Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.08.2011, Az.: 1 Ws 315/11
Umdeutung einer Beschwerde gegen einen Sicherungshaftbefehl des Gerichts des ersten Rechtszugs in einen Antrag an die Strafvollstreckungskammer auf Aufhebung des Sicherungshaftbefehls
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.08.2011
- Aktenzeichen
- 1 Ws 315/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 22381
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0819.1WS315.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - AZ: 82 StVK 10/11
Rechtsgrundlage
- § 462a Abs. 4 S. 3 StPO
Verfahrensgegenstand
Betrug
Amtlicher Leitsatz
Die Beschwerde gegen einen Sicherungshaftbefehl des Gerichts des ersten Rechtszuges ist bei Übergang der Bewährungsaufsicht auf die Strafvollstreckungskammer im Rahmen des Konzentrationsprinzips nach § 462a Abs. 4 Satz 3 StPO in einen Antrag an die Strafvollstreckungskammer auf Aufhebung des Sicherungshaftbefehls umzudeuten.
In der Strafvollstreckungssache
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde des Verurteilten
gegen den Sicherungshaftbefehl des Amtsgerichts Trier vom 14. Januar 2011
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
die Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ...
am 19. August 2011
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht Trier am 19. November 2010 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 27. November 2010 rechtskräftig. Am 14. Januar 2011 erließ das Amtsgericht Trier gegen den Verurteilten, der nach seiner Haftentlassung unbekannten Aufenthalts war, einen Sicherungshaftbefehl gemäß § 453c StPO, weil dringende Gründe für die Annahme vorhanden seien, dass die Strafaussetzung widerrufen werde, und der Haftgrund nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO (Flucht) vorliege. Am 8. Februar 2011 übernahm die Strafvollstreckungskammer 12 des Landgerichts Hannover die Bewährungsaufsicht in dieser Sache, weil der Verurteilte dort nach Teilverbüßung einer Freiheitsstrafe in anderer Sache bereits unter Bewährungsaufsicht stand.
Am 20. Juli 2011 wurde der Verurteilte in E. festgenommen. Ihm wurde am Folgetag vom Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Erfurt der Sicherungshaftbefehl verkündet. Während des Verkündungstermins nahm der Ermittlungsrichter telefonisch Rücksprache mit dem Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer 12 des Landgerichts Hannover, der mündlich die Aufrechterhaltung des Sicherungshaftbefehls anordnete. Seitdem befindet sich der Verurteilte in Sicherungshaft.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 27. Juli 2011 hat der Verurteilte Beschwerde gegen den Sicherungshaftbefehl erhoben, der die Strafvollstreckungskammer nicht abgeholfen hat.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 304 StPO).
Insbesondere ist der Senat zu einer Entscheidung über die Beschwerde berufen, obwohl der angefochtene Sicherungshaftbefehl von einem Amtsgericht erlassen worden ist, das zudem nicht einmal im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle liegt. Es handelt sich dennoch nicht um eine weitere Beschwerde, so dass die Streitfrage, ob die weitere Beschwerde gegen einen Sicherungshaftbefehl überhaupt zulässig ist (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl. § 453c Rn. 17 mw.N.), hier offen bleiben kann. Die Sache war auch nicht an das Landgericht Trier als die dem Amtsgericht Trier übergeordnete Instanz abzugeben. Denn aufgrund des Konzentrationsprinzips nach § 462a Abs. 4 Satz 3 StPO ist die Sachentscheidungsbefugnis im vorliegenden Bewährungsverfahren vollständig auf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover übergegangen (vgl. BGH StraFo 2011, 289 m.w.N.). Damit endete zugleich der Beschwerderechtszug für Entscheidungen des Amtsgerichts Trier in dieser Sache. Der Verfahrensstand ist insofern dem vergleichbar, der bei einer unerledigten Beschwerde gegen einen Untersuchungshaftbefehl des Ermittlungsrichters mit Anklageerhebung eintritt. Ebenso, wie in derartigen Fällen die Beschwerde in einen Antrag an das nun zuständige Gericht der Hauptsache auf Aufhebung des Haftbefehls umzudeuten ist (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 117 Rn. 12 m.w.N.), wäre hier die Beschwerde an sich in einen Antrag an die neu mit der Sache befasste Strafvollstreckungskammer auf Aufhebung des Sicherungshaftbefehls umzudeuten gewesen, über den dann allerdings nicht der Senat, sondern die Strafvollstreckungskammer zu befinden gehabt hätte.
Im vorliegenden Fall besteht aber die Besonderheit, dass der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Erfurt während der Verkündung des Sicherungshaftbefehls am 21. Juli 2011 telefonisch Rücksprache mit dem Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover genommen hat, woraufhin dieser mündlich die Aufrechterhaltung des Sicherungshaftbefehls angeordnet hat. Damit lag bereits vor Einlegung der Beschwerde am 27. Juli 2011 eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Fortdauer der Sicherungshaft vor. Da aber immer nur die zuletzt ergangene, den Bestand des Haftbefehls betreffende Entscheidung anfechtbar ist (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 8 m.w.N.), war die Beschwerde in eine solche gegen die mündliche Haftfortdauerentscheidung umzudeuten, über die - nach der Nichtabhilfeentscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 28. Juli 2011 - der Senat zu entscheiden hat.
2.
Die Beschwerde ist allerdings unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung und Aufrechterhaltung der Sicherungshaft nach § 453c Abs. 1 StPO liegen weiterhin vor. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des Sicherungshaftbefehls Bezug genommen.
Das Beschwerdevorbringen greift demgegenüber nicht durch.
Die Behauptung, dass der Verurteilte entgegen der ihm erteilten Bewährungsweisung keine Wohnung im B.-L.-H. in T. habe nehmen können, weil es dort keine Übernachtungsmöglichkeit gegeben habe, findet keine Bestätigung im Ermittlungsbericht der Polizei vom 3. Dezember 2010 (Bl. 11 BewH). Aus diesem ergibt sich aber, dass der Verurteilte sich dort ein Postfach unter seinem Namen, allerdings mit leicht verändertem Geburtsdatum hat einrichten lassen. Dieses Verhalten deutet schon darauf hin, dass der Verurteilte versucht hat, seinen Aufenthalt zu verschleiern. Hinzu kommt, dass der Verurteilte entgegen der ihm erteilten Weisung sich der Aufsicht und Leitung seines Bewährungshelfers beharrlich entzogen hat. Dieser hat in seinem Bericht vom 27. Dezember 2010 (Bl. 23 BewH) nur mitteilen können, dass der Verurteilte sich in der Zeit vom 16. bis 18. Dezember 2010 im Hotel G. in T. eingemietet und das Hotel sodann verlassen hat, ohne den Mietzins vollständig zu entrichten - ein Verhalten, dass der Tat gleicht, die zur Verurteilung im vorliegenden Verfahren geführt hat. Insoweit hat die Staatsanwaltschaft Trier auch bereits ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie sich aus ihrer Verfügung vom 18. Februar 2011 (Bl.35 BewH) ergibt. Berücksichtigt man zudem, dass der Verurteilte sich um einen Reisepass bemüht hat und sodann - ohne Mitteilung an das Gericht und den Bewährungshelfer - in Norwegen aufgehalten hat und nunmehr in E. festgenommen worden ist, so sprechen dringende Gründe für die Annahme, dass er auch in Zukunft nicht die Absicht hat, sich der Aufsicht und Leitung seines Bewährungshelfers zu unterstellen sowie die ihm erteilte Weisung zur Schadenswiedergutmachung und die Arbeitsauflage zu erfüllen, sondern vielmehr erneut untertauchen wird. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht ausreichend, dass der Verurteilte nun angibt, er habe die Möglichkeit, kurzfristig bei Verwandten in P. eine neue Wohnung zu beziehen. Denn es bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass er dies auch umsetzen wird. Der Gefahr, dass der Verurteilte sich - nunmehr in Kenntnis des gegen ihn laufenden Widerrufsverfahrens - vor einer Entscheidung über den Bewährungswiderruf erneut ins Ausland absetzt, kann auch nicht durch mildere Maßnahmen begegnet werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
IV.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 304 Abs. 4 StPO).