Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.02.2008, Az.: 5 LA 12/07
Voraussetzungen für einen Anspruch einer Lehrkraft auf Altersteilzeit bei ordnungsgemäßer Antragstellung vor einer Stichtagsänderung; Anforderung an eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die Genehmigung von nach dem des Klägers eingegangenen Anträgen; Wirksamkeit der Stichtagsänderung durch die Verwaltung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.02.2008
- Aktenzeichen
- 5 LA 12/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 12741
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0215.5LA12.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 02.03.2005 - AZ: 1 A 312/04
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 GG
- § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
- § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO
- § 80b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 2 und 4, S. 4 Nr. 2 NBG
Amtlicher Leitsatz
Zum Anspruch einer Lehrkraft auf Altersteilzeit zum 1. August 2004 nach § 80 b NBG.
Gründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Der mit dem Antrag geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Die begehrte Zulassung der Berufung rechtfertigende ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.3.1997 - 12 M 1731/97-, NVwZ 1997, 1225; Beschl. v. 27.2.2007 - 5 LA 111/05 - ; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Altersteilzeit ab dem 1. August 2004 abgelehnt, weil der am 6. Mai 1949 geborene Kläger die Voraussetzung des hier im Zeitpunkt des Beginns der beantragten Altersteilzeit maßgeblichen § 80 b Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - in der durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372) geänderten Fassung, wonach für Beamte im Schuldienst Altersteilzeit ab dem 1. August 2004 erst nach Vollendung des 59. Lebensjahres bewilligt werden darf, nicht erfüllt und auch Vertrauensschutzgesichtspunkte und der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch rechtfertigen.
Hiergegen kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, er habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts darauf vertrauen dürfen, dass sich kurzfristig an der Alterseingangsbestimmung bezüglich des Anspruchs auf Gewährung von Altersteilzeit unmittelbar vor Erreichen dieses Altersschwellenwertes durch sie nichts ändere und vielmehr bei einer Veränderung der Rechtslage jedenfalls Übergangsfristen geschaffen würden, damit sich der jeweilige Antragsteller auf die Fristen einstellen könne und nicht von diesen auch in Bezug auf die Lebensplanung in unzulässiger Weise überrascht werde.
Der beschließende Senat hat insoweit in seinem Beschluss vom 20. September 2006 (- 5 LA 62/05 -, V.n.b.) ausgeführt:
"Der Vertrauensschutzgedanke verpflichtete den Gesetzgeber nicht dazu, die bereits gestellten Anträge von der Anwendung der mit Gesetz vom 31. Oktober 2003 geschaffenen Neuregelung auszunehmen. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Unzulässigkeit belastender gesetzlicher Vorschriften mit echter Rückwirkung ist auf die hier vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Das maßgebliche Gesetz (§ 80 b NBG) stellte die Bewilligung von Altersteilzeit auch in der bisherigen Fassung schon in das Ermessen der Behörde und machte dieses vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig. Der Kläger musste also sowohl damit rechnen, dass sich an den Voraussetzungen (Nicht-Entgegenstehen dringender dienstlicher Belange; Erfordernisse der Unterrichtsversorgung) etwas ändern würde, als auch damit, dass in der Ermessensbetätigung aus sachlichen Gründen (wozu zum Beispiel auch fiskalische Erwägungen gehören können) eine andere Praxis Platz greifen würde. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass der Kläger eine rechtliche Position erlangt hätte, auf deren Bestand er hätte vertrauen können. Er konnte allenfalls die unsichere Hoffnung auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung und eine Fortsetzung der bisherigen großzügigen Bewilligungspraxis hegen. Dieses Interesse durfte der Gesetzgeber indessen hinter dem öffentlichen Interesse an einer möglichst ausgeglichenen Unterrichtsversorgung und an der Konsolidierung des Landeshaushalts zurücktreten lassen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.03.2004 - 5 ME 32/04 -; Beschl. v. 29.03.2004 - 5 ME 33/04 -).
Soweit mit dem Zulassungsantrag die zuletzt zitierte Entscheidung des beschließenden Senats vom 29. März 2004 (- 5 ME 33/04 -) unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 (- 1 BvL 16, 17, 18, 19, 20/96 und 18/97 -, BVerfGE 102, 68) für unzutreffend gehalten wird, wird verkannt, dass die mit der vorstehend beschriebenen Änderung des § 80 b NBG verbundenen Nachteile für den Kläger nicht vergleichbar sind mit den Nachteilen, die durch das von dem Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte Gesetz herbeigeführt worden sind. Durch die von dem Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift hat der Gesetzgeber eine für die Betroffenen günstige Übergangsvorschrift ein Jahr vor deren Ablauf mit Wirkung für die Zukunft beseitigt und den Betroffenen einen rechtlichen Vorteil genommen, der in der gesetzlichen Ausgestaltung des öffentlichen rechtlichen Krankenversicherungsverhältnisses seinen Grund findet. Eine sich zuvor aus dem Gesetz unmittelbar ergebende Berechtigung auf Zugang zur Krankenversicherung der Rentner im Rentenfall wurde durch die gesetzliche Neuregelung ersatzlos beseitigt. Eine vergleichbare Rechtsposition vermittelte § 80 b NBG vor seiner Änderung nicht, weil - wie bereits ausgeführt - auch nach § 80 b NBG in der Fassung, auf deren Beibehaltung der Kläger vertraut hat, die Ablehnung der von ihm begehrten Altersteilzeit möglich war."
An diesen Ausführungen hält der Senat fest und weist ergänzend darauf hin, dass der Kläger mit seinem Antrag auf Bewilligung von Altersteilzeit vom 30. Mai 2003 noch keinen Anspruch auf Bewilligung von Altersteilzeit erworben hat. Dies bedeutet unter Vertrauensschutzgesichtspunkten, dass in dem Antrag lediglich der Beginn der Tatbestandverwirklichung liegt, während der Tatbestand - bei Vorliegen der Voraussetzungen - erst mit der Altersteilzeitbewilligung abgeschlossen wird. Ändert der Gesetzgeber nach der Antragstellung und vor Verwirklichung des Tatbestandes - wie hier - die gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzungen, handelt es sich um den typischen Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung (vgl. dazu auch: BVerfG, Beschl. v. 8.12.2006 - 2 BvR 1339/06 -, zitiert nach [...]), die aus den genannten Gründen gerechtfertigt ist.
Der Einwand des Klägers, der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG sei verletzt, weil allein im Gebiet C. noch 28 Anträge genehmigt worden seien, obgleich die Betreffenden ihre Anträge später als er gestellt hätten, bleibt erfolglos. Der beschließende Senat hat in seinem Beschluss vom 26. März 2004 (- 5 ME 32/04 -) ausgeführt, die Ermessensvorschrift des § 80b Abs. 1 NBG ermögliche es, nur einem Teil der Anträge zu entsprechen, wenn den Erfordernissen der Unterrichtsversorgung bei einer Stattgabe aller zu einem bestimmten Anfangszeitpunkt gestellten Anträge auf Altersteilzeit nicht genügt wäre. Ein sachlicher Grund, nach dem die Behörde die Auswahl der stattzugebenden Anträge treffen könnte, sei der Gesichtspunkt der Priorität der zuerst gestellten Anträge. Dieser von dem Senat erwähnte Gesichtspunkt der Priorität ist jedoch ersichtlich nur als einer von mehreren Gesichtspunkten angeführt worden, der eine ermessensfehlerfreie Entscheidung rechtfertigen könnte. Keinesfalls kann dem Gesichtspunkt der Priorität eine ermessensreduzierende Bedeutung beigemessen werden mit der Folge, dass nur bei seiner Beachtung eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde möglich wäre (vgl. auch: Beschl. des Senats v. 05.08.2004 - 5 ME 235/04 -). Abgesehen davon, dass sich weder aus den Verwaltungsvorgängen noch aus der Gerichtsakte Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die genannten 28 bewilligten Alterteilzeitanträge zeitlich nach dem Antrag des Klägers gestellt worden wären, kann der Kläger mithin nicht mit Erfolg geltend machen, sein Antrag vom 30. Mai 2003 hätte nach altem Recht vorrangig positiv beschieden werden müssen, weil er früher als andere, denen Alterteilzeit bewilligt worden sei, seinen Antrag gestellt habe.
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg vortragen, das Verwaltungsgericht hätte aufklären müssen, wie viel der 122 in Niedersachsen noch genehmigten Altersteilzeiten der Gesamtzahl der Antragsteller gegenübergestanden hätten und wie viel der 28 im Bereich C. noch genehmigten Alterteilzeiten im Verhältnis zu der Gesamtzahl der in C. erfolgten Anträge zu setzen seien. Wenn dies eine hohe Zahl sei, dann könne nicht davon die Rede sein, dass "Einzelfälle" doch genehmigt worden seien. Nach dem Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 29. November 2004 hat sie nach dem 1. Februar 2004 insgesamt 366 Altersteilzeitanträge zum 1. August 2004 abgelehnt und 28 Altersteilzeitanträge entgegen dieser Verwaltungspraxis zum 1. August 2004 verfrüht bewilligt. Bei den 28 bewilligten Altersteilzeitanträgen handelt es sich demnach nicht um eine Vielzahl von Fällen, die eine gängige Verwaltungspraxis begründen könnten.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, eine Bewilligungspraxis für die bereits vor Mitte 2003 gestellten Anträge auf Gewährung von Altersteilzeit zum 1. August 2004 lasse sich nicht feststellen. Die Ausführungen des beschließenden Senats in seinem Beschluss vom 31. März 2004 (- 5 ME 61/04 -), dass bis Mitte 2003 den Anträgen auf Bewilligung von Altersteilzeit durchweg entsprochen worden sei, würden nicht nur für Anträge auf Gewährung von Altersteilzeit zum 1. Februar 2004, sondern auch für Altersteilzeitanträge zum 1. August 2004 gelten. Dieser Auslegung steht entgegen, dass der beschließende Senat in diesem Beschluss nur über einen Antrag auf Altersteilzeit zum 1. Februar 2004 zu entscheiden hatte. Im Übrigen folgt daraus - selbst wenn Anträgen auf Bewilligung von Altersteilzeit bis Mitte 2003 auch zum Stichtag 1. August 2004 durchweg entsprochen worden sein sollte - noch kein Anspruch auf Fortsetzung dieser Verwaltungspraxis. Denn die Behörde ist ungeachtet der Zahl der bereits bewilligten Altersteilzeitanträge im Ermessensbereich durch den Gleichheitssatz nicht gehindert gewesen, die Verwaltungspraxis in Zukunft zu ändern (vgl.: Knack/ Henneke, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 40 Rdnr. 56), zumal die Ermessensausübung darüber hinaus davon abhängig ist, dass dringliche dienstliche Belange - wie Erfordernisse der Unterrichtsversorgung - nicht entgegenstehen (vgl. § 80b Abs. 1 Nr. 4 NBG).
Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren (Nds. OVG, Beschl. v. 9. 10. 2007 - 5 LA 237/05 -; Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, Rn. 72 zu § 124a) sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Dem Zulassungsantrag des Klägers fehlt es bereits an der Formulierung einer für fallübergreifend gehaltenen Rechts- oder Tatsachenfrage.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( §§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).