Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.07.2009, Az.: 4 PA 14/09
Verfassungswidrigkeit des § 36 Abs. 1 letzter Hs. Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.07.2009
- Aktenzeichen
- 4 PA 14/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19298
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0722.4PA14.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 18.12.2008 - AZ: 2 A 137/08
Rechtsgrundlagen
- § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BAföG
- § 24 Abs. 3 BAföG
- § 36 Abs. 1 BAföG
Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den erstinstanzlichen Beschluss, soweit das Verwaltungsgericht seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, da das Rechtsschutzbegehren des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und der Kläger deshalb nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat; insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen, die der Kläger mit seinem Beschwerdevorbringen nicht entkräftet hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Vorbehalt der Rückforderung "Die Bewilligung erfolgt unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil sich das Einkommen Ihres Vaters im Bewilligungszeitraum noch nicht abschließend feststellen lässt (§ 24 Abs. 3 BAföG)" in dem Bewilligungsbescheid vom 31. Januar 2005, auf den der Kläger bereits in seinem Aktualisierungsantrag unter der Ziffer 1. hingewiesen worden ist, eindeutig und - da keine Anhaltspunkte für dessen Rechtswidrigkeit bestehen - als Voraussetzung für die teilweise Rückforderung der geleisteten Ausbildungsförderung durch die angefochtenen Bescheide vom 30. April 2008 gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG ausreichend. Die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Voraussetzungen, unter denen der Kläger eine Vorausleistung nach § 36 Abs. 1 BAföG hätte verlangen und gegenüber der Rückforderung der Beklagten gestützt auf diesen Anspruch eine sogenannte Vorausleistungseinrede hätte erheben können, stehen hiermit in keinerlei Zusammenhang. Eine Belehrung hierüber ist daher entgegen der Meinung des Klägers nicht notwendiger Bestandteil des genannten Vorbehalts.
Der Kläger kann eine solche Vorausleistungseinrede gegenüber dem von dem Beklagten geltend gemachten Rückforderungsanspruch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG auch nicht erheben, weil er den Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung als Vorausleistung nach § 36 Abs. 1 BAföG erst am 13. Mai 2008 und damit nach Ende des am 30. September 2004 abgelaufenen Bewilligungszeitraums gestellt hat, nach § 36 Abs. 1 letzter Halbsatz BAföG jedoch nach Ende des Bewilligungszeitraums gestellte Anträge nicht mehr berücksichtigt werden. Angesichts des klaren Wortlauts dieser Bestimmung und der ebenso eindeutigen Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/1301, S.12 f.), wonach durch diese Regelung die Möglichkeit der Vorausleistungseinrede für abgelaufene Bewilligungszeiträume gerade ausgeschlossen werden soll, kommt die vom Kläger begehrte verfassungskonforme Auslegung mit dem Ziel der Ermöglichung einer solchen nachträglichen Vorausleistungseinrede in dem Fall, dass der Auszubildende diese nicht rechtzeitig hat erheben können, von vornherein nicht in Betracht. Hierfür besteht aber auch keine Notwendigkeit, da der Gesetzgeber mit dieser Regelung lediglich eines der Strukturprinzipien des Ausbildungsförderungsrechts, wonach keine Mittel für abgeschlossene Zeiträume rückwirkend geleistet werden sollen, umgesetzt hat (siehe hierzu die Gesetzesbegründung, a.a.O.), die Regelung des § 36 Abs. 1 BAföG entgegen der Auffassung des Klägers keineswegs leerläuft, da der Auszubildende den Antrag auf Vorausleistung nach dieser Vorschrift in der Regel rechtzeitig vor Ablauf des Bewilligungszeitraums stellen kann und durch den Wegfall dieses Anspruchs und damit auch der Vorausleistungseinrede nach Ablauf des Bewilligungszeitraums die Ausbildung auch nicht gefährdet wird, weil die in diesem Zeitraum absolvierten, also in der Vergangenheit liegenden Ausbildungsabschnitte nicht mehr gefährdet werden können und im Hinblick auf die zu dem Zeitpunkt der Rückforderung noch nicht abgeschlossenen Ausbildungsabschnitte die Möglichkeit der Stundung der Rückforderung besteht (siehe hierzu die Gesetzesbegründung, a.a.O.). Es sind daher unter diesen Gesichtspunkten und auch sonst (siehe insofern im Einzelnen BayVGH, Urteil vom 24.9.2008 - 12 BV 07.1939 -, BayVBl. 2009, 212; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 8.7.2004 - 5 C 31.03 -, BVerwGE 121, 245, zu der ähnlichen Neuregelung des § 24 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz BAföG) keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit des § 36 Abs. 1 letzter Halbsatz BAföG ersichtlich, so dass auch kein Anlass für eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift besteht.
Die Auffassung des Klägers, der Rückforderungsanspruch der Beklagten sei verwirkt, ist nicht nachvollziehbar, da weder unter Berücksichtigung des Verhaltens der Beklagten noch unter dem Gesichtspunkt des Zeitablaufs bis zum Erlass der angefochtenen Rückforderungsbescheide Anhaltspunkte für eine Verwirkung feststellbar sind.