Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.02.2008, Az.: 7 ME 211/07
Voraussetzungen für den Sofortvollzug einer Duldungsanordnung i.R.e. Baus einer Ortsentlastungsstraße; Möglichkeit der Einordnung der Vorarbeiten i.R.d. Planung einer Ortsentlastungsstraße als eilbedürftig
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.02.2008
- Aktenzeichen
- 7 ME 211/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 12995
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0214.7ME211.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 12.10.2007 - AZ: 5 B 2310/07
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 NStrG
- § 37b NStrG
- § 47 Nr. 2 NStrG
- § 48 NStrG
- § 2 Abs.1 NGO
- § 4 Abs.1 NGO
Fundstelle
- FStNds 2008, 272-274
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Sofortvollzug einer Duldungsanordnung, die Vorarbeiten zum Bau einer Ortsentlastungsstraße auch auf einem seiner landwirtschaftlich genutzten Grundstücke ermöglichen soll. Mit seiner Beschwerde wiederholt er u.a. seine Rügen der Unzuständigkeit der Antragsgegnerin und der fehlenden Eilbedürftigkeit.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 12.10.2007 hat keinen Erfolg.
1.
Die Antragsgegnerin ist Straßenbaubehörde i.S.d. § 37 b NStrG. Da eine Gemeindestraße geplant und gebaut werden soll, ergibt sich die Zuständigkeit aus §§ 4 Abs. 1, 2 Abs. 1 NGO. Wenn die Straße auch über das Gebiet der Antragsgegnerin führen soll, handelt es sich (auch) um deren Angelegenheit, zumal die Antragsgegnerin die Planung der Straße (mit-)beschlossen hat. Dies bedeutet nicht, dass die Antragsgegnerin die erforderlichen Planungen insgesamt selbst vornehmen muss; vielmehr kann sie die Planung wie auch die Koordinierung der notwendigen Verfahrensschritte durch die Stadt Cloppenburg vornehmen lassen, deren Stadtgebiet durch die neue Straße entlastet werden soll. Planungsträger und Straßenbaubehörde müssen nicht notwendig identisch sein (vgl. § 37 Abs. 2 NStrG), Planfeststellungsbehörde ist ohnehin weder die Antragsgegnerin noch die Stadt Cloppenburg, sondern gemäß § 38 Abs. 5 Satz 1 NStrG der Landkreis Cloppenburg.
Die Straßenbaulast umfasst nach § 9 Abs. 1 NStrG alle mit dem Bau der Straße zusammenhängenden Aufgaben, und Träger der Straßenbaulast für Gemeindestraßen sind gemäß § 48 NStrG die Gemeinden, so dass hinsichtlich der Zuständigkeit der Antragsgegnerin im derzeitigen Stadium der Planung ein Unterschied zwischen Straßenbaubehörde und Straßenbaulastträger nicht besteht. Ungeachtet dessen steht es der Antragsgegnerin frei, den über ihr Gemeindegebiet verlaufenden Straßenteil und mit ihm die Straßenbaulast an die Stadt Cloppenburg gemäß §§ 48, 45 NStrG zu übertragen, nachdem sie Eigentümerin der Fläche geworden ist. Bis dahin fehlt es aber an einem Gegenstand, der übertragen werden kann, so dass es bei der Zuständigkeit der Antragsgegnerin für das Grundstück des Antragstellers und die dieses Grundstück betreffenden Verfügungen bleibt. Darauf, ob sich die Antragsgegnerin "als Straßenbaubehörde gesehen hat", kommt es angesichts der eindeutig an das Gebiet der Gemeinde anknüpfenden Rechtslage nicht an.
Gegen die Einordnung der geplanten Straße als Gemeindestraße spricht nicht, dass sie über das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin hinausgehen soll, denn nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 47 Nr. 2 NStrG sind Gemeindestraßen (auch) solche, die dem Verkehr zwischen benachbarten Gemeinde dienen sollen oder den Verkehr mit anderen öffentlichen Verkehrswegen vermitteln. Wenn diese öffentlichen Verkehrswege - wie regelmäßig für Gemeindestraßen - höherklassige Straßen sind, bedeutet dies noch nicht, dass es sich gleichsam "mindestens" um eine Kreisstraße handeln muss. Dies gilt insbesondere, wenn die weiträumigen Verkehrsbeziehungen über einen anderen Straßenzug - wie hier die Nordumgehung Cloppenburg im Zuge der B 213 bzw. B 72 - abgewickelt werden und ein "Lückenschluss" zur bestehenden Nordumgehung nicht geplant ist. Auch die vom Antragsteller zitierten Ausführungen im Raumordnungsprogramm des Landkreises Cloppenburg (Anschluss der südlichen Wohngebiete, Erreichbarkeit der östlichen Gewerbegebiete) beziehen sich auf Gemeindestraßen zugeordnete Funktionen. Die auch beabsichtigte Entlastung der L 836 im Stadtgebiet ist nicht gleichbedeutend mit deren Verlegung auf die von der Stadt Cloppenburg und der Antragsgegnerin geplanten Straße.
2.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Eilbedürftigkeit sei Duldungsanordnungen gemäß § 37 b NStrG immanent (ohne dass auf die Begründung der Eilbedürftigkeit gemäß § 80 Abs. 3 VwGO verzichtet werden kann), ist nicht zu beanstanden. Planfeststellungsbedürftige Vorhaben verlangen die Abarbeitung einer Vielzahl von Planungsschritten, die zu einem großen Teil aufeinander aufbauen und/oder Auswirkungen auf weitere Detailplanungen haben. Angesichts des Umstandes, dass die mit den Vorarbeiten verbundenen Beeinträchtigungen der Grundeigentümer in der Regel geringfügig sind, und ein Verfahren gegen eine Duldungsverfügung gemäß § 37 b NStrG nicht dafür zu nutzen sein darf, vorbeugend die Unterlassung des Vorhabens zu erreichen (vgl. Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 16 a Rn. 21), hat das Interesse der Grundeigentümer, die Berechtigung der Vorarbeiten vorher in einem verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren zu klären, regelmäßig hinter dem Interesse der Planungsträger an einer möglichst zügigen Informationsgewinnung zurückzustehen.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers spricht weder eine fehlende Konkretisierung der Planung zum Zeitpunkt der Duldungsverfügung noch deren Erlass vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens gegen deren Eilbedürftigkeit. Da Vorarbeiten i.S.d. § 37 b NStrG gerade der Gewinnung von Informationen und damit der Vorbereitung der Planung dienen, liegen sie regelmäßig vor der Antragstellung und damit vor der Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens (vgl. Ziekow, Praxis des Planfeststellungsrechts, Rn. 60). Zu diesem Zeitpunkt sind auch Planungsalternativen zu untersuchen, so dass die Duldungspflicht auch Eigentümer trifft, die für eine Alternativtrasse in Anspruch genommen werden müssten (vgl. Ziekow, a.a.O., Rn. 61). Dies gilt ebenso hinsichtlich des noch nicht geänderten Flächennutzungsplans, auch für dessen Änderung sind Informationen über das Plangebiet im weiteren Sinne notwendig. Weil die Vorarbeiten notwendige Erkenntnisse für konkrete Möglichkeiten der Planverwirklichung liefern sollen, bedarf es keiner Konkretisierung der planerischen Absicht (vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., S. 1244). Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass § 37 b NStrG auch gesetzessystematisch vor der Planfeststellung (§ 38 NStrG) angeordnet ist.