Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.02.2008, Az.: 1 MN 34/08
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.02.2008
- Aktenzeichen
- 1 MN 34/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 47040
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0218.1MN34.08.0A
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 1. Senat -
am 18. Februar 2008
beschlossen:
Tenor:
Der Anregung des Antragstellers, einen Hänge- oder Schiebebeschluss zu erlassen und damit die Wirksamkeit des Bebauungsplans der Antragsgegnerin Nr. 212 "C.D. Nord/Südlich E." bis zu einer Entscheidung des Senats über den Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO auszusetzen, wird nicht entsprochen.
Tatbestand:
Der Antragsteller wendet sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen den Bebauungsplan Nr. 212 "C.D. Nord" der Stadt B.. Dieser Bebauungsplan ist vom Rat der Stadt B. am 6. Februar 2008 als Satzung beschlossen worden und am 9. Februar 2008 bekannt gemacht worden. Mit dem Plan sollen im Wesentlichen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Entwicklung des nördlichen C. D. geschaffen werden. Vorgesehen ist die Ansiedlung von zwei Steinkohlekraftwerken sowie Lagerflächen für Kohle. Im Zuge der Vorbereitungen für die Ausnutzung des Bebauungsplans ist die Rodung des auf der Fläche in wesentlichen Teilen aufstehenden Waldes notwendig. Für die Rodungsarbeiten sowie damit verbundene den Baugrund vorbereitende Maßnahmen für den vorzeitigen Beginn der in einer 1. Teilgenehmigung beantragten Maßnahmen erteilte die Antragsgegnerin unter dem 9. Februar 2008 naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen. Sie führte zugleich aus, zur Umwandlung einer Waldfläche bedürfe es wegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 NWaldLG keiner Genehmigung. Mit den Rodungsarbeiten wurde nach Auskunft der Antragsgegnerin am 11. Februar 2008 begonnen.
Der Antragsteller befürchtet, dass vollendete Tatschen geschaffen werden, ehe über seinen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO entschieden werden kann, und regt deshalb einen sog. Hänge- oder Schiebebeschluss an.
Gründe
Der Anregung des Antragstellers wird nicht entsprochen. Ob insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, kann letztlich offen bleiben. Zwar entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO, wenn für ein Vorhaben, das der Antragsteller abwenden will, bereits die erforderliche Genehmigung erteilt und damit die Planfestsetzung jedenfalls im Wesentlichen ausgenutzt worden ist, weil die Aussetzung eines Bebauungsplans gemäß § 47 Abs. 6 VwGO nur in die Zukunft wirkt und die Vollziehbarkeit eines Genehmigungsbescheides daher nicht mehr beeinflussen kann (vgl. Beschl.d. Sen. v. 23.6.2005 - 1 MN 46/05 -, NVwZ-RR 2005, 691; VGH Bad.-Württ. , Beschl.v. 18.7.1996 - 8 S 1911/96 -, DÖV 1997, 556 [VGH Baden-Württemberg 18.07.1996 - 8 S 1911/96]; OVG Münster, Beschl.v. 9.12.1996 - 11 aB 1710/96.NE -, NVwZ 1997, 1006; OVG Hamburg, Beschl.v. 19.7.2000 - 2 Bs 179/00 -, zitiert nach juris; dazu auch Finkelnburg, Dombert, Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rdnr. 299, 612). Im Unterschied zur Erteilung einer Baugenehmigung, welche die Planfestsetzung ausnutzt, sind hier mit Bescheid vom 9. Februar 2008 nur Genehmigungen auf der Grundlage des Naturschutzrechts erteilt und ausgeführt worden, im Hinblick auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 NWaldLG bedürfe es keiner Umwandlungsgenehmigung. Daher besteht zwischen beiden Sachlagen ein Unterschied; voraussichtlich ist daher das Rechtsschutzbedürfnis für einen sog. Schiebebeschluss nicht entfallen.
Die Möglichkeit, bis zur Entscheidung innerhalb dieses Verfahrens bereits begonnene Arbeiten zu stoppen, kann einem Antragsteller durch die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eröffnet sein. Erforderlich ist dazu unter anderem die Befürchtung aufgrund vollendeter Tatsachen könnten seine Ansprüche später tatsächlich nicht mehr durchzusetzen sein. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass die Rechtsschutzgarantie nur den Schutz der eigenen Rechte des Betroffenen bezweckt und es deshalb des Hinweises auf eigene betroffene Rechte bedarf, um einen solchen vorbeugenden Schutzanspruch durchsetzen zu können. Hier ist nicht ersichtlich, dass ureigene Rechte des Antragstellers in Gefahr geraten, wenn durch die bereits begonnenen Rodungsarbeiten vollendete Tatsachen geschaffen werden. Der Antragsteller wohnt so weit vom Plangebiet entfernt, dass die Rodung der dort aufstehenden Bäume ihn nicht unmittelbar betrifft, was Klima oder Landschaftsbild angeht, wie dies der Fall wäre, wenn sein Grundstück unmittelbar an das Plangebiet angrenzte. Die Verwirklichung seiner Rechte, die er durch die Anfechtung des Bebauungsplans durchsetzen will, nämlich Verhinderung der Kohlekraftwerke, wird durch die nunmehr erfolgenden Arbeiten noch nicht vereitelt. Für die Richtigkeit dieser Überlegung spricht auch die Kontrollüberlegung, dass dem Betroffenen eine Antragsbefugnis und das Rechtsschutzbedürfnis zum Vorgehen gegen die für die konkrete Maßnahme erteilte Genehmigung zustehen müsste. Dies ist im Hinblick auf die für die Maßnahme erteilte Rodungsgenehmigung nicht zu erwarten, da der Antragsteller weder als Eigentümer noch als aus anderen Rechten Berechtigter an dem Grundstück noch als unmittelbarer Nachbar in seinen Rechten betroffen sein kann.
Ein Hänge- bzw. Schiebebeschluss kann zwar auch von Amts wegen innerhalb eines Verfahrens erlassen werden, wenn absehbar ist, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, ehe über einen anhängigen Antrag entschieden werden kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass eine Entscheidung auf Grund mangelnder Kenntnis des Senats über die notwendigen Einzelheiten noch nicht möglich ist, aber gleichzeitig eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht. Letzteres kann hier aber keinesfalls festgestellt werden, da dem Senat außer dem Bebauungsplan selbst und seiner Begründung samt Umweltbericht sowie der Zusammenfassung der Stellungnahmen und der Abwägung noch keine weiteren Unterlagen vorliegen, die eine auch nur vorläufige Überprüfung möglich machen würden. Da andererseits die Durchsetzung eigener Rechte für den Antragsteller - noch - nicht vereitelt wird, sieht der Senat keine Notwendigkeit, die Vollziehung des Bebauungsplans bis zum Abschluss des Eilverfahrens vorläufig auszusetzen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.