Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.07.2009, Az.: 4 LC 610/07
Befreiung; Einkommen; Einkünfte; Gegenstandswert; Härtefall; Rundfunkgebühren; gering
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.07.2009
- Aktenzeichen
- 4 LC 610/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 45305
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0715.4LC610.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 20.04.2007 - AZ: 6 A 206/05
Rechtsgrundlagen
- 301b LAG
- 6 I RGebStV
- 6 III RGebStV
- 23 RVG
- 33 RVG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der in Verfahren wegen der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gemäß §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 3 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmende Gegenstandswert entspricht der Höhe der ohne die Befreiung im maßgeblichen Zeitraum zu zahlenden Rundfunkgebühren. Der maßgebliche Zeitraum bestimmt sich vorrangig nach dem Antrag des Klägers.
- 2.
Begehrt der Kläger die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für einen konkreten Zeitraum ist allein dieser maßgeblich.
- 3.
Konkretisiert der Kläger den Befreiungszeitraum nicht, ist entsprechend der Systematik des § 6 RGebStV nach der Rechtsgrundlage für die begehrte Befreiung zu unterscheiden. Stützt der Kläger seinen Anspruch ausschließlich auf die bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 RGebStV und enthält der zum Nachweis des Befreiungstatbestands vorgelegte Bescheid eine Befristung, ist der sich aus dieser Befristung ergebende Zeitraum maßgeblich. In allen übrigen Fällen ist auf die in einem Drei-Jahres-Zeitraum zu zahlenden Rundfunkgebühren abzustellen.
Gründe
Die Entscheidung über den Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf Festsetzung des Gegenstandswertes trifft der Senat, weil der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf den Senat übertragen hat (§ 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
Nach § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag, der auch von dem Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten gestellt werden kann (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG), durch Beschluss selbständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, weil das Berufungsverfahren mit dem Streitgegenstand "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht" nach § 188 VwGO gerichtskostenfrei war (vgl. Senatsbeschl. v. 3.8.2007 - 4 OA 12/06 -) und im Beschluss des Senats vom 14. Mai 2009 daher kein Streitwert festgesetzt worden ist.
Der Gegenstandswert bestimmt sich in gerichtskostenfreien Verfahren nach § 23 Abs. 3 RVG (vgl. BVerwG, Beschl.v. 3.4.2007 - 6 PB 18/06 -; Hessischer VGH, Beschl.v. 9.4.2008 - 22 TL 2257/07 -; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., RVG, § 23 Rn. 13; a.A. Bayerischer VGH, Beschl.v. 29.12.2006 - 17 P 06.2136 u.a. -: entsprechende Anwendung von § 23 Abs. 1 RVG). Ergibt sich - wie hier - aus den nach Satz 1 dieser Regelung entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 18 Abs. 2, 19 bis 23, 24 Abs. 1, 2, 4, 5 und 6, 25, 39 Abs. 2 und 3 sowie 46 Abs. 4 KostO für die Bestimmung des Gegenstandswertes nichts und steht dieser auch sonst nicht fest, ist der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen; nur bei fehlenden genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4 000 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500 000 EUR anzunehmen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 RVG). Das hiernach vom Gericht auszuübende Ermessen hat sich analog § 52 Abs. 1 GKG grundsätzlich an der sich aus dem Antrag des Klägers bzw. im Rechtsmittelverfahren des Rechtsmittelführers für diesen ergebenden Bedeutung der Sache zu orientieren. Abzustellen ist auf dessen wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen.
Bei der hier begehrten Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - vom 31. August 1991 in der hier maßgeblichen durch Art. 5 des Niedersächsischen Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 25. Februar 2005 (Nds. GVBl.S. 61) geänderten Fassung entspricht dieses wirtschaftliche Interesse der Höhe der ohne die Befreiung im maßgeblichen Zeitraum zu zahlenden Rundfunkgebühren.
Deren Höhe ergibt sich abhängig von dem bereit gehaltenen Rundfunkempfangsgerät und/oder Fernsehgerät (vgl. § 2 RGebStV) aus der im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag für den maßgeblichen Zeitraum festgelegten Grundgebühr und/oder Fernsehgebühr.
Der maßgebliche Zeitraum bestimmt sich vorrangig nach dem Antrag des Klägers.
Begehrt dieser die Befreiung für einen konkreten Zeitraum ist allein dieser maßgeblich.
Konkretisiert der Kläger in seinem Antrag den Befreiungszeitraum nicht, ist entsprechend der Systematik des § 6 RGebStV nach der Rechtsgrundlage für die begehrte Befreiung zu unterscheiden. Stützt der Kläger seinen Anspruch ausschließlich auf die bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 RGebStV und enthält der zum Nachweis des Befreiungstatbestands vorgelegte Bescheid eine Befristung, ist der sich aus dieser Befristung ergebende Zeitraum maßgeblich, da auch die Rundfunkgebührenbefreiung auf die Gültigkeitsdauer des Bescheides zu befristen ist (§ 6 Abs. 6 Satz 1 RGebStV). Enthält der Bescheid hingegen keine Befristung und ist eine Änderung der Umstände, die dem Befreiungstatbestand zugrunde liegen, möglich, kann die Rundfunkgebührenbefreiung für drei Jahre befristet erteilt werden (§ 6 Abs. 6 Satz 2 RGebStV). Hieran anknüpfend ist es sachgerecht, auch den für die Bestimmung des Gegenstandswertes maßgeblichen Zeitraum auf drei Jahre festzulegen. Gleiches gilt für die verbleibenden Fälle, in denen der Bescheid zwar keine Befristung enthält, aber eine Änderung der Umstände, die dem Befreiungstatbestand zugrunde liegen, nicht möglich ist, oder in denen zumindest auch der Befreiungsanspruch auf die Härtefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV gestützt wird. Auch in diesen Fällen entspricht es billigem Ermessen im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 RVG, den Gegenstandswert in Höhe des dreifachen Jahresbetrages der Rundfunkgebühr, von der befreit werden soll, festzusetzen. Dies gilt insbesondere in den Fällen des § 6 Abs. 3 RGebStV, da die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach dieser Bestimmung im Ermessen der Rundfunkanstalt steht und die zu treffende Ermessenentscheidung auch eine Befristung der Rundfunkgebührenbefreiung zulässt.
Hier hat der Kläger seinen Anspruch auf Befreiung von der Grundgebühr und der Fernsehgebühr sowohl auf die bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 RGebStV als auch auf die Härtefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV gestützt, dabei die Rundfunkgebührenbefreiung aber nicht für einen bestimmten Zeitraum begehrt. Ausgehend von vorstehenden Maßgaben ist damit der dreifache Jahresbetrag der Rundfunkgebühr als Gegenstandswert für das Berufungsverfahren festzusetzen. Dieser beträgt 613,08 EUR (= 36 Monate × (Grundgebühr in Höhe von 5,52 EUR/Monat + Fernsehgebühr in Höhe von 11,51 EUR/Monat, § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages in der hier maßgeblichen vom 1.4.2005 bis 31.12.2008 geltenden Fassung)).
Der weitergehende Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes für das erstinstanzliche Verfahren ist abzulehnen. Nach § 33 Abs. 1 RVG erfolgt die Festsetzung des Gegenstandswertes durch das Gericht des Rechtszugs, und zwar nur für diesen Rechtszug (vgl. Hartmann, a.a.O., RVG, § 33 Rn. 15). Die Festsetzung des Gegenstandswertes des erstinstanzlichen Verfahrens kann daher - anders als die Festsetzung oder Änderung des endgültigen Streitwertes von Amts wegen (vgl. § 63 Abs. 2 und 3 GKG) - nur durch das Verwaltungsgericht erfolgen.