Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 07.11.1996, Az.: 8 U 77/96

Umsatzsteuerpflichtigkeit eines grunderwerbssteuerpflichtigen Grundstückskaufvertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
07.11.1996
Aktenzeichen
8 U 77/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 21403
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:1107.8U77.96.0A

Gründe

1

Die Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin einen Betrag von 148.710,47 DM (dieser Betrag setzt sich aus der Zahlung von 89.689,98 DM am 21.August 1995, den auf Grund der Pfändungsverfügung des Finanzamts Flensburg eingezogenen 38.678,01 DM und den mit einem Umsatzsteuerguthaben der Klägerin verrechneten weiteren 20.382,48 DM zusammen) auf Grund des Ergänzungsvertrages vom 8.August 1994 (§·433 Abs. 2 BGB). Die Mehrwertsteuer ist ein Teil der Kaufpreisschuld, die die Beklagte zu 1) in der genannten Höhe nicht erfüllt hat. Die Beklagten zu 2) und 3) haften dafür als selbstschuldnerische Bürgen gemäß ihrer Erklärung vom 18.August 1994.

2

Die Verpflichtung der Beklagten zu 1) zur Zahlung der Umsatzsteuer ist nicht nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erloschen.

3

Ein gemeinsamer Irrtum der Vertragsparteien über die Umsatzsteuerpflichtigkeit des Geschäftes liegt nicht vor. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Geschäft bereits aus den von der Klägerin genannten Gründen von Anfang an umsatzsteuerpflichtig war oder ob es erst dadurch umsatzsteuerpflichtig geworden ist, dass die Klägerin auf die Steuerbefreiung verzichtet hat.

4

Geht man davon aus, dass das Geschäft von vornherein umsatzsteuerpflichtig war, so war die Beklagte zu 1), wie sich dies schon aus § 5 des Kaufvertrages vom 29. November 1993 ergibt, die auf den Nettokaufpreis entfallende Umsatzsteuer als Teil des Kaufpreises zu zahlen, nachdem die Klägerin ihr entsprechend § 14 Umsatzsteuergesetz eine die Mehrwertsteuer offen ausweisende Rechnung erteilt hatte. Dabei musste sie diesen Teil des Kaufpreises nicht in bar entrichten, sondern konnte ihre Kaufpreisschuld durch Abtretung ihres Vorsteuererstattungsanspruchs gegenüber dem Finanzamt tilgen. Gelang dies allerdings ganz oder teilweise deshalb nicht, weil das Finanzamt gegenüber diesem Anspruch mit Forderungen gegen die Beklagte zu 1) aufrechnete, so war diese nach den vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet, die Kaufpreisschuld durch Zahlung zu erfüllen.

5

War das Geschäft entgegen der Annahme der Klägerin nicht von Anfang an umsatzsteuerpflichtig, so hätte die Beklagte zu 1), wie ursprünglich vereinbart, Mehrwertsteuer nicht zahlen müssen. Umsatzgeschäfte, die wie der vorliegende Grundstückskaufvertrag grunderwerbssteuerpflichtig sind, unterliegen nämlich nicht der Umsatzsteuer (§ 4 Nr. 9 a Umsatzsteuergesetz). Gemäß § 9 Umsatzsteuergesetz kann jedoch bei Umsätzen an einen anderen Unternehmer (dieser Fall ist hier gegeben) auf die Steuerbefreiung verzichtet werden. Die Ausübung des Verzichts (die so genannte Option zur Mehrwertsteuer) geschieht durch den offenen Ausweis der Mehrwertsteuer in der Rechnung und durch die Zuordnung der Einnahmen zum steuerpflichtigen Umsatz in der Umsatzsteuererklärung. An eine besondere Form ist die Ausübung des Verzichts nicht gebunden; ebenso wenig ist eine ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Finanzamt erforderlich. Bei der Einzeloption enthält vielmehr die Zuordnung der betreffenden Einnahme zu den steuerpflichtigen Umsätzen die konkludente Erklärung des Verzichts (vgl. Bunjes/Geist, UStG, 3. Auflage, § 9 Anm. 9; Sölch/Ringleb/List, UStG, § 9 Rn. 43 f). Die Klägerin hat hier dadurch zur Mehrwertsteuer optiert, dass sie im Juli 1994 - wie unstreitig ist - den Grundstückskaufvertrag gemäß ihrer Rechnung vom 25. Juli 1994 als umsatzsteuerpflichtiges Geschäft beim Finanzamt angemeldet hat. Das war den Beklagten bekannt, wie sich aus dem vorprozessualen Schriftwechsel ergibt. Eine Vertragsanpassung bezüglich der Mehrwertsteuer hatte die Klägerin nämlich bereits mit Schreiben vom 7. Februar 1994 gefordert. Dagegen hatte die Beklagte zu 1) ausweislich ihres Schreibens vom 8. Juni 1994 zunächst erhebliche Bedenken, weil sie befürchtete, dass dies mit finanziellen Nachteilen für sie verbunden sein könnte. Insbesondere war sie der Meinung, dass die Klägerin nicht ohne Abstimmung mit ihr zur Umsatzsteuerpflicht für den Grundstücksverkauf optieren könne. Nachdem aber der vorprozessuale Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 16. Juni 1994 auf die Notwendigkeit der Option zur Mehrwertsteuer zwecks Vermeidung erheblicher umsatzsteuerlicher Nachteile für die Klägerin hingewiesen hatte, ließ die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 13.Juli 1994 nach Beratung mit ihrem Steuerberater ihre Bedenken fallen und schloss sich der steuerrechtlichen Beurteilung der Klägerin an. Die Klägerin war deshalb auch berechtigt, bereits am 25. Juli 1994, also vor Beurkundung des Abänderungsvertrages, eine die Mehrwertsteuer offen ausweisende Rechnung auszustellen und dadurch zur Umsatzsteuer zu optieren.