Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 13.06.2012, Az.: L 13 AS 246/09
Angemessene Unterkunftskosten; Bedarfsdeckungsprinzip; Bedarfsgemeinschaft; Kosten für Unterkunft und Heizung; Produkttheorie; Senkung der Unterkunftskosten; Wohngemeinschaft; Wohnstandard
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 13.06.2012
- Aktenzeichen
- L 13 AS 246/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 44303
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 28.04.2009 - AZ: S 44 AS 573/09
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
- § 12 WoGG
- § 22 Abs 1 S 1 SGB 2
- § 7 Abs 3 SGB 2
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine Personenmehrheit ist bei der Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach den Maßstäben des SGB II grundsätzlich nur dann rechtlich relevant, wenn sie eine Bedarfsgemeinschaft i. S. d. § 7 Abs. 3 SGB II bildet (Anschluss an BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 61/06 R). Hieraus ergibt sich keine ungerechtfertigte Besserstellung von Mitgliedern einer Wohngemeinschaft gegenüber Leistungsberechtigten, die mit Personen zusammenwohnen, mit denen sie eine Bedarfsgemeinschaft bilden.
2. Das Wohnen in einer Wohngemeinschaft ist seinerseits ein Element des "Wohnstandards" und führt dazu, dass die gleiche Fläche für den Einzelnen dadurch günstiger wird, dass er auf seine Privatsphäre teilweise verzichtet.
3. Es erscheint im Lichte der Produkttheorie problematisch, die Angemessenheit von Unterkunftskosten in Abhängigkeit von der konkreten Wohnform (hier: Wohngemeinschaft) zu stellen. Lediglich in besonders gelagerten Ausnahmefällen mag darüber nachgedacht werden, ob die Grenzen der Angemessenheit gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II überschritten sind.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 28. April 2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Oldenburg, mit welchem dem in einer Wohngemeinschaft lebenden Kläger Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum des ersten Halbjahres 2009 in derselben Höhe zugesprochen worden sind, wie sie einem Alleinstehenden zustehen.
Der 1980 geborene Kläger bezog seit 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zunächst in gemeinsamer Veranlagung mit seiner damaligen Lebensgefährtin, mit der er seinerzeit zusammen lebte. Im September 2005 wurde eine gemeinsame Tochter geboren. Die Familie zog im Januar 2006 in die ca. 90 qm große Wohnung ein, in welcher der Kläger bis heute wohnt. Nachdem die Partner im Juni 2006 geheiratet hatten und im Dezember 2006 ein gemeinsamer Sohn geboren wurde, kam es im Jahr 2008 zur Trennung. Der Kläger teilte am 6. Mai 2008 mit, seine Ehefrau und seine Tochter seien aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Mit Bescheid vom 8. Mai 2008 passte daraufhin der Beklagte die laufenden Leistungen an die neuen Gegebenheiten an und forderte den Kläger mit separatem Schreiben vom gleichen Datum zur Senkung seiner Unterkunftskosten auf.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seinem Sohn fortlaufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. monatlich 1.021,86 € für den Zeitraum von Juli bis September 2008, anschließend 878,86 € für den Zeitraum von Oktober 2008 bis April 2009 sowie 857,86 € für den Monat Mai 2009. Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 8. Mai 2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Änderungen zum Monat Oktober 2008 erfolgten aufgrund der Senkung der Unterkunftskosten ab diesem Monat, die Änderung zum Monat Mai 2009 erfolge aufgrund der Senkung der Heizkosten, die ab diesem Monat wirksam werde. Nachdem nunmehr auch der Sohn des Klägers ausgezogen war und der Kläger zum 20. Oktober 2008 eine Tätigkeit bei der FirG. GmbH aufgenommen hatte, erließ der Beklagte am 22. Oktober 2008 einen Änderungsbescheid zum Bescheid vom 10. Juni 2008 und bewilligte dem Kläger für den Monat November 2008 Leistungen i. H. von 500,50 € sowie für den Monat Dezember 2008 Leistungen i. H. v. 65,50 €. Eine Änderung des Bescheides vom 10. Juni 2008 mit Wirkung ab Januar 2009 erfolgte zunächst mit der Begründung nicht, da der Kläger nach seinen Angaben ab Januar 2009 einen neuen Mitbewohner habe, werde die Auszahlung für den Monat Januar 2009 erst nach Abgabe der erforderlichen Unterlagen des Untermieters (Meldebescheinigung, Lohnabrechnung etc.) erfolgen. Mit Wirkung zum 10. Dezember 2008 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers arbeitgeberseitig gekündigt.
Am 10. Dezember 2008 schloss der Kläger mit seinem Vermieter einen neuen Wohnraummietvertrag, der dahingehend neugefasst wurde, dass als Mieter nunmehr der Kläger sowie sein neuer Mitbewohner, Hr. H., den Vertrag schlossen. Die Miete wurde auf monatlich 748,00 € inkl. aller Neben- und Betriebskosten festgelegt, wobei nach dem Vertragstext jeder Mieter den halben Mietanteil i. H. v. jeweils 374,00 € tragen sollte.
Der Beklagte änderte mit Änderungsbescheid vom 10. Dezember 2008 und dann abermals mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2008 die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen ab. Für den Monat November 2008 bewilligte er dem Kläger Leistungen i. H. v. 560,57 € gemäß Änderungsbescheid vom 10. Dezember 2008, für den Monat Dezember 2008 bewilligte er 250,17 € nach Abgabe der Lohnabrechnung des Klägers - diesen Betrag weist der Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2008 aus, nachdem im Änderungsbescheid vom 10. Dezember 2008 noch ein Leistungsbetrag i. H. v. 65,50 € für diesen Monat vorgesehen war - sowie für die Monate ab Januar 2009 jeweils einen Betrag i. H. v. 335,25 € unter Zugrundelegung eines fiktiven Brutto-Erwerbseinkommens i. H. v. 400,00 €, Letzteres zunächst ohne nähere Begründung. Die Kosten der Unterkunft wurden mit 189,75 €, die Heizkosten mit monatlich 34,50 € berücksichtigt. Hierzu ist im Änderungsbescheid vom 10. Dezember 2008 ausgeführt, der Miethöchstsatz inkl. kalter Nebenkosten für einen Zwei-Personen-Haushalt liege bei 379,50 €, sodass zugunsten des Klägers ein Betrag i. H. v. 189,75 € - nämlich die Hälfte davon - berücksichtigt werde. Bei den Heizkosten sei entsprechend verfahren worden.
Der Kläger hat am 8. Januar 2009 "gegen den Bescheid 18.12.2008" Widerspruch eingelegt. Unter Hinweis auf einen Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 22. Oktober 2008 verwies er darauf, der Bescheid vom 18. Dezember 2008 sei rechtswidrig, und er habe Anspruch auf volle Kostenübernahme seiner Miete. Aufgrund der Trennung sei die Wohnung für ihn alleine zu groß geworden, aus diesem Grunde habe er sich entschieden, eine Wohngemeinschaft zu gründen.
In Kenntnis des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 61/06 R - wurde gemäß dem Inhalt der Verwaltungsakten behördenintern entschieden, dieses Urteil nicht auf den vorliegenden Widerspruch anzuwenden. Mit Datum vom 29. Januar 2009 erging ein weiterer Änderungsbescheid, welcher die dem Kläger ab dem Monat Februar 2009 zustehenden laufenden Leistungen zum Gegenstand hatte, die nunmehr auf 575,25 € wegen Fortfall der Lohnzahlungen festgesetzt wurden. Die Berechnung der Kosten der Unterkunft und Heizung blieb unverändert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2009 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, auch bei einer Wohngemeinschaft würden durch die Lebensform der Haushaltsgemeinschaft Kosten gegenüber einem getrennten Wohnen eingespart. Einen sachlichen Grund zur Besserstellung gegenüber Familien bzw. Bedarfsgemeinschaften gebe es nicht. Dementsprechend würden die angemessenen Kosten für einen Zwei-Personen-Haushalt zugrunde gelegt, die nach der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) zzgl. einen Zuschlages i. H. v. 10 % mangels besserer örtlicher Erkenntnisgrundlagen mit 379,50 € zzgl. Heizung zu veranschlagen seien. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Urteil des BSG vom 18. Juni 2008 - a. a. O. - enthielt der Widerspruchsbescheid nicht.
Der Kläger hat am 13. März 2009 Klage erhoben und hat zugleich - mit Erfolg - einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Zahlung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung, gestellt. Zur Begründung der Klage hat sich der Kläger auf das Urteil des BSG vom 18. Juni 2008 - a. a. O. - bezogen, hiernach sei bei Wohngemeinschaften zur Berechnung der Angemessenheit der Unterkunftskosten der einzelne Leistungsberechtigte als alleinstehend zu behandeln. Nach dieser Maßgabe liege der Höchstbetrag gemäß der neuen Fassung der Wohngeldtabelle, nämlich des seit dem 1. Januar 2009 geltenden § 12 WoGG bei einer nunmehr für W. geltenden Mietstufe 3, für ein einzelnes zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied bei 330,00 €. Zu addieren seien die tatsächlichen Heizkosten i. H. v. 59,17 € abzgl. der Warmwasserpauschale i. H. v. 6,63 €, sodass sich ein Betrag i. H. v. 382,54 € errechne. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers lägen mit 367,37 € - nämlich eines Betrages i. H. v. 374,00 € abzgl. der Warmwasserpauschale i. H. v. 6,63 € - unter dem Höchstbetrag nach der Wohngeldtabelle.
Der Beklagte ist der Klage mit Hinweis auf tatsächliche Kosteneinsparungen bei Wohngemeinschaften entgegen getreten.
Mit Urteil vom 19. Juni 2009 hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18. Dezember 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2009 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung i. H. v. monatlich 367,67 € zu gewähren. Zur Begründung hat das SG Oldenburg sich auf das Urteil des BSG vom 18. Juni 2008 - a. a. O. - und auf die unterschiedlichen Wohnbedürfnisse einer Wohngemeinschaft einerseits und einer Bedarfsgemeinschaft mit entsprechender persönlicher und räumlicher Nähe andererseits bezogen. Unter näherer Darlegung der Rechtsgrundlagen hat das SG Oldenburg die Angemessenheit der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers i. H. v. 367,67 € festgestellt.
Gegen das ihm am 24. Juni 2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 23. Juli 2009 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, bei der Berechnung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung müsse berücksichtigt werden, dass durch die Lebensform der Wohngemeinschaft Kosten gegenüber einem getrennten Wohnen eingespart würden. Eine Ermittlung des Unterkunfts- und Heizkostenbedarfs anhand eines fiktiven Ein-Personen-Haushalts führe zu einer Überversorgung der Wohngemeinschaft, was sich um so deutlicher zeige, je größer die Wohngemeinschaft sei. So entstehe eine Ungleichbehandlung zwischen reinen Wohngemeinschaften und Bedarfsgemeinschaften, die durch sachliche Gründe nicht zurechtfertigen sei. Der Beklagte hat zudem auf in der Literatur geäußerte Kritik am Urteil des BSG vom 18. Juni 2008 - a. a. O. - hingewiesen und meint, es sei abzuwarten, ob das BSG an seiner Rechtsprechung festhalten werde, da diese Entscheidung des BSG nicht unproblematisch sei.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 19. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, der ergänzenden Argumentation des Beklagten sei nicht zu folgen. In einer Wohngemeinschaft - deren Vorliegen vom Beklagten nicht bestritten werde - lebten die einzelnen Mitglieder räumlich getrennt voneinander, auch wenn sie einzelne Räume gemeinschaftlich nutzten. Eine Überversorgung der Mitglieder einer Wohngemeinschaft sei ebenso wenig zu erkennen wie ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG). Wesentlich gleiche Sachverhalte lägen nicht vor, da die Wohn- und Versorgungssituation einer Familie nicht mit den Gegebenheiten in einer Wohngemeinschaft vergleichbar sei. Zudem - dies hilfsweise - habe der Beklagte nichts dafür dargelegt, dass die von ihm zugrunde gelegten Mietobergrenzen die angemessenen Kosten der Unterkunft sachgerecht abbildeten, sodass zugunsten des Klägers auch eine Vermutung der Angemessenheit spreche.
Der Senat hat den Beteiligten mit Schreiben vom 22. März 2012 mitgeteilt, es sei beabsichtigt, über den Rechtsstreit durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, und hat ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG einstimmig durch zurückweisenden Beschluss der Berufsrichter, weil er eine mündliche Verhandlung in dieser Berufungssache nicht für erforderlich erachtet.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG), aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 19. Juni 2009 ist zutreffend und lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Gegenstand des Verfahrens im Berufungsrechtszug sind Ansprüche des Klägers auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizungvom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009. Es handelt sich bei den Kosten der Unterkunft und Heizung um einen abtrennbaren selbständigen Anspruch, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes möglich ist (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – a. a. O. – juris Rn. 15); eine solche ist hier auch erfolgt, und das Urteil des SG Oldenburg vom 19. Juni 2009 hat - entsprechend dem Antragsbegehren des Klägers - ausschließlich die Kosten der Unterkunft und Heizung zum Gegenstand.
Der Kläger, der nicht unter die Ausschlusskriterien des § 7 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB II fällt, erfüllte im streitgegenständlichen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 SGB II; insbesondere war er hilfebedürftig i. S. den § 9 Abs. 1 SGB II. Berechnungsfehler hinsichtlich der dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich entstandenen Kosten der Unterkunft und Heizung sind nicht ersichtlich und von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht worden.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit der Wohnungskosten ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. Juni 2008 – a. a. O. – juris Rn. 18, m. w. Nachw.) in mehreren Schritten zu prüfen: Zunächst bedarf es der Feststellung, welche Größe die gemietete Wohnung aufweist. Nach Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung oder Lage isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird. Das BSG folgt insoweit der Produkttheorie, die abstellt auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt.
Die vom Kläger geltend gemachten Kosten sind danach angemessen, wenn weiter berücksichtigt wird, dass zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft auf die Tabelle zu § 12 WoGG zurückgegriffen werden kann, wenn es - wie hier - nicht möglich ist, unter Zugrundelegung eines schlüssigen Konzeptes zur Ermittlung des Mietniveaus für eine angemessene Wohnung eine angemessene Nettokaltmiete zu bestimmen. Dieser Rückgriff führt nicht zu einem geeigneten Maßstab zur Bestimmung der angemessenen Leistung für die Unterkunftskosten im Sinne des § 22 SGB II, er beinhaltet jedoch eine Angemessenheitsgrenze nach oben, weswegen auch die rechte Spalte in der Tabelle zugrunde zu legen und diese durch einen mögliche Unbilligkeiten der Pauschalierung ausgleichenden angemessenen Zuschlag, etwa von 10 % zu den Tabellenwerten, zu erhöhen ist (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 132/10 R – juris Rn. 29; BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – BSGE 97, 254 – juris Rn. 23). Unter weiterer Berücksichtigung der Heizkosten sowie der Notwendigkeit des Abzugs einer Warmwasserpauschale (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R – BSGE 100, 94) stellen sich die Unterkunftskosten des Klägers als angemessen dar, wenn davon auszugehen sein sollte, dass er den für einen Alleinstehenden geltenden Maßstäben unterworfen ist. Dies stellt auch der Beklagte nicht in Abrede. Die entsprechenden Ausführungen des SG Oldenburg nimmt der Senat in Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG in Bezug.
Soweit der Beklagte meint, bei der Berechnung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung müsse berücksichtigt werden, dass durch die Lebensform der Wohngemeinschaft Kosten gegenüber einem getrennten Wohnen eingespart würden, und die Rechtsprechung des BSG führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen reinen Wohngemeinschaften und Bedarfsgemeinschaften, die durch sachliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei, so folgt der Senat dieser Argumentation nicht. Vielmehr verbleibt es dabei, dass eine Personenmehrheit nach den Maßstäben des SGB II nur dann rechtlich relevant ist, wenn sie eine Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II bildet.Hieraus ergibt sich keine ungerechtfertigte Besserstellung des Klägers gegenüber Hilfebedürftigen, die mit Personen zusammen wohnen, mit denen sie eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Denn die in § 7 Abs. 3 SGB II genannten Konstellationen zeichnen sich sämtlich durch eine besondere Verbundenheit und gegenseitige Verantwortlichkeit der einbezogenen Personen aus, was sich auch in den Wohnbedürfnissen niederschlägt (BSG, a. a. O., juris Rn. 22, m. w. Nachw.). Bei einer Bedarfsgemeinschaft kann zudem typischerweise davon ausgegangen werden, dass der Wohnraum insgesamt gemeinsam genutzt wird. Bei einer Wohngemeinschaft wird hingegen typischerweise nur ein Teil der Wohnung, zumeist Flur, Küche und Bad, gemeinschaftlich genutzt. Diese Sachverhalte sind nicht, wie der Beklagte hingegen meint, gleich gelagert; eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem i. S. des Art. 3 Abs. 1 GG durch die Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat folgt, ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu erkennen.
Die in der Literatur hieran geäußerte Kritik (Urteilsanmerkung von Koepke, in: SGb 2009, 617 ff. [BSG 18.06.2008 - B 14/11b AS 61/06 R]) überzeugt nicht, eine entsprechende Rechtsanwendung würde zudem erhebliche weitere Fragen aufwerfen.
Zunächst sind die bestehenden Rechtspositionen innerhalb von Ehe und Familie, die aus dem Anspruch auf (Natural-)Unterhalt folgen, mit der Situation in einer Wohngemeinschaft nicht vergleichbar; gleiches gilt für die "ausschließliche" Nutzung von Kinderzimmern (auf diese Aspekte indes abstellend Koepke, a. a. O., S. 618). Die vom BSG benannte besondere Verbundenheit in Ehe und Familie rechtfertigt insoweit durchaus Differenzierungen. Der entscheidende Unterschied zur Wohngemeinschaft ist hierbei derjenige, dass die übrigen Mitbewohner typischerweise in engster Verbundenheit zum Leistungsberechtigten stehen, was auf die Wohngemeinschaft nicht übertragen werden kann.
Soweit die Kritik (Koepke, a. a. O., S. 618 f.) an Wohnflächenbedarf und Bedarfsdeckungsprinzip anknüpft, ist sie demgegenüber erwägenswert, denn eine angenommene Wohnfläche von 200 qm für eine vierköpfige Wohngemeinschaft könnte durchaus die Angemessenheitsgrenzen übersteigen. Eine Berücksichtigung dieses Umstandes bei der Bewertung der Angemessenheit würde indes bedingen, die Produkttheorie - im Sinne des Produkts aus angemessener Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt - aufzuweichen. Das Wohnen in einer Wohngemeinschaft ist seinerseits ein Element des "Wohnstandards" und führt im Ergebnis allgemein dazu, dass die gleiche Wohnfläche für den Einzelnen dadurch günstiger wird, dass er auf seine Privatsphäre teilweise verzichtet. Nehmen die übrigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft typischerweise an der engeren Privatsphäre des Einzelnen teil, so lässt sich dies auf die Wohngemeinschaft nicht übertragen. Das Mitglied einer Wohngemeinschaft verzichtet demnach auf einen wichtigen Aspekt des derzeit in Deutschland sozialtypischen Wohnstandards, nämlich auf die Möglichkeit einer Abschottung seiner selbst unter Einschluss von Partner und (Klein-)Familie in einer abschließbaren Wohneinheit mit vollständig eingerichteten Funktionsräumen wie Küche und Bad. Allerdings wirkt sich dieser Umstand erfahrungsgemäß kostensenkend für das einzelne Mitglied einer Wohngemeinschaft aus, wenn man es mit einer jeweiligen Anmietung getrennter Wohnungen durch die Hilfesuchenden vergleicht. Dies rechtfertigt auch die vom BSG a. a. O. bevorzugte Interpretation des Begriffs der "Angemessenheit" und das Festhalten an der Produkttheorie auch bei Wohngemeinschaften.
Die Kritik von Koepke (a. a. O., S. 619) lässt sich dementsprechend auch nicht stringent durchhalten. Dies zeigt sich daran, dass er einerseits sich ausdrücklich zum Prinzip der abstrakten Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten bekennt, andererseits dies aber "in Abhängigkeit von der konkreten Wohnform" stellen möchte; in diesem Zusammenhang stelle sich "die Frage, ob bei einer Untervermietung zum Zwecke der Kostensenkung überhaupt von einer Wohngemeinschaft gesprochen werden" könne. Diese letztgenannte Einschränkung ist für den Senat indes nicht mehr nachvollziehbar. Bezogen auf den konkreten Fall des Klägers würde dies bedeuten, dass seine Wohnverhältnisse je nach Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses mit dem Vermieter (Aufnahme des Mitbewohners als zusätzlichen Hauptmieter oder aber Untervermietung) unterschiedlich zu bewerten wären, obwohl sich die Wohnverhältnisse durch die Wahl der einen oder der anderen Vertragsform überhaupt nicht ändern. Die Frage der Angemessenheit der Wohnverhältnisse in Abhängigkeit von der konkreten Wohnform würde bei der Wohngemeinschaft neue Fragen aufwerfen, wie das vorgenannte Beispiel zeigt. Weiter könnte daran gedacht werden - was indes einerseits nicht praktikabel und anderseits auch kaum wünschenswert wäre - die konkrete Aufteilung des Wohnraums durch eine Wohngemeinschaft sowie den Grad der persönlichen Verbundenheit ihrer Mitglieder zu durchleuchten, um die Frage der Angemessenheit der konkreten Wohnverhältnisse zu beantworten. Erhebliche Unsicherheit in der Rechtsanwendung im Einzelfall dürfte eine unvermeidbare Folge einer derartigen Sichtweise sein.
Schon im Interesse einer klaren rechtlichen Abgrenzung - aber auch bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch - ist auch in den heute gebräuchlichen Konstellationen einer Untervermietung regelmäßig von einer Wohngemeinschaft auszugehen, denn der "möbliert wohnende Herr" entspricht nicht mehr den gegenwärtigen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt. Die Rechtssicherheit gebietet die Annahme des Vorliegens einer Wohngemeinschaft auch dann, wenn Verwandte, die keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II bilden, eine Wohnung gemeinsam nutzen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 – B 14 AS 14/08 R – juris Rn. 27).
Sofern dies problematische Ergebnisse im Einzelfall zur Folge haben sollte, liegt hierin nicht bereits ein Gleichheitsverstoß i. S. des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn insofern besteht im Rahmen der Anwendung des Gleichheitsgrundrechts seit jeher Übereinkunft in Rechtsprechung und Literatur dahingehend, dass der Gesetzgeber zu Typisierungen und Pauschalierungen berechtigt ist, mögen diese in Einzelfällen auch zu auf den ersten Blick gleichheitswidrigen Ergebnissen führen.
In besonders gelagerten Ausnahmefällen mag darüber nachgedacht werden, ob die Grenzen der Angemessenheit gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Einzelfall in einer Weise überschritten sind, die sich durch Gesichtspunkte der Typisierung nicht mehr rechtfertigen lässt. So liegen die Verhältnisse hier indes nicht, denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dahingehend erkennbar, dass es sich nicht um eine Wohngemeinschaft allgemein üblicher Ausprägung handeln könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.