Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.09.2005, Az.: 4 U 127/05
Zuordnung von selbstständigen Realverbandsanteilen nach der Teilung eines mit mehreren bewohnten Gebäuden bebauten Grundstücks; Verbot der Trennung selbstständiger Verbandsanteile; Vermeidung der Erschwerung der Willensbildung eines Verbandes durch eine Vermehrung seiner Mitglieder; Nutzung eines Gesamtgrundstücks als Wohnhaus durch den Inhaber im Zeitpunkt der Begründung der Bestandsteilseigenschaft eines Realverbandsanteils
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.09.2005
- Aktenzeichen
- 4 U 127/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 22079
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:0912.4U127.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 15.06.2005 - AZ: 6 O 461/04
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 1 NdsRVG
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2005, 763-765
Amtlicher Leitsatz
Selbständige Realverbandsanteile im Sinne von § 9 Abs. 1 NdsRVG sind nach der Teilung eines mit mehreren bewohnten Gebäuden bebauten Grundstücks demjenigen Grundstücksteil zuzuordnen, auf dem sich das von dem bisherigen Eigentümer vor der Teilung bewohnte Gebäude befindet.
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H.,
den Richter am Oberlandesgericht R. und
den Richter am Oberlandesgericht L. einstimmig
gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
am 12. September 2005
beschlossen:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Juni 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung war weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich zwar bisher nicht ausdrücklich mit der Frage der rechtlichen Zuordnung von Realverbandsanteilen befasst, wenn sich nach der Teilung der dazugehörigen Haus oder Hofstelle mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke auf beiden Teilgrundstücken befinden. Indessen lassen sich die für die Entscheidung dieser Rechtsfrage maßgeblichen Grundsätze der bisherigen, bereits von dem Landgericht in Bezug genommenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH WM 1998, 2207 ff. [BGH 17.07.1998 - V ZR 370/97]) entnehmen.
Die Berufung hat auch in der Sache keinen Erfolg.
Zu den Bedenken gegen die Erfolgsaussichten hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 19. August 2005 Folgendes ausgeführt, woran er festhält:
"Mit Recht dürfte das Landgericht die Klage sowohl wegen des Hauptantrages auf Zustimmung zur Eintragung des Klägers als Anteilsberechtigter der streitbefangenen Realverbandsanteile als auch wegen des Hilfsantrages auf Feststellung, dass die Anteile dem Kläger zustehen, als unbegründet abgewiesen haben.
Die streitbefangenen Brennholz und Bauholzanteile an den Forstgenossenschaften S. und S. in G. H. gehörten vor der Grundstücksteilung unstreitig als selbständige Realverbandsanteile im Sinne von § 9 Abs. 1 NdsRVG zu dem im Eigentum des Beklagten stehenden, im Grundbuch von G. H. Band 12 Blatt 397 eingetragenen Grundstück, Flurstück 197/4 der Flur 3 der Gemarkung G. H. zur Größe von 4.474 qm.
Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Verbandsanteile nach der Trennung dieses Grundstücks dem neu gebildeten, weiterhin im Eigentum des Beklagten stehenden Flurstück 197/7 (M. 12 a in H.) zuzuordnen sind und nicht dem nunmehr im Grundbuch von G. H. Band 12 Blatt 374 unter der Flurstückbezeichnung 197/6 eingetragenen 710 qm großen, im Eigentum des Klägers stehenden abgetrennten Teil (M. 12 in H.).
Auch die Berufung stellt nicht in Abrede, dass anlässlich des Verkaufs des zwischenzeitlich dem Kläger gehörenden Teils des ursprünglichen Gesamtgrundstücks durch den notariellen Kaufvertrag vom 17. Dezember 1993 zwischen dem Rechtsvorgänger des Klägers und dem Beklagten und der damit bezweckten Trennung des Gesamtgrundstücks keine gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 NdsRVG zulässigen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen über die Verbandsanteile getroffen worden sind. Dafür spricht schon die für den Inhalt der notariellen Urkunde geltende Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Der Kläger macht im Gegenteil gerade geltend, dass sein Bruder als Käufer von der Existenz der Verbandsanteile keine Kenntnis gehabt habe, so dass es insoweit schon an dem erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungsbewusstsein fehlen würde.
Da sich sowohl auf dem abgetrennten Teil des ursprünglichen Gesamtgrundstücks als auch auf dem im Eigentum des Beklagten verbliebenen Teil im Zeitpunkt der Grundstücksteilung Gebäude befanden, kann die Zuordnung der Realverbandsanteile für die Folgezeit nicht bereits der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 NdsRVG entnommen werden, wonach im Falle der Grundstücksteilung in Ermangelung rechtsgeschäftlicher Bestimmungen den Verbandsanteil dem Grundstücksteil folgt, auf dem sich die Gebäude befinden. Wegen des in § 9 Abs. 3 NdsRVG enthaltenen Verbots der Trennung selbständiger Verbandsanteile, das eine Erschwerung der Willensbildung des Verbandes durch eine Vermehrung seiner Mitglieder vermeiden will, scheidet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH WM 1998, 2207, 2209 [BGH 17.07.1998 - V ZR 370/97]) [BGH 17.07.1998 - V ZR 370/97] eine Zuordnung und damit Aufteilung der Anteile auf verschiedene Grundstücke und die darauf befindlichen Gebäude der Haus oder Hofstelle aus und ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer eindeutigen und praktikablen Zuordnung in Richtung auf ganz bestimmte Gebäude. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 16. Zivilsenats des OLG Celle (Urteil vom 21. Oktober 1997 16 U 251/96 ) ist dabei regelmäßig auf dasjenige Teilgrundstück abzustellen, auf dem sich das zur Haus oder Hofstelle gehörende Wohnhaus befindet, das bei natürlicher Betrachtung den Mittelpunkt der Haus oder Hofstelle bildet, die für die ursprüngliche Zuordnung maßgeblich war (vgl. BGH a. a. O).
Entgegen der Ansicht des Klägers kann das erst zu einem späteren Zeitpunkt abgerissene Gebäude auf dem von ihm erworbenen Grundstücksteil (M. 12) nicht deshalb als das maßgebliche Wohnhaus angesehen werden, weil es von dem Inhaber der Haus und Hofstelle als Eigentümer des Gesamtgrundstücks bis 1983 bewohnt worden ist. Maßgeblich sind die ursprünglichen Verhältnisse unmittelbar vor der Grundstücksteilung und nicht die Verhältnisse im Zeitpunkt der erstmaligen Verbindung der Realverbandsanteile mit dem ursprünglichen Grundstück. Zu diesem Zeitpunkt bewohnte der Beklagte als Inhaber der Hausstelle jedoch bereits seit ca. 10 Jahren ausschließlich das Gebäude M. 12 a auf der auch nach der Grundstücksteilung weiterhin in seinem Eigentum verbliebenen und jetzt als Flurstück 197/7 bezeichneten Teilfläche, während das Gebäude M. 12 von dem Beklagten lediglich vermietet wurde. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass auch der BGH den von ihm verwendeten (vgl. BGH a. a. O.) Begriff der ursprünglichen Zuordnung auf die Verhältnisse anlässlich der Grundstücksteilung bezogen hat. In den Entscheidungsgründen des Urteils vom 17. Juli 1998 knüpft der BGH nach der Wiedergabe der Auffassung des Berufungsgerichts schon zu Beginn seiner eigenen Beurteilung unter II. 1 (vgl. BGH a. a. O. 2207) an die Situation im Zeitpunkt des Veräußerungsvertrages (dort: 1978) an. Eine andere Beurteilung stünde zudem im Widerspruch zu der von dem BGH (vgl. a. a. O. 2209) postulierten eindeutigen und praktikablen Zuordnung der Verbandsanteile auf Grund einer natürlichen Betrachtungsweise. Damit wäre eine nach Auffassung des BGH (a. a. O.) vom Gesetzgeber nicht gewollte bedenkliche Unsicherheit bei der Zuordnung nicht zu vereinbaren. Während jedoch anlässlich einer beabsichtigten Grundstücksteilung unschwer festzustellen ist, welches von mehreren Gebäuden der Inhaber der Haus oder Hofstelle als Grundstückseigentümer zu Wohnzwecken nutzt, kann die Feststellung, welches Gebäude der Inhaber im Zeitpunkt der Begründung der Bestandteilseigenschaft eines Realverbandsanteils für das Gesamtgrundstück als Wohnhaus genutzt hat, durchaus erhebliche tatsächliche Schwierigkeiten und Unsicherheiten mit sich bringen. Es ist nämlich nicht ungewöhnlich, dass sich im Laufe längerer Nutzungszeiten Änderungen, gerade auch durch die Errichtung neuer Gebäude oder die anderweitige Verwendung bereits vorhandener Gebäude, ergeben. Außerdem hat der Kläger nicht erklärt, weshalb er die "allererste" Zuordnung zum Zeitpunkt des "Hauswechsels" des Beklagten im Jahre 1983 für maßgeblich hält und nicht die Zuordnung im Zeitpunkt der Begründung der Bestandteilseigenschaft der Realverbandsanteile. Deren Feststellung wäre freilich mit noch größeren Schwierigkeiten verbunden, weil zunächst der Entstehungszeitpunkt und die Art der Nutzung des Grundstücks durch den damaligen Grundstückseigentümer und Rechtsvorgänger des Beklagten ermittelt werden müsste.
Das Gesetz knüpft überdies in § 9 Abs. 2 Satz 2 NdsRVG bei der Zuordnung der Realverbandsanteil zu demjenigen Grundstücksteil, auf dem sich die Gebäude befinden (Gegenwartsform!), ebenfalls an den Zeitpunkt der Grundstücksteilung und nicht an früher vorhandene Verhältnisse an. Allein der Umstand, dass es bei dem Vorhandensein mehrerer Gebäude nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf eine bestimmte Art der Nutzung durch den Inhaber ankommt, rechtfertigt es nicht, hierfür einen anderen zeitlichen Bezugspunkt zugrunde zu legen als für den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fall.
Darüber hinaus wäre es lebensfremd, für die weitere Zuordnung der Realverbandsanteile zu einem der getrennten Grundstücksteile nicht an die unschwer festzustellenden realen Verhältnisse vor der Teilung anzuknüpfen, sondern auf eine fiktive, lediglich in der Vergangenheit einmal bestehende Nutzung abzustellen. Für diese Beurteilung sprechen auch die Erwägungen des BGH zu dem wirtschaftlichen Nutzen der Realverbandsanteile und dessen Nähe zur Person des Inhabers der Haus oder Hofstelle (vgl. BGH a. a. O. 2210). Danach liegt der wirtschaftliche Nutzen der Realverbandsanteile heute im wesentlichen in der Teilhabe des Inhabers der Haus oder Hofstelle an der Rendite des gemeinschaftlichen Vermögens des Verbandes. Die Realverbandsanteile gälten zwar rechtlich als Bestandteile des Grundstücks, dienten wirtschaftlich aber vorrangig dem Grundstückseigentümer. Diese Nähe zur Person des Inhabers rechtfertige es, die Anteile dem Teil der Hofstelle zuzuordnen, der herkömmlicherweise den stärksten Bezug zu dem Inhaber aufweise, nämlich dem Wohngrundstück. Dass der BGH damit den bis zur Teilung tatsächlich von dem Eigentümer bewohnten Teil des ursprünglichen Gesamtgrundstücks meint, ergibt sich aus seiner weiteren Erwägung (vgl. BGH a. a. O. 2210), dass es der Eigentümer in der Hand habe, die Anteile durch rechtsgeschäftliche Erklärung von dem Wohnhausgrundstück abzutrennen, wenn diese Verbindung aus der Sicht des Eigentümers nicht mehr gerechtfertigt sei, weil er z. B. die Haus oder Hofstelle nicht mehr bewohne oder nicht mehr bewohnen wolle. Der Beklagte hat indes vor der Teilung das Gebäude M. 12 a bewohnt und gerade nicht beabsichtigt, diese Nutzung aufzugeben.
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für die Entscheidung auch nicht darauf an, ob sich auf dem abgetrennten Grundstücksteil wegen der zu dem Gebäude M. 12 gehörenden Stallungen mehr Nebengebäude befunden haben als auf dem bei dem Beklagten verbliebenen Grundstücksteil, auf dem sich neben dem Wohngebäude lediglich eine Getreidescheune befinden soll. Der BGH (a. a. O. 2209) hat vielmehr allein auf den Standort des Wohngebäudes abgestellt und es ausdrücklich als unerheblich bezeichnet, welche Bedeutung den auf den Grundstücksteilen befindlichen Wirtschaftsgebäuden und deren Bewirtschaftung für den Grundbesitz zukommt. Zur Begründung verweist er darauf, dass eine andere Beurteilung kaum lösbare praktische Schwierigkeiten hervorrufen und zu einer bedenklichen Unsicherheit bei der Zuordnung der Verbandsanteile und der damit verbundenen Mitgliedschaft führen würde. Im übrigen hebt der BGH (a. a. O.) hervor, dass der Inhaber der Haus oder Hostelle unabhängig davon von den Erträgen der Verbandsanteile profitiere, ob er noch eine Land oder Forstwirtschaft unterhalte.
Die bloße unterbliebene Berichtigung der Anschrift des Beklagten in der bei dem Realverband geführten Liste ist rechtlich unbeachtlich, zumal die Realverbandsanteile auch nach dem Bezug des neu errichteten Gebäudes M. 12 a im Jahre 1983 weiterhin dem Gesamtgrundstück Flurstück 197/4 zugeordnet waren und der Beklagte durchweg als Inhaber der Anteile geführt worden ist. Aus diesem Grunde bestand für den Beklagten entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung gar keine Veranlassung anlässlich des Umzuges in das Gebäude M. 12 a und vor der Veräußerung des mit dem Gebäude M 12 bebauten Grundstücksteils im Jahre 1993 eine rechtsgeschäftliche Erklärung über die Abtrennung der Realverbandsanteile von dem "Wohnhausgrundstück M. 12" abzugeben. Es existierte bis zu dem Vollzug der Trennung der Grundstücke kein isoliertes Wohnhausgrundstück."
Innerhalb der gesetzten Frist bis zum 9. September 2005 hat der Kläger zu dem Hinweisbeschluss des Senats vom 19. August 2005 keine Stellungnahme abgegeben, so dass die Berufung aus den Gründen des Hinweisbeschlusses als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.