgeschoben werden, der in der rechtskräftig gerichtlich bestätigten Abschiebungsandrohung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 26. Mai 2005 ausdrücklich als Zielstaat bezeichnet ist und der sie nun auch aufnehmen will. Dies ist die Republik Kamerun. Dass in Bezug auf diesen Staat keinerlei Abschiebungshindernisse nach § 60 AufenthG vorliegen, steht - wie bereits ausgeführt - seit August 2005 rechtskräftig fest. Der einzige Anspruch, den das Aufenthaltsgesetz einem abzuschiebenden Ausländer in Bezug auf die Auswahl des Zielstaates gewährt, ist aber der Schutz vor Abschiebung in einen Staat, in dem Gefahren nach § 60 AufenthG drohen. Darüber hinaus kann der Ausländer, wie in § 59 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG zum Ausdruck kommt, in jeden Staat abgeschoben werden, der zu seiner Aufnahme bereit ist. Auch ist nicht ersichtlich, welches Recht der Antragstellerin verletzt werden sollte, wenn sie nun unter den Personalien, die sie selbst angegeben und bislang nicht korrigiert hat, abgeschoben wird.
Im Übrigen ist anzumerken, dass keinerlei ernstlichen Zweifel an der Staatsangehörigkeit und Identität der Antragstellerin bestehen. Sie hat den Besitz dieser Staatsangehörigkeit und die aus dem Rubrum ersichtlichen Personalien im gesamten Asylverfahren vorgetragen. Diese Angaben wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht in Zweifel gezogen. Die Antragstellerin hat auch jetzt nicht substantiiert eine andere Nationalität oder Identität vorgetragen, sondern nur pauschal und vage angedeutet, dass man sich auf ihre bisherigen Angaben nicht verlassen dürfe. Sie hat aber selbst ausweislich des vorgelegten Attestes noch am 3. Januar 2008 - also nach Stellung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz - gegenüber der begutachtenden Ärztin eine Herkunft aus Kamerun und die aus dem Rubrum ersichtlichen Personalien angegeben. Angesichts dieses widersprüchlichen Verhaltens ist kein ernsthaftes Bestreiten der Identität und Nationalität, unter der die Antragstellerin abgeschoben werden soll, gegeben.
Jedenfalls unter diesen Umständen kann die Antragstellerin auch nicht mit ihrer Behauptung durchdringen, die Passersatzpapierzusage sei nur durch Geldzahlungen der deutschen Behörden an die Botschaft der Republik Kamerun oder einzelne Botschaftsmitarbeiter erwirkt worden. Ob dies der Fall ist, kann dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, welche subjektiven Rechte der Antragstellerin dadurch tangiert sein sollten. Die Antragstellerin hat keinerlei subjektive Rechte im Hinblick darauf, wie die Ausländerbehörde die Kooperation mit einer ausländischen Botschaft zur Erlangung von Personalpapieren im Einzelnen gestaltet. Dafür, dass die zugesagten Papiere im Hinblick auf Nationalität und Identität inhaltlich falsch sind, gibt es keine ernsthaften Anhaltspunkte. Die Papiere beruhen auf den Angaben, die die Antragstellerin selbst im Asylverfahren und zuletzt auch noch vor zwei Wochen gegenüber ihrer Ärztin gemacht hat. Sie hätte im Übrigen die jetzt eingetretene Situation verhindern können, wenn sie ihrer Mitwirkungspflicht nach § 48 Abs. 3 AufenthG nachgekommen wäre und spätestens bei der Botschaftsvorführung Angaben zu ihrer Person gemacht hätte.
Auch die im Attest angesprochene Suizidgefahr, aus der die Reiseunfähigkeit folgen soll, begründet kein tatsächliches Abschiebungshindernis. Das Attest ist schon nicht geeignet, dass ernsthafte Bestehen einer solchen Suizidgefahr glaubhaft zu machen. Denn die begutachtende Ärztin ging bei der Feststellung einer ernsthaften Suizidabsicht von einer anderen Tatsachengrundlage aus, als sie das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen muss. Für die Schlussfolgerung, die Suizidabsichten der Antragstellerin seien ernsthaft, geht sie Ärztin unter Ziff. 5 des Gutachtens ausdrücklich davon aus, dass die Angaben der Antragstellerin zu ihrer Verfolgung in Kamerun glaubhaft und wahr seien; die Antragstellerin ziehe daher den Suizid einer sicheren Verfolgung vor. Für das Gericht muss es dagegen aufgrund der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren 1 A 2220/05 und 1 B 2221/05 als feststehend gelten, dass die Antragstellerin in Kamerun weder Verfolgung erlitten hat noch ihr dort solche droht.
Im übrigen stünden selbst ernsthafte Suizidabsichten einer Abschiebung nicht per se entgegen. Es ist Aufgabe der Antragsgegnerin, durch geeignete Maßnahmen einen Suizid der Antragstellerin zu verhindern (vgl VG Chemnitz, Beschluss vom 26. Februar 2002, 4 K 151/02, juris). Dass dies nicht möglich ist oder nicht geschehen wird, hat die Antragstellerin weder behauptet noch ergibt sich dies für das Gericht aus anderen Umständen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und entspricht den Vorgaben der Ziffer 8.3. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Aus den genannten Gründen war auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzulehnen.