Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.07.2009, Az.: 4 PA 365/08
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.07.2009
- Aktenzeichen
- 4 PA 365/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 45289
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0709.4PA365.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 04.12.2008 - AZ: 4 A 101/08
Fundstelle
- AUAS 2009, 206-207
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Aufenthaltserlaubnis, Reiseausweis
- PKH-Beschwerde -
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat - am 9. Juli 2009 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 4. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden erstinstanzlichen Beschluss ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens des Klägers nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO zu Recht verneint. Dem Kläger stehen voraussichtlich die mit der Klage vom 15. April 2008 geltend gemachten Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, auf Ausstellung eines Reiseausweises nach § 5 AufenthV und (hilfsweise) auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 10 BeschVerfV nicht zu. Denn nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage liegen voraussichtlich sich aus § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG, § 5 Abs. 1 und 2 AufenthV und § 11 BeschVerfV ergebende Ausschlussgründe vor, da der Kläger der ihm obliegenden Pflicht zur (Mitwirkung bei der) Beschaffung von zur Ausreise notwendigen Pass- oder Passersatzpapieren nicht hinreichend nachgekommen ist und damit die bestehenden Ausreisehindernisse verschuldet hat.
Die Frage, welche konkreten Initiativ- und Mitwirkungshandlungen zur Erlangung der Heimreisedokumente dem Ausländer zumutbar sind, beurteilt sich unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Beschl.v. 15.6.2006 - 1 B 54.06 -, Buchholz 402 242 AufenthG § 25 Nr. 4). Grundsätzlich sind sämtliche Handlungen zumutbar, die zur Beschaffung eines zur Ausreise notwendigen Dokuments erforderlich sind und nur vom Ausländer persönlich vorgenommen werden können (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Juni 2009, AufenthG, § 25 Rn. 143). Nur eine Mitwirkungshandlung, die von vornherein erkennbar aussichtslos ist, kann dem Ausländer nicht abverlangt werden (vgl. BVerwG, a.a.O.; GK-AufenthG, Stand: Juni 2009, § 25 Rn. 177). Die Erfüllung der hiernach dem Ausländer obliegenden Pflichten hat dieser zu belegen und nachzuweisen. Gelingt ihm dies nicht, ist davon auszugehen, dass er die zumutbaren Anforderungen nicht erfüllt hat und damit die Ausreisehindernisse verschuldet sind (Bayerischer VGH, Urt.v. 11.12.2006 - 24 B 06.2158 -, juris, Rn. 55; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl.v. 14.3.2006 - 18 E 924/04 -, juris, Rn. 15 ff.).
Hier kann der Senat für das Prozesskostenhilfeverfahren dahinstehen lassen, ob die Beantragung eines iranischen Nationalpasses - wie vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Urt.v. 18.6.2008 - 17 A 2250/07 -, juris, Rn. 37 ff.) angenommen - ohne den Nachweis eines bestehenden Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet bereits von vorneherein als aussichtslos anzusehen ist und daher nicht vom Kläger gefordert werden kann.
Denn jedenfalls ist davon auszugehen, dass es dem Kläger, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet wird, zumindest möglich ist, sich ein zur Heimreise berechtigendes Passersatzpapier (laissez passer) zu beschaffen. Nach den aktuellen Erkenntnissen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand: Februar 2009, S. 41; Iranisches Konsulat in Frankfurt a.M., www.iranischeskonsulat.de/deutsch/html/konsulat/gozarnameh/rueckreise.html, Stand: 8.7.2009) fordern die iranischen Auslandsvertretungen für die Ausstellung eines solchen Heimreisedokuments, dass der Ausländer persönlich vorspricht, erklärt, auf freiwilliger Basis in den Iran zurückkehren zu wollen (vgl. hierzu Senatsurt. v. 11.12.2002 - 4 LB 471/02 -, juris, Rn. 27 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt.v. 18.6.2008, a.a.O., Rn. 53 ff.), zum Nachweis der iranischen Staatsangehörigkeit eine iranische Kennkarte (shenasnameh) oder einen Ausweis mit Lichtbild vorlegt und fünf neue Lichtbilder beibringt. Verfügt der Ausländer über keine Kennkarte, kann er die Erteilung einer Ersatz-Kennkarte beantragen, und zwar unmittelbar bei den iranischen Auslandsvertretungen oder über einen bevollmächtigten Verwandten oder Rechtsanwalt bei der für die Führung des Standesamtsregisters zuständigen Regionalverwaltung im Iran (Mitteilungen der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Teheran vom 1.11.2007 und 3.2.2008; Mitteilung der ZAAB Braunschweig vom 17.4.2007; Mitteilung des auch vom Kläger benannten Übersetzers B., Hannover, vom 11.10.2006).
Hier ist vom Kläger schon nicht hinreichend dargetan, warum es unmöglich sein soll, dass sich im Iran aufhaltende Familienangehörige die dort vorhandene Geburtsurkunde des Klägers oder andere Identitätsnachweise (Führerschein, Militärausweis) nach Deutschland übersenden. Der Kläger hat in seiner Asylverfahrensanhörung am 10. Oktober 2002 ausgesagt, dass diese Unterlagen bei ihm zu Hause verblieben seien. Wenn sein Prozessbevollmächtigter im Schriftsatz vom 11. November 2008 nun erstmals behauptet, diese seien verloren gegangen, und diese unsubstantiierte Behauptung trotz ausdrücklichen Bestreitens des Beklagten nicht weiter konkretisiert, ist dies unglaubhaft.
Selbst wenn man davon ausginge, der Kläger verfügte im Iran über keine Identitätsnachweise mehr, hätte er eine Ersatz-Kennkarte zu beschaffen. Dass er sich hierum hinreichend bemüht hätte, ist bisher nicht ersichtlich. Der Kläger ist seit 2006 zwar mehrfach beim Iranischen Generalkonsulat in Hamburg vorstellig geworden. Dass er dort ernsthaft und unter Vorlage der sonst erforderlichen Unterlagen die Erteilung einer Ersatz-Kennkarte erfolglos beantragt oder zumindest die Erteilung einer Vollmacht an Dritte, damit diese eine Ersatz-Kennkarte im Iran beschaffen, erfolglos versucht hat, ist indes nicht nachgewiesen.
So lässt sich aus zwei Schreiben des Generalkonsulates vom 21. September 2006 und vom 22. Februar 2007 lediglich erkennen, dass der Kläger allgemein in "Konsularangelegenheiten" vorgesprochen oder die Erteilung von Heimreisedokumenten beantragt hat, dies aber wegen der fehlenden Kennkarte abgelehnt worden ist. Die eigentlich erforderlichen und vom Beklagten gegenüber dem Kläger auch ausdrücklich eingeforderten Bemühungen, vorab eine Ersatz-Kennkarte zu erlangen, sind hiermit aber noch nicht dokumentiert.
Auf weiteres massives Drängen des Beklagten hat der Kläger dann zwar im Juli 2007 erreicht, dass das Iranische Generalkonsulat in Hamburg eine Vollmacht des Klägers für dessen Bruder zum Zwecke der Beschaffung einer Ersatz-Kennkarte im Iran beglaubigt hat und diese auch an den Bruder des Klägers übersandt wurde. Ohne nachvollziehbare Gründe wurde diese Vollmacht vom Bruder des Beklagten indes nicht in Empfang genommen, so dass die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen des Klägers in Frage steht. Der bloße Hinweis darauf, die Annahme des Schriftstückes sei vom Bruder "aus Sicherheitsgründen" abgelehnt worden, überzeugt nicht. Zum einen ist in keiner Weise dargetan, welche "Sicherheitsgründe" dies sein sollten. Zum anderen hat der Kläger nicht erklärt, warum er vor der Vollmachterteilung für seinen Bruder nicht dessen Bereitschaft zur Vollmachtsausübung hinterfragt hat.
Wenn der Kläger schließlich auf seine weiteren Vorsprachen beim Iranischen General-konsulat in Hamburg am 16. März 2008 und 9. Januar 2009 verweist, vermag auch dieser Vortrag keine ernsthaften Bemühungen des Klägers aufzuzeigen. Entsprechende Schreiben des Generalkonsulats bestätigen zwar, dass der Kläger zum Zwecke der Erteilung einer Vollmacht dort vorstellig geworden ist. Aus welchen Gründen die Vollmacht nicht erteilt werden konnte, insbesondere ob diese vom Kläger zu vertreten sind oder nicht, ist damit aber nicht dargetan. Die Behauptung des Klägers, das Generalkonsulat habe für die Beglaubigung der Vollmacht einen iranischen Identitätsnachweis gefordert, ist durch nichts belegt. Die vorausgehend dem Kläger im Juli 2007 auch ohne iranischen Identitätsnachweis erteilte Vollmacht und gleichgelagerte andere, vom Beklagten dargelegte Fälle stellen die Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens erheblich in Frage. An dieser Beurteilung ändert sich auch unter Berücksichtigung des Freispruchs im Strafverfahren vor dem Amtsgericht C. - 25 Cs 306 Js 7562/07 - nichts, denn im verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren gilt - wie bereits dargestellt - eine andere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).