Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.10.2002, Az.: 17 W 59/02

Abschiebehaftverlängerung; Abschiebungshaftverlängerung; Abschiebungsverfahren; Abschiebungsverhinderung; Ausländerbehörde; Ausreisepflicht; Beschleunigungsgrundsatz; eigene Ermittlungstätigkeit; Haftfortdaueranordnung; Identitätsaufklärung; Identitätsermittlungsverfahren; Mitwirkungsverweigerung; Passersatzpapierbeschaffung; Sicherungshaftverlängerung; Verfahrensförderungspflicht; Zügigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.10.2002
Aktenzeichen
17 W 59/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43733
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 11.04.2002 - AZ: 28 T 75/02

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels festgestellt, dass die Fortdauer der gegen die Betroffene verhängten Abschiebungshaft nach dem 11. April 2002 rechtswidrig ist.

Gerichtliche Kosten und Auslagen werden nicht erhoben.

Die beteiligte Stadt ... hat der Betroffenen deren außergerichtliche Auslagen der sofortigen Beschwerde und der sofortigen weiteren Beschwerde zu erstatten.

Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe

I.

1

Gegen die Betroffene wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 10. Juni 2002 die zuvor durch Beschluss vom 13. März 2002 angeordnete Sicherungshaft für die Dauer von weiteren drei Monaten verlängert. Die gegen diese Verlängerung gerichtete sofortige Beschwerde wies das Landgericht durch Beschluss vom 2. Juli 2002 zurück.

2

Auf die sofortige weitere Beschwerde hob der Senat den genannten Beschluss des Landgerichts Hannover auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an die 29. Zivilkammer des Landgerichts Hannover zurück. Der Senat wies darauf hin, dass das Landgericht es verfahrensfehlerhaft unterlassen habe, zu ermitteln, ob die langwierige Passersatzbeschaffung allein auf das Verhalten der Betroffenen zurückzuführen sei. Nach Aktenlage sei nicht auszuschließen, dass Ursache für die Verzögerung auch zögerliche Bearbeitung durch die beteiligten Behörden sein könnte.

3

Das Landgericht hat sodann weitere Ermittlungen angestellt und die sofortige Beschwerde durch Beschluss vom 5. September 2002 erneut zurückgewiesen. Die aus den angefochtenen Beschlüssen resultierende Haft endete am 12. September 2002. Durch Schriftsatz vom 17. September 2002, eingegangen am selben Tage, erhob die Betroffene sofortige weitere Beschwerde. Die Betroffene macht geltend, zwar treffe es zu, dass sie selbst nicht hinreichend bei der Feststellung ihrer Personalien unter Beschaffung von Passersatzpapieren mitwirke; die lange Dauer der Ermittlungen beruhe jedoch überwiegend darauf, dass die beteiligten Behörden das Verfahren nicht mit der gebotenen Beschleunigung betrieben.

II.

4

Zwar ist die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen gegen die Entscheidung des Landgerichts gegenstandslos, soweit sie sich gegen die Haftanordnung richtet, weil sie am 17. September 2002 - mithin nach Beendigung der vorliegend aufgrund der angegriffenen Entscheidungen festgesetzten Haftzeit am 12. September 2002 eingelegt worden ist und damit durch Zeitablauf überholt.

5

Sie bleibt aber mit dem von der Betroffenen verfolgten Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten Haft zulässig (vgl. hierzu BVerFG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99); OLG Hamm FaPrax 2001, 263). In diesem Umfang, soweit Feststellung der Rechtswidrigkeit begehrt wird, hat das Rechtsmittel jedenfalls für den Zeitraum nach dem 11. April 2002 Erfolg.

6

Zutreffend ist allerdings zunächst der Ansatz des Landgerichts, dass grundsätzlich der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 5 AuslG gegeben ist. Dies bedarf keiner weiteren Vertiefung und wird von der Betroffenen auch nicht in Abrede gestellt.

7

Zutreffend ist ferner, dass ein gewichtiger Grund für die Dauer des Verfahrens die beharrliche Weigerung der Betroffenen ist, bei der Aufklärung ihrer Identität und damit der Beschaffung von Passersatzpapieren mitzuwirken. Weitere Voraussetzung für die Fortdauer der Haft ist aber, dass die beteiligten Behörden das Verfahren zur Ermittlung der Identität der Betroffenen durch eigene Ermittlungstätigkeiten zügig fördern. Dieser Beschleunigungsgrundsatz ist gerade im Verfahrens betreffend freiheitsentziehende Maßnahmen von besonderer Bedeutung. Die Ausländerbehörde kann sich nicht allein auf die fehlende Mitwirkung der abzuschiebenden Person berufen. Diese Voraussetzungen liegen - was das Landgericht verkannt hat - nur bis zum 11. April 2002 vor. Bis dahin ist der Beteiligten eine zögerliche Bearbeitungsweise nicht vorzuwerfen. Auf die Festnahme am 12. März 2002 folgte die Haftanordnung vom 13. März 2002. Am 15. März 2002 und 18. März 2002 gingen Ermittlungsersuchen an die Stadt ... und die Bezirksregierung ... heraus. Die Bezirksregierung ... sprach am 4. April 2002 mit der Betroffenen, um eine Erklärung der Identität herbeizuführen. Nachdem sie der Betroffenen mitgeteilt hatte, dass dieses Gespräch zu keinem Erfolg geführt habe, leitete die Betroffene durch Telefax vom 11. April 2002 (Bl. 84) weitere Ermittlungen ein und bat die Bezirksregierung ... um Vorführung der Betroffenen bei der Ghanaischen Botschaft. Nach diesem Datum geschah zunächst nichts. Erst mit Schreiben vom 25. Juni 2002 wurde der Betroffenen von der Bezirksregierung ... mitgeteilt, dass eine Vorführung für den 10. Juli 2002 in Aussicht genommen sei. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bezirksregierung ... mehr als zwei Monate benötigte, um das Vorführungsersuchen der Stadt ... zu beantworten und warum zwischen Ersuchen und Vorführung insgesamt drei Monate liegen mussten. In diesem Zusammenhang ist der Beteiligten vorzuwerfen, dass sie nicht durch entsprechende Anfragen und Erinnerungen auf eine zügige Erledigung ihres Ersuchens gedrungen hat. Offenkundig - jedenfalls ergibt sich aus den vom Landgericht erstellten Ermittlungen nichts anderes - hat die Beteiligte in der Zeit vom 11. April 2002 bis zum 18. Juli 2002 (erneutes Ersuchen an die Bezirksregierung ..., im Rahmen der Sprechtage auf die Betroffene einzuwirken) überhaupt nichts unternommen, um das Verfahren zu beschleunigen und die Haftdauer so kurz wie möglich zu halten. Spätestens seit dem 11. April 2002 lässt sich daher den vom Landgericht ermittelten Tatsachen eine zügige, dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung tragende Bearbeitung der Passersatzbeschaffung durch die beteiligten Behörden nicht mehr entnehmen, sodass die Fortdauer der Inhaftierung von diesem Tage an bis zum 12. September 2002 rechtswidrig war.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 103 Abs. 2 AuslG, 16 FEVG.