Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.10.1998, Az.: VII 122/96

Anforderungen an eine steuerbegünstigte Anteilsveräußerung; Übertragung von Teilen des Betriebsvermögens der Gesellschaft zu Buchwerten auf Schwestergesellschaften aufgrund eines Gesamtplans

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.10.1998
Aktenzeichen
VII 122/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 18639
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:1013.VII122.96.0A

Fundstelle

  • DStRE 1999, 704-705 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Keine steuerbegünstigte Anteilsveräußerung, wenn aufgrund eines Gesamtplans Teile des Betriebsvermögens der Gesellschaft zu Buchwerten auf Schwestergesellschaften übertragen werden.

Der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. Oktober 1998
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kl sind die ehemaligen Beteiligten der E S GmbH & Co., die nach dem Streitjahr in E E GmbH & Co. umfirmiert wurde. An der Gesellschaftwaren als Kommanditisten der Kl zu 1) mit 76 v.H., die Kl zu 2) mit 4 v.H., der Kl zu 3) mit 10 v.H. und die Kl zu 4) mit 10 v.H. beteiligt. Die Kl zu 1) und 2) sind die Eltern der Kl zu 3) und 4).

2

Zum Aufgabenbereich der E S GmbH & Co. gehörte bis zum Jahresbeginn 1989 die Müllabfuhr und die Entsorgung von Sonderabfällen. Die Gesellschaft erzielte aus ihrer operativen Tätigkeit im Wirtschaftsjahr 1988/89 einen Gesamtumsatz in der Größenordung von DM. Die genannte Gesellschaft gehört neben anderen Gesellschaften, an denen jeweils gleiche Beteiligungsverhältnisse bestanden, zur E -Gruppe.

3

Mit Wirkung zum 1. Januar 1989 durch notarielle Urkunden vom 20. Januar 1989 bzw. 16. Februar 1989 übertrug die E S GmbH & Co. KG diverse Grundstücke und Gebäude aus ihrem Betriebsvermögen zu Buchwerten auf die E E W GmbH & Co., einer Schwestergesellschaft.

4

Ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 1989 übertrug die E S GmbH & Co. mehrere zum Gesellschaftsvermögen gehörende Beteiligungen an Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften auf insgesamt vier Schwestergesellschaften. Beurkundet wurden diese Übertragungen überwiegend am 30. Januar 1989.

5

Durch Vertrag vom 16. Feburar 1989 übertrugen die Kl ihre Kommanditanteile an der E S GmbH & Co. zu Teilwerten auf die E AG & Co. und realisierten hierdurch einen Veräußerungsgewinn in Höhe von DM.

6

Nach einer Außenprüfung durch das Finanzamt für Konzernprüfung behandelte der Beklagte den aus der Veräußerung der Kommanditanteile angefallenden Gewinn als laufenden Gewinn. Die steuerliche Vergünstigung eines Veräußerungsgewinnes im Sinne der §§ 16, 34 EStG komme nicht in Betracht. Die Umstrukturierung der Firmengruppe habe aufgrund eines gefaßten Gesamtplanesstattgefunden. In zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Anteilsverkäufen habe die vorherige Übertragung von Wirtschaftsgütern, die wesentliche Betriebsgrundlagen gewesen seien, zu Buchwerten stattgefunden. Mithin seien im Ergebnis nicht alle stillen Reserven aufgedeckt worden. Im übertragenen Grundbesitz seien stille Reserven von mindestens DM enthalten. Schon aufgrund ihres Wertes seien die Grundstücke wesentliche Betriebsgrundlage der Gesellschaft gewesen. Gleiches gelte für die Beteiligungen, aus denen zuvor rd. 17 v.H. der Gesamtumsatzes der Gesellschaft erwirtschaftet worden seien. Der Gesamtbuchwert aller Beteiligungen mache etwa DM und dokumentiere bereits aus dieser Größe heraus, daß es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen gehandelt habe.

7

Die hiergegen erhobene Sprungklage begründen die Kl im wesentlichen wie folgt: Der Umstand, daß die Gesellschaft Wirtschaftsgüter zu Buchwerten auf Schwestergesellschaften übertagenhabe, berühre nicht die Frage der Steuervergünstigung nach § 34 EStG. Die Kl als Gesellschafter hätten ihre Anteile veräußert. Die Veräußerung sei zeitpunktbezogen. Deshalb dürften Vorgänge, die vor dem Zeitpunkt der Veräußerung lägen, nicht in die Betrachtung einbezogen werden. Die Veräußerung der Wirtschaftsgüter durch die Gesellschaft und die Veräußerung der Gesellschaftsanteile durch die Kl selbst seien keine einheitliche Maßnahme. Dies könne schon deshalb nicht sein, weil zwei verschiedene Rechtssubjekte gehandelt hätten. Die Veräußerung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteiles könne sich nur auf diejenigen Wirtschaftsgüter beziehen, die zum Zeitpunkt der Veräußerung noch im Betriebsvermögen vorhanden seien. Wenn daher Wirtschaftsgüter vor diesem Zeitpunkt aus dem Betriebsvermögen ausscheiden, so habe dies keinen Einfluß darauf, ob die Veräußerung als solche in einem einheitlichen Akt erfolge.

8

Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung seien die Übertragungen der Grundstücke und Beteiligungen auf die Schwestergesellschaften der E S GmbH & Co. nicht wegen der später erfolgten Übertragung der Gesellschaftsanteile durch die Kl erfolgt. Motiv sei vielmehr gewesen, im Rahmen der Umstrukturierung der gesamten Firmengruppe die Beteiligungen und Grundstücke zu den operativen Gesellschaften zu bringen, zu denen sie wirtschaftlich gehörten. Keinesfalls sei Motiv gewesen, hierdurch wesentliche stille Reserven nicht aufzudecken.

9

Bei der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen sei zudem zu berücksichtigen, daß Gesellschaft einerseits und Gesellschafter andererseit unterschiedliche Steuerrechtssubjekte seien, die auch durchaus verschiedene geschäftliche Betätigungswillen ausüben könnten. Deshalb dürfe das Handeln der Gesellschaft, das im Streitfall in der Übertragung der Grundstücke und Beteiligungen bestanden habe, den Kl nicht zugerechnet werden.

10

Soweit sich die Finanzverwaltung zur Unterstützung ihrer Rechtsauffassung auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 16. Oktober 1984 (I 528/79 F, EFG 1985, 245) beziehe, sei zu berücksichtigen, daß dieses Urteil höchstrichterlich nicht bestätigt worden sei.

11

Die Kl beantragen sinngemäß,

aus dem laufenden Gewinn des Streitjahres einen Veräußerungsgewinn in Höhe von DM auszuscheiden und als steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn festzustellen und dabei den Veräußerungsgewinn auf den Kl zu 1) mit DM, auf die Kl zu 2) mit DM, auf den Kl zu 3) mit DM und auf die Kl zu 4) mit DM zu verteilen.

12

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest und verweist als Begründung auf die mit den Steuerakten vorgelegte Anlage 9 zum Betriebsprüfungsbericht vom 28. Juli 1995.

14

Der Beklagte hat der Sprungklage zugestimmt.

15

Dem Gericht haben die beim Beklagten unter Steuernummer geführten Feststellungsakten sowie die Betriebsprüfungsakten und Bilanzakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist unbegründet. Die von den Kl erzielten Veräußerungsgewinne sind nicht nach §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt.

17

Veräußert ein Steuerpflichtiger einen Betrieb, Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG), so ist der dadurch erzielte Gewinn gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigt. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach Sinn und Zweck dieser Tarifbegünstigung darin besteht, die bei der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils eintretende zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zuerfassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt es zu einer solchen zusammengeballten Realisierung stiller Reserven nur dann, wenn alle wesentlichen stillen Reserven des Betriebs (Mitunternehmeranteils) in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufgedeckt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1991 VIII R 76/86, BFHE 162, 260 m.w.N.).

18

Im Streitfall erfolgte die Übertragung der Gesellschaftsanteile durch die Kl als Teil eines Gesamtplans, der die Umstrukturierung der Firmengruppe zum Ziele hatte. Zu diesem Gesamtplan gehörte - wie auch die Kl einräumen -, daß Teile des Betriebsvermögens zuvor zu Buchwerten, also unter Nichtaufdeckung der stillen Reserven, auf Schwestergesellschaften übertragen wurden. Der Umstand, daß es sich bei den Grundstücken und Beteiligungen um wesentliche Betriebsgrundlagen handelte und daß tatsächlich erhebliche stille Reserven vorhanden waren, ist unstreitig.

19

Steht aber fest, daß nicht alle wesentlichen stillen Reserven in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufgedeckt wurden, so kommt es nach Auffassung des Senates weder darauf an, aus welchen Motiven die Übertragung der Grundstücke und Beteiligungen auf die Schwestergesellschaften beruhte, daß rechtlich die Übertragung dieser Beteiligungen und Grundstücke durch die Gesellschaft selbst, die Anteilsveräußerung hingegen durch die Kl als Gesellschafter geschah und zwischen den Übertragungshandlungen und der Veräußerung der Gesellschaftsanteile eine Zeitspanne bestand. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die Kl zueinander in engen verwandtschaftlichen Beziehungen stehen, der Kl zu 1) aufgrund seiner Beteiligungquote dazu befähigt war, seinen Willen in den einzelnen Gesellschaften durchzusetzen, die Grundstücksübertragungen und Beteiligungsübertragungen nach dem Wortlaut der geschlossenen Verträge der Neustukturierung der E -Gruppe diente und zwischen dem Abschluß der entsprechenden Verträge und der Veräußerung der Gesellschaftsanteile eine Zeitspanne von weniger als vier Wochen lag. Deshalb beurteilt der Senat die Übertragung der Grundstücke und Anteile einerseits und die Veräußerung der Gesellschaftsanteile andererseits als einheitlichen Vorgang im Sinne der Rechtsprechung. Im Ergebnis kann das vorherige Verbringen von wesentlichen Betriebsgrundlagen in Schwestergesellschaften nicht anders beurteilt werden, als das Zurückbehalten wesentlicher Betriebsgrundlagen nach einer Betriebs- oder Anteilsveräußerung.

20

Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung abzuweisen.

21

Die Revision hat der Senat nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.