Amtsgericht Hameln
Urt. v. 20.11.2003, Az.: 31 F 83/03
Anwartschaftsphase; Anwartschaftsstadium; Leistungsphase; Leistungsstadium; Versorgungsausgleich; Volldynamik; volldynamisch; Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
Bibliographie
- Gericht
- AG Hameln
- Datum
- 20.11.2003
- Aktenzeichen
- 31 F 83/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48342
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1587a Abs 2 Nr 3a BGB
- § 1587a Abs 2 Nr 3 S 2 BGB
- § 1587a Abs 2 Nr 4c BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das Urteil betrifft die Diskussion um die Bewertung der in den Zusatzversorgungen im öffentlichen Dienst erworbenen Rentenanwartschaften nach deren Reform.
Das Gericht sieht diese nun als volldynamisch an (s. Urteil Ziff. II.2.c)
Tenor:
I. Die am 27. März 1986 vor dem Standesbeamten des Standesamts in Hameln (Heiratsregister Nr. 47/1986) geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.
II. Von dem Versicherungskonto Nr. 50 230356 H 021 des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte werden im Wege des Splitting Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 144,85 € , bezogen auf den 31. März 2003 als Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto Nr. 50 260955 E 509 der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übertragen.
Zu Lasten der für den Ehemann bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Az: 230356 207 7/VL 323) erworbenen Rentenanwartschaften werden Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 77,40 € , bezogen auf den 31. März 2003 als Ende der Ehezeit, auf dem Versicherungskonto Nr. 50 260955 E 509 der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte begründet.
Es wird angeordnet, dass die zu übertragenden bzw. zu begründenden Monatsbeträge von dem zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in Entgeltpunkte (West) umzurechnen sind.
III. Die Gerichtskosten tragen die Parteien je zur Hälfte.
Jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
Versorgungsausgleich
Gemäß § 1587 Abs. 1, 2 BGB hat ein Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften stattzufinden.
1. "Ehezeit" ist die Zeit vom Beginn des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist, bis zum Ende des Monats, der der Zustellung des Scheidungsantrages vorausgeht.
Da der Scheidungsantrag am 25. April 2003 zugestellt worden ist, dauerte die Ehezeit vom 1. März 1986 bis zum 31. März 2003.
2. Zunächst ist gemäß § 1587a Abs.2 BGB der Wertunterschied der von den Ehegatten während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften zu ermitteln.
a) Die Ehefrau hat nach Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 17. Juni 2003 in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften iSv. § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB in Höhe von monatlich 297,17 € erworben.
b) Der am 23. März 1956 geborene Ehemann hat nach Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 10. Juni 2003 in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften iSv. § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB in Höhe von monatlich 586,86 € erworben.
c) Er hat nach der Auskunft der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 15. Oktober 2003 während der Ehezeit eine Anwartschaft auf zusätzliche Rentenanwartschaften iSv. § 1587a Abs. 2 Nr. 3a bzw. § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 2, Nr. 4c BGB aus einer Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst in Höhe von 154,80 € erworben. Der Versicherungsfall ist noch nicht eingetreten.
Da die 5 jährige Wartezeit im Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung erfüllt ist, ist dieser Betrag unverfallbar und daher im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen.
Bisher galten die in den Zusatzversorgungen gezahlten Versorgungsrenten (vgl. §§ 37, 40 der alten Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder) als volldynamisch, da der Aufbau der Versorgung im Anwartschaftsstadium einkommensabhängig war und die Versorgung im Leistungsstadium der Entwicklung der Beamtenversorgung angepasst wurde (BGH FamRZ 1990, 984/985; Eißler, Versorgungsausgleich, 2. Auflage, Rn. 243/244).
Auch nach der Reform der Zusatzversorgungen kann jedenfalls in der Anwartschaftsphase wegen des für die künftige Kapitaldeckung vorgesehenen Rechnungszinses von 3,25 % von einer Volldynamik, ausgegangen werden (Borth, FamRZ 2003, Seite 889 [893]).
Die Orientierung an der Entwicklung der Beamtenversorgung ist nach der zum 01. Januar 2002 wirksam gewordenen Reform der Zusatzversorgung entfallen. Nach § 39 VBL-Satzung (neu) werden die jetzt gezahlten Betriebsrenten jährlich um 1 % erhöht, weshalb die Anwartschaft im Leistungsstadium teilweise nicht mehr als dynamisch angesehen wird (Borth aaO.; OLG Stuttgart Beschluss vom 21. Dezember 2001, 15 UF 472/01, bei einer anderen betrieblichen Altersversorgung mit Erhöhung um 1 % jährlich). Da die durchschnittliche Erhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung in den letzten 10 Jahren unter Berücksichtigung der für das nächste Jahr zu bereits beschlossenen „Nullrunde“ mit 1,059 % (einzelne Erhöhungszahlen s. Glockner, FamRZ 2003, 1233 [1235]) nur unwesentlich darüber liegt, sieht das Gericht die in der Zusatzversorgung erworbene Anwartschaft entgegen der Bewertung des Versorgungsträgers und abweichend von früheren eigenen Entscheidungen nunmehr als volldynamisch an (vgl. Glockner, aaO., Ziff. 3).
3. Da der Ehemann höhere Anwartschaften erlangt hat, ist er gemäß § 1587a Abs. 1 S. 1 BGB ausgleichsverpflichtet.
Der Versorgungsausgleich findet im vorliegenden Fall wie folgt statt :
a) Zunächst sind gemäß § 1587b Abs.1 BGB durch "Splitting" die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen dynamischen Anwartschaften beider Eheleute auszugleichen.
Der Ehefrau steht gemäß § 1587a Abs.1 S.2 BGB die Hälfte des Wertunterschiedes der Anwartschaften bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu, also
586,86 € - 297,17 € = 289,69 € : 2 = 144,85 € .
Dementsprechend überträgt das Gericht Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 144,85 € von dem Versicherungskonto des ausgleichsverpflichteten Ehemannes auf das Versicherungskonto der ausgleichsberechtigten Ehefrau.
b) Desweiteren sind gemäß §§ 1587b Abs. 2 BGB, 1 Abs. 3 VAHRG die weiteren Rentenanwartschaften des Ehemannes aus der Zusatzversorgung auszugleichen. Auch hier steht der Ehefrau die Hälfte des Wertunterschiedes zu, also
154,80 € : 2 = 77,40 €.
Da der in der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für die Ehefrau zutreffend mit 586,38 € angegebene Höchstbetrag nach § 1587b Abs. 5 BGB durch den Gesamtausgleichsbetrag in Höhe von 222,25 € nicht überschritten wird, begründet das Gericht im Wege des "Quasi-Splitting" zu Lasten der Anwartschaften des Ehemannes aus der Zusatzversorgung Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 77,40 € auf dem Versicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung.