Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 30.01.2008, Az.: 2 A 969/07

Bargeld; Beweisantizipation; Dauerverwaltungsakt; Durchsuchung; Eigenbesitz; Eigentumsvermutung; Entscheidungsreife; Ermittlungsverfahren; Freigabe; Ingewahrsamnahme; Prozesskostenhilfe; Sicherstellung; Verfügungsverbot; Vermutung; Verwahrung; Verwahrung von Geld; öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis; örtliche Zuständigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
30.01.2008
Aktenzeichen
2 A 969/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 55079
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zu dem im Prozesskostenhilfeverfahren maßgeblichen Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung in der Hauptsache.
2. Zu den Anforderungen an den nach § 1006 BGB erforderlichen Beweis zur Widerlegung der Eigentumsvermutung.
3. Zur Sicherstellung von Bargeld trotz Einstellung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und Freigabe des Bargeldes durch die Staatsanwaltschaft.
4. Zur örtlichen Zuständigkeit der Ordnungsbehörde für die Sicherstellung von Bargeld, das in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beschlagnahmt und auf ein Bankkonto eingezahlt wurde.

Gründe

1

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, 114 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO -).

2

Es kann offen bleiben, ob die Anfechtungsklage, soweit sie sich gegen die im angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2007 enthaltenen Maßnahmen zu 1. und 2. richtet, zulässig ist. Zweifel könnten im Hinblick auf die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) deshalb bestehen, weil der Kläger gar nicht behauptet, der sichergestellte Betrag in Höhe von 57.600,00 € gehöre ihm. Er trägt vielmehr vor, das Geld gehöre seinen Eltern bzw. seiner Mutter. Denn unabhängig davon ist die Klage insoweit aller Voraussicht nach unbegründet (1.). Des Weiteren kann dahin gestellt bleiben, ob sich die Klage auch gegen die im Bescheid enthaltene Kostenfestsetzung in Höhe von 16,04 € (12,00 € <Verwaltungsgebühren> + 4,04 € <Zustellgebühr>) richtet. Denn selbst wenn man hiervon ausgeht, ist die Anfechtungsklage zwar zulässig, aber ebenfalls aller Wahrscheinlichkeit nach unbegründet (2.).

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1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage gegen einen Sicherstellungsbescheid mit Inverwahrnahme und gleichzeitig ausgesprochenem Verfügungsverbot ist wegen des Charakters dieser Verfügungen als Dauerverwaltungsakte im ersten Rechtszug mangels entgegen stehender rechtlicher Bestimmungen der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. - im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid - der gerichtlichen Entscheidung.

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Dieser Zeitpunkt kann allerdings von dem im Prozesskostenhilfeverfahren maßgeblichen Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung in der Hauptsache abweichen. Der Zeitpunkt der Entscheidungsreife im Prozesskostenhilfeverfahren tritt ein, wenn das Prozesskostenhilfegesuch einschließlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig vorliegt. Dabei sind bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts eintretende Änderungen zugunsten des Klägers zu berücksichtigen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 19 C 07.1806 -, juris, Nr. 17; OVG Münster, Beschluss vom 19. November 2007 - 18 E 124/07 -, juris, Nr. 3 f.; a. A. Nds. OVG, Beschluss vom 27. Juli 2004 - 2 PA 1176/04, juris, Nr. 2, mit Veröffentlichungshinweis unter anderem auf Nds. Rpfl. 2004, 305 f.: grundsätzlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung). Dem Gericht ist allerdings für die Prüfung der Begründetheit eines Prozesskostenhilfeantrages ein angemessener Zeitraum einzuräumen.

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Hier ist indes der Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgebend, der im Klageverfahren dem anfangs genannten Zeitpunkt entspricht. Insbesondere war der Prozesskostenhilfeantrag des am … 1986 geborenen ledigen Klägers nicht schon entscheidungsreif, nachdem er dem Gericht die Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Eltern nebst den darin benannten Anlagen am 24. August 2007 vorgelegt hatte. Die übersandten Unterlagen waren nämlich nicht vollständig.

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Zusatz für den Kläger, der der Beklagten gemäß § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht bekannt zu geben ist:

...

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Hiervon ausgehend sind Sicherstellung, Inverwahrnahme und Verfügungsverbot wahrscheinlich nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt die Kammer zunächst im Wesentlichen auf die Begründungen zu 1. und 2. im angegriffenen Bescheid Bezug (analog § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:

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Auch nach dem bisherigen Vorbringen im Klageverfahren kann der Kläger für sein Begehren aller Voraussicht nach nicht die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugunsten seiner Mutter erfolgreich in Anspruch nehmen.

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Die Frage, wer Eigentümer ist, ist auch auf dem Gebiet des Polizei- und Ordnungsrechts unter Berücksichtigung zivilrechtlicher Rechtspositionen zu beantworten. Persönlich gilt § 1006 BGB nur zugunsten des Eigenbesitzers (s. § 872 BGB) (vgl. Medicus in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004, § 1006 Rn. 6). Eigenbesitzer ist derjenige, der eine Sache als ihm gehörend besitzt. Dabei genügt es, dass der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft so ausüben will wie ein Eigentümer (vgl. Joost in in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004, § 872 Rn. 3). Unabhängig von der Überzeugung, Eigentümer zu sein, belegt allein die Behauptung des Besitzers, Eigentümer zu sein, ohne Weiteres seinen Eigenbesitzwillen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 2002 - 8 C 9/01 -, juris, Rn. 14, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NJW 2003, 689 ff.).

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Trotz der nicht hohen Anforderungen an die Begründung des Eigenbesitzes lässt sich aber nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Wahrscheinlichkeit nach nicht feststellen, dass die Mutter des Klägers während der Durchsuchung des Zimmers des Klägers am 6. Oktober 2006 in der Zeit zwischen 9.30 Uhr und 10.30 Uhr Eigenbesitzerin des Geldes war, so dass es nicht darauf ankommen wird, ob die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB widerlegt werden kann. Für diese Auffassung sprechen insbesondere folgende Gesichtspunkte:

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Schon wenn man allein den Fundort des Geldes in den Blick nimmt, ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass der Kläger - freilich entgegen seinem wesentlichen Vorbringen - Eigenbesitzer des Geldes war. Beamte des Polizeikommissariats H. durchsuchten am 6. Oktober 2006 im Rahmen eines gegen den Kläger gerichteten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) das jedenfalls in der Vergangenheit von ihm dauerhaft bewohnte Zimmer in der elterlichen Wohnung. Hierbei wurden in einem Kleiderschrank in diesem Zimmer ein Geldbündel mit 50.000,00 € und ein weiteres Geldbündel mit 7.600,00 € Bargeld gefunden. Die Mutter des Klägers erklärte in ihrem anwaltlichen Schreiben vom 12. Oktober 2006 gegenüber der Staatsanwaltschaft B. zwar sinngemäß, er wohne nicht unter der im Rubrum genannten Anschrift, sondern leiste seinen Grundwehrdienst („Wehrpflicht“) ab und sei kaserniert beim Panzerartilleriebataillon I. in J. (s. auch Schriftsatz des Klägers vom 12. September 2007). Die Wohnungseigenschaft geht indes nicht verloren durch die Ableistung des Grundwehrdienstes (vgl. Wolst in Musielak, ZPO, Kommentar, 5. Auflage 2007, § 178 Rn. 3a). Im Übrigen heißt es in dem Bericht des Polizeikommissariats H. vom 20. Oktober 2006 sinngemäß u.a., der Kläger habe bei der Durchsuchung angegeben, dass er momentan krankgeschrieben sei. Da er nun über ausreichend Zeit verfüge, habe er am Vortag der Durchsuchung das im Schlafzimmerschrank seiner Eltern abgelegte Geld an sich genommen, gezählt und zu den beiden Geldbündeln verpackt. Anschließend habe er das Geld „in seinem im Zimmer stehenden Schrank abgelegt“. Darüber hinaus befanden sich nach diesem Bericht im durchsuchten Zimmer ein Fernsehgerät und ein Computer. Des Weiteren wird im Durchsuchungsbericht des Polizeikommissariats J. vom 10. Oktober 2006 sinngemäß ausgeführt, dass der Kläger sich bis zum 9. Oktober 2006 berechtigt zu Hause aufgehalten habe, da er heimkrank gewesen sei. Hiervon ausgehend ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass der Kläger auch zum Zeitpunkt der Durchsuchung am 6. Oktober 2006 noch in dem elterlichen Haus wohnte und ihm dort auch das vor seiner Grundwehrdienstzeit von ihm genutzte Zimmer dauerhaft zur Verfügung stand, er also nicht mit dem Beginn des Grundwehrdienstes den räumlichen Mittelpunkt seines Lebens an den Standort in J. verlagert und damit seine bisherige Wohnung aufgegeben hatte (zum Verlust der Eigenschaft als Wohnung vgl. Wolst a.a.O.). Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12. September 2007 zwar auch behauptet, das Zimmer habe seine Mutter verschlossen und den Schlüssel an sich genommen. Dieses Vorbringen ist aber insbesondere angesichts der nachfolgend dargestellten Gesichtspunkte sehr zweifelhaft. Abgesehen davon wäre, wenn diese Darstellung zutreffend wäre, zu erwarten gewesen, dass sich den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen der Staatsanwaltschaft B. ein entsprechender Hinweis hätte entnehmen lassen. Insbesondere der Durchsuchungsbericht vom 6. Oktober 2006 enthält dazu aber keine Aussage. Dort wird sinngemäß lediglich ausgeführt, der Kläger bewohne im Obergeschoss des elterlichen Hauses ein Zimmer. Bei der Maßnahme seien der Kläger und seine Mutter anwesend gewesen. Für die Auffassung der Kammer spricht auch, dass im Bericht vom 20. Oktober 2006 sogar sinngemäß vermerkt wurde, beim Eintreffen der Polizeibeamten vor Ort habe die Mutter des Klägers noch geschlafen. Ihren eigenen Angaben zufolge sei sie Altenpflegerin und habe Nachtschicht gehabt.

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Stand dem Kläger aber auch zum Zeitpunkt der Durchsuchung am 6. Oktober 2006 das von ihm vor seiner Grundwehrdienstzeit genutzte Zimmer nicht nur vorübergehend zur Verfügung, spricht Überwiegendes dafür, dass er damals auch die tatsächliche Sachherrschaft über das in seinem Kleiderschrank aufgefundene Bargeld hatte mit dem Willen, diese so auszuüben wie ein Eigentümer. Dieser Bewertung stehen die bisherigen Äußerungen des Klägers und seiner Mutter nicht entgegen, weil sie in wesentlichen Teilen unstimmig bzw. widersprüchlich sind.

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Dies gilt insbesondere für die Schilderung, wie das Bargeld in den Kleiderschrank des Klägers gelangt sein soll.

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Einerseits will der Kläger das Geld - wie oben bereits ausgeführt - in den Kleiderschrank gelegt haben. Andererseits soll die Mutter das Geld vor dem Zugriff ihrer Enkelkinder in dem Zimmer des Klägers verwahrt haben. So hat dieser in der Klageschrift vom 28. März 2007 sinngemäß vorgetragen, sein Zimmer im Hause der Eltern sei zwar für ihn reserviert gewesen, sei aber für andere Familienzwecke genutzt worden. Dort hätten auch Enkelkinder weiterer Familienmitglieder gelebt. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung habe seine Mutter Besuch von ihren Enkelkindern gehabt. Diese seien durch die Wohnung getobt. Seine Mutter habe in der Zeit, als sie ihre Eltern versorgt habe, und während ihrer Berufstätigkeit größere Geldbeträge angespart und in der Wohnung verwahrt. Dieses Geld habe sie nicht zur Bank gebracht, sondern immer noch zu Hause gehabt, weil sie damit unter anderem gelegentlich ihren anderen Kindern in Notlagen habe helfen wollen und keinen notwendigen Zwang gesehen habe, ihr Geld auf ein Bankkonto einzuzahlen. Sie habe dieses Geld in dem bis dahin von ihm als Jugendzimmer genutzten Raum im Kleiderschrank vorübergehend verwahrt gehabt (Beweisangebot Mutter). Das Geld hätte wieder im Schlafzimmer seiner Mutter an bewährter Stelle untergebracht werden sollen, wenn ihre Enkelkinder wieder abgereist gewesen seien. Diese hätten sich überall in der Wohnung umgeschaut und seine Mutter habe befürchtet, sie würden das Geld finden und dadurch großes Gerede auslösen.

15

Im Übrigen deckt sich diese Version nicht vollständig mit derjenigen im Schriftsatz vom 12. September 2007. Im Gegensatz zum Vorbringen in der Klageschrift deutet der Inhalt des zuletzt genannten Schriftsatzes u.a. darauf hin, dass die Enkelkinder das Geld gefunden haben sollen. Es heißt dort: „Die Kinder haben sich besonders um das Münzgeld gekümmert. Mutter … hat ihnen das Geld abgenommen und sichergestellt. Sie hat es in den Schrank gelegt, der bei seinen Wohnzeiten bei seinen Eltern vom Kläger als Kleiderschrank benutzt worden war.“

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Des Weiteren sind die Angaben zu der Frage, wer Eigentümer des Geldes sein soll, widersprüchlich.

17

Einerseits hat die Mutter des Klägers wie er selbst in seiner Klageschrift behauptet, das Geld gehöre ihr. In dem Bericht des Polizeikommissariats H. vom 20. Oktober 2006 heißt es, nach dem Auffinden der beiden Geldbündel habe die anwesende Mutter des Klägers erklärt, dass es sich dabei um ihr Geld handele. Nach ihren Angaben habe sie in der Vergangenheit ihre bei ihnen wohnenden Eltern betreut. Bei dem aufgefundenen Geld handele es sich um die Rente ihrer Eltern bzw. um den Anteil, der von der Rente habe gespart werden können. Auf Nachfrage habe sie angegeben, dass sie das Geld mit Absicht nicht auf ein Sparkonto eingezahlt habe. Zur Begründung habe sie geäußert, dass sie ihre Eltern betreut/gepflegt habe. Damit nach dem Ableben ihrer Eltern nicht andere Angehörige, die sich nicht so intensiv um die Betreuung/Pflege der Eltern gekümmert hätten, an das gesparte Geld hätten kommen können, habe sie das Geld, auch ohne Wissen ihres eigenen Ehemannes, zu Hause deponiert. Andererseits behauptete die Mutter des Klägers in ihrem anwaltlichen Schreiben vom 12. Oktober 2006 gegenüber der Staatsanwaltschaft B., die 57.600,00 € seien Familienvermögen. Dies Geld werde als Familienvermögen von ihr verwahrt. Der Kläger hat dagegen in seinem Schriftsatz vom 12. September 2007 geltend gemacht, das Geld gehöre seinen Eltern.

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Außerdem werden - wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt - unterschiedliche Beweggründe dafür angegeben, warum das Geld zu Hause aufbewahrt wurde.

19

Darüber hinaus ist auffällig, dass sich dem Durchsuchungsbericht vom 6. Oktober 2006 nicht entnehmen lässt, dass sich neben dem Kläger und seiner Mutter weitere Personen wie beispielsweise Enkelkinder in der Wohnung aufhielten. Unverständlich ist ferner, warum der Kläger im Schriftsatz vom 12. September 2007 behauptet, er sei bei der Durchsuchung „nicht in Haus und Wohnung seiner Eltern zugegen“ gewesen und u.a. dafür sogar noch als Beweis die Vernehmung seiner Mutter als Zeugin anbietet, obwohl der Durchsuchungsbericht vom 6. Oktober 2006 eindeutig belegt, dass auch der Kläger bei der Durchsuchung anwesend war. Des Weiteren widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass eine Ehefrau jahrelang Bargeld - letztendlich in Höhe von insgesamt 57.600,00 € - zurücklegt, und es angeblich im Kleiderschrank in dem von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemann genutzten Schlafzimmer versteckt, ohne dass dieser etwas bemerkt hat. Der Kläger hat bisher auch keine nachprüfbaren Belege vorgelegt, aus denen sich ergeben könnte, dass seine Mutter in der Lage war, in der Vergangenheit einen derartig hohen Barbetrag zusammen zu sparen.

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Der Kläger hat zwar über das bereits genannte Beweisangebot die Vernehmung seiner Mutter als Zeugin auch dafür angeboten, dass sie ihr Geld vor dem neugierigen Zugriff der Enkelkinder in seinem früheren Jugendzimmer verwahrt habe, weil das Zimmer habe verschlossen werden können, und dass das Geld im Eigentum seiner Eltern stehe. Allein der Umstand aber, dass der Kläger diese Behauptungen unter Beweis stellt, führt nicht zu dem Ergebnis, dass ihm Prozesskostenhilfe bewilligt werden müsste. Denn eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren ist in eng begrenztem Rahmen zulässig. Nur wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehen würde, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe zu verweigern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 -, Juris, Rn. 11, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NJW 2003, 2976 ff.). Ausgehend von diesem Maßstab ist aufgrund der oben dargestellten Unstimmigkeiten bzw. Widersprüche davon auszugehen, dass eine - unter Umständen durchzuführende - Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Vorteil des Klägers ausgehen wird.

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Für den Eigenbesitz des Klägers spricht als Indiz ferner, dass die Stubenkameraden des Klägers nach dem Durchsuchungsbericht des Polizeikommissariats J. vom 10. Oktober 2006 mit Ausnahme des Stubenältesten sinngemäß angaben, der Kläger sei offensichtlich finanziell besser als sie gestellt. Diese Aussagen deuten darauf hin, dass dem Kläger aus einer anderen Einnahmequelle finanzielle Mittel zur Verfügung standen. Darüber hinaus heißt es in der verantwortlichen Vernehmung des A. vom 21. April 2006 sinngemäß u.a., der Kläger habe ihm einmal erzählt, dass er das Marihuana kiloweise einkaufe und dann in kleineren Portionen an die Endverbraucher abgebe.

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Der aller Voraussicht nach - entgegen seiner eigenen Darstellung - anzunehmende Eigenbesitz des Klägers an dem beschlagnahmten Bargeld zum Zeitpunkt der Durchsuchung hat allerdings nicht zur Folge, dass gleichzeitig sein Eigentum an diesem Geld gemäß § 1006 Abs. 1 BGB zu vermuten ist.

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Eine gesetzliche Vermutung wie die des § 1006 BGB kann zwar nur durch den Beweis des Gegenteils (§§ 173 Satz 1 VwGO, 292 ZPO) zu voller, allerdings auch aus den Gesamtumständen zu gewinnender Überzeugung des Gerichts widerlegt werden und § 1006 BGB enthebt den Eigenbesitzer im Grundsatz nicht nur der Beweis-, sondern auch der Darlegungslast dafür, dass und auf welcher Grundlage er oder derjenige, von dem er sein Besitzrecht ableitet, mit dem Besitzerwerb Eigentum erworben hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2002 - II ZR 37/00 -, juris, Rn. 7, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NJW 2002, 2101 f.). § 1006 mutet dem Gegner des Besitzers bzw. desjenigen, der sich auf die zugunsten des Besitzers geltende Eigentumsvermutung beruft, den vollen Gegenbeweis aber nur innerhalb vernünftiger Grenzen und in dem durch den Sachvortrag abgesteckten Rahmen zu. Wäre der Beweispflichtige gezwungen, auch jede abstrakt denkbare Erwerbsmöglichkeit auszuschließen, wäre eine Widerlegung der Eigentumsvermutung kaum möglich. Die Anforderungen an den nach § 1006 BGB erforderlichen Beweis zur Widerlegung der Eigentumsvermutung dürfen deshalb nicht besonders streng bemessen werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1977 - VIII ZR 42/75 -, juris, Rn. 29, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf MDR 1977, 661). So kann er auch durch Verwertung von Beweisanzeichen und Erfahrungssätzen geführt werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1960 - VIII ZR 145/59 -, juris, Rn. 20 mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NJW 1961, 777 ff.). Allerdings müssen auch bei Zubilligung von Beweiserleichterungen in derartigen Fällen zumindest Umstände bewiesen werden, die das Eigentum eines Dritten wahrscheinlicher erscheinen lassen als das Eigentum des gegenwärtigen Besitzers, oder die die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen widerlegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 2002 - 8 C 9/01 -, juris, Rn. 15, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NJW 2003, 689 ff.).

24

Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Vermutung schon deshalb widerlegt, weil sich der Kläger zu seinen Gunsten selbst nicht auf sie beruft, sondern vielmehr behauptet, er sei nicht Eigentümer des Geldes. So ist die Eigentumsvermutung auch durch den Nachweis widerlegt, dass der Besitzerwerb nicht mit dem Eigentumserwerb verbunden war (vgl. Medicus, a.a.O., Rn. 15).

25

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung trat. Insbesondere wurden gegen ihn in den Jahren 2003 und 2005 Ermittlungsverfahren wegen Verstöße gegen das BtMG eingeleitet, die jeweils nach § 31 a Abs. 1 BtMG eingestellt wurden. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann die Staatsanwaltschaft, wenn das Verfahren ein Vergehen nach § 29 Abs. 1, 2 oder 4 BtMG zum Gegenstand hat, von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

26

Nach alledem ist es wahrscheinlich nicht zu beanstanden, dass im Bescheid - bezogen auf den oben genannten maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt - sinngemäß ausgeführt wird, die Tatsache, dass der Kläger wiederholt wegen Verstoßes gegen das BtMG in Erscheinung getreten sei, begründe die gegenwärtige Gefahr, dass das Bargeld nach Aushändigung an ihn zur Begehung von Straftaten, in diesem Falle Straftaten nach dem BtMG, verwendet werden könne. Im Übrigen gilt Entsprechendes hinsichtlich des Zeitpunkts des Erlasses des Bescheides. Die Beklagte musste damals davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft B. nach Erhalt des mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Bescheides zeitnah die notwendigen Maßnahmen ergreifen würde, um das Geld freizugeben und auf eines der Konten der Beklagten zu überweisen.

27

Rechtlich unerheblich ist es, dass die Verdachtsmomente aus Sicht der ermittelnden Staatsanwaltschaft nicht für eine Anklageerhebung ausgereicht haben. Sie sind indes durch die Ermittlungen auch nicht vollständig ausgeräumt worden. Dies ergibt sich aus der Einstellungsverfügung vom 8. Februar 2007 (870 Js 62744/06). Danach erfolgte eine Teileinstellung gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO), soweit dem Kläger der Verkauf von Betäubungsmitteln an zwei in der Verfügung konkret genannte Personen vorgeworfen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der allgemeinen gehaltenen Angaben des gesondert verfolgten A. könnten keine Taten mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit konkretisiert werden. Da sowohl der Beschuldigte als auch der gesondert verfolgte L. keine Angaben gemacht hätten, sei auch der Verkauf von Marihuana am 15. April 2006 nicht nachzuweisen. Die „TÜ-Protokolle“ lieferten nur Indizien, seien aber nicht verwertbar, weil sich Gewerbsmäßigkeit nicht nachweisen lasse. Es bleibe der Besitz von 1,1 g Marihuana und 3,3 g Haschisch. Insoweit sei eine Einstellung gemäß § 31 a BtMG vertretbar (s. Schreiben vom 8. Februar 2007 an den Kläger). Bei präventiv-polizeilicher Betrachtung kann - wie hier - auch trotz Einstellung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens allein aufgrund verbliebener Verdachtsmomente ein Bedürfnis für die Aufrechterhaltung von polizeilichem oder ordnungsbehördlichem Gewahrsam an beschlagnahmtem Geld bestehen (vgl. VG Aachen Urteil vom 14. Februar 2007 - 6 K 1757/05 -, juris, Rn. 27; VG Braunschweig, Beschluss vom 18. Januar 2007 - 5 B 332/06 -, juris, Rn. 20). Entsprechendes gilt, soweit die Staatsanwaltschaft B. der Beklagten mit Verfügung vom 14. Februar 2007 sinngemäß u.a. mitteilte, sie beabsichtige das Bargeld nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens freizugeben und nach dort abzugeben. Mit Schreiben vom 3. September 2007 gab die Staatsanwaltschaft den Geldbetrag frei und teilte der Beklagten mit, der Geldbetrag werde der Beklagten auf ein in dem Schreiben genanntes Konto überwiesen.

28

Abgesehen davon lassen sich Sicherstellung und Inverwahrnahme unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen - selbst tragend - auch auf § 26 Nr. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) stützen. Danach können die Verwaltungsbehörden und die Polizei eine Sache sicherstellen, um die Eigentümerin oder den Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Die Beklagte hat diese Rechtsgrundlage zwar in dem angefochtenen Bescheid nicht genannt. Sie hat dort aber bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass der rechtmäßige Eigentümer bzw. der berechtigte Gewahrsamsinhaber des Geldes nicht habe ermittelt werden können. Im Übrigen hat sie mit Schriftsatz vom 4. Juni 2007 selbst ausgeführt, die Sicherstellung sei auch nach § 26 Nr. 2 Nds. SOG geboten, um den bzw. die Eigentümer vor Verlust des Bargeldes zu schützen.

29

Ermessensfehler bezüglich der Sicherstellung (s. § 114 Satz 1 VwGO) sind ebenfalls aller Voraussicht nach nicht ersichtlich. Dabei handelt es sich hinsichtlich der Vorschrift des § 26 Nr. 2 Nds. SOG um nachgeschobene Erwägungen (s. § 114 Satz 2 VwGO).

30

Darüber hinaus ist auch das Verfügungsverbot, das auf § 11 Nds. SOG gestützt wird, wahrscheinlich nicht zu beanstanden.

31

Die Beklagte war für den Erlass des angegriffenen Bescheides auch örtlich zuständig. Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. In den Fällen, in denen - wie hier - in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Bargeld beschlagnahmt und bei einer Bank auf ein Konto eingezahlt worden ist, werden die zu schützenden Interessen im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG zu dem Zeitpunkt verletzt oder gefährdet, in dem die das strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchführende Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Geldes nach Erklärung der Freigabe die Überweisung verfügt. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren führte die Staatsanwaltschaft B. durch, die ihren Sitz im Bereich der Beklagten hat. Es kommt nicht darauf an, bei welcher Bank der Betroffene den Geldbetrag von seinem Konto abheben könnte oder wo die überweisende Bank ihren Sitz hat. Denn die Verfügungsgewalt über das Geld hat bis zur Anordnung der Überweisung die das strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchführende Staatsanwaltschaft.

32

Die Zuständigkeit der Beklagten wäre allerdings dann nicht gegeben, wenn die Staatsanwaltschaft B. verpflichtet wäre, dem Kläger das Geld nach M. zurückzubringen, wobei hier zu unterstellen ist, der Kläger sei insoweit berechtigt. Denn dann würden die zu schützenden Interessen erst im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Stadt M. verletzt oder gefährdet werden. Auf das hier bestehende öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis zwischen der Staatsanwaltschaft B. und dem Kläger ist aber die Vorschrift des § 697 BGB entsprechend anzuwenden. Danach hat die Rückgabe der hinterlegten Sache an dem Ort zu erfolgen, an welchem die Sache aufzubewahren war; der Verwahrer ist nicht verpflichtet, die Sache dem Hinterleger zu bringen. Dies gilt auch für die Verwahrung von Geld (vgl. Gehrlein in Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar, Stand: 1. Juni 2007, § 687 Rn. 1). Die analoge Anwendung ist deshalb gerechtfertigt, weil die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung (s. § 94 StPO) in ihrem Gewicht dem vertraglichen Konsens bei einem privatrechtlichen Verwahrungsvertrag mindestens gleichkommt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2005 - III ZR 271/04 -, juris, Rn. 9 mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NJW 2005, 988 f.). Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherstellung des Bargeldes während der Durchsuchung am 6. Oktober 2006 rechtswidrig war, bestehen unter Berücksichtigung der oben dargestellten Erwägungen nicht.

33

Rechtlich unerheblich ist es, dass zum Zeitpunkt der Anfertigung der gerichtlichen Verfügung am 9. August 2007 - wie oben ausgeführt - jedenfalls einiges dafür sprach, dass eine Sicherstellung und Inverwahrnahme durch die Beklagte mit gleichzeitigem Verfügungsverbot nicht mehr erforderlich war. Denn der Kläger hat hinsichtlich der von ihm erhobenen Anfechtungsklage kein berechtigtes Interesse an der rückwirkenden Aufhebung der unter Nr. 1 und 2 im Bescheid genannten Verwaltungsakte (vgl. zur rückwirkenden Aufhebung eines Dauerverwaltungsaktes: BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 25/93 -, juris, Rn. 28, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf BVerwGE 97, 214 ff. = NJW 1995, 1371 ff.).

34

Dahingestellt bleiben kann auch, ob sich die genannten Verwaltungsakte für die Vergangenheit erledigt haben. Denn eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) hat der Kläger für die Vergangenheit bisher nicht erhoben.

35

2. Wenn man unterstellt, dass sich die Anfechtungsklage auch gegen die Kostenfestsetzung richtet, hat sie auch insoweit keinen Erfolg.

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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage gegen die Kostenfestsetzung ist hier der Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides. Gleiches gilt für das Prozesskostenhilfeverfahren.

37

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung - AllGO -) vom 5. Juni 1997 (Nds. GVBl. S. 171, 1998 S. 501) in der Fassung des Art. 2 der Verordnung vom 24. November 2004 (Nds. GVBl. S. 527) i.V.m. Nr. 108.3.2 des Kostentarifs (Anlage 1 zu § 1 Abs. 1) beträgt die Gebühr für die Sicherstellung einschließlich Verwahrung „eines sonstigen Gegenstandes“, der kein verkehrswidrig oder verkehrsbehindernd abgestelltes Kraftfahrzeug sein darf (s. dazu Nr. 108.3.1 des Kostentarifs) nach den §§ 26, 27 Nds. SOG 18 bis 160 €. Die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 12,00 € gemäß Nr. 108.1.6 des Kostentarifs („sonstige Maßnahmen von Verwaltungsbehörden“) ist somit zwar rechtswidrig; der Kläger wird dadurch aber nicht in seinen Rechten verletzt. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass die Festsetzung der Zustellgebühr zu beanstanden ist (s. § 13 Abs. 3 Nr. 8 Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz - NVwKostG - vom 7. Mai 1962 (Nds. GVBl. S. 43) in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 2006 (Nds. GVBl. S. 575)).