Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 11.11.2003, Az.: 3 B 87/03
Castor; Grundstück; Inanspruchnahme
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 11.11.2003
- Aktenzeichen
- 3 B 87/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48530
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 106 GefAbwG ND 1998
- § 2 Abs 1 Nr 5 BLG
- § 2 Abs 1 Nr 6 BLG
- § 9 Abs 1 Nr 1 BLG
- § 9 Abs 1 Nr 3 BLG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Inanspruchnahme eines privaten Grundstückes für polizeiliche Zwecke, damit dort anlässlich des Castor-Transportes sichergestellte Trecker abgestellt werden können, ist nach dem NGefAG i.V.m. dem Bundesleistungsgesetz gerechtfertigt, wenn öffentliche Flächen nicht zur Verfügung stehen.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen die Inanspruchnahme seines Grundstückes. Die Antragsgegnerin hat mit sofort vollziehbarer Verfügung vom 10. November 2003 vom Antragsteller gefordert, dass er der Polizei ein näher bezeichnetes Grundstück zum vorübergehenden Gebrauch überlässt, da das Grundstück zur Verwahrung von Traktoren und sonstigen Fahrzeugen genutzt werden soll, die im Zuge von Polizeimaßnahmen anlässlich des Castortransportes sichergestellt worden sind.
Der am 11. November 2003 bei Gericht eingegangene Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat keinen Erfolg. Die Verfügung der Antragsgegnerin vom 10. November 2003 ist rechtmäßig, und es besteht auch ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 106 NGefAG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 sowie § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Bundesleistungsgesetz. Nach § 106 NGefAG können die Bezirksregierungen zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben notwendige Leistungen im Umfang des § 2 des Bundesleistungsgesetzes anfordern. § 2 Abs. 1 Nr. 5 Bundesleistungsgesetz bestimmt, dass als Leistungen die Überlassung unbebauter Grundstücke zum vorübergehenden Gebrauch, Mitgebrauch oder zu einer anderen zeitlich beschränkten Nutzung angefordert werden können. Nach Nr. 6 der Vorschrift kann auch die Unterlassung des Gebrauchs, des Mitgebrauchs, der sonstigen Nutzung von unbeweglichen Sachen angefordert werden. Die Leistungen dürfen nach § 106 Abs. 1 Satz 4 NGefAG nur angefordert werden, wenn der Bedarf auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden kann. Leistungspflichtig sind gemäß § 106 Abs. 1 Satz 5 NGefAG die in § 9 Abs. 1 und § 74 Bundesleistungsgesetz bezeichneten Personen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Bundesleistungsgesetz sind derjenige, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt und derjenige, dem ein dingliches oder persönliches Recht zusteht, das zum Gebrauch, zum Mitgebrauch oder zur sonstigen Nutzung der Sache berechtigt, leistungspflichtig.
Diese Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschriften liegen hier vor:
Die Überlassung des Grundstückes ist nach § 2 Abs.1 Nr. 5 und Nr. 6 des Bundesleistungsgesetz gerechtfertigt. Der Antragsteller übt als Eigentümer zum einen die tatsächliche Gewalt über das angeforderte Grundstück aus, und er ist zum anderen auch persönlich Nutzungsberechtigter. Damit ist er zugleich Leistungspflichtiger nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 Bundesleistungsgesetz. Die Leistungsanforderung des Grundstückes des Antragstellers erfüllt auch die in § 106 Abs. 1 Satz 4 NGefAG aufgeführten Voraussetzungen. Denn der Bedarf kann auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden.
Die Antragsgegnerin hat in ihrem mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass es zur Sicherung des Castortransportes unbedingt notwendig ist, das Grundstück zur Verwahrung sichergestellter Traktoren/sonstiger landwirtschaftlicher Fahrzeuge zu nutzen. Auf dem Grundstück bzw. in der Umgebung mussten etliche Traktoren sichergestellt werden, um zu verhindern, dass diese Fahrzeuge von den Nutzern zu Blockademaßnahmen anlässlich des Castortransportes zweckentfremdet werden. Es ist nach dem Bescheid notwendig und sinnvoll, die Fahrzeuge nach Möglichkeit an ihrem Standort zu belassen und sie dort festzusetzen.
Die dagegen vorgebrachten Einwendungen des Antragstellers führen nicht zur Rechtswidrigkeit der Verfügung über die Inanspruchnahme. Der Hinweis des Antragstellers, er sei nach bürgerlichem Recht nicht zur Duldung verpflichtet, ist nicht erheblich, weil die Antragsgegnerin nicht nach bürgerlichem Recht, sondern nach öffentlichem Recht vorgeht. Es ist der Antragsgegnerin weiter nicht möglich gewesen, andere Flächen "rechtzeitig anzumieten", da sich im Vornherein nicht absehen lässt, wo sich ein entsprechender Bedarf für Abstellflächen ergibt. Öffentlicher Grund und Boden in der Nachbarschaft stand nach der Antragserwiderung nicht in der geeigneten Größe zur Verfügung. Die Inanspruchnahme gerade des Grundstücks des Antragstellers und nicht die Inanspruchnahme von Nachbargrundstücken ist vor allem auch deshalb gerechtfertigt, weil schon am Sonnabend, dem 8. November auf dem Grundstück rund 50 Trecker aufgestellt worden waren, und aus der Gruppe heraus in den Folgetagen Blockaden des Straßenverkehrs durchgeführt worden waren.
Die Inanspruchnahme ist weiter verhältnismäßig. Denn die Anforderung wird zeitlich bis zum 14. November 2003 beschränkt, und sie erlischt nach Ziffer 2 der Verfügung früher, falls der Transport der Castorbehälter zu einem früheren Zeitpunkt die Orte Gusborn oder Quickborn passiert hat. Zudem wird dem Antragsteller der Zugang nicht verwehrt, Besichtigungen sind lediglich abzusprechen (Ziffer 3 der Verfügung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.