Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.07.2012, Az.: 2 Ws 196/12
Antrag der Staatsanwaltschaft als Voraussetzung der Pflichtverteidigerbeiordnung im Vorverfahren; Zulässigkeit einer nachträglichen rückwirkenden Verteidigerbestellung für das im Rechtszug abgeschlossene Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.07.2012
- Aktenzeichen
- 2 Ws 196/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 24551
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0724.2WS196.12.0A
Rechtsgrundlagen
- § 81a Abs. 1 StPO
- § 141 Abs. 3 S. 1, 2 StPO
Fundstellen
- StRR 2012, 362
- ZAP 2012, 1219
- ZAP EN-Nr. 691/2012
Amtlicher Leitsatz
Die Pflichtverteidigerbeiordnung im Vorverfahren setzt einen Antrag der Staatsanwaltschaft voraus.
Eine nachträgliche rückwirkende Verteidigerbestellung für das im Rechtszug abgeschlossene Verfahren ist unzulässig.
In dem Ermittlungsverfahren
gegen A. L.,
geboren am xxxxxx 1981 in H.,
gemeldet S., H.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt K. P., H. -
wegen versuchten Diebstahls
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Verden vom 18.04.2012 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Landgericht xxxxxx am 24.07.2012
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Verden führt gegen die Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines am 26.01.2011 in O.-S. begangenen versuchten Diebstahls. Das Amtsgericht Verden hat mit Beschluss vom 28.12.2011 gemäß § 81a Abs. 1 und 2, 81e Abs. 1 StPO die Entnahme von Körperzellen bei der Beschuldigten sowie deren molekulargenetische Untersuchung zum Zwecke des Vergleichs mit dem am Tatort aufgefundenen Spurenmaterial angeordnet. Die Beschuldigte hat hiergegen Beschwerde eingelegt und zugleich den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Beschwerdeverfahren gestellt. Das Landgericht Verden hat die Beschwerde mit rechtskräftigem Beschluss vom 18.04.2011 verworfen. Mit weiterem Beschluss vom gleichen Tage hat es den Beiordnungsantrag abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Beschuldigte mit ihrer Beschwerde.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Eine nachträgliche rückwirkende Bestellung für das im Rechtszug - und hier sogar rechtskräftig - abgeschlossene Verfahren (hier: Entnahme von Körperzellen) ist nicht zulässig (BGH NStZ-RR 2009, 348; StV 1997, 238 [BGH 19.12.1996 - 1 StR 76/96]; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 141 Rdnr. 8 mwN). Denn die Verteidigerbestellung erfolgt im Strafverfahren nicht im Kosteninteresse des Beschuldigten oder Angeklagten, sondern dient allein dem Zweck, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten. Dieser Zweck kann nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ganz offensichtlich nicht mehr erreicht werden. Denn es gibt keine zu erbringende Verteidigungstätigkeit mehr, auf die sich die mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger entstehende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Tätigwerden beziehen könnte. Mithin fehlt es der Beschuldigten an dem für eine Beschwerde gegen die angefochtene Ablehnungsentscheidung des Landgerichts erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Überdies liegen die Voraussetzungen für eine Beiordnung auch deshalb nicht vor, weil die Staatsanwaltschaft nicht den hierfür nach§ 141 Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO erforderlichen Antrag gestellt hat, was auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist. Ein im Ermittlungsverfahren gestellter Beiordnungsantrag des Beschuldigten stellt lediglich eine Anregung an die Staatsanwaltschaft dar, einen Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung zu stellen. Dies folgt aus der Gesetzessystematik der Bestimmungen der StPO über das Vorfahren, wonach die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren Herrin des Verfahrens ist und das Gericht keine Maßnahmen gegen ihren Willen bzw. ohne Antrag der Staatsanwaltschaft treffen kann. Dies gilt nach der Konzeption des Gesetzgebers und der für das Ermittlungsverfahrenen geschaffenen Sonderregelung in § 141 Abs. 3 StPO auch für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Vorverfahren (vgl. OLG Oldenburg, NJW 2009, 3044 [OLG Oldenburg 20.04.2009 - 1 Ws 235/09]; OLG Karlsruhe, NStZ 1998, 315 [BGH 25.02.1998 - 3 StR 362/97]; LG Cottbus, Beschluss vom 13.05.2005, 22 Qs 15/05, zitiert nach [...]; KK-Laufhütte, StPO, 6 Auflage, Rdnr. 6 zu § 141; Reinhardt in Radtke/Hohmann, StPO, Rdnr. 10 zu § 141; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, Rdnr. 5 zu § 141; a.A. LG Bremen, Beschluss vom 25.06.1998, 27 AR 55/98, zitiert nach [...]; LK-Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Auflage, Rdnr. 24 zu § 141; Wohlers in SK-StPO, 4. Auflage, Rdnr. 5 ff. zu § 141).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.