Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.07.2010, Az.: 3 U 83/10
Rückforderung von Gerichts- und Anwaltskosten eines Rechtsmittelverfahrens durch einen Rechtsschutzversicherer nach Erteilung einer Deckungszusage für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 05.07.2010
- Aktenzeichen
- 3 U 83/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 19277
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0705.3U83.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 03.05.2010 - AZ: 20 O 269/09
Rechtsgrundlagen
- ARB § 17
- ARB § 18
Fundstellen
- AGS 2012, 259-260
- AGS 2012, 103-104
- BRAK-Mitt 2010, 210
- BerlAnwBl 2010, 328-329
- NJW-RR 2010, 1400-1401
- VK 2010, 179-180
- r+s 2010, 417-418
Amtlicher Leitsatz
Erteilt ein Rechtsschutzversicherer in Kenntnis der erstinstanzlichen Entscheidung sowie der Rechtsmittelbegründung eine Deckungszusage für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens, kann er, wenn das Rechtsmittel auf unveränderter Tatsachengrundlage zurückgewiesen wird, den Prozessbevollmächtigten nicht mit der Begründung, dieser hätte von der Durchführung des Rechtsmittelverfahrens wegen erkennbarer Aussichtslosigkeit abraten müssen, auf Erstattung der entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten in Anspruch nehmen.
In dem Rechtsstreit
X Versicherung AG, ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
gegen
Rechtsanwalt T... W..., ...,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
Tenor:
beabsichtigt der Senat, die Berufung der Klägerin gegen das am 3. Mai 2010 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da das Rechtsmittel der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Gründe
I. Der Versicherungsnehmer der Klägerin K... ist Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage B... in H... . Mit vom beklagten Rechtsanwalt eingereichten Schriftsatz vom 20. Juni 2007 hat er beim Amtsgericht ... beantragt, einen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 30. Mai 2007, in dem die Eigentümerversammlung über die Abrechnung von Hausgeldern abgestimmt hatte, aufzuheben. Nachdem das Landgericht ... in einem Parallelverfahren eines anderen Miteigentümers den genannten Beschluss der Eigentümerversammlung für ungültig erklärt hatte, hat die Antragsgegnerin im WEGVerfahren das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Da sich der Versicherungsnehmer der Klägerin ungeachtet eines Hinweises des Amtsgerichts vom 29. Mai 2008 der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hatte, wurde dessen Antrag vom Amtsgericht ... mit Beschluss vom 21. August 2008 wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abgewiesen. Die Gerichtskosten des Verfahrens wurden dem Versicherungsnehmer der Klägerin auferlegt, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat nicht stattgefunden. Hiergegen erhob der weiterhin vom Beklagten vertretene Versicherungsnehmer sofortige Beschwerde, für die ihm die Klägerin, nachdem ihr der erstinstanzliche Beschluss sowie die Beschwerdebegründung übersandt worden waren, mit Schreiben vom 18. November 2008 ´ohne Anerkennung einer Rechtspflicht´ Deckungszusage erteilte. Im Verhandlungstermin beim Landgericht ... nahm der Kläger auf Hinweis der Kammer, dass auch der in 2. Instanz gestellte Hilfsantrag, mit dem die Wohnungseigentümergemeinschaft verurteilt werden sollte, die Jahresabrechnung 2006 in Gestalt der Fassung vom 23. September 2008 anzuerkennen, mangels vorheriger Einberufung und Beschlussfassung der Eigentümerversammlung zu diesem Punkt als unbegründet angesehen würde, die sofortige Beschwerde zurück. An Gerichtskosten sowie Kosten des Beklagten sind im Beschwerdeverfahren insgesamt 5.686,79 € entstanden, die die Klägerin ausgeglichen hat.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Erstattung dieser Kosten sowie eines Betrages von 584,77 € für außergerichtliche Kosten ihres Prozessbevollmächtigten. Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte habe die ihm gegenüber seinem Mandanten, dem Versicherungsnehmer der Klägerin, obliegenden Pflichten verletzt, indem er ein als aussichtslos anzusehendes Beschwerdeverfahren geführt habe. Er hätte, so die Auffassung der Klägerin, den Mandanten über die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung aufklären und von der Durchführung des Beschwerdeverfahrens abraten müssen. Der Schadensersatzanspruch des Mandanten sei auf die Klägerin, die die Kosten erstattet hat, übergegangen. Demgegenüber hat der Beklagte behauptet, der Mandant habe, obgleich er über die nur geringen Aussichten seiner Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren belehrt worden sei, auf dessen Durchführung bestanden. An diese Weisung des Mandanten, so seine Auffassung, sei er gebunden gewesen.
Das Landgericht hat den Versicherungsnehmer zum Inhalt des Beratungsgesprächs als Zeugen vernommen. Dieser hat bekundet, der Beklagte habe ihn auf die nur geringen Aussichten der Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren hingewiesen. Er habe sich jedoch, insbesondere vor dem Hintergrund der Deckungszusage der Klägerin, für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens entschieden. Ob er dieses auch auf eigene Kosten durchgeführt hätte, könne er nicht sagen.
Auf der Grundlage dieser Bekundungen des Zeugen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht zu, da der Beklagte seine Pflichten aus dem mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin bestehenden Mandatsverhältnis nicht verletzt habe. Auch liege keine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers oder des Beklagten als dessen Repräsentant gegenüber der Klägerin vor. Diese sei über die Umstände der Rechtsverfolgung umfassend und vollständig informiert worden. Im übrigen sei ein etwaiger Pflichtverstoß des Beklagten, wenn man eine Pflicht, von der Durchführung des Beschwerdeverfahrens abzuraten, annehmen wollte, für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden, denn der Versicherungsnehmer der Klägerin habe bei seiner Zeugenaussage bestätigt, dass er im Hinblick auf die seitens der Klägerin erteilte Deckungszusage auch ein aussichtsloses Beschwerdeverfahren durchgeführt hätte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, der Beklagte hätte von dem - ihrer Ansicht nach völlig aussichtslosen - Beschwerdeverfahren abraten müssen. Die Information durch den Beklagten stehe dessen Schadensersatzverpflichtung nicht entgegen, da die Klägerin als Rechtsschutzversicherer weder berechtigt noch verpflichtet sei, den ihr übermittelten Sachverhalt juristisch zu überprüfen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat nach Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Da der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, hält der Senat die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben.
1. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehen keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen, weshalb der Beklagte als vom Versicherungsnehmer beauftragter Rechtsanwalt nur diesem gegenüber für die Durchführung des Rechtsanwaltsvertrages verantwortlich ist. Unmittelbar vertragliche Ansprüche der Klägerin sind damit ausgeschlossen (vgl. von Bühren in von Bühren/Plote, ARB Rechtsschutzversicherung, 2. Auflage, Anh. 1 Rn. 4).
2. Im Verhältnis zum Versicherungsnehmer hat der Beklagte keine ihm aus dem Mandatsverhältnis obliegenden Pflichten verletzt. Nach dem substantiierten Vortrag des Beklagten, der damit die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast erfüllt hat, hat dieser seinen Mandanten über die nur geringen Aussichten des Beschwerdeverfahrens aufgeklärt. Dies war sachgerecht und ausreichend. Völlig aussichtslos war die vorrangig im Kosteninteresse eingelegte Beschwerde schon deshalb nicht, weil nach der gesetzlichen Regel die Kostenentscheidung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Billigkeitsgesichtspunkten vorzunehmen ist und daher ungeachtet der prozessualen Frage einer Erledigungserklärung zu berücksichtigen war, dass das Begehren des Klägers, wie sich aus der Entscheidung des LG ... im Parallelverfahren ergab, sachlich begründet war. Zudem hatte auch der vom Beklagten gestellte Hilfsantrag gewisse Aussicht auf Erfolg. Dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von denjenigen, die den Entscheidungen des OLG Köln (NJWRR 1994, 27) sowie des OLG Koblenz (NJW 2006, 3150 [OLG Koblenz 16.02.2006 - 5 U 271/05]) zu Grunde lagen. Im letztgenannten Verfahren hat das OLG Koblenz zudem eine Pflichtverletzung des Anwalts gegenüber seinem Mandanten wegen unzureichender Aufklärung über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bejaht.
3. Unabhängig hiervon ist die Klägerin auch mit den nunmehr von ihr erhobenen Einwendungen ausgeschlossen. Die von ihr erteilte Deckungszusage stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Die Klägerin ist aufgrund dieses Anerkenntnisses mit Einreden und Einwendungen, die ihr bei Abgabe des Anerkenntnisses bekannt waren, ausgeschlossen (vgl. von Bühren, aaO., Rn. 9. OLG Düsseldorf NJWRR 1996, 1371. OLG Köln, r+s 2001, 248). Über die Erfolgsaussichten des Beschwerdeverfahrens war sie bei Erteilung der Deckungszusage informiert. Ihr lagen der vom Beklagten übermittelte Beschluss des Amtsgerichts sowie die Beschwerdebegründung, die der Beklagte beim Landgericht eingereicht hatte, abschriftlich vor. Damit verfügte sie über alle Informationen, die erforderlich waren, um über die Voraussetzungen, nach denen sie vertragsgemäß Deckungsschutz erteilen oder verweigern konnte, zu entscheiden.
4. Unzutreffend ist der Einwand der Klägerin, sie sei nicht einmal berechtigt, die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, für die Deckungsschutz beantragt wird, zu prüfen. Aus den Literatur und Rechtsprechungsnachweisen, auf die die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Februar 2010 sowie in ihrer Berufungsbegründung verweist, lässt sich dies nicht entnehmen. Bei Harbauer (Rechtschutzversicherung, 8. Auflage, § 1 ARB 2000, Rn. 9, 18) ist lediglich ausgeführt, dass der Versicherer nicht berechtigt ist, die Rechtsangelegenheiten des Versicherungsnehmers zu besorgen. Für die hier maßgebliche Frage, ob der Versicherer auch im eigenen Interesse - berechtigt ist, die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, deren Finanzierung ihm angetragen wird, zu prüfen, ergibt sich bereits aus der Zusammenschau der Vorschriften der §§ 17, 18 ARB, dass der Versicherer zu einer solchen Prüfung berechtigt ist. Nach § 18 Abs. 1 lit. b ARB kann der Versicherer Deckungsschutz verweigern, wenn die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen durch den Versicherungsnehmer keine Aussicht auf Erfolg hat. Dies zu beurteilen, setzt eine rechtliche Prüfung zwangsläufig voraus. Versagt der Versicherer auf der Grundlage dieser Prüfung Deckungsschutz, kommt die Einholung eines Schiedsgutachtens oder ein - den Versicherer dann bindender - Stichentscheid in Betracht.
Vorliegend hat die Klägerin von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sondern Deckungsschutz erteilt. Damit ist auch zu Gunsten des Beklagten ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Beklagte durfte berechtigterweise davon ausgehen, dass entstehende Kosten im Rahmen des Leistungsumfangs vom Versicherer übernommen werden (vgl. Plote in von Bühren/Plote, aaO., § 17 Rn. 13).
III. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zur beabsichtigten Zurückweisung ihres Rechtsmittels binnen einer Frist von 2 Wochen Stellung zu nehmen oder auch, insbesondere zur Vermeidung weiterer Kosten, ihre Berufung zurückzunehmen.