Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.11.2022, Az.: 5 K 57/22
Biergarten; ermäßigter Steuersatz; Restaurationsumsatz; Steuersatz
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.11.2022
- Aktenzeichen
- 5 K 57/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 67565
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE::2022:1124.5K57.22.00
Rechtsgrundlagen
- AO § 162
- MwSt-DVO Art. 6
- UStG § 12 Abs. 1
- UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 iVm. der lfd. Nr. 33 der Anlage 2
Amtlicher Leitsatz
Zur Besteuerung von Umsätzen in einem Biergarten als Restaurationsumsätze
Der Inhaber eines gepachteten Verkaufsstands in einem Biergarten erbringt vor Inkrafttreten des § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistungen, wenn er an Biergartenbesucher gegen Entgelt Speisen abgibt und aufgrund des Pachtvertrags mit der Betreiberin des Biergartens berechtigt ist, seinen Kunden die Infrastruktur des Biergartens (insb. Bierzeltgarnituren und Toiletten) im Hinblick auf den Verzehr zur Verfügung zu stellen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die entgeltliche Abgabe von zubereiteten Speisen in selbständigen Verkaufsständen in sog. Biergärten im Streitjahr 2017 als Restaurationsumsatz dem Regelsteuersatz oder als bloße Lieferung von Lebensmittelzubereitungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
I.
Die Klägerin betreibt - neben ... - seit dem Streitjahr im Biergarten A einen Grillimbiss sowie im Biergarten B den Pizza- und Gyrosverkaufsstand, das Eiscafé, die Grillstation und den Brezelverkaufsstand.
Die Biergärten werden von der ... GbR betrieben (nachfolgend Betreiberin).
Der Biergarten A liegt an der ... in ... unmittelbar gegenüber der ... . Die A wird nur anlässlich von Veranstaltungen, insbesondere ... geöffnet, außerdem zu ... . Außerdem besteht die Möglichkeit den Biergarten A bei der Betreiberin für gesonderte Veranstaltungen zu buchen. In diesem Fall habe die Betreiberin entschieden, ob die Klägerin mit ihrem Grillimbiss in der A an diesen gesonderten Veranstaltungen beteiligt worden ist. In dem Grillimbiss der Klägerin werden neben Grillwaren auch Heißgetränke angeboten. Die Klägerin hat die zubereitenden Speisen sowie die Heißgetränke in ihrem Verkaufsstand in der A ausschließlich auf Einweggeschirr ausgegeben.
Der Biergarten B liegt in der ... . Die Betreiberin öffnet den Biergarten B in der guten Jahreszeit abhängig vom Wetter und setzt die Klägerin hiervon jeweils vorab in Kenntnis. Die Klägerin entscheidet sodann selbständig, ob sie ihre Verkaufsstände im Biergarten B ebenso öffnet. Für den Biergarten B existierte im Streitjahr eine unter dieser Bezeichnung vorgehaltene einheitliche Speisekarte, die sowohl die von der Betreiberin angebotenen Getränke als auch die Angebote der sog. Spezialitätenstände der Klägerin aufzählte. Im Biergarten B verwendete die Klägerin regelmäßig Porzellangeschirr und Gläser. Sofern die Geschirrvorräte nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung standen, verwendete die Klägerin auch Einweggeschirr. An Öffnungstagen mit erwartbar hohem Andrang habe die Klägerin von vorneherein Einweggeschirr verwendet.
In beiden Biergärten stehen zahlreiche Bierzeltgarnituren, also Bänke und Tische, sowie Toiletten zur Nutzung durch die Biergartenbesucher zur Verfügung.
Nach dem Inhalt der Mietverträge zwischen der Betreiberin und der Klägerin hatte die Klägerin von der Betreiberin im Biergarten A eine bestimmte Imbissausgabe angemietet. Eine benachbarte Vorbereitungsküche habe nach Absprache mitgenutzt werden können. Im Biergarten B mietete die Klägerin Standflächen für eine Grillstation, einen Pizzaverkauf und ein Eiscafé sowie Brezel- und Gyrosverkauf an. Die Mitbenutzung der Gäste- und Personaltoiletten war in beiden Biergärten gestattet. Die Kosten für die Abfallbeseitigung waren im Mietzins enthalten. Die Betreiberin hatte sich allerdings vorbehalten, die Kosten der Abfallbeseitigung anteilig umzulegen und mit der Klägerin einmal jährlich abzurechnen. Nach dem weiteren Inhalt der Mietverträge hatten sich die Öffnungszeiten nach den allgemeinen Öffnungszeiten des jeweiligen Biergartens zu richten und seien jeweils mit der Geschäftsführung der Betreiberin abzustimmen gewesen. Weitergehende Regelungen im Zusammenhang mit den Biergärten als solche enthielten die Mietverträge nicht.
II.
Nachdem die Klägerin für das Streitjahr 2017 zunächst keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, ordnete das beklagte Finanzamt am ... 2019 eine allgemeine Außenprüfung für das Streitjahr 2017 an. Hierauf unternahm die Außenprüferin nach eigenem Bekunden zahlreiche Testeinkäufe im Biergarten B. Während des einzig protokollierten Testeinkaufs am ... 2019 am Gyros/Burger-Stand, am Pizza-Stand und am Brezel-Stand sei sie nicht danach gefragt worden, ob Essen und Trinken zum Mitnehmen oder zum Verzehr vor Ort bestimmt sei. Nach Auffassung der Außenprüferin sei scheinbar davon ausgegangen worden, dass der Verzehr vor Ort habe geschehen sollen, da bei den Speisen Teller beziehungsweise Holzbrettchen und für die Getränke Gläser mit ausgegeben worden seien. Auch die übrigen ca. 70 anwesenden Gäste hätten Gläser und Porzellan erhalten und sich in den Sitzbereich des Biergartens begeben. Die Angestellten hätten allesamt T-Shirts mit dem Aufdruck B getragen und regelmäßig die Tische abgeräumt und abgewischt. Das Geschirr sei in die entsprechenden Stände zurückgebracht worden und auch die Angestellten der Klägerin in den Speiseständen hätten Polo-Shirts mit dem Rückenaufdruck B getragen.
Während einer nachfolgenden Betriebsbesichtigung durch die Außenprüferin im Biergarten B erklärte die Klägerin, dass insbesondere ... Speisen lediglich auf "Pappe und Papier" ausgegeben worden seien. Die Betreiberin selbst sei allerdings darauf bedacht gewesen, dass hauptsächlich Porzellangeschirr benutzt werden sollte. Das Abräumen der Tische und das Aufräumen des Biergartens übernehme auch nicht das Personal der Klägerin, sondern das Personal der Betreiberin.
III.
Nach dem Bericht über die Außenprüfung vom 22. Juli 2021 erhöhte die Außenprüferin unter anderem die Umsätze zum Regelsteuersatz um ... € (Umsatzsteuer hierauf ... €) und verminderte die Umsätze zum ermäßigten Steuersatz um ... € (Umsatzsteuer hierauf ... €). Denn nach Auffassung der Außerprüferin seien die von der Klägerin bisher dem ermäßigten Steuersatz insgesamt unterworfenen Umsatzerlöse aus den Biergärten B und A im Verhältnis 90:10 vorrangig dem Regelsteuersatz zu unterwerfen.
Neben Heißgetränken, die bereits im Allgemeinen dem Regelsteuersatz unterlägen, seien auch Speisenabgaben mit einem qualitativ überwiegenden Dienstleistungsanteil erbracht worden. Es seien im überwiegenden Maße sonstige Leistungen anzunehmen, da die zu beurteilenden Umsätze mehr dem Verzehr in einem Restaurant entsprächen. Im Biergarten B seien vorrangig eine Dienstleistung bei der Abgabe von Speisen und Heißgetränken erbracht worden. Die Abgabe von zubereiteten und nicht zubereiteten Speisen zusammen mit ausreichend unterstützenden Dienstleistungen (Bereitstellung einer der Bewirtung fördernde Infrastruktur inkl. Bereitstellung von festem Geschirr, Besteck und Sitzmöglichkeiten vor Ort, die nicht nur behelfsmäßig sind; Bedienservice durch Servieren der Speisen an den Tischen; Reinigung des Mobiliars sowie Abräumen der Tische), die deren sofortigen Verzehr ermöglichten, gälten als sonstige Leistungen. Die Abgabe der Speisen sei in diesem Zusammenhang nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil qualitativ überwiege. Ebenfalls sei bei einem durchschnittlichen Besucher eines Biergartens regelmäßig davon auszugehen, dass dieser die Speisen und Getränke vor Ort verzehren möchte. Auch seien die Nutzungsmöglichkeiten der im Biergarten zur Verfügung stehenden Sanitäranlagen und Sitzmöglichkeiten, die Beteiligung an den Kosten der Abfallbeseitigung sowie die Vorgabe der allgemeinen Öffnungszeiten in die Gesamtbetrachtung der Restaurationsleistungen der Klägerin mit einzubeziehen.
Am 3. August 2021 erließ das beklagte Finanzamt gegenüber der Klägerin entsprechend den Feststellungen der Außenprüferin einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2017 und setzte darin die Umsatzsteuer auf ... € fest.
IV.
Gegen den Änderungsbescheid vom 3. August 2021 erhob die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage.
Die Klägerin biete lediglich Würste, Pommes Frites, Gyros und Pizza sowie Hamburger an ihren Verkaufsständen in den Biergärten an. Die Gäste holten das fertige Essen jeweils an den Ständen ab. Es gebe keinerlei Service am Tisch oder "drum rum". Es gebe lediglich Brettauflagen an ihren Verkaufsständen, auf denen die Speisen abgestellt werden könnten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sei im Streitfall von einer steuersatzbegünstigten Lieferung von Speisen auszugehen, weil der für eine sonstige Leistung erforderliche qualitativ deutlich überwiegende Dienstleistungsanteil nicht vorläge.
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes folge insbesondere den EuGH-Urteilen vom 10. März 2011 in der Rechtssache CinemaxX (C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, BStBl. II 2013, 256) sowie vom 22. April 2021 in der Rechtssache Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach (C-703/19, UR 2021, 902). Hiernach sei wesentliche Voraussetzungen für eine nichtbegünstige sonstige Leistung, dass deutlich überwiegende Vorliegen von Dienstleistungen folgender Art, die in einer organisatorischen Gesamtheit zur Verfügung gestellt werden: Beratung durch Servicepersonal bei der Auswahl, Essen am Tisch servieren, Gedeck auflegen, Reinigung/Abräumen durch Service-/Sonderpersonal, Räumlichkeiten, festes Dach/Wetterschutz, Nebenräume (Garderobe), Mobiliar und Geschirr, speziell für den Verzehr bestimmt, Getränke als Bestandteil der Leistung, Reservierungen möglich.
Solche Dienstleistungen lägen im Streitfall ganz oder zum weit überwiegenden Teil nicht vor.
Beim Verkauf von Würsten, Pommes Frites, Pizza und Hamburger sowie den anderen Nahrungsmitteln an ihren Imbissständen zum sofortigen warmen Verzehr beschränke sich die Zubereitung des warmen Endprodukts im Wesentlichen auf einfache, standardisierte Handlungen, die in den meisten Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage ständig oder in Abständen vorgenommen werden. Diese einfache Zubereitung stelle nicht den überwiegenden Bestandteil des fraglichen Umsatzes dar und könne diesem nicht den Charakter einer Restaurationsleistung verleihen, wenn nicht (weitere) charakteristische Dienstleistungsbestandteile von Restaurationsumsätzen hinzuträten. In derartigen Fällen bestehe bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung das überwiegende Element in der Lieferung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr. Dies entspreche genau dem Sachverhalt, wie ihn die Klägerin tatsächlich in den Biergärten realisiert habe.
Insbesondere habe die Klägerin die Speisen und Mahlzeiten jedenfalls im Zusammenhang mit den Großveranstaltungen vorwiegend auf Einwegmaterial ausgegeben. Auch außerhalb von Großveranstaltungen habe sie bei starkem Andrang im Biergarten auf Einwegmaterial umgestellt. Das Verhältnis sei daher eher bei 10 zu 90 und nicht bei 90 zu 10 zu sehen.
Die Verzehreinrichtungen im Biergarten (Tische und Bänke) seien ebenso bei der Beurteilung der Umsätze der Klägerin nicht zu berücksichtigen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH sei geklärt, dass das bloße Vorhandensein von Verzehrmöglichkeiten, das nicht ausschließlich dazu bestimmt sei, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern, kein hinreichendes Dienstleistungselement darstelle, das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen. Ebenso abwegig sei die objektive Verbrauchersicht, dass die Verzehreinrichtungen (Tische und Bänke) der Klägerin gehören. Diese Verbrauchersicht sei einfach falsch und willkürlich. Ein verständiger Verbraucher sehe auf Anhieb, dass es sich um einen Biergarten gehandelt habe, in dem nicht bedient werde und er sich das Essen selbst holen müsse. Was eine falsche objektive Verbrauchersicht an Auswirkungen auf die objektive Besteuerung der Klägerin haben solle, bleibe unerfindlich. Insbesondere habe der Durchschnittsverbraucher spätestens beim Bestellen und Bezahlen der Speisen die eindeutige Sicht darauf, dass es sich bei den Leistungen im Biergarten um getrennte Leistungen handele.
Die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Verzehrvorrichtungen begrenzen sich laut den Verträgen mit der Betreiberin auf die Verkaufsstände mit Ablagebrettern. Die Tische und Bänke im Biergarten seien nicht Vertragsgegenstand. Auf eine etwaige gedulde Mitbenutzung der Tische und Bänke im Biergarten durch die Kunden der Klägerin käme es nicht an, weil dies ohnehin nicht ausreichend wäre für einen qualitativ überwiegenden Dienstleistungsanteil. Der EuGH habe bereits ein seiner Entscheidung vom 10. März 2011 ausgeführt, dass Stehtische, Hocker, Stühle und Bänke in Kinos unabhängig vom Verkauf von Popcorn und Tortilla Chips zur Verfügung gestellt werden, und die mit ihm ausgestatten Bereiche ebenso als Warteraum dienen, der ausschließlich dazu bestimmt sei, den Verzehr solcher Lebensmittel möglicherweise zu erleichtern, insoweit aber nicht als Dienstleistungselement angesehen werden könne, dass geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen. Auch in den Biergärten dienten die Tische und Bänke ganz anderen Hauptzwecken, nämlich Großveranstaltungen zu schauen und dazu ein Bier und anderes zu trinken. Das Essen sei im Biergarten nur Nebensache.
Darüber hinaus sei die Klägerin auch nicht verpflichtet gewesen, Toiletten für ihre Verkaufsstände bereitzustellen und habe dies auch nicht getan. Die Kunden hätten die von der Betreiberin des Biergartens notwendigerweise vorgehaltenen Toiletten in der Regel auch wegen der Getränke und nicht wegen der Speisen genutzt.
Zwar trage die Klägerin eine Beteiligung an den Kosten der Abfallbeseitigung, denn wenn sie dies nicht täte, hätte sie ihre Abfälle und die ihrer Kunden an ihren Verkaufsständen selbst oder über einen anderen Dienstleister entsorgen müssen. Dies habe aber keine Relevanz für die Steuerfrage. Ebenso habe die Verpflichtung der Klägerin, sich an die Öffnungszeiten der Biergärten zu halten, keine Relevanz. Ganz abgesehen davon, durfte die Klägerin auch zu anderen Zeiten öffnen, weil es sich nur um Mindestzeiten gehandelt habe.
Dem Beklagten sei zwar zuzugestehen, dass die Kunden der Klägerin in den Biergarten regelmäßig nicht zur Mitnahme der erworbenen Speisen gekommen seien. Allerdings seien die Besucher der Biergärten insbesondere bei den Massenveranstaltungen höchstwahrscheinlich überwiegend gar nicht wegen des Speisenangebotes, sondern wegen des gemeinsamen Interesses am ... und des Biertrinkens gekommen. Im Laufe desselben bekomme der eine oder andere Hunger und hole sich schnelles Essen von einem der Verkaufsstände der Klägerin. Die richtige Schlussfolgerung sei insoweit, dass die Kunden gar nicht wegen der Speisen in die Biergärten gekommen seien. Dies habe sich nur während der anderen Zwecke ergeben.
Solle etwa eine Gesamtbetrachtung mehrerer Unternehmer und einer Vielzahl von Einzeldienstleistungen erfolgen und diese dann fiktiv wieder auf die einzelnen verteilt werden? Solle der Stadtbummel zu einem Gesamteinkauf zusammengefasst werden und die verschiedenen Einkaufsläden stimmen sich dann darüber ab, wer den höchsten Steuersatz habe, der dem Stadtbummel dann das Gepräge gebe?
Darüber hinaus sei kein Sachverhalt festgestellt worden und es fände sich auch nicht ein einziges sachliches Kriterium in den Ausführungen der Außenprüfung, warum nunmehr 90 % der Umsätze in den Biergärten zum Regelsteuersatz zu versteuern seien, während bei dem Vorpächter zuvor noch 100% der Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterworfen worden seien.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 2017 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 3. August 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2022 um ... € auf ... € herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung des Beklagten seien dem Regelsteuersatz unterliegenden Restaurationsleistungen im Streitfall bereits deshalb in Bezug auf die Umsätze der Klägerin in den Biergärten anzunehmen, weil dort Bierzeltgarnituren in Gestalt von Tischen mit Stühlen als Sitzmöglichkeiten vorgehalten worden seien. Die Bereitstellung der Tische und der Sitzgelegenheiten in den Biergärten überschreite nach der Rechtsprechung des BFH die Schwelle zum Restaurationsumsatz.
Die Tatsache, dass Eigentümer dieser Verzehrvorrichtungen die Betreiberin der Biergärten sei, sei unbeachtlich. Ein konkludent vereinbartes Recht zur Mitbenutzung der Infrastruktur ergäbe sich daraus, dass ohne dieses Recht das Konzept des Betriebes der Verkaufsstände, das im Interesse sowohl der Klägerin als auch der Betreiberin der Biergärten läge, nicht hätte verwirklicht werden können.
Bei dem durchgeführten Testeinkauf im Biergarten B sei auch nicht nachgefragt worden, wo die bestellten Speisen verzehrt werden sollten, sondern es sei davon ausgegangen worden, dass die Speisen vor Ort verzehrt werden sollten, da diese auf Mehrweggeschirr ausgegeben worden seien.
Ebenso sei der Klägerin das Abräumen und Abwischen der Tische durch die Betreiberin zuzurechnen.
Darüber hinaus habe die Klägerin nach dem Inhalt vorliegender Rechnungen aus dem Streitjahr diverse Gruppen auch teilweise in Gestalt eines Büfetts bewirtet. Auch hierbei handele es sich jedenfalls um ausgeprägte Dienstleistungselemente.
Außerdem habe der Bundesfinanzhof im Zusammenhang mit bayerischen Biergärten bereits entschieden, dass der Inhaber eines Verkaufsstandes in einem Biergarten dem Regelsteuersatz unterliegende Restaurationsumsätze ausführe, wenn er an Biergartenbesucher gegen Entgelt Speisen abgebe und er aufgrund von ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarungen mit dem Betreiber des Biergartens berechtigt sei, seinen Kunden die Infrastruktur des Biergartens zur Verfügung zu stellen und dies auch tatsächlich so geschehen sei.
Auch die von der Klägerin vielfältig zitierten Entscheidungen des EuGHs könnten an dieser Rechtsauffassung des Antragsgegners nichts ändern. Denn insbesondere in seiner letzten Entscheidung vom 22. April 2021 in der Rechtssache Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach (C-703/19, a.a.O.) habe der EuGH darauf hingewiesen, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, genau zu bestimmen, auf welche der in den Kategorien des Anhangs III der Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthaltenen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der ermäßigte Steuersatz Anwendung finde. Die Prüfung dieser Kriterien obliege dem nationalen Finanzgericht.
V.
In der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2022 gaben die Beteiligten übereinstimmend die (erklärten) Gesamtumsätze der beiden streitbefangenen Betriebe mit ...€ zuzüglich ... € Umsatzsteuer (7%), insgesamt also mit ... € an. Die Beteiligten trafen eine tatschliche Verständigung dahingehend, dass hiervon 18,82 % auf den Biergarten A entfallen.
Zu den Buffetdienstleistungen erläuterte die Klägerin, dass diese Dienstleistungen gegenüber der Betreiberin der Biergärten in Gestalt von fertigen Speisenplatten erbracht worden seien. Diese Platten seien von den Mitarbeitern der Betreiberin zur verabredeten Zeit abgeholt worden.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das beklagte Finanzamt die Umsatzerlöse aus den beiden Biergärten in Höhe von mehr als ... € (brutto) dem Regelsteuersatz unterworfen hat. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, weil das beklagte Finanzamt in diesem Umfang die Umsatzerlöse aus den Verkaufsständen in den Biergärten B und A zu Recht dem Regelsteuersatz unterworfen hat.
1. Die Umsätze aus den Verkaufsständen in den Biergärten B und A unterliegen dem Regelsteuersatz, soweit die zubereiteten Speisen und die Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben worden sind.
a) Nach § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) beträgt der Regelsteuersatz 19 %. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer allerdings für die Lieferung der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände auf 7 %. Dazu gehören unter anderem "Zubereitungen von Fleisch, Fisch ..." (Nr. 28), "Zubereitungen von Gemüse ..." (Nr. 32) und "verschiedene Lebensmittelzubereitungen" (Nr. 33). Entscheidend ist daher, ob die Klägerin solche Zubereitungen geliefert hat. Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Nicht steuersatzbegünstigt sind demgegenüber - neben der Lieferung von Getränken - sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG.
bb) Zur Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen gilt die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder von Getränken, zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen, gem. Art. 6 Abs. 1 der Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung (MwSt-DVO) als Restaurant- und Verpflegungsdienstleistung. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist dabei nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil überwiegt. Restaurantdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen in den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers und Verpflegungsdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen an einem anderen Ort als den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers. Nach Art. 6 Abs. 2 MwSt-DVO gilt die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen, nicht als Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung. Daher kann die Abgabe von Speisen danach sowohl im Rahmen einer Lieferung als auch sonstigen Leistung erfolgen.
cc) Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung insoweit von Folgendem auszugehen:
Abzustellen ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist die qualitative und nicht nur die quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung zu bestimmen (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 2021 V R 42/20, DStR 2021, 2785 mit weiteren Nachweisen).
Soweit für den Verzehr Mobiliar wie Sitz- und Tischeinrichtungen zur Verfügung steht, ist in Überstimmung mit der Rechtsauffassung der Klägerin zu berücksichtigen, dass das bloße Vorhandensein von Mobiliar, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern, nicht als Dienstleistungselement angesehen werden kann, das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen. Es sind nur die Verzehrvorrichtungen zu berücksichtigen, die vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt werden, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern. Der Bundesfinanzhof hat dabei seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der Verzehrvorrichtungen eines Dritten berücksichtigt werden können, wenn diese auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt wurden. Dementsprechend ist auch die Gestellung von Geschirr und Besteck durch einen anderen Unternehmer grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Hieran hält der Bundesfinanzhof auch unter der Geltung von Art. 6 MwSt-DVO fest. Soweit es danach für die Annahme einer Dienstleistung (sonstigen Leistung) auf ausreichende unterstützende Dienstleistungen ankommt, die zu einem überwiegenden Dienstleistungsanteil führen, rechtfertigen lediglich geringfügige Dienstleistungsanteile die Annahme einer sonstigen Leistung nicht. Dass nur Dienstleistungsanteile des leistenden Unternehmers Berücksichtigung finden, ergibt sich auch unter Berücksichtigung dieser Vorschrift daraus, dass die Speisen- und Getränkeabgabe als "eine komplexe einheitliche Leistung" anzusehen ist, die ein Leistender an einen Leistungsempfänger erbringt. Der EuGH hat hierzu zuletzt entschieden, dass die Abgabe von Speisen unter den Begriff "Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen" fällt, wenn sie mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen einhergeht, die deren sofortigen Verzehr durch den Endkunden ermöglichen sollen. Entscheidet sich der Endkunde dafür, die materiellen und personellen Mittel, die ihm vom Steuerpflichtigen neben dem Verzehr der bereitgestellten Speisen angeboten werden, nicht in Anspruch zu nehmen, so ist davon auszugehen, dass keine unterstützende Dienstleistung mit der Abgabe dieser Speisen einhergeht (vgl. zu alledem BFH-Urteil vom 26. August 2021 V R 42/20, DStR 2021, 2785 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).
Allerdings kann nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung insbesondere die Nutzung von Verzehrvorrichtungen in Gestalt von Tischen und Bänken in einem Biergarten beim Verzehr von Speisen als überwiegendes Dienstleistungselement auch dann zum Vorliegen einer sonstigen (Restaurations-)Leistung führen, wenn die Einräumung dieser Nutzungsmöglichkeit dem Speisenanbieter zuzurechnen ist und die Vorrichtungen vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt wurden, den Verzehr von Lebensmitteln bzw. Getränken zu erleichtern (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 2021 V R 42/20, DStR 2021, 2785 sowie BFH-Beschlüsse vom 13. März 2019 XI B 89/18, BFH/NV 2019, 945 [BFH 04.04.2019 - VI R 27/17] und vom 24. Juli 2017 XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635).
Dementsprechend hat auch der EuGH zuletzt mit Urteil vom 22. April 2021 zur Rechtssache Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach (C-703/19, UR 2021, 902) nochmals unter Bezugnahme auf Art. 98 Abs. 2 MwSystRL und Art. 6 MwSt-DVO entschieden, dass die Abgabe von Speisen grundsätzlich unter den Begriff "Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen" fällt, wenn sie mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen einhergeht, die deren sofortigen Verzehr durch den Endkunden ermöglichen sollen, und der Endkunde die materiellen und personellen Mittel, die ihm vom Leistenden neben dem Verzehr der bereitgestellten Speisen angeboten werden, in Anspruch nimmt.
b) Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze sind die im Eigentum der Betreiberin der beiden Biergärten stehenden Verzehrvorrichtungen in Gestalt der Bierzeltgarnituren, bestehend aus Tischen und Bänken sowie die Abfallbeseitigung, das Abräumen der Tische und das Bereithalten von Toiletten der Klägerin als wesentliches Dienstleistungselement im Rahmen ihrer eigenen Leistungserbringungen zuzurechnen, weil ihr diese Verzehrvorrichtungen und Dienstleistungen von der Betreiberin der beiden Biergärten zur Verfügung gestellt wird und die Klägerin diese Verzehrvorrichtungen im Rahmen ihrer Leistungserbringung zur Abgabe von verzehrfertig zubereiteten Speisen und Heißgetränken ihren Kunden (Leistungsempfängern) zur Nutzung überlassen hat und die Dienstleistungen im Rahmen ihrer Leistungserbringung verwendet.
aa) Die Klägerin muss sich im Streitfall insbesondere die durch die Nutzung der Bierzeltgarnituren ergebenden Dienstleistungselemente auch zurechnen lassen. Denn nach den Mietverträgen mit der Betreiberin der Biergärten hatte die Klägerin das Recht, ihren Kunden die gesamte Infrastruktur des Biergartens und insoweit insbesondere auch die Verzehrvorrichtungen zur Verfügung zu stellen, was dann auch entsprechend der Erwartungen der Kunden aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers tatsächlich im Streitjahr 2017 geschah.
Zwar ist dies - im Gegensatz zur Mitbenutzung der Toiletten und der Abfallbeseitigung - nicht ausdrücklich in den vorgelegten Mietverträgen geregelt, weil diese als Gegenstand lediglich die Vermietung bestimmter Verkaufsflächen beziehungsweise -stände nennen. Jedoch ergibt die Auslegung des Vertrages nach §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), dass die Klägerin das Recht hatte, ihren Kunden die Nutzung der Infrastruktur des Biergartens zu ermöglichen. Dies folgt bereits daraus, dass die Vermietung der Verkaufsstände an die Klägerin in den Biergärten Teil des Gesamtkonzepts "Biergarten" gewesen ist. Das Verkaufsangebot der als Unternehmerin selbständig tätigen Klägerin war in das Gesamtkonzept "Biergarten" eingebunden, bei dem Kunden die Erwartung hatten, die bei der Klägerin gekauften Speisen und Heißgetränke ebenso wie die bei der Betreiberin der Biergärten erworbenen Getränke an den zwischen den jeweiligen Verkaufsständen angeordneten Bierzeltgarnituren konsumieren zu dürfen.
Außerdem hat die Klägerin insoweit diese ihr zuzurechnenden Bierzeltgarnituren ihren Endkunden bzw. Leistungsempfängern auch ausschließlich zum Zwecke des Verzehrs an Ort und Stelle zur Verfügung gestellt bzw. zur Verfügung stellen können. Die Klägerin hat insbesondere keine Leinwand zur Übertagung von Fußballspielen aufgestellt oder Konzerte organisiert und ihren Endkunden die Bierzeltgarnituren außerhalb des ihr von der Betreiberin eingeschränkten Nutzungsumfangs zur Abgabe von Speisen und Heißgetränke auch für solche Zwecke nicht zur Verfügung stellen können. Die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Betreiberin beschränken sich auf die Einbeziehung der Klägerin und ihrer Verkaufsstände in das Gesamtkonzept "Biergarten". Die Bierzeltgarnituren sind insbesondere keine behelfsmäßigen Vorrichtungen - wie ganz einfache Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, die nur einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien ermöglichen -, die regelmäßig nicht zu einer Einstufung als Dienstleistung führen.
Darüber hinaus konnte die Betreiberin jederzeit die Kosten der Abfallbeseitigung und damit auch der Sauberhaltung des Biergartens auf die Klägerin als Mieterin anteilig umlegen. Diese zumindest mietvertraglich vorerst mit dem vereinbarten Mietzins vereinbarte Kostenbeteiligung stand auch das Recht der Klägerin gegenüber, die Infrastruktur des Biergartens in Anspruch zu nehmen. Hierauf deuten auch die Servicedienstleistungen der Betreiberin in Form des Abräumens der Bierzeltgarnituren hin.
Zudem durfte die Klägerin die Speisen nur während der Öffnungszeiten der Biergärten anbieten. Das Speisensortiment im Biergarten B war in Abgrenzung zu den anderen Spezialitätenständen durch die Inbezugnahme der konkreten Standflächen für entsprechende Speisenangebote vorgegeben. Die anderen Verkaufsstände ergänzten das Gesamtangebot, während die Betreiberin der Biergärten die Getränke verkaufte. Die Vermietung erfolgte damit augenscheinlich in einem Gesamtkonzept "Biergarten", bei dem wesentlich ist, dass dem Besucher nicht nur Speisen und Getränke in Selbstbedienung, sondern eine angenehme Umgebung zum Verzehr im Freien geboten wird (ebenso bereits für eine vergleichbare Sachverhaltskonstellation in bayerischen Biergärten: Finanzgericht München, Urteile vom 9. Februar 2017 14 K 2081/15, EFG 2017, 948 und vom 26. Juli 2018 14 K 2036/16, EFG 2019, 2070).
Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers haben die Kunden aufgrund des Gesamtkonzepts "Biergarten" auch davon ausgehen können, dass sie als Kunden der Klägerin für den Verzehr der erworbenen Speisen zur Nutzung der Bierzeltgarnituren (Tische und Bänke) sowie der Toiletten berechtigt waren. Hierfür kann allerdings dahinstehen, ob bereits die vom Finanzamt angesprochene Ausgabe der Speisen auf Mehrweggeschirr im Biergarten B typischerweise dazu dient, es dem Kunden zu ermöglichen, die von ihm erworbenen Speisen zu der Bierzeltgarnitur als Verzehrort in der Nähe zu bringen und diese dort zu verzehren. Denn diese Möglichkeit folgt bereits aus dem Gesamtkonzept "Biergarten" und insbesondere auch dem einheitlichen Auftreten der Bediensteten mit entsprechend bedruckter Oberbekleidung. Insoweit erschöpft sich die Leistung der Klägerin daher aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers gerade nicht auf die bloße Bestellung, Bezahlung und Mitnahme von Speisen am Verkaufstresen, sondern stellt sich als weitergehender Vorgang dar, der den Speisenverzehr in unmittelbarer Nähe der Ausgabestelle unter Verwendung der Bierzeltgarnituren in Gestalt der Tische und Bänke sowie den Toilettengang einschließt. Für die Annahme materieller und personeller Mittel, die dem Kunden von der Klägerin im Rahmen ihrer einheitlichen Leistung angeboten werden, reicht dies entgegen der Auffassung der Klägerin auch nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 22. April 2021 in der Rechtssache Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach (C-703/19, a.a.O.) aus.
Nach alledem führt die für die Kunden der Klägerin bestehende Möglichkeit, die von der Klägerin erworbenen Speisen zu der Bierzeltgarnitur mitzunehmen, diese dort nach dem Speisenverzehr zurückzulassen, sodass es ggf. nach dessen Reinigung im Fall der Verwendung von Mehrweggeschirr für die Klägerin wieder zum Einsatz kam, aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu einem eindeutigen Beleg dafür, dass die Klägerin daran mitwirkte, den Kunden die Möglichkeit zur Nutzung der Bierzeltgarnitur zum Zwecke des Verzehrs der bei ihr erworbenen Speisen einzuräumen. Insoweit fällt nicht mehr ins Gewicht, dass auch das der Klägerin zuzurechnende Bereithalten von Toiletten und das Abräumen der Verzehreinrichtungen durch die Betreiberin ebenso wichtige Dienstleistungselemente sind.
Insoweit hat auch der BFH zuletzt im Zusammenhang mit der Besteuerung von Umsätzen einer Bäckerei mit Filialen in sog. Vorkassenzonen eines Supermarkts entschieden, dass ein imbissartiger Charakter und das Fehlen geschlossener Räume der Anwendung des Regelsteuersatzes schon deshalb nicht widerspricht, weil die Umsätze eines Imbissstands, der seinen Kunden standardisiert zubereitete Speisen zum Verzehr an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten verkauft, dem Regelsteuersatz unterliegen und gleiches gilt für Umsätze in einem Biergarten (BFH-Beschluss vom 15. September 2021 XI R 12/21 (XI R 25/19), BStBl. II 2022, 417)
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, dass die Bierzeltgarnituren von den Kunden des Biergartens in erster Linie zum Verbrauch von Getränken und/oder zum Zwecke der Teilnahme an Großveranstaltungen genutzt worden sein sollen. Denn im Hinblick auf die bestimmungsgemäße Nutzung der Bierzeltgarnituren als Bereich zum Verzehr von Speisen und Getränke ist insbesondere der Nutzungszusammenhang mit Großveranstaltungen unbeachtlich. Insoweit kann auch dahinstehen, inwieweit die Großveranstaltungen nicht unmittelbar den Zweck verfolgen, dem Verkauf und damit dem Verzehr von Speisen und Getränken zu dienen.
cc) Entgegen dem von der Klägerin angeführten EuGH-Urteil vom 10. März 2011 (C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, BStBl II 2013, 256 [EuGH 10.03.2011 - Rs. C-497/09; Rs. C-499/09; Rs. C-501/09; Rs. C-502/09]) wird im Streitfall die Bierzeltgarnitur in Gestalt der Tische und Bänke (von der Klägerin) nicht unabhängig vom Verkauf von Speisen und Getränke zur Verfügung gestellt. Denn anders als in einem Kino dient die Bierzeltgarnitur im Streitfall nicht der Unterstützung der dargebotenen Übertragung von Fußballspielen und der Durchführung anderer kultureller Veranstaltungen, sondern wird (in erster Linie) zum Verzehr der in den Biergärten (bei der Klägerin) erworbenen Speisen und Getränke zur Verfügung gestellt. Der insoweit ausgestattete Bereich, dient anders als im Vorraum eines Kinos weder als Warteraum noch als bloßer Treffpunkt. Während in einem Kino das bloße Vorhandensein des Mobiliars, dass nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr solcher Lebensmittel zu erleichtern, ist es im Streitfall gerade andersherum.
dd) Eine gegebenenfalls abweichende umsatzsteuerliche Behandlung der vom Vorpächter in den Biergärten erzielten Umsätze ist für die steuerrechtliche Würdigung im Steuerschuldverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten Finanzamt unbeachtlich, weil es jedenfalls keine Gleichbehandlung im Unrecht gibt.
2. Der ermäßigte Steuersatz ist allerdings insoweit anzusetzen, als für einen gewissen Anteil an Kunden eine Mitnahme der Speisen angenommen wird. Denn in diesen Fällen werden die vorgenannten Dienstleistungselemente - insbesondere die Verzehreinrichtungen in Gestalt der Bierzeltgarnituren - nicht genutzt.
a) Im Zusammenhang mit der Abgabe von Speisen im Biergarten B ist die Schätzung des beklagten Finanzamts, dass lediglich bei 10% der Umsätze die Speisen nicht im Biergarten B verzehrt, sondern mitgenommen wurden, insbesondere wegen der Nichtvorlage der erforderlichen Aufzeichnungen nicht zu beanstanden. Der Senat folgt im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO der Schätzung des beklagten Finanzamts.
b) Demgegenüber liegen die Verhältnisse im Biergarten A anders. Im Hinblick auf die Lage des Biergartens ... sowie der durchgehenden Verwendung von Einweggeschirr schätzt der Senat trotz der ebenso erfolgten Abgabe von üblicherweise dem Regelsteuersatz unterliegenden Heißgetränken abweichend vom beklagten Finanzamt, dass bei 20% der Umsätze die Speisen nicht im Biergarten A verzehrt, sondern mitgenommen wurden.
c) Hiernach berechnen sich die Umsätze zum Regelsteuersatz aus den Biergärten wie folgt:
...
4. Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, weil die Entscheidung insbesondere unter Beachtung der BFH-Beschlüsse vom 13. März 2019 XI B 89/18, BFH/NV 2019, 945 [BFH 04.04.2019 - VI R 27/17] und vom 24. Juli 2017 XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635 zur Abgabe von Speisen in bayerischen Biergärten lediglich auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles beruht.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, weil das beklagte Finanzamt nur zu einem geringen Teil unterlegen ist und bei einer Kostenteilung nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO weniger als 5% der Kosten des Verfahrens zu tragen hätte. Die Unterliegensquote der Klägerin liegt bei rund 98%.