Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 25.02.2004, Az.: 6 A 1204/00

Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Rettungsdiensten; Aufhebung des Bereitschaftsdienstes im Rettungsdienst; Nachtschicht als Bereitschaftsdienst oder Arbeitsbereitschaft; Aufhalten in der Dienststelle während des Bereitschaftsdienstes; Ruhen beziehungsweise Schlafen während des Bereitschaftsdienstes; Einhaltung der Eintreffzeiten im Rettungsdienst; Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie auf den Rettungsdienst; Geltung des Arbeitzeitgesetzes für den Rettungsdienst; Horizontale Wirkungen der Arbeitszeitrichtlinie

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
25.02.2004
Aktenzeichen
6 A 1204/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 11163
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2004:0225.6A1204.00.0A

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Verpflichtung der Kostenträger des Rettungsdienstes, die durch die Aufhebung des Bereitschaftsdienstes im Rettungsdienst entstehenden Mehrkosten zu tragen.

Redaktioneller Leitsatz

Ein Rettungsdienst, der es unterlässt, im Rahmen des rechtlich Möglichen den von ihm mit den Rettungsdienstleistungen Beauftragten zu veranlassen, Bereitschaftsdienst anzuordnen, um auf diese Weise zu günstigeren Personalkosten zu gelangen, arbeitet unwirtschaftlich.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Wermes,
die Richterin Reccius sowie
die ehrenamtlichen Richter Herr M. und Frau N.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tabestand

1

Der Kläger begehrt von den Beigeladenen die Erstattung der im Rettungsdienst durch den Wegfall des Bereitschaftsdienstes vom 1. September 1999 bis Ende 2000 entstandenen Mehrkosten in Höhe von insgesamt 368.000,00 DM (entspricht 188.155,41 EUR).

2

Der Kläger ist Träger des Rettungsdienstes im Landkreis O. Mit Vereinbarung vom 1. September 1993 beauftragte er den Kreisverband O. des Deutschen Roten Kreuzes (im Folgenden: DRK-Kreisverband O.) mit der Durchführung der Rettungsdienstleistungen für das gesamte Kreisgebiet. Auf die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb des DRK-Kreisverbandes O. Beschäftigten findet der Tarifvertrag (West) über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) in der Fassung vom 9. Juni 1999 Anwendung.

3

Nach längeren Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger als Rettungsdienstträger und den Beigeladenen als Kostenträgern über die Wirtschaftlichkeit und die anzuerkennenden betriebswirtschaftlichen Gesamtkosten des Rettungsdienstes beauftragte der Kläger am 29. Mai 1995 die P. mit der Überprüfung der Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes im Landkreis O.. In dem am 20. August 1996 erstellten Gutachten empfiehlt die Firma Q.u.a., für die einsatzschwache Zeit zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr Bereitschaftsdienst anzuordnen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten der Firma Q. verwiesen.

4

Diese Empfehlung übernahm der Kläger in den neuen Bedarfsplan für den Rettungsdienst vom 9. November 1998 unter Ziffer 2.3 und veranlasste gleichzeitig den von ihm mit den Rettungsdienstleistungen beauftragten DRK-Kreisverband O., ab 1. März 1998 die einsatzschwache Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr als Bereitschaftsdienst zu bewerten.

5

Bereits im folgenden Jahr beabsichtigte der Kläger, den gerade eingeführten Bereitschaftsdienst im Rettungsdienst wieder aufzuheben. Seiner Ansicht nach sei Bereitschaftsdienst im Rahmen des dienstplanmäßigen Schichtbetriebes arbeitsrechtlich nicht zulässig. Im Rettungsdienst sei die regelmäßige Arbeitszeit aufgrund regelmäßiger Arbeitsbereitschaft bereits auf 49 Wochenstunden verlängert worden. Die zusätzliche Anordnung von Bereitschaftsdienst - mit der Folge von 54 Wochenstunden - sei nur zulässig, wenn während dieser zusätzlichen Arbeitszeit von 5 Wochenstunden ein Weniger an Arbeitsleistung verlangt werde. Dies könne im Rettungsdienst aber nicht gewährleistet werden. Auch während des Bereitschaftsdienstes sei das anwesende Rettungsdienstpersonal verpflichtet, sich in der Rettungswache aufzuhalten und unverzüglich einen von der Rettungsleitstelle angeordneten Einsatz zu übernehmen. Insoweit unterscheide sich die Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes nicht von der Leistung während der normalen Arbeitszeit. Außerdem habe die Anordnung von Bereitschaftsdienst zu einem wesentlich höheren Krankheitsstand geführt. Da sich das Personal nicht im Zustand wacher Aufmerksamkeit befinden müsse, sondern schlafen dürfe, verzögere sich zudem die Ausrückzeit für die Rettungsfahrzeuge.

6

In den Verhandlungen mit den Kostenträgern über den Wegfall des Bereitschaftsdienstes und die Übernahme der dadurch entstehenden Mehrkosten erklärten die Beigeladenen, dass sie nicht bereit seien, die durch die vom Kläger beabsichtigte Aufhebung des Bereitschaftsdienstes entstehenden Mehrkosten zu tragen. Der Bereitschaftsdienst sei im DRK-TV vorgesehen und gehöre daher zum Merkmal eines wirtschaftlich arbeitenden Rettungsdienstes.

7

Da die Mehrkosten für den Wegfall des Bereitschaftsdienstes im Rahmen der Verhandlungen über die Abrechnung von Entgelten im Rettungsdienst der einzige Streitpunkt blieben, trafen der Kläger und die Beigeladenen am 20. Juli 1999 für die Zeit ab 1. September 1999 bis 31. Dezember 2000 eine vorläufige Vereinbarung über die Abrechnung von Beförderungsentgelten im Rettungsdienst. Die Vorläufigkeit der Vereinbarung ergibt sicht aus der Absprache in § 7 der Vereinbarung. Die Beigeladenen behielten sich darin vor, die Rechtmäßigkeit des Wegfalls des Bereitschaftsdienstes durch die Beklagte überprüfen zu lassen. Bis zur Klärung sollte der Kläger einen Eigenanteil jeweils in Höhe der Hälfte der durch den Wegfall des Bereitschaftsdienstes anfallenden Mehrkosten übernehmen.

8

Auf Veranlassung des Klägers hob der DRK-Kreisverband O. mit Beginn der Laufzeit der vorläufigen Vereinbarung zum 1. September 1999 den Bereitschaftsdienst wieder auf. Seitdem deckt er die Nachtzeiten von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr wieder mit regulären Arbeitszeiten ab. In der Neufassung des Bedarfsplans für den Rettungsdienst im Landkreis O. vom 11. Oktober 1999 ist diese organisatorische Veränderung unter Ziffer 2.3 erfasst. Die durch den Wegfall des Bereitschaftsdienstes entstandenen Mehrkosten betragen 92.000,00 DM für das Jahr 1999 und 276.000 DM für das Jahr 2000.

9

In dem daraufhin von der Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Schiedsstellenverfahren beantragten die Beigeladenen, an Stelle der vorläufigen Vereinbarung vom 20. Juli 1999 eine privatrechtliche Entgeltvereinbarung mit Wirkung ab 1. September 1999 festzusetzen, nach der die Gesamtkosten des Rettungsdienstes im Jahr 1999 5.125.456,00 DM und im Jahr 2000 4.900.788,00 DM betragen. In diesen Beträgen sind die durch die Aufhebung des Bereitschaftsdienstes anfallenden Mehrkosten nicht enthalten. Der Kläger beantragte im Schiedsstellenverfahren daher, die Beigeladenen zu verpflichten, auch die durch den Wegfall des Bereitschaftsdienstes entstehenden Mehrkosten zu tragen.

10

Mit Schiedsspruch vom 19. Mai 2000 stellte die Beklagte gemäß dem Antrag der Beigeladenen fest, dass der ab 1. September 1999 geltenden Vereinbarung zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens über die Abrechnung von Beförderungsentgelten für Leistungen des Rettungsdienstes im Kreisgebiet des Klägers vom 20. Juli 1999 Gesamtkosten des Rettungsdienstes von 5.125.456,00 DM für das Jahr 1999 und von 4.900.788,00 DM für das Jahr 2000 zugrunde liegen. Den Antrag des Klägers, die Beigeladenen zu verpflichten, auch die durch den Wegfall des Bereitschaftsdienstes entstehenden Mehrkosten zu tragen, lehnte die Beklagte ab.

11

Zur Begründung führte die Beklagte aus: Der Kläger sei als Rettungsdienstträger aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 15 Abs. 1 Satz 4 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes - NRettDG - verpflichtet, von der tarifvertraglichen Möglichkeit der Anordnung von Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 DRK-TV Gebrauch zu machen und damit die Kostenträger finanziell zu entlasten. Arbeitsrechtliche Bedenken gegen die Anordnung von Bereitschaftsdienst bestünden nicht. Die Voraussetzungen des Bereitschaftsdienstes würden im Rettungsdienst erfüllt. Nach dem Gutachten von Q. sei es möglich, den Bereitschaftsdienst ordnungsgemäß zu organisieren. Das Rettungsdienstpersonal befinde sich auf der Wache und könne dort schlafen. Es herrsche also Ruhezeit. In der Nachtzeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr seien die Einsätze selten, so dass Schlafen durchaus angebracht und möglich sei. Soweit einige Mitarbeiter des Rettungspersonals dies nicht schafften, müssten diese anderweitig beschäftigt werden. Im Übrigen sei die Funktionsfähigkeit und Sozialverträglichkeit des hier anzuwendenden Tarifvertrages über viele Jahre geprüft. Die arbeitnehmerfreundliche Haltung des Klägers möge zwar für die Mitarbeiter des DRK-Kreisverbandes O. erfreulich sein, müsse aber von den beigeladenen Kostenträgern nicht hingenommen werden. Soweit der Kläger einwende, ihm könne ohne den Wegfall des Bereitschaftsdienstes ein Organisationsverschulden vorgeworfen werden, treffe dies nicht zu. Die gesetzliche Eintreffzeit von 15 Minuten am Einsatzort in 95 % aller Fälle betreffe nicht nur die Nachtzeit, sondern umfasse alle Zeiten an allen Tagen als Durchschnitt über einen größeren Zeitraum hinweg. Zwar könne sich die übliche Ausrückzeit durch die Phase des Aufwachens etwas verlängern. Dafür gebe es in der Nachtzeit kaum Verkehrshindernisse, die die Ausrückzeit tagsüber in der Regel verlängerten, so dass in der Regel die Verlängerung der Ausrückzeit ausgeglichen werde. Auch nach Darstellung des Klägers werde die gesetzliche Eintreffzeit als allgemeiner Durchschnitt nicht tangiert. Seine Behauptung, dass seit Einführung von Bereitschaftsdienst im Rettungsdienst die Anzahl kranker Arbeitnehmer gestiegen sei, habe der Kläger nicht nachgewiesen. Im Übrigen hätten die Gewerkschaften längst auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen gedrungen, wenn durch die Anwendung der maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen tatsächlich gehäuft Krankheiten aufträten. Schließlich hätte der Kläger vor Abschaffung des Bereitschaftsdienstes prüfen müssen, ob nicht andere Hilfsorganisationen, die in anderen Landkreisen wirkten, die geforderte Leistung günstiger anbieten könnten als der DRK-Kreisverband O..

12

Gegen diesen Schiedsspruch hat der Kläger am 4. August 2000 Klage erhoben, soweit darin sein Antrag auf Verpflichtung der Beigeladenen, die durch den Wegfall des Bereitschaftsdienstes entstehenden Mehrkosten zu tragen, abgelehnt wird.

13

Zur Begründung macht der Kläger geltend: Die Auffassung der Beklagten, der Kläger sei aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes verpflichtet, von der tarifvertraglichen Möglichkeit der Anordnung von Bereitschaftsdienst Gebrauch zu machen, treffe nicht zu. Der Schiedsspruch verkenne den rechtlichen Unterschied zwischen regulärer Arbeitszeit einschließlich Arbeitsbereitschaft nach § 14 Abs. 2 DRK-TV und Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 DRK-TV und qualifiziere die vom Rettungspersonal zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr abverlangten Arbeitsleistungen zu Unrecht als Bereitschaftsdienst. Auch die Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr sei als regelmäßige Arbeitszeit mit Arbeitsbereitschaft anzusehen und könnte daher nicht dem Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 DRK-TV zugeordnet werden. Ein mit der Aufenthaltsverpflichtung an der Arbeitsstelle verbundener Dienst könne überhaupt nicht als Bereitschaftsdienst qualifiziert werden. Bereits begrifflich sei Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 DRK-TV nur "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" möglich. Eine Qualifizierung von arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen als Bereitschaftsdienst scheide daher schon dann aus, wenn diese Tätigkeiten der regelmäßigen Arbeitszeit im Sinne von § 14 Abs. 1 und 2 DRK-TV zuzuordnen seien. Davon sei hier auszugehen. Der Dienst der Mitarbeiter des Rettungsdienstes in dem Zeitraum von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr unterscheide sich in keiner Weise von Arbeitsleistungen, die die Mitarbeiter etwa in der Zeit von 23.00 Uhr bis 3.00 Uhr erbrächten. Beide Tätigkeiten seien daher nach den eindeutigen tariflichen Vorgaben als Arbeitszeit mit Arbeitsbereitschaft zu qualifizieren. Handele es sich aber um regelmäßige Arbeitszeit - wozu die Arbeitszeit mit Arbeitsbereitschaft zähle -, scheide begrifflich Bereitschaftsdienst aus, der nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 14 Abs. 5 DRK-TV nur "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" angeordnet werden könne. Für diese sich aus dem Wortlaut der einschlägigen Tarifbestimmungen ergebende Auslegung sprächen auch sachliche Gesichtspunkte: Die Vergütungseinbuße, die Mitarbeiter bei Anordnung von Bereitschaftsdienst erlitten (hier etwa 30 %) sei nur gerechtfertigt, wenn der Mitarbeiter bei der Bestimmung des Aufenthaltsortes größtmögliche Freiheit habe, seine privaten Angelegenheiten zu erledigen. Davon könne nicht ausgegangen werden, wenn als Aufenthaltsort die übliche Arbeitsstelle bestimmt werde. Nichts anderes ergebe sich, wenn man die vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 7. Juni 1999 entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung des Bereitschaftsdienstes zur regelmäßigen Arbeitszeit mit Arbeitsbereitschaft auf den vorliegenden Fall anwende. Das Landesarbeitsgericht habe in der zitierten Entscheidung einen Anspruch auf Nachzahlung von Vergütung anerkannt, da die von dem dortigen Kläger erbrachte Arbeitsleistung im Rettungsdienst als regelmäßige Arbeitsbereitschaft und damit als regelmäßige Arbeitszeit zu werten gewesen sei, obwohl der Arbeitgeber sie als Bereitschaftsdienst eingestuft habe. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass es nicht auf die vom Arbeitgeber gewählte Bezeichnung des Dienstes, sondern auf die konkret arbeitsvertraglich geschuldete Leistung ankomme. Die Anforderungen des Bereitschaftsdienstes seien geringer als die einer Arbeitsbereitschaft. Der Bereitschaftsdienst als solcher zähle zur Ruhezeit. Wache Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung werde - im Gegensatz zur Arbeitsbereitschaft - nicht gefordert. Übertrage man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, sei festzustellen, dass sich der Dienst des Rettungsdienstpersonals in der als Bereitschaftsdienst bezeichneten Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr inhaltlich nicht von dem Dienst in dem Zeitraum etwa von 23.00 Uhr bis 3.00 Uhr unterscheide. In beiden Zeitabschnitten sei die Anwesenheit der Mitarbeiter in der Rettungswache erforderlich. Auch in den Zeiten von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr werde wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung verlangt. In dieser Zeit falle auch nicht wesentlich weniger Arbeit als in der davor liegenden Zeit von 23.00 Uhr bis 3.00 Uhr an. Im Jahr 2000 habe es in den Nachtstunden zwischen 23.00 Uhr und 3.00 Uhr 652 und in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr 665 Fahrzeugeinsätze gegeben. Das Deklarieren bestimmter Teile einer Schicht als Bereitschaftsdienst sei daher rein willkürlich. In beiden Zeiträumen überwiege zwar normalerweise die einsatzlose Zeit. Da die Mitarbeiter aber jederzeit mit einem Einsatz rechnen müssten und tatsächlich auch jede Nacht Einsätze vorkämen (im Jahr 2002 habe es in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr 816 Einsätze - verteilt auf 4 Rettungswachen - gegeben), könnten sich die Mitarbeiter nicht entspannt ausruhen. Sie müssten vielmehr - ebenso wie in den Schichten am Tage - jederzeit sofort einsatzbereit sein. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 22. November 2000 (4 AZR 612/99) sei im vorliegenden Fall die Anordnung von Bereitschaftsdienst unzulässig. Zwar habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Nachtschicht eines Rettungsassistenten zu Recht als Bereitschaftsdienst im Sinne von § 14 Abs. 5 DRK-TV eingestuft worden sei. Der hier zu beurteilende Fall unterscheide sich aber von dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, da es den Mitarbeitern des vom Kläger beauftragten DRK-Kreisverbandes O. nicht erlaubt werden könnte, während des Bereitschaftsdienstes zu schlafen. Die Rettungswachen seien jeweils nur mit einer Schicht besetzt, die stets einsatzbereit sein müsste. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang die rechtliche Vorgabe der Ausrückzeit. In Niedersachsen dürfe der Zeitraum zwischen dem Beginn der Einsatzentscheidung durch die zuständige Rettungsleitstelle bis zum Eintreffen des ersten Rettungsmittels am Einsatzort in 95 % der in einem Jahr im Rettungsdienstbereich zu erwartenden Notfalleinsätze 15 Minuten nicht übersteigen. Die Anrückzeit könne nur dann kurz bemessen werden, wenn die Mitarbeiter auf einen Anruf sofort reagieren könnten. Wenn es dem Rettungsdienstpersonal erlaubt wäre zu schlafen, müsste zusätzliche Zeit für das Ankleiden der Mitarbeiter und ein Mindestmaß an Körperpflege eingeplant werden, was dazu führen würde, dass die gesetzlich vorgegebene Eintreffzeit nicht mehr sicher eingehalten werden könnte. Um die Eintreffzeit von 15 Minuten zu gewährleisten, blieben einem Rettungsassistenten auch bei Nachtschichten im Schnitt zwischen Alarmierung und Ausrücken allenfalls ein bis zwei Minuten Zeit. Schlafen oder eine Freizeitausübung seien daher ausgeschlossen. Deshalb habe der DRK-Kreisverband O. auf Veranlassung des Klägers mit Aufhebung des Bereitschaftsdienstes zum 1. September 1999 seine Mitarbeiter angewiesen, auch in den Nachtschichten nicht zu schlafen. Soweit die Beklagte vortrage, die durch das Schlafen bedingte Verlängerung der Ausrückzeit werde durch eine bei Nacht niedrigere Verkehrsdichte und damit verbundene geringere Fahrtzeiten ausgeglichen, stünden dem praktische Untersuchungen entgegen. Die Firma Q. habe in ihrem Schreiben vom 20. September 2001 bestätigt, dass eine pauschale Aussage, dass nachts schnellere Fahrzeiten durch Rettungsmittel erzielt werden könnten, nicht haltbar sei. Die Gewährleistung einer Eintreffzeit von 15 Minuten in 95 % aller Fälle sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dahingehend zu verstehen, dass von vornherein eine in 5 % der Fälle längere Eintreffzeit berücksichtigt werden dürfe. Vielmehr sei die 5 %-Regelung ausschließlich der Berücksichtigung nicht planbarer Ereignisse oder Erschwernisse wie etwa Glatteis, Schneefall oder Nebel vorbehalten. Die Eintreffzeit dürfe hingegen nicht ausgeschöpft werden, falls schnellere Hilfe möglich sei. Andernfalls liefe der Kläger Gefahr, wegen Organisationsverschuldens verantwortlich gemacht zu werden. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die Firma Q. in ihrem Gutachten fehlerhaft von einer Ausrückzeit von 1 Minute ausgegangen sei. Aus tatsächlichen Gründen sei eine Ausrückzeit von 1 Minute im Rettungsdienstbereich des Klägers nicht einzuhalten. Die vom Kläger vertretene Auffassung werde durch die Urteile des Verwaltungsgerichts Minden und des Arbeitsgerichts Kiel bestätigt. Das Verwaltungsgericht Minden habe in seinem Urteil vom 3. Oktober 2000 (4 K 3162/00) im Hinblick auf die Richtlinie 93/104/EG des Rates der Europäischen Gemeinschaft entschieden, dass Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit im Bereich des Arbeitgebers leiste, Arbeitszeit sei. Auch das Arbeitsgericht Kiel komme in seinem Urteil vom 8. November 2001 (ö.D. 1 Ca 2113 d/01) unter Berücksichtigung der Richtlinie 93/104/EG zu dem Ergebnis, dass der Bereitschaftsdienst eines Arztes, der sich zwingend in der Klinik habe aufhalten und dort auf Anordnung gegebenenfalls anfallende Arbeit habe erledigen müssen, Arbeitszeit darstelle. Schließlich habe der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 2003 (C-151/02) entschieden, dass Bereitschaftsdienst im Hinblick auf die Richtlinie 93/104/EG der Arbeitszeit zuzurechnen sei. Zwar sehe sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Februar 2003 (1 ABR 2/02) gehindert, den Begriff des Bereitschaftsdienstes im Sinne des EuGH-Urteils auszulegen, da das derzeitige Arbeitszeitgesetz eine solche Auslegung nicht zulasse und es daher Sache des Gesetzgebers sei, das Arbeitszeitgesetz zu ändern. Demgegenüber habe jedoch das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 19. Januar 1988 (1 C 11/85) für die Beurteilung der Frage, ob Bereitschaftsdienst der Arbeitszeit oder der Ruhezeit zuzuordnen sei, wie der Europäische Gerichtshof an den Schutzzweck der Arbeitszeitvorschriften angeknüpft und deutlich gemacht, dass die Zuordnung eines Bereitschaftsdienstes zur Arbeits- oder zur Ruhezeit davon abhänge, in welchem Maß dieser Dienst in seiner konkreten Ausprägung den Betroffenen binde und belaste. Da im vorliegenden Fall die Belastung für die Mitarbeiter die gleiche sei wie bei normaler Arbeitszeit und das Rettungsdienstpersonal verpflichtet sei, sich in der Rettungswache aufzuhalten, könne kein Bereitschaftsdienst vorliegen.

14

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beigeladenen über die festgesetzten Beträge hinaus die durch den Wegfall des Bereitschaftsdienstes entstandenen Mehrkosten in Höhe von 92.000,00 DM für das Jahr 1999 und 276.000,00 DM für das Jahr 2000, insgesamt damit für das Jahr 1999 5.217.456,00 DM und für das Jahr 2000 5.176.788,00 DM, zu tragen haben, und den Schiedsspruch der Beklagten vom 19. Mai 2000 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie erwidert: Sie habe mit dem angefochtenen Schiedsspruch gemäß § 18 Abs. 1 NRettDG die einvernehmliche Feststellung der Gesamtkosten des Rettungsdienstes nach § 15 Abs. 1 Satz 3 NRettDG zwischen dem Kläger und den Beigeladenen ersetzen müssen. Maßstab der Feststellung seien die Kosten eines wirtschaftlich arbeitenden Rettungsdienstes. Zur Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes gehöre es, im Rahmen der geltenden Tarifverträge zu möglichst günstigen Personalkosten zu gelangen. Da der vom Kläger mit den Aufgaben des Rettungsdienstes beauftragte DRK-Kreisverband O. der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes angehöre, gelte für seine Arbeitsverhältnisse der DRK-TV. Nach § 14 Abs. 5 des DRK-TV seien die Mitarbeiter "verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst)". Die Durchführung von Bereitschaftsdienst sei - wie der Klagantrag zeige - kostengünstiger als die Einbeziehung der betreffenden Zeit in die regelmäßige Arbeitszeit. Unzutreffend sei der Einwand des Klägers, die Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst lägen nicht vor. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst ergäben sich allein aus § 14 Abs. 5 Satz 2 DRK-TV. Danach dürfe der Arbeitgeber Bereitschaftsdienst anordnen, wenn zu erwarten sei, dass zwar Arbeit anfalle, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiege. In einem solchen Fall könne davon ausgegangen werden, dass wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung, wie § 14 Abs. 2 Buchst. c) DRK-TV sie als unterste Stufe der Tätigkeit im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit fordere, nicht mehr erforderlich sei. Weitere Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst nenne der Tarifvertrag nicht. Unzutreffend sei deshalb, Bereitschaftsdienst könne nur an der Arbeitsstelle selbst angeordnet werden. Vielmehr berechtige § 14 Abs. 5 Satz 1 DRK-TV den Arbeitgeber, Bereitschaftsdienst an einer von ihm bestimmten Stelle anzuordnen. Im organisierten Rettungsdienst, für den die tarifliche Regelung über den Bereitschaftsdienst ausdrücklich auch gelten solle, liege es besonders nahe, die Rettungswache und damit die Arbeitsstelle des Mitarbeiters als Einsatzort auszuwählen. Andernfalls ließe sich ein die geforderten Eintreffzeiten berücksichtigender Bereitschaftsdienst kaum wirkungsvoll organisieren. Auch das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Urteil vom 22. Oktober 2000 (4 AZR 612/99) bestätigt, dass bei der Anordnung von Bereitschaftsdienst als Aufenthaltsort die Arbeitsstelle des Mitarbeiters ausgewählt werden könne. Soweit der Kläger sich darauf berufe, die Vergütungseinbuße, die Mitarbeiter bei Anordnung von Bereitschaftsdienst erlitten, sei sachlich nur gerechtfertigt, wenn der Mitarbeiter bei der Bestimmung des Aufenthaltsortes eine größtmögliche Freiheit habe, verkenne der Kläger, dass der Tarifvertrag ein solches privatnütziges Optimierungsgebot nicht enthalte. Zutreffend gehe der Schiedsspruch davon aus, dass die Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst im Rettungsdienst des Klägers in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr vorlägen. Der Kläger weise zwar zu Recht darauf hin, dass der Arbeitgeber Zeiten, die die ständige wache Aufmerksamkeit des Mitarbeiters erforderten, nicht willkürlich zum Bereitschaftsdienst "umetikettieren" dürfe. Dies sei hier aber auch nicht geschehen. Das Tätigwerden der Mitarbeiter des Rettungsdienstes erfordere in der einsatzschwächsten Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr nicht ständig wache Aufmerksamkeit. Das Gutachten der Firma Q. ergebe für den fraglichen Zeitraum eindeutig ein Einsatz-Tagesminimum. Die Arbeitsleistung liege in dieser Zeit unter 25 %, übersteige durchweg insgesamt 30 % nicht. Die Firma Q. habe aus dem geringen Einsatzaufkommen den fachlichen Schluss gezogen, dass Bereitschaftsdienst angeordnet werden dürfe und die Anordnung unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit auch geboten sei. Diese folgerichtige Einschätzung habe sich die Beklagte zu Eigen gemacht. Sie stehe auch nicht im Widerspruch zu der vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Unterscheidung zwischen Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst, sondern füge sich in diese Unterscheidung ein: Nach dem sachverständigen Urteil der Firma Q. sei die festgestellte Quote reiner Arbeitszeit so gering, dass von den Mitarbeitern in den Pausen wache Aufmerksamkeit nicht mehr gefordert werden müsse. Die Arbeitspausen seien vielmehr groß genug, um sich anderweitig zu beschäftigen, zu ruhen und zu schlafen. Auch das Bundesarbeitsgericht habe in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass ein Mitarbeiter, der während der Nachtschicht schlafe und erst durch einen von einem Mitarbeiter der Rettungsdienstleitstelle getätigten Telefonruf geweckt werde, um dann entsprechend dem Einsatzbefehl tätig zu werden, nicht lediglich eine geringere Arbeitsleistung erbringe, sondern bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Bereitschaftsdienst leiste. Soweit sich der Kläger darauf stütze, dass es die niedersächsische Rechtslage anders als das der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegende rheinland-pfälzische Rettungsdienstgesetz vorliegend nicht zulasse, dass die Mitarbeiter während der Nachtschicht schliefen, da ansonsten die in § 2 Abs. 3 der Verordnung über die Bemessung des Bedarfs an Einrichtungen des Rettungsdienstes - BedarfVO-RettD - angeordneten Eintreffzeiten nicht eingehalten werden könnten, sei dieser Vortrag unzutreffend. Nach § 2 Abs. 3 BedarfVO-RettD solle die Eintreffzeit in 95 % der in einem Jahr im Rettungsdienst zu erwartenden Notfalleinsätze 15 Minuten nicht übersteigen. Entgegen der Auffassung des Klägers müsse die Eintreffzeit nicht in 95 % der Notfalleinsätze zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr 15 Minuten unterschreiten. Abzustellen sei vielmehr auf sämtliche Einsätze eines Jahres. Insoweit habe der Kläger im Schiedsverfahren vorgetragen, dass auch in dem Zeitraum, in dem Bereitschaftsdienst angeordnet gewesen sei, die geforderte Eintreffzeit eingehalten worden sei. Komme der Kläger seinen rechtlichen Verpflichtungen somit nach, sei kein Raum für die Annahme eines "Organisationsverschuldens". Im Übrigen habe der Kläger bislang in keiner Weise belegt, dass eine Befugnis, während der Nachtschicht zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr zu schlafen, die Eintreffzeit überhaupt in signifikanter Weise verlängere. Vom Gegenteil sei auf der Grundlage des FORPLAN-Gutachtens auszugehen. Den Gutachtern sei die Unterscheidung zwischen Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst im DRK-TV sowie die niedersächsische Rechtslage bekannt gewesen. Gleichwohl hätten sie für den Zeitraum von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr die Anordnung von Bereitschaftsdienst vorgeschlagen. Die Gutachter hätten damit die Anordnung von Bereitschaftsdienst nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus rechtlicher Sicht für zulässig erachtet. Der Kläger könne auch mit seinem Einwand, die Verhältnisse in der Zeit von 23.00 Uhr bis 3.00 Uhr unterschieden sich nicht von denen zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr, keinen Erfolg haben. Selbst wenn die Einschätzung des Klägers zutreffen sollte, ergäbe sich hieraus kein Zwang, die Zeit des Bereitschaftsdienstes zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr in die regelmäßige Arbeitszeit einzubeziehen. Da alle Mitarbeiter des beauftragten DRK-Kreisverbandes O. gleich behandelt und nicht einzelne Mitarbeiter bevorzugt würden, sei es nicht willkürlich, wenn unterschiedliche Zeiten je unterschiedlich eingestuft würden. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes könne man allenfalls problematisieren, ob es nicht geboten sei, auch den weiteren einsatzärmeren Zeitraum zwischen 23.00 Uhr und 3.00 Uhr als Bereitschaftsdienst einzustufen. Soweit der Kläger sich auf zwei erstinstanzliche Urteile des Verwaltungsgerichts Minden und des Arbeitsgerichts Kiel berufe, könne dies nicht zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen. Beide Urteile stützten sich für die im dortigen Zusammenhang jeweils vertretene Auffassung, Bereitschaftsdienst sei als Arbeitszeit anzusehen, auf das sog. SIMAP-Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000. Allerdings beträfen beide Urteile andere als die hier zur Entscheidung stehenden Rechtsfragen. Zudem habe das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 22. November 2000 entschieden, dass die Richtlinie 93/104/EG für die Auslegung des § 14 Abs. 2 und 5 DRK-TV nicht entscheidungserheblich sei, da sie sich nicht mit der Frage, wie Bereitschaftsdienst zu vergüten sei, sondern lediglich mit der Frage, ob Bereitschaftsdienst im Sinne des öffentlichen Arbeitsschutzrechts als Arbeitszeit anzusehen sei, befasse. Im Übrigen sei die vom Arbeitsgericht Kiel vorgenommene Auslegung auf die hier Streitentscheidende Auslegung des DRK-TV nicht übertragbar. Der DRK-TV unterscheide bei den Vergütungsregelungen eindeutig zwischen regelmäßiger Arbeitszeit in Form von Arbeitsbereitschaft (§ 14 Abs. 2 Buchst. c)) und Bereitschaftsdienst (§ 14 Abs. 5). Insofern wäre eine Auslegung dieser Bestimmungen, die regelmäßige Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst in dem hier allein interessierenden vergütungsrechtlichen Zusammenhang gleichsetze, eine nicht zulässige Auslegung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des Tarifvertrages. Es sei auch nicht erkennbar, aufgrund welcher Erwägungen die Richtlinie 93/104/EG unmittelbare Auswirkungen auf die Auslegung des dem Privatrecht zugehörigen Tarifvertrages haben könnte. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2003 ändere an der rechtlichen Beurteilung des Rechtsstreits nichts. Der Europäische Gerichtshof habe zwar entschieden, dass Bereitschaftsdienst nach der Richtlinie 93/104/EG der Arbeitszeit zuzuordnen sei. Die Richtlinie 93/104/EG habe aber keine unmittelbare Auswirkung auf die zwischen Privaten anwendbaren Tarifverträge. Dies sei vom Bundesarbeitsgericht in Kenntnis der Tatsache entschieden worden, dass die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, auf dem auch die in Streit stehenden tariflichen Regelungen beruhten, den Anforderungen der Richtlinie 93/104/EG nicht genügten. Im Übrigen betone auch der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. September 2003, dass es dort allein um die arbeitsschutzrechtliche, nicht aber um die vergütungsrechtliche Einordnung des Bereitschaftsdienstes i.S.d. Arbeitszeitgesetzes gegangen sei. Selbst wenn somit der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit i.S.d. Arbeitsschutzrichtlinie anzusehen sei, bedeute dies nicht zwingend, dass er künftig auch voll wie Arbeitszeit zu vergüten sei.

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Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Sie schließen sich den Ausführungen der Beklagten an und tragen ergänzend vor:

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Soweit der Kläger einwende, dass den Mitarbeitern auf den Rettungswachen in seinem Gebiet seit Aufhebung des Bereitschaftsdienstes zum 1. September 1999 das Schlafen während der Arbeitszeit untersagt sei, bestünden hieran Zweifel. In dem Verhandlungsgespräch über Entgelte im Rettungsdienst am 17. April 2000 hätten sowohl der Kläger als auch der von diesem beauftragte DRK-Kreisverband O. die Schaffung von zusätzlichen Schlaf- und Umkleidemöglichkeiten gefordert. Zudem sei etwa einem Grundriss der Rettungswache R. zu entnehmen, dass dort tatsächlich zwei Schlafräume vorgehalten würden.

19

Soweit der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. September 2003 im Hinblick auf die Richtlinie 93/104/EG den Bereitschaftsdienst der Arbeitszeit zuordne, habe das Bundesarbeitsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 18. Februar 2003 entschieden, dass die Richtlinie 93/104/EG zwischen einem privaten Arbeitgeber - um einen solchen handele es sich bei dem vom Kläger mit dem Rettungsdienst beauftragten DRK-Kreisverband O. - und einem Arbeitnehmer keine unmittelbaren Anspruchsbeziehungen begründe, so dass ein Anwendungsvorrang der Richtlinie und die damit verbundene Nichtanwendung der entgegenstehenden nationalen Vorschriften nicht in Betracht komme. Im Übrigen sei zum 1. Januar 2004 das Arbeitszeitgesetz geändert worden. Der Bereitschaftsdienst sei hierbei nicht aufgehoben worden, sondern auch künftig nach § 7 Abs. 2 a ArbZG n.F. möglich und zulässig. Zudem enthalte § 25 ArbZG n.F. eine Übergangsregelung für bestehende Tarifverträge, die den in den §§ 7 Abs. 1 u. 2, 12 Satz 1 ArbZG n.F. festgelegten Höchstrahmen überschritten. Hiernach blieben am 1. Januar 2004 bestehende tarifvertragliche Regelungen bis zum 31. Dezember 2005 unberührt, so dass der DRK-TV, der in § 14 Abs. 2 Buchst. c) eine wöchentliche Arbeitszeit von 54 Stunden zulasse, weiterhin uneingeschränkt anwendbar sei. Außerdem sei Presseinformationen zu entnehmen, dass die EU-Kommission eine Neuregelung der Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG anstrebe. Es sei geplant, es den Mitgliedstaten künftig selbst zu überlassen, wie sie einen Bereitschaftsdienst einstufen wollten.

20

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

22

Der vom Kläger angefochtene Schiedsspruch der Beklagten vom 19. Mai 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Die Beklagte ist gemäß § 18 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes - NRettDG - vom 29. Januar 1992 (Nds. GVBl. S. 21) für den Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19. Mai 2000 zuständig und dazu auch befugt gewesen. Nach § 18 Abs. 1 NRettDG ist die Beklagte zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Trägern des Rettungsdienstes - hier der Kläger - und den Kostenträgern - hier die Beigeladenen - über Kosten und Entgelte sowie über den Abschluss oder die Durchführung von Vereinbarungen nach den §§ 15 und 17 NRettG eingerichtet worden. Eine solche Vereinbarung nach § 15 NRettDG, mit der sich der Träger des Rettungsdienstes mit den Kostenträgern auf privatrechtliche Entgelte für Leistungen des Rettungsdienstes einigt, ist zwischen den Beteiligten für die Zeit ab 1. September 1999 (bis Ende 2000) nicht zu Stande gekommen. Aus § 7 der zwischen den Beteiligten am 20. Juli 1999 getroffenen vorläufigen Vereinbarung über die Abrechnung von Beförderungsentgelten für Leistungen des Rettungsdienstes im Landkreis O. ergibt sich, dass über die durch die Aufhebung des Bereitschaftsdienstes im Rettungsdienst anfallenden Mehrkosten in Höhe von insgesamt 368.000,00 DM keine - endgültige - Einigung erzielt werden konnte. Dieses Fehlen einer Vereinbarung wird nach der gesetzlichen Konzeption durch eine Entscheidung der Beklagten ersetzt, wenn eine der streitenden Parteien - wie im vorliegenden Fall die Beigeladenen - eine solche Entscheidung gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 NRettDG beantragt.

24

Der vom Kläger angefochtene Schiedsspruch der Beklagten vom 19. Mai 2000, mit dem die Beklagte nach § 18 Abs. 1 NRettDG die einvernehmliche Feststellung der Gesamtkosten des Rettungsdienstes gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 NRettDG zu ersetzen hatte, ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass für einen wirtschaftlich arbeitenden Rettungsdienst im Landkreis O. für den Zeitraum vom 1. September 1999 bis Ende Dezember 2000 die durch den Wegfall des Bereitschaftsdienstes anfallenden Mehrkosten in Höhe von 92.000,00 DM für das Jahr 1999 und in Höhe von 276.000,00 DM für das Jahr 2000 nicht anzusetzen waren.

25

Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 NRettDG muss die Summe der Entgelte die vom Träger des Rettungsdienstes und den Kostenträgern einvernehmlich festgestellten Gesamtkosten des Rettungsdienstes decken. Maßstab der Feststellung sind die Kosten eines wirtschaftlich arbeitenden Rettungsdienstes (§ 15 Abs. 1 Satz 4 NRettDG). Hiernach ist es geboten, dass sich auch die Beklagte an den Kriterien des § 15 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 NRettDG orientiert (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 7. November 1997 - 7 L 7458/95).

26

Indem der Kläger den von ihm mit dem Rettungsdienst beauftragten DRK-Kreisverband O. zur Aufhebung des Bereitschaftsdienstes in dem Zeitraum von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr veranlasst hat, wodurch Mehrkosten in Höhe von 368.000,00 DM entstanden sind, hat der Kläger gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 4 NRettDG normierte Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen mit der Folge, dass die Beigeladenen diese Mehrkosten nicht zu tragen haben.

27

Das Gebot der Wirtschaftlichkeit verlangt, entweder mit den gegebenen Mitteln den größtmöglichen Erfolg zu erreichen oder einen bestimmten Erfolg mit den geringstmöglichen Mitteln zu verwirklichen, insgesamt also eine möglichst günstige Relation zwischen Aufwand und Nutzen, zwischen Zweck und Mitteln zu erreichen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot erlangt vor allem dann Bedeutung, wenn verschiedene gleichwertige Maßnahmen zur Verfügung stehen, die unterschiedlich hohe Kosten verursachen. In solchen Fällen ist die jeweils kostengünstigste Maßnahme anzuwenden. Die Beurteilung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes in § 15 Abs. 1 Satz 4 NRettDG hat sich auch an dem in § 2 Abs. 1 NRettDG normierten Sicherstellungsauftrag der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 NRettDG hierfür verantwortlichen Rettungsdienstträger zu orientieren, wonach der Rettungsdienst dauerhaft, flächendeckend und bedarfsgerecht eingerichtet und betrieben werden muss. (vgl. hierzu Ufer, NRettDG, Kommentar, Stand Oktober 2002, § 15, Erl. 6 m.w.N.).

28

Gemessen an diesen Maßstäben arbeitet ein Rettungsdienst, der es - wie der Kläger - unterlässt, im Rahmen des rechtlich Möglichen den von ihm mit den Rettungsdienstleistungen Beauftragten zu veranlassen, Bereitschaftsdienst anzuordnen, um auf diese Weise zu günstigeren Personalkosten zu gelangen, unwirtschaftlich. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Anordnung von Bereitschaftsdienst im Rettungsdienstbereich des Landkreises O. zu erheblichen Einsparungen führt. Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet die Anordnung von Bereitschaftsdienst für die Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr auch keinen rechtlichen Bedenken.

29

Auf die Arbeitsverhältnisse zwischen DRK-Kreisverband O. und den Rettungsdienstmitarbeitern kommt nach deren Vereinbarung der DRK-TV zur Anwendung. Es gilt somit die Arbeitszeitregelung des § 14 DRK-TV. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Nachtschicht von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr als Bereitschaftsdienst im Sinne von § 14 Abs. 5 DRK-TV eingestuft werden kann oder nur eine Einordnung als Arbeitsbereitschaft gemäß § 14 Abs. 2 DRK-TV in Betracht kommt.

30

Während Arbeitsbereitschaft im Sinne von § 14 Abs. 2 DRK-TV, die in vollem Umfang als Arbeitszeit gilt, nicht weiter definiert wird, nennt der Tarifvertrag die einzelnen Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst in § 14 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 1 DRK-TV. Danach ist ein Mitarbeiter verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 DRD-TV nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.

31

Nach dem eindeutigen Willen der Tarifvertragsparteien ist die Anordnung von Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 DRK-TV auch für Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport zulässig. Dies ergibt sich aus der Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 DRK-TV. Darin haben die Tarifvertragsparteien für Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport eine Sonderregelung getroffen, durch die zwar die Möglichkeit des Arbeitgebers zur Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 DRK-TV für diesen Personenkreis eingeschränkt wird. Hinsichtlich der Vorschrift des § 14 Abs. 5 DRK-TV hingegen haben sie gerade keine Sonderregelung für Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport getroffen. Die tarifliche Regelung für die Anordnung von Bereitschaftsdienst soll daher uneingeschränkt für Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport gelten (vgl. BAG, Urteil vom 22. November 2000 - 4 ARZ 612/99 - BAGE 96, 284 [BAG 22.11.2000 - 4 AZR 612/99]).

32

Bei dem hier streitigen Zeitraum von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr liegen die Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst vor.

33

Darin, dass in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr für die Mitarbeiter des DRK-Kreisverbandes O. im Rettungsdienst erfahrungsgemäß die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt, stimmen sämtliche Beteiligte überein.

34

Der Anordnung von Bereitschaftsdienst steht auch nicht entgegen, dass sich die Mitarbeiter im Rettungsdienst an der Arbeitsstelle aufhalten müssen. "Vom Arbeitgeber bestimmte Stelle" im Sinne von § 14 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 1 DRK-TV kann auch die Arbeitsstelle des Mitarbeiters sein (vgl. BAG, Urteile vom 22. November 2000 (a.a.O.) und vom 5. Juni 2003 (6 AZR 114/02 -, zitiert nach juris)). Der Wortlaut der Vorschrift gibt für die vom Kläger vorgenommene gegenteilige Auslegung nichts her. Hinzu kommt, dass es im Rettungsdienst zwingend erforderlich ist, dass sich die Rettungsdienstmitarbeiter in der Rettungswache aufhalten, um die gesetzlich vorgeschriebene Eintreffzeit gewährleisten zu können. Die vom Kläger vertretene Auffassung führte deshalb dazu, dass Bereitschaftsdienst im Rettungsdienst nicht in Betracht käme. Dies entspricht nicht den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien. Wie bereits dargestellt haben die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Vorschrift des § 14 Abs. 5 DRK-TV - anders als etwa zur Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit - keine Sonderregelung getroffen, so dass es ihrem Willen entspricht, dass die tarifliche Regelung für die Anordnung von Bereitschaftsdienst auch für Mitarbeiter des Rettungsdienstes gilt. Dass die Tarifvertragsparteien aber eine praktisch bedeutungslose Regelung schaffen wollten, kann nicht angenommen werden (vgl. hierzu auch BAG, Urteil vom 30. Januar 1996 - 3 AZR 1030/94 - NZA 1996, 1164).

35

Auch soweit der Kläger aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 1988 in dem Verfahren 1 C 11.85 (NZA 1988, 881 [BVerwG 19.01.1988 - BVerwG 1 C 11.85]) ableitet, Bereitschaftsdienst könne nur außerhalb der Dienststelle geleistet werden, kann dem nicht gefolgt werden. Das Bundesverwaltungsgericht geht gerade nicht davon aus, dass ein der Ruhezeit zuzuordnender Bereitschaftsdienst nur außerhalb der Arbeitsstelle geleistet werden kann. Das Gericht führt lediglich den Umstand, dass der Dienst nicht im Betrieb des Arbeitgebers geleistet werden muss, als einen von mehreren Gesichtspunkten an, der für die Zuordnung des Dienstes zur Ruhezeit spricht.

36

Die Auffassung des Klägers, es handele sich bei der Schicht von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr um Arbeitsbereitschaft im Sinne § 14 Abs. 2 c DRK-TV und damit um Arbeitszeit, trifft ebenfalls nicht zu. Unter welchen Voraussetzungen Arbeitszeit mit Arbeitsbereitschaft nach § 14 Abs. 2 c DRK-TV und wann im Unterschied dazu Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 Unterabs. 1 DRK-TV vorliegt, hat das Bundesarbeitsgericht in seinen Urteilen vom 30. Januar 1996, vom 22. November 2000 und vom 5. Juni 2003 (jeweils a.a.O.) dargelegt. Bei der Abgrenzung stellt das Bundesarbeitsgericht insbesondere auf den Wortlaut der Normen ab. Im Einzelnen führt es aus:

37

Die Anforderungen des Bereitschaftsdienstes sind noch geringer als die einer Arbeitsbereitschaft. Der Bereitschaftsdienst als solcher zählt zur Ruhezeit. Er ist nur eine Aufenthaltsbeschränkung verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden. "Wache Aufmerksamkeit" wird nicht verlangt. Der Arbeitnehmer kann ruhen oder sich sonst wie beschäftigen und muss nicht von sich aus tätig werden, sondern nur auf Anweisung des Arbeitgebers. Dieser Inhalt des Bereitschaftsdienstes ergibt sich aus der in § 14 Abs. 5 DRK-TV enthaltenen Begriffsbestimmung. Danach liegt Bereitschaftsdienst vor, wenn sich der Arbeitnehmer an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten muss, "um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen". Dagegen verlangt § 14 Abs. 2 Unterabs. 3 DRK-TV, dass der Arbeitnehmer an der Arbeitsstelle anwesend sein muss, "um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten". Diese Bestimmung enthält nach ihrem Wortlaut nicht nur eine stärkere Beschränkung des Aufenthaltsortes, sondern sieht auch mehr Initiative der Arbeitnehmer beim Tätigwerden vor. Die Arbeitnehmer müssen nicht nur die im Bedarfsfall vorkommende Arbeit auf Anforderung des Arbeitgebers "aufnehmen", sondern von sich aus diese Arbeiten "verrichten". Bereits die unterschiedliche Wortwahl in derselben Vorschrift deutet auf einen unterschiedlichen Regelungsgehalt hin.

38

Unter Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 22. November 2000 (a.a.O.) entschieden, dass der Nachtdienst eines Rettungsassistenten, in dem der Arbeitnehmer die Befugnis zum Schlafen hat, Ruhezeit sei und damit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zum Bereitschaftsdienst im Sinne des § 14 Abs. 5 Unterabs. 1 DRK-TV gehöre, der als solcher zur Ruhezeit zähle und die Anforderungen des § 14 Abs. 2 c DRK-TV nicht erfülle. Ein Mitarbeiter, der während der Nachtschicht schlafe, werde nicht von sich aus, also aus eigener Initiative tätig, wenn er erst durch einen vom Arbeitgeber getätigten Telefonanruf geweckt werde, um dann - entsprechend dem Einsatzbefehl der Rettungsleitstelle - tätig zu werden. Der schlafende Mitarbeiter erbringe nicht, wie dies in § 14 Abs. 2 c DRK-TV vorausgesetzt werde, eine im Verhältnis zur Vollarbeit graduell geringere Arbeitsleistung, sondern gar keine Arbeitsleistung. Vielmehr ruhe er. Das Bundesarbeitsgericht hat mit dieser Entscheidung das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juni 1999 (4 Sa 218/99), auf das der Kläger seine gegenteilige Ansicht vornehmlich gestützt hat, aufgehoben.

39

Übertragen auf den hier zu beurteilenden Fall bedeutet das, dass die Rettungsdienstmitarbeiter des DRK-Kreisverbandes O. genau wie die Rettungsassistenten in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall in dem hier streitigen Zeitraum von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr Bereitschaftsdienst im Sinne von § 14 Abs. 5 DRK-TV ausüben. Sie sind während des Dienstes verpflichtet, sich in der Rettungsdienststelle aufzuhalten. Sie werden tätig auf Telefonanrufe der Rettungsleitstelle. Nach Beendigung der Einsatzfahrt haben die Mitarbeiter noch die Einsatzbereitschaft des Rettungsmittels wiederherzustellen. Weitere Tätigkeiten sind vom Nachtschichtpersonal in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr nicht zu leisten. Nach Angaben des Klägers hat es im Jahr 2000 im gesamten Kreisgebiet in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr 665 Fahrzeugeinsätze gegeben. Jede der vier Rettungswachen musste daher im Schnitt 166 Fahrzeugeinsätze erbringen. Im Jahr 2002 soll es nach Angaben des Klägers in dem fraglichen Zeitraum von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr insgesamt 816 Einsätze (im Schnitt damit 204 Einsätze pro Rettungswache) gegeben haben. Selbst unter Zugrundelegung dieser gestiegenen Einsatzzahlen kommt es damit nahezu in jeder zweiten Nacht in den einzelnen Rettungswachen zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr zu keinem Einsatz. Soweit der Kläger einwendet, er könne - anders als in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Fall - nicht zulassen, dass die Rettungsdienstmitarbeiter während der Zeit des Bereitschaftsdienstes schliefen, da ansonsten die in § 2 Abs. 3 BedarfVO-RettD angeordnete Eintreffzeit nicht eingehalten werden könnte, steht dies einer Einstufung als Bereitschaftsdienst im Sinne von § 14 Abs. 5 DRK-TV nicht entgegen.

40

Zum einem erbringt nicht nur ein schlafender, sondern auch ein in anderer Weise ruhender Mitarbeiter, der erst und ausschließlich tätig wird, wenn er durch den Anruf der Rettungsdienstleitstelle dazu aufgefordert wird, bis zu seinem Einsatz - genau wie ein schlafender Mitarbeiter - keine Arbeitsleistung. Er hat sich während des angeordneten Bereitschaftsdienstes nicht unter einer besonderen Anspannung in der Rettungswache aufzuhalten, um von sich aus im Notfall die Initiative zu ergreifen. Vielmehr darf er sich während dieser Zeit entspannen und zu diesem Zweck von ihm selbst bestimmten privaten Aktivitäten nachgehen, etwa lesen oder fernsehen.

41

Zum anderen hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb in seinem Rettungsdienstgebiet die in § 2 Abs. 3 BedarfVO-RettD angeordneten Eintreffzeiten nicht eingehalten werden könnten, wenn Schlafen in der hier maßgeblichen Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr erlaubt wäre. Nach § 2 Abs. 3 BedarfVO-RettD soll der Zeitraum zwischen dem Beginn der Einsatzentscheidung durch die zuständige Rettungsleitstelle bis zum Eintreffen des ersten Rettungsmittels am Einsatzort (Eintreffzeit) in 95 vom Hundert der in einem Jahr im Rettungsdienstbereich zu erwartenden Notfalleinsätze 15 Minuten nicht übersteigen. Im Kreisgebiet O. sind auch in dem Zeitraum, in dem der DRK-Kreisverband O. auf Veranlassung des Klägers Bereitschaftsdienst für den Zeitraum von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr angeordnet hatte, die gesetzlich geforderten Eintreffzeiten von 15 Minuten in 95 % aller Fälle eingehalten worden, obwohl Schlafen erlaubt war. Dies hat der Kläger in einem im Schiedsstellenverfahren an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 3. Januar 2000 selbst eingeräumt. Mehr verlangt § 2 Abs. 3 BedarfVO-RettD nicht. Insbesondere legt die Verordnung eine maximale Eintreffzeit, die in keinem Fall überschritten werden darf, nicht fest. Soweit der Kläger in seinem Schreiben vom 3. Januar 2000 ausführt, eine statistische Erhebung hätte ergeben, dass in der Zeit des Bereitschaftsdienstes lediglich bei 85 % der Einsätze in der Notfallrettung die Eintreffzeit von 15 Minuten eingehalten worden sei, hat der Kläger dies nicht ausreichend dargelegt. Die vom Kläger im Schiedsstellenverfahren vorgelegte Übersicht über die Einsatzsituation in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr führt nicht die einzelnen Einsätze in diesem Zeitraum nachvollziehbar auf, sondern fasst nur im Ergebnis zusammen, in wie vielen Fällen die Eintreffzeit von 15 Minuten in diesem Zeitraum überschritten worden ist.

42

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich der Dienst der Rettungsdienstmitarbeiter in anderen Schichten - insbesondere in der Zeit von 23.00 Uhr bis 3.00 Uhr - nicht wesentlich von dem Dienst in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr unterscheidet. Es mag zwar zutreffen, dass auch für die Zeit von 23.00 Uhr bis 3.00 Uhr die Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst vorliegen. Für die Einordnung des hier fraglichen Dienstes zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr kommt es auf die Einordnung anderer Schichten aber nicht an. Entscheidend ist allein, ob die Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst in dem hier fraglichen Zeitraum von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr vorliegen.

43

Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Anordnung von Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 DRK-TV nicht die Richtlinie Nr. 93/104/EG des Rates der Europäischen Union vom 23. November 1993 (im Folgenden: Arbeitszeit-Richtlinie) entgegen.

44

Die Arbeitszeit-Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung. Gegenstand der Richtlinie sind die Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen, die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus. Artikel 2 der Richtlinie befasst sich mit Begriffsbestimmungen. Nach Art. 2 Nr. 1 Arbeitszeit-Richtlinie ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Gemäß Art. 2 Nr. 2 ist jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit Ruhezeit.

45

In Anwendung dieser Bestimmungen hat der Europäische Gerichtshof Bereitschaftsdienst, wie ihn spanische Ärzte und mit der Pflege beschäftigte Personen in Teams zur medizinischen Grundversorgung in Form persönlicher Anwesenheit in den Räumen einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung leisten, in seinem Urteil vom 3. Oktober 2000 (C-303/98 -, EuGHE I 2000, 7963) in der Rechtssache Simap insgesamt zur Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeit-Richtlinie gezählt. Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt, Bereitschaftsdienst, der mit der Pflicht zur persönlichen Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung verbunden sei, erfülle unstreitig die beiden ersten Voraussetzungen des Art. 2 Nr. 1 Arbeitszeit-Richtlinie. Aber auch die dritte Voraussetzung sei erfüllt, da die Verpflichtung der Ärzte, sich zur Erbringung ihrer beruflichen Leistung am Arbeitsplatz aufzuhalten und verfügbar zu sein, als Bestandteil der Wahrnehmung ihrer Aufgaben anzusehen sei, auch wenn die tatsächlich geleistete Arbeit von den Umständen abhänge. Diese Auslegung stehe auch im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleisten wolle, indem ihnen Mindestruhezeiten sowie angemessene Ruhepausen zugestanden würden.

46

In seinem Grundsatzurteil vom 9. September 2003 (C-151/02) hat der Europäische Gerichtshof in Fortführung seiner SIMAP-Entscheidung in der Rechtssache Jaeger festgestellt, dass es sich bei einem Bereitschaftsdienst, der an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort geleistet wird, in vollem Umfang um Arbeitszeit handelt, auch wenn der Arzt sich in der Zeit, in der er nicht in Anspruch genommen wird, an der Arbeitsstelle ausruhen darf. Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass die deutsche Regelung zum Bereitschaftsdienst im Arbeitszeitgesetz - ArbZG -, nach der Bereitschaftsdienst - mit Ausnahme der Zeit, in der der Arbeitnehmer tatsächlich seine berufliche Aufgaben wahrgenommen hat - als Ruhezeit eingestuft wird, gegen die Arbeitszeit-Richtlinie verstößt.

47

Die Arbeitszeit-Richtlinie und die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Simap und Jaeger sind jedoch für die Auslegung des § 14 Abs. 2 und 5 DRK-TV nicht von Bedeutung. Die Arbeitszeit-Richtlinie beschäftigt sich nicht mit der Frage, wie Bereitschaftsdienst zu vergüten ist. Im Rahmen der Arbeitszeit-Richtlinie und des Arbeitszeitgesetzes geht es vielmehr allein um die arbeitsschutzrechtliche Frage der Arbeitszeit. Die Ausgestaltung der Vergütung ist dagegen Sache des Arbeitsvertrages und ggf. seiner näheren Ausfüllung durch Tarifvertrag. Der EuGH betont in seinem Urteil vom 9. September 2003 selbst, dass der von ihm zu beurteilende Rechtsstreit ausschließlich die arbeitsschutzrechtliche Seite der Bereitschaftszeiten, nicht dagegen die vergütungsrechtliche berühre (a.a.O., Nr. 26). Dies hat das BAG in seinem Urteil vom 22. November 2000 bereits im Hinblick auf das SIMAP-Urteil entschieden und mit Urteil vom 5. Juni 2003 (a.a.O.) ergänzend ausgeführt, dass die Arbeitszeit-Richtlinie der Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer diene. Sie sei auf Art. 118a EG gestützt, der den Rat berechtige, durch Richtlinien Mindestvorschriften festzusetzen, die eine Verbesserung der Arbeitsumwelt fördern, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer verstärkt zu schützen. Mindestvorschriften über Vergütungspflichten sehe diese Rechtsgrundlage hingegen nicht vor (vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. März 2003 - 2 A 10045/03 -, zitiert nach juris, LAG Nds., Beschluss vom 17. Mai 2002 - 10 TaBV 22/02 - zitiert nach juris).

48

Nach alledem begegnet die Einstufung der hier streitigen Nachtschichten von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr als Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 DRK-TV keinen rechtlichen Bedenken. Unterlässt es der Kläger deshalb, den von ihm beauftragten DRK-Kreisverband O. zu veranlassen, für diesen Zeitraum Bereitschaftsdienst anzuordnen, ist dies unwirtschaftlich, da die Einführung von Bereitschaftsdienst - wie der Klageantrag zeigt - zu günstigeren Personalkosten führt.

49

Die Beibehaltung des Bereitschaftsdienstes im streitigen Zeitraum September 1999 bis Ende 2000 hätte für den vom Kläger beauftragten DRK-Kreisverband O. auch aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen eine Aufstockung des Personals und eine damit verbundene Steigerung der Kosten nicht zur Folge gehabt. Wenn Bereitschaftsdienst - anders als im Arbeitszeitgesetz festgelegt - im Sinne der Arbeitszeit-Richtlinie arbeitsschutzrechtlich uneingeschränkt als Arbeitszeit betrachtet werden müsste, deren Höchstmaß festgelegt ist, führte dies zwar zwangsläufig zu einer grundlegenden Umorganisation, da das vorhandene Personal wesentlich eingeschränkter eingesetzt werden könnte. Für den vom Kläger mit den Rettungsdienstleistungen beauftragte DRK-Kreisverband O. hat die Arbeitszeit-Richtlinie jedoch keine unmittelbaren Auswirkungen. Für ihn bleibt für die Einordnung von Bereitschaftsdienst im arbeitsschutzrechtlichen Sinne das ArbZG maßgeblich.

50

Nach den Bestimmungen des ArbZG ist Bereitschaftsdienst nicht als Arbeitszeit anzusehen. Er bleibt deshalb bei der Berechnung der werktäglichen Höchstarbeitszeit außer Betracht. Dies ergibt sich zwingend aus §§ 5 Abs. 3, 7 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG (vgl. BAG, Beschluss vom 18. Februar 2003 - 1 ABR 2/02, Urteil vom 5. Juni 2003 (a.a.O.)).

51

Die Arbeitszeit-Richtlinie ermöglicht kein anderes Auslegungsergebnis. Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH - wie bereits dargelegt - Bereitschaftsdienst dem gemeinschaftsrechtlichen Arbeitszeitbegriff zuzuordnen. Eine entsprechende gemeinschaftskonforme Auslegung des ArbZG und eine daraus folgende Einordnung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit ist jedoch ausgeschlossen (vgl. BAG, Beschluss vom 18. Februar 2003 und Urteil vom 5. Juni 2003 (jeweils a.a.O.)). Die Zuordnung des Bereitschaftsdienstes zur Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeit-Richtlinie ist im Rahmen von § 2 Abs. 1 ArbZG noch möglich. §§ 5 Abs. 3, 7 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG werten den Bereitschaftsdienst aber eindeutig gerade nicht als Arbeitszeit, so dass eine gemeinschaftskonforme Auslegung ausscheidet. Das Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung berechtigt nämlich nicht dazu, den Regelungsgehalt einer nach Wortlaut, Systematik und Sinn eindeutigen Regelung in sein Gegenteil zu verkehren (vgl. hierzu BAG, Beschluss vom 18. Februar 2003 und Urteil vom 5. Juni 2003, a.a.o.).

52

Die nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Arbeitszeit-Richtlinie führt hier nicht zu einer unmittelbaren Anwendung der Arbeitszeit-Richtlinie.

53

Unter bestimmten Voraussetzungen - die Umsetzungsfrist muss abgelaufen und die Richtlinie muss hinreichend bestimmt sein sowie das Ziel haben, den Bürger zu begünstigen - ist zwar bei Nichtumsetzung oder fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie diese direkt anwendbar. Die unmittelbare Wirkung und der damit verbundene Anwendungsvorrang einer nicht umgesetzten Richtlinie beschränkt sich aber auf das Verhältnis zwischen Bürger und säumigem Staat. Dagegen kommt einer nicht umgesetzten Richtlinie im Verhältnis zwischen Bürgern untereinander keine unmittelbare Geltung zu. Die Zuerkennung einer unmittelbaren (horizontalen) Wirkung auch im Verhältnis von Privatrechtssubjekten würde die Kompetenzordnung des EG-Vertrages zu Lasten der Mitgliedstaaten verschieben, die insoweit auf ihre souveränen Rechte nicht zugunsten der Gemeinschaftsorgane verzichtet haben (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - C-91/92 -, EUGHE I 1994, 3325).

54

Der DRK-Kreisverband O. ist keine staatliche Stelle im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, der gegenüber sich seine Arbeitnehmer auf die Geltung der Arbeitszeit-Richtlinie berufen können. Zwischen dem DRK-Kreisverband O. als privatem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern kann einer Richtlinie deshalb keine unmittelbare Geltung zukommen. Zwar sind als "Staat", dem gegenüber eine nicht ordnungsgemäß umgesetzte, hinreichend bestimmte und unbedingte Vorschrift einer Richtlinie unmittelbare Wirkung entfaltet, nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur Gebietskörperschaften anzusehen. Darunter sind vielmehr alle Organisationen und Einrichtungen zu verstehen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juli 1990 - C-188/89 -, NJW 1991, 3086).

55

Der DRK-Kreisverband O. nimmt mit der Einrichtung und Durchführung des Rettungsdienstes zwar eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahr (vgl. § 5 Abs. 1 NRettDG). Als Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes ist er aber ein privatrechtlicher Verein, dessen Verhalten als Arbeitgeber von öffentlichen Stellen nicht beeinflusst wird. Der Kläger kann dem DRK-Kreisverband keine Weisungen hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber Betriebsrat und Arbeitnehmern erteilen. Auch ist der DRK-Kreisverband O. im Hinblick auf die von ihm eingegangenen Arbeitsverhältnisse nicht mit besonderen Rechten ausgestattet, die über das hinausgingen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gilt. Der Kläger als staatliche Stelle hat somit keinen rechtlichen Einfluss auf die Ausgestaltung der zwischen dem DRK-Kreisverband und seinen Mitarbeitern begründeten Arbeitsverhältnisse. Damit fehlt dem Kläger gerade in dem Bereich, für den die nicht ordnungsgemäß umgesetzte Arbeitszeit-Richtlinie Verpflichtungen begründet, die rechtliche Möglichkeit, auf den DRK-Kreisverband Einfluss zu nehmen. Vor diesem Hintergrund scheidet eine unmittelbare Anwendung der Arbeitszeit-Richtlinie aus (vgl. hierzu BAG, Beschluss vom 18. Februar 2003, a.a.O.).

56

Auch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Urteil vom 16. September 2003 - 9 Sa 648/02 -, zitiert nach juris) rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Das LAG Nds. hat eine "vertikale Direktwirkung" der Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG für den Fall, dass ein Landkreis die ihm nach dem NRettDG zugewiesene Aufgabe des Rettungsdienstes durch Vertrag auf eine GbR überträgt, deren Mehrheitsgesellschafter er selbst ist, bejaht und zur Begründung ausgeführt, dass der Landkreis nach den Regelungen des zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrages rechtliche Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen der GbR habe. Darin unterscheidet sich aber der hier zu beurteilende Fall. Der Kläger hat im Hinblick auf die vom DRK-Kreisverband O. eingegangenen Arbeitsverhältnisse gerade keine rechtlichen, sondern lediglich faktische Möglichkeiten, auf den DRK-Kreisverband O. Einfluss zu nehmen.

57

Ein Anwendungsvorrang der Arbeitszeit-Richtlinie und eine damit verbundene Unanwendbarkeit des entgegenstehenden deutschen Arbeitszeitgesetzes kommt hier somit nicht in Betracht. Der vom Kläger beauftragte DRK-Kreisverband O. hat sich daher bei der Frage der arbeitsschutzrechtlichen Einordnung von Bereitschaftsdienst allein an das ArbZG zu halten. Die Anordnung von Bereitschaftsdienst hätte somit für ihn im streitigen Zeitraum September 1999 bis Ende 2000 auch aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht eine Aufstockung des Personals und eine damit verbundene Steigerung der Kosten nicht zur Folge gehabt.

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Führt die rechtlich zulässige Anordnung von Bereitschaftsdienst in der Zeit von 3.00 Uhr bis 7.00 Uhr damit zu günstigeren Personalkosten, muss der Kläger, der von den Beigeladenen nur die Erstattung der Kosten eines wirtschaftlich arbeitenden Rettungsdienstes ersetzt verlangen kann, die durch die Abschaffung des Bereitschaftsdienstes entstandenen Mehrkosten selbst tragen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 13 Abs. 2 i.V.m. § 73 Abs. 1 GKG auf 368.000,00 DM (entspricht 188.155,41 EUR) festgesetzt.

Gärtner,
Wermes,
Reccius