Verwaltungsgericht Lüneburg
v. 20.11.2003, Az.: 2 A 171/02

Verpackung; Versandhandel

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
20.11.2003
Aktenzeichen
2 A 171/02
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2003, 48286
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Sammlung von Verpackungen kann untersagt werden, wenn das Unternehmen nicht nachweist, dass die Voraussetzungen für die Sammlung von Verpackungen aus dem Versandhandel (§ 6 Abs. 1 S. 6 und 7 VerpackV) erfüllt sind.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um eine Verfügung des Beklagten, mit der der Klägerin die Sammlung von Verpackungen aus Papier/Pappe, Glas sowie Verkaufsverpackungen aus Metallen, Kunst- und Verbundstoffen im Zuständigkeitsgebiet des Beklagten (Stadt und Landkreis Celle) untersagt worden ist.

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Die Klägerin ist ein Entsorgungsfachbetrieb und hatte im Zuständigkeitsbereich des Beklagten mehr als 200 Container für die Sammlung der o.g. Stoffe aufgestellt. Die Container waren im Wesentlichen in der Nähe von Wohnanlagen platziert worden. Mit Bescheid vom 8. Februar 2002 forderte der Beklagte die Klägerin auf, sämtliche im Zuständigkeitsgebiet des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Celle bei privaten Haushaltungen aufgestellten Sammelbehälter für Verpackungen zu entfernen und die gewerbliche Sammlung von Abfällen aus privaten Haushaltungen im Gebiet des Beklagten einzustellen. Gleichzeitig ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung an und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- EUR an. Zur Begründung heißt es in dem angefochtenen Bescheid, mit ihrer Sammeltätigkeit verstoße die Klägerin gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-AbfG) und gegen § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung (VerpackV). Die Klägerin habe trotz Aufforderung nicht nachgewiesen, dass sie tatsächlich Verpackungen im Auftrag des Versandhandels einsammle. Die geforderten Hinweise an den entsprechenden Waren und in den Katalogen seien ebenfalls nicht belegt. Im Übrigen seien die Sammelbehälter tatsächlich in keiner Weise durch schriftliche Hinweise gekennzeichnet, die die beabsichtigte Nutzung auf Verpackungen des Versandhandels beschränke.

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Die Klägerin legte gegen die Verfügung Widerspruch ein und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs durch das Gericht. Mit Beschluss vom 23. April 2002 (2 B 22/02) lehnte die erkennende Kammer diesen Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, sie unterhalte vertragliche Beziehungen zu Selbstentsorgern, die ihrerseits vom Versandhandel beauftragt worden seien, im Bereich des Beklagten in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher Rücknahmemöglichkeiten zu gewährleisten. Auf die Beschwerde der Klägerin änderte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 25. Juni 2002 (7 ME 96/02) den Beschluss der Kammer ab und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides wieder her und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2002 wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus, zu der zentralen Frage, ob die Entsorgung des Verpackungsmaterials im Auftrag von Versandhandelsunternehmen erfolge, seien trotz umfangreichen Schriftverkehrs keine eindeutigen Beweise vorgelegt worden. Eine Entsorgung von Verpackungsabfällen aus dem Versandhandel wäre nur zulässig, wenn nachweisbar die Kataloge oder Warensendungen Hinweise auf die Rücknahme der Verpackungen enthielten, die Art der Rückgabemöglichkeiten für den Endverbraucher geregelt sei und eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Versandhandelsfirmen über den Umfang der Entsorgungsleistungen bestehe. Die dazu vorgelegten Unterlagen und Auskünfte reichten nicht aus, so dass die Ausnahmeregelungen des § 6 Abs. 1 Satz 7 VerpackV nicht zum Zuge kämen. Der Beklagte habe Ende Juni/Anfang Juli den Inhalt von Papierbehältern, die von der Klägerin aufgestellt  worden seien, kontrolliert. Diese seien weit überwiegend (90 %) mit Zeitungen und Zeitschriften sowie Tiefkühlkostverpackungen gefüllt gewesen. Verpackungen, die eindeutig dem Versandhandel zugeordnet werden könnten, seien nicht festgestellt worden. Die in den Containern jetzt angebrachten Aufkleber mit dem Hinweis auf die ausschließliche Benutzung für Verpackungen aus dem Versandhandel seien nicht annähernd ausreichend und geeignet, die Fehlbenutzung zu reduzieren, wie sich bei den Kontrollen ergeben habe. Obwohl einige der Behälter bereits mit den neuen Aufklebern versehen gewesen seien, habe sich der Inhalt nicht von denen ohne Aufkleber unterschieden. Hinzu komme, dass im Frühjahr dieses Jahres in einigen Wohnanlagen im Auftrag der Vermieter Handzettel verteilt worden seien, nach denen in die Behälter mit dem blauen Deckel nicht nur Verpackungen aus Papier und Pappe, sondern vor allem auch Zeitungen und Zeitschriften eingeworfen werden sollten. Unstreitig seien Zeitschriften und Zeitungen Abfälle aus privaten Haushaltungen, die der Überlassungspflicht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unterlägen. Die gewerbliche Sammlung dieser Abfälle durch die Klägerin sei gesetzeswidrig.

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Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides beantragte die Klägerin erneut vorläufigen Rechtsschutz. Diesen Antrag lehnte die erkennende Kammer mit Beschluss vom 14. August 2002 (2 B 71/02) mit der Begründung ab, der zulässige Abänderungsantrag habe keinen Erfolg, weil sich neue Tatsachen im Widerspruchsverfahren nicht ergeben hätten, so dass ein Anspruch auf Abänderung nicht gegeben sei. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. September 2002 (7 ME 175/02) zurück

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In der Folgezeit hat der Beklagte, der mit Bescheid vom 30.4.2002 die Ersatzvornahme angedroht hatte, die streitigen Container entfernt.

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Zur Begründung ihrer am 2. August 2002 erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, sie sei Auftragnehmerin von verschiedenen Selbstentsorgersystemen für Verkaufsverpackungen. Diese Selbstentsorgersysteme hätten Rücknahmemöglichkeiten für solche Gewerbetreibende entwickelt, die hinsichtlich der von ihnen in den Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen einer Rücknahmepflicht unterlägen. Die Selbstentsorgersysteme seien ihrerseits Vertragspartner von Gewerbetreibenden, die ihre Waren an Endkunden versendeten. Die Selbstentsorgersysteme gewährleisteten bei ihren Kunden, eine möglichst hohe Rücknahmequote hinsichtlich der in den Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen zu erzielen und hätten ihrerseits sie - die Klägerin - beauftragt, die Einsammlung dieser Verkaufsverpackungen vorzunehmen. In den mit den Selbstentsorgersystemen geschlossenen Verträgen hätte sie die Verpflichtung übernommen, an den im Vertrag genannten Stellen die Möglichkeit vorzuhalten, Verkaufsverpackungen einzusammeln. Zu diesen Stellen zählten auch die von dem Beklagten in der Untersagungsverfügung erwähnten Aufstellplätze. Sie unterhalte vertragliche Beziehungen zu den Selbstentsorgersystemen der Firmen Belland Vision, Selbstentsorger-net und Vereinigung für Wertstoffrecycling AG. Die Firma Belland Vision verfüge über enge Kundenbeziehungen zu verschiedenen Drogerieketten, u.a. die Schlecker-Drogeriemärkte, die Rossmann-Drogeriemärkte, die DM-Märkte sowie die Müller-Drogeriemärkte. Hierbei handele es sich um Drogerien, die sehr umfangreich über das Internet auch im Versandhandel tätig seien. Zu den Kunden der Firma Selbstentsorger-net gehörten u.a. die Firmen Adler Moden, Adler Modemärkte, New Yorker, Staples, Beuthin, Behrens und Haltermann (Kaufring), Libri-Buchversand und andere. Schließlich sei sie auch Subunternehmerin der drittbeauftragten Repoint GmbH, die mit dem Selbstentsorgersystem Landbell AG vertragliche Beziehungen unterhalte. Die Landbell AG sei u.a. Vertragspartner des größten Infusionslieferanten in Deutschland (Firma Braun, Melsungen), der vielfältig bettlägerige Patienten mit Medikamenten versorge. Auch hierbei fielen rücknahmepflichtige Verkaufsverpackungen an. Sämtliche Selbstentsorgersysteme verfügten über einen vielfältigen Kundenstamm, der in erheblichem Umfang Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel in den Verkehr bringe.

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In § 13 Abs. 3 Nr. 1 KrW-AbfG sei klar herausgestellt, dass Verkaufsverpackungen keiner Andienungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unterlägen. Es gebe kein Exklusivrecht oder Monopolerfassungssystem des Beklagten, das dieser beanspruchen wolle. Die Bundesregierung habe mit der Novellierung der Verpackungsverordnung gerade beabsichtigt, den Wettbewerb zu fördern. Sie - die Klägerin - habe durch die deutlich sichtbar angebrachten Aufkleber auf den Behältern alles ihr mögliche getan, um etwaige Fehlwürfe zu vermeiden. Soweit der Endverbraucher Verpackungen in die dafür bereitgestellten Behälter werfe, die nicht von Lizenzpartnern der Selbstentsorger stammten, seien diese dennoch verpflichtet, auch diese Abfälle abzunehmen. Sie dürften sogar dem eigenen Mengenstrom zugerechnet werden.

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Sie sei auch nicht die richtige Adressatin für die Ordnungsverfügungen des Beklagten. Sie könne nur im Rahmen des ihr Möglichen auf ihre Sammeltätigkeit hinweisen. Dies tue sie durch Aufkleber und andere Hinweise. Die entsprechenden Hinweise für die Verbraucher, welche Verkaufsverpackungen wo zu entsorgen seien, müssten jedoch die Unternehmen selbst als auch die Selbstentsorger geben. Da sie als Vertragspartnerin der Selbstentsorger für diese nur Dienstleisterin in dem Sinne sei, dass sie letztlich die Entsorgung der Abfälle vornehme, könne ihr ein etwaiges systemwidriges Verhalten der Selbstentsorger oder der Unternehmen nicht zugerechnet werden. Sofern die jeweiligen Unternehmen keine entsprechenden Hinweise in ihren Katalogen oder Warensendungen erstellten, könne dies ihr nicht angelastet werden. Sie könne als „letztes Glied“ dieser Vertragskette nur für ihre eigenen Verpflichtungen einstehen.

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Soweit der Beklagte vortrage, die aufgestellten Behältnisse seien zu groß und demnach eindeutig auf das Sammeln von Papier und Pappe ausgerichtet, handele es sich um eine bloße Unterstellung. Sie habe zunächst kleinere Behältnisse aufgestellt. Im Laufe der Zeit habe sich gezeigt, dass sie jedoch stets überfüllt gewesen seien und umherfliegende Abfälle die Umwelt verschmutzten. Daher sei sie dazu übergegangen, größere Behälter aufzustellen.

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In zwei Entscheidungen habe das Landgericht Lübeck entschieden, dass ihre Vorgehensweise zulässig sei und in Einklang mit den abfallrechtlichen Vorschriften stehe. Die dortige Vorgehensweise unterscheide sich nicht von der Vorgehensweise im Bereich des Beklagten. Das VG Schleswig habe mit Urteil vom 24.10.2003 (4 A 71/01), dessen Urteilsgründe noch nicht vorlägen, einer Klage in einer Parallelangelegenheit stattgegeben. In der mündlichen Verhandlung habe das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, der Bereich der Verkaufsverpackungen sei durch § 13 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG dem Zugriff der Abfallbehörden entzogen, so dass diesen insoweit keine Eingriffsermächtigung zur Seite stünde, Vorgaben aus der Verpackungsverordnung zu überwachen. Da Verkaufsverpackungen nicht überlassungspflichtig seien, könne die Abfallbehörde nicht unmittelbar auf die Art und Weise der Einsammlung zugreifen. Nach der Verpackungsverordnung komme es nicht darauf an, für wie viele Versandhandelsunternehmen die Klägerin über die zwischengeschalteten Selbstentsorgersysteme tätig sei. Es genüge, dass die Klägerin überhaupt beauftragt sei, Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel einzusammeln.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 8. Februar 2002 in der durch Verfügung vom 30. April 2002 geänderten Fassung und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 29. Juli 2002 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und die Beschlüsse im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und trägt ergänzend vor, die Klägerin nehme für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns die Sonderregelungen in § 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV für die Rücknahme von Verkaufsverpackungen im Versandhandel in Anspruch. Die Voraussetzungen dieser Sonderregelungen lägen nicht vor. Die Klägerin benutze sie als Vorwand, um die Regelungen des § 6 Abs. 3 VerpackV sowie die Überlassungspflicht des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-AbfG zu unterlaufen. Eine Tätigkeit für den Versandhandel liege nicht vor. Die Klägerin habe Fragmente verschiedener Verträge mit Dritten vorgelegt, die ihrerseits von namhaften Firmen des Versandhandels mit der Erbringung der Leistungen beauftragt worden sein sollen. Es sei zwar richtig, dass sich der Versandhandel als Vertreiber von Verpackungen gemäß § 11 VerpackV zur Erfüllung seiner Pflichten Dritter bedienen könne. Außer der Behauptung der Klägerin fehle jedoch jeglicher Nachweis für Vertragsbeziehungen zwischen den Dritten und dem Versandhandel. Auf einen derartigen Nachweis könne nicht verzichtet werden. Der Vertrag mit der Firma Belland Vision sei nur unvollständig vorgelegt. Es fehlten insbesondere Regelungen für die Region, in der die Klägerin tätig werden solle. Bereits jetzt könne festgehalten werden, dass nach § 2 Satz 1 des Vertrages die Klägerin mit der Gestellung von Erfassungsbehältern sowie mit der Erfassung von Mengen und zulässigen Fehlwürfen beauftragt sei, „die bei Großverbrauchern im Marktsegment Außer-Haus-Konsum anfallen“. Die beanstandeten Behälter seien vor Wohnanlagen aufgestellt und stünden somit nicht Großverbrauchern zur Verfügung. Die Klägerin werde daher nicht in Erfüllung dieses Vertrages tätig. Auch der Vertrag mit der Firma P + P sei unvollständig. Er könne schon deshalb nicht Grundlage der beanstandeten Tätigkeit der Klägerin sein, da er nur befristet für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2001 geschlossen worden sei. Der weiter vorgelegte Vertrag belege keine vertraglichen Beziehungen zwischen der Firma Landbell und der Firma Braun in Melsungen, andererseits auch nicht, dass die Klägerin Subunternehmerin der drittbeauftragten Repoint GmbH sei.

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Darüber hinaus sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Versandhandelsfirmen, für die die Klägerin im Ergebnis tätig sein wolle, in der Warensendung und den Katalogen auf die Rückgabemöglichkeiten bei der Klägerin hinweise. Diese Verpflichtung sei nicht nur eine reine Obliegenheit. Werde sie nämlich nicht erfüllt, könne der Endverbraucher keine Kenntnis von der separaten, eigenständigen Entsorgungsverpflichtung des Versandhandels haben, mit der Folge, dass die Verordnungsregeln obsolet wären, würden doch die Versandhandelsverpackungen vom Verbraucher dann behandelt wie vergleichbare andere Verpackungen auch.

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Lägen danach die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV nicht vor, handelt die Klägerin ausschließlich auf eigene Rechnung, was ihr nicht gestattet sei. Soweit es um die Erfassung von Zeitschriften und Zeitungen gehe, werde die Überlassungspflicht des § 13 Abs. 1 KrW-AbfG unterlaufen. Diese entfalle auch nicht nach § 13 Abs. 3 KrW-AbfG, da einer derartigen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden. Diese bestünden darin, dass er im Rahmen seines Entsorgungssystems seit Anfang des Jahres 2002 eine Papiertonne anbiete. Seit die Klägerin im Zweckverbandsgebiet tätig sei, seien zahlreiche Bestellungen für Papiertonnen unter Hinweis auf diese Tätigkeit storniert worden. Da das gesamte Entsorgungssystem durch Abfallgebühren finanziert werde und die Höhe dieser Einnahmen an die Benutzung der Abfallbehälter gekoppelt sei, müsse jede nicht erwirtschaftete Einnahme von den anderen Gebührenzahlern getragen werden. Gerade dies zu unterbinden, sei das überwiegende öffentliche Interesse, dass der gewerblichen Sammlung der Klägerin entgegenstehe. Die gewerbliche Sammlung der Klägerin beeinträchtige die wirtschaftliche Auslastung des bestehenden Abfallentsorgungssystems.

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Soweit es um die Erfassung von Verpackungen gehe, entfalle zwar wegen § 13 Abs. 3 Satz 1 KrW-AbfG die Überlassungspflicht, da diese Abfälle den Rücknahmepflichten des § 6 VerpackV unterlägen. Daraus ergebe sich aber nicht die Zulässigkeit der durchgeführten Sammlung. Die Rücknahmeverpflichtung des § 6 Abs. 1 VerpackV von Herstellern und Vertreibern entfalle nur dann, wenn diese sich an einem flächendeckenden System im Sinne von § 6 Abs. 3 VerpackV beteiligten, das mit dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, in dessen Bereich es eingerichtet werde, abgestimmt sei. Ein derartiges System betreibe die Klägerin nicht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

22

Nach § 21 KrW-AbfG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen treffen. Nach § 42 Abs. 1 des Niedersächsischen Abfallgesetzes (NAbfG) sind für Entscheidungen und andere Maßnahmen aufgrund des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, des Abfallverbringungsgesetzes, dieses Gesetzes und der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Verordnungen die unteren Abfallbehörden zuständig, soweit nichts anderes bestimmt wird. Mithin war der Beklagte, der nach seiner Satzung als Zweckverband untere Abfallbehörde ist, für den Erlass der hier streitigen Verfügung zuständig, und es lag auch eine hinreichende Rechtsgrundlage für den Erlass vor. Die Kammer folgt nicht der Auffassung des VG Schleswig, der Bereich der Verkaufsverpackungen sei einschließlich der Art und Weise ihrer Einsammlung dem Zugriff der Abfallbehörden entzogen und ihnen stünde insoweit keine Eingriffsermächtigung zu. Denn nach den o. g. Vorschriften sind die Abfallbehörden umfassend für die Überwachung der Abfallgesetze und der dazu erlassenen Verordnungen - zu denen auch die Verpackungsverordnung gehört - zuständig. Aus § 13 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG, der den Wegfall der Überlassungspflicht für Abfälle, die einer Rücknahme- oder Rückgabepflicht aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 KrW-/AbfG unterliegen, vorsieht, lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht herleiten, dass neben dem Wegfall der Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auch dessen Zuständigkeit für die Überwachung der entsprechenden Verordnung wegfallen soll. Dies hätte einer ausdrücklichen Regelung bedurft.

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Zutreffend gehen die angefochtenen Bescheide davon aus, dass die Klägerin mit der ihr untersagten Sammeltätigkeit gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-AbfG und gegen § 6 VerpackV verstoßen hat. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin, die sich zur Rechtfertigung ihrer Sammeltätigkeit auf diese Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 1 S. 6 und 7 VerpackV beruft, in rechtlich erlaubter Weise ausschließlich als Auftragnehmerin von Selbstentsorgern tätig ist, die für den Versandhandel geeignete Rückgabemöglichkeiten für gebrauchte, restentleerte Verkaufsverpackungen in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher gewährleisten (§ 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV). Zu den diesbezüglichen Zweifeln hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 30. September 2002 (7 ME 175/02) ausgeführt:

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„Die insoweit bestehenden Zweifel, auf die der Senat bereits in seinem Beschluss vom 25. Juni 2002 - 7 ME 96/02 - hingewiesen hat, sind jedoch auch im Widerspruchsverfahren nicht ausgeräumt worden. Die von der Antragstellerin bisher vorgelegten Verträge mit sog. Selbstentsorgern lassen weder die Art der für den Endverbraucher vorgesehenen Rückgabemöglichkeiten erkennen noch geht aus ihnen eindeutig hervor, dass sie ausschließlich die Rücknahme von Verkaufsverpackungen des Versandhandels regeln. Nach wie vor ist nicht hinreichend geklärt, welche Firmen des Versandhandels sich im Bereich des Antragsgegners einer Selbstentsorgung durch Dritte (§ 11 VerpackV) bedienen und ob Warensendungen bzw. Kataloge Hinweise auf die Rückgabemöglichkeiten enthalten (§ 6 Abs. 1 Satz 7 VerpackV). Die Vielzahl und Größe der von der Antragstellerin im Bereich des Antragsgegners bisher verwendeten Sammelbehälter könnte ferner dafür sprechen, dass unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-AbfG auch Papierabfälle aus Haushaltungen gesammelt und damit dem beim Antragsgegner eingeführten System der Papiertonne entzogen worden sind. Jedenfalls reichen die bisherigen Vorkehrungen der Antragstellerin offensichtlich nicht aus, eine derart zweckwidrige Nutzung der Sammelbehälter wirksam einzuschränken.“

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Diese deutlichen Zweifel sind auch im Verlauf des Verfahrens der Hauptsache nicht ausgeräumt worden, so dass derzeit nicht mit der hinreichenden Sicherheit festgestellt werden kann, dass sich die Klägerin mit ihrer Tätigkeit im Rahmen des rechtlich Erlaubten nach § 6 Abs. 1 S. 6 und 7 VerpackV bewegt. Dazu im Einzelnen:

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Die im Verlauf des Hauptsacheverfahrens vorgelegten Verträge, die im Übrigen auch nicht vollständig sind, lassen nicht den Schluss zu, dass die Klägerin mit ihrer Tätigkeit nur Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel erfassen will. Es fehlt weiter jeglicher Nachweis der vertraglichen Beziehungen von Versandhandelsunternehmen mit der Klägerin. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass Vertragsgegenstand des im Hauptsacheverfahren vorgelegten Vertrages zwischen der Belland Vision GmbH und der Klägerin die Erfassung, Sortierung und Verwertung von Abfallmengen und zusätzlichen Fehlwürfen ist, die bei Großverbrauchern im Marktsegment „Außer-Haus-Konsum“ anfallen. Eine Aufstellung von Containern im Bereich von Großverbrauchern liegt im Bereich des Beklagten nicht vor, da die Klägerin ihre Abfallbehälter vor Wohnanlagen aufgestellt hat. Den erneut vorgelegten Vertrag mit der Firma Pöhlmann und Partner hat die Kammer bereits im Verfahren 2 B 22/02 gewürdigt und als Nachweis für nicht ausreichend erachtet. Ob der Hinweis des Beklagten, dieser Vertrag könne schon deshalb nicht Grundlage des Handelns der Klägerin sein, weil er nur für das Jahr 2001 geschlossen worden sei, kann offen bleiben. Dafür spricht zwar die Seite 1 des Vertrages (Blatt 117 der Gerichtsakte 2 B 22/02), in § 8 des vorgelegten Vertrages ist allerdings die Vertragsdauer handschriftlich dahingehend geändert worden, dass der Vertrag bis zum 31. Dezember 2010 geschlossen sein soll (Blatt 120 der Gerichtsakte 2 B 22/02). Aus dem weiteren vorgelegten Vertrag zwischen der Repoint GmbH und der Firma Landbell AG ergibt sich nicht, dass die Klägerin in vertraglichen Beziehungen zu diesen Unternehmen steht und für sie im Rahmen des Versandhandels Verkaufsverpackungen sammeln und entsorgen soll.

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Nach § 6 Abs. 1 Satz 6 und Satz 7 VerpackV ist im Versandhandel die Rücknahme durch geeignete Rückgabemöglichkeiten in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher zu gewährleisten. In der Warensendung und in den Katalogen ist auf die Rückgabemöglichkeit hinzuweisen. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht behauptet, dass die Versandhandelsunternehmen, die sie über Selbstentsorgersysteme mit dem Einsammeln von Verkaufsverpackungen beauftragt haben sollen, solche Hinweise an ihre Kunden in den Warensendungen und den Katalogen geben. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nur vorgetragen, der Endverbraucher könne sich über eine Hotline entsprechend informieren. Diese Möglichkeit reicht nicht aus, den Vorgaben des § 6 Abs. 1 S. 7 VerpackV gerecht zu werden. Denn im Gegensatz zu Hinweisen im Katalog und in der Warensendung muss der Endverbraucher bei einer Hotline noch selbst tätig werden, um den konkreten Standort der Entsorgungsmöglichkeit des Versandhandels zu erfahren.

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Soweit die Klägerin vorträgt, das Fehlen dieser Hinweise könne ihr nicht angelastet werden, da sie als „letztes Glied“ der Vertragskette nur für ihre eigenen Verpflichtungen einstehen könne, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Das für den Versandhandel vorgesehene Entsorgungssystem über geeignete Rücknahmemöglichkeiten in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher setzt voraus, dass der Endverbraucher auch Kenntnis von dieser Rücknahmemöglichkeit erhält. Dies soll und kann nur dadurch geschehen, dass bereits im Katalog, aber spätestens in der dem Verbraucher zugehenden Warensendung darauf hingewiesen wird, an welcher Stelle sich eine Sammelmöglichkeit für Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel befindet. Nur dann wird der Endverbraucher in die Lage gesetzt, die anfallenden Verpackungen dort zurückzugeben. Fehlt es an solchen Hinweisen, so können lediglich Endverbraucher von der Aufstellung der Container durch die Klägerin erfahren, die im Sichtbereich dieser Container wohnen. Das führt aber dazu, dass sämtliche andere Endverbraucher des Versandhandels ihre Verkaufsverpackungen mangels Kenntnis dort nicht einwerfen können und werden. Um eine entsprechende Rücknahmequote im Bereich des Versandhandels zu erzielen, wäre das System dann darauf angewiesen, dass es zu Fehlwürfen in erheblichem Umfang kommt, weil sonst die erforderlichen Rücknahmequoten nicht erreicht würden. Die fehlenden Hinweise in den Versandkatalogen und Warensendungen sind der Klägerin auch zuzurechnen und stehen ihrer weiteren Tätigkeit entgegen. § 6 Abs. 1 Satz 6 und Satz 7 VerpackV erlauben eine Ausnahmemöglichkeit der Rücknahmemöglichkeiten für die speziellen Verhältnisse des Versandhandels und stellen bestimmte Voraussetzungen dafür aus. Es kann nicht hingenommen werden, dass diese Voraussetzungen von den Versendern nicht erfüllt werden und die letztbeauftragten Entsorgungsunternehmen trotzdem entsprechende Sammlungen durchführen. Denn ohne solche Hinweise stellt sich die Tätigkeit der Klägerin als unzulässige Sammlung von Verkaufsverpackungen - jeglicher Art - dar.

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Auch vermag die Kammer der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, dass Ziel der Verpackungsverordnung die Sammlung von möglichst viel Verpackungsmaterial sei und jeder zur Sammlung solcher Materialien berechtigt sei. Denn einer solchen Auslegung steht entgegen, dass nach dem Anhang I zu § 6 VerpackV die nach § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV verpflichteten Hersteller und Vertreiber bestimmte Rücknahme- und Verwertungsquoten zu erfüllen haben. Diese können nur erreicht werden, wenn die Sammlung der Verkaufsverpackungen innerhalb der nach der Verpackungsverordnung vorgesehenen Rücknahmesysteme erfolgt.

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Hinzu kommt, dass die Containergröße und der vom Beklagten bei Kontrollen vorgefundene Inhalt deutlich darauf hinweisen, dass in die aufgestellten Container im Wesentlichen keine Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel eingeworfen werden. Bei den durchgeführten Kontrollen wurden Versandhandelsverpackungen nicht vorgefunden, zu 90 % Zeitschriften und Zeitungen sowie im Übrigen Tiefkühlverpackungen und Ähnliches. Die Bewohner der angrenzenden Gebäude nutzen die von der Klägerin aufgestellten Sammelbehälter offensichtlich zur allgemeinen Entsorgung. Daran hat augenscheinlich auch der von der Klägerin im Verlauf des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zusätzlich angebrachte Aufkleber nichts geändert, da dieser bei den überprüften Containern bereits teilweise vorhanden war. Außerdem erscheint dieser Aufkleber (Blatt 312 der Gerichtsakte 2 B 22/02) der Kammer als nicht geeignet, Fehlwürfe in die von der Klägerin aufgestellten Behälter zu vermeiden. Bereits die Überschrift „Rücknahmesystem für Verkaufsverpackungen“ erscheint irreführend, da ein Hinweis auf die ausschließliche Sammlung von Versandhandelsverpackungen an dieser Stelle fehlt. Auch in den nächsten vier Sätzen des Aufklebers ist ein Hinweis auf die eingeschränkte Sammlung nur hinsichtlich der Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel nicht enthalten. Ein solcher Hinweis taucht erstmals in der unteren Hälfte des Aufklebers auf. Auch wenn berücksichtigt wird, dass diese Passage „Bitte werfen Sie nur Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel in diesen Behälter“ durch eine Umrandung hervorgehoben worden ist, erscheint es eher unwahrscheinlich, dass die Nutzer des Behälters den Aufkleber bis zu diesem Punkt lesen. Eine ausreichende Kennzeichnung der Sammelbehälter der Klägerin liegt damit nicht vor.

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Die Kammer geht deshalb davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Tätigkeit nach § 6 Abs. 1 S. 6 und 7 VerpackV von der Klägerin derzeit nicht erfüllt werden und sich ihre Tätigkeit deshalb als unzulässige gewerbliche Sammlung darstellt, die der Beklagte zu Recht untersagt hat. Insoweit verweist die Kammer zu Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide, denen sie folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die umfassende Untersagungsverfügung nicht zu beanstanden, denn es fehlt vorliegend nicht nur an der hinreichenden Kennzeichnung der aufgestellten Abfallbehälter, sondern die Tätigkeit der Klägerin insgesamt wird den Vorgaben der Verpackungsverordnung nicht gerecht.

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Ergänzend weist die Kammer noch darauf hin, dass ihr die in der mündlichen Verhandlung erörterte Praxis der Klägerin, den Eigentümern der Wohnanlagen, bei denen die Abfallbehälter aufgestellt sind, Kosten in Rechnung zu stellen, zweifelhaft erscheint. Denn wird die Klägerin ausschließlich zum Zweck der Erfassung von Verpackungen aus dem Versandhandel tätig, besteht keinerlei Anlass für Zahlungen der Wohnungseigentümer an sie. Dies gilt auch für die von der Klägerin erwähnten anderen Dienstleistungen (Behälter statt Säcke, Reinigung, Umzäunung), da diese unmittelbare Folge ihrer Tätigkeit für den Versandhandel wären. Eine Zahlung der Wohnungseigentümer an die Klägerin macht vielmehr nur dann Sinn, wenn dadurch andere Kosten - wie etwa für die Papiertonne des Beklagten - eingespart werden. Das ist aber nur bei einer Erfassung sämtlicher Papierabfälle - auch von Druckerzeugnissen, die der Andienungspflicht unterliegen - möglich. Dies bestärkt die Zweifel der Kammer, dass Ziel der Sammlungen der Klägerin nur Versandhandelsverpackungen sind.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen vor (§ 124 a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).