Landgericht Hannover
Beschl. v. 20.12.2012, Az.: 40 Qs 135/12

Beiordnung eines Pflichtverteidigers bei Bestreiten der Tatbeteiligung von mehreren Angeklagten durch das Gebot des Grundsatzes der "Waffengleichheit"

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
20.12.2012
Aktenzeichen
40 Qs 135/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 40116
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2012:1220.40QS135.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 10.12.2012

Amtlicher Leitsatz

Ist bei mehreren Angeklagte, die eine Tatbeteiligung jeweils bestreiten, zu besorgen, dass die Angeklagten sich in der Hauptverhandlung gegenseitig belasten könnten, gebietet der Grundsatz der "Waffengleichheit" grundsätzlich die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wenn auch dem anderen Mitangeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist.

In der Strafsache gegen pp.
wohnhaft
Verteidiger:
Rechtsanwalt Michael Tusch, 328, Postkamp 12, 30159 Hannover
wegen gefährlicher Körperverletzung
hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Hannover auf die Beschwerde d. Armeklaggen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 10.12.2012 (xxxx) nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 20.12.2012
beschlossen:

Tenor:

Eine Sachentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die d. Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Gründe

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung ist prozessual überholt, nachdem das Amtsgericht in der Sache am 19.12.2012 durch Urteil entschieden hat; eine rückwirkende Verteidigerbeiordnung nach Abschluss des Verfahrens kommt nicht in Betracht, weil ihr Zweck, eine ordnungsgemäße Verteidigung im Verfahren sicherzustellen, nicht mehr erreicht werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.07.2012 2 Ws 196/12, zitiert nach-[...]).

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers waren in entsprechender Anwendung von § 472 Abs.2 StPO der Landeskasse aufzuerlegen, weil das Rechtsmittel vor Eintritt der prozessualen Überholung Erfolg gehabt hätte. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs.2 StPO haben vorgelegen, denn die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sowie der Grundsatz des fairen Verfahrens hätten es vorliegend geboten, auch dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beizuordnen.

Gegen- beide Angeklagte war der Vorwurf einer gemeinschaftlich verübten gefährlichen Körperverletzung erhoben worden. Nach den eine Tatbeteiligung jeweils bestreitenden Einlassungen im polizeilichen Ermittlungsverfahren war zu besorgen, dass die Angeklagten sich in der Hauptverhandlung gegenseitig belasten könnten. Jedenfalls in einer solchen Konstellation ist mit Rücksicht- auf den Grundsatz der "Waffengleichheit" grundsätzlich die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten, wenn auch dem anderen Mitangeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist. Nur so kann sichergestellt werden, dass beide Angeklagte gleichermaßen sachgerecht verteidigt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 472 Abs. 2 StPO 'in analoger Anwendung.

Gegen diesen Beschluss ist eine weitere Beschwerde nicht zulässig (§ 310 Abs. 2 StPO).