Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 22.12.2003, Az.: 6 B 2188/03

Anforderungen an die Begründung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung; Wiederherstellung der aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs; Voraussetzungen für ein Abwehrrecht gegen einen erteilten Bohrbetriebsplan

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
22.12.2003
Aktenzeichen
6 B 2188/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 26781
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2003:1222.6B2188.03.0A

Gründe

1

Der Antrag hat keinen Erfolg.

2

Die Begründung, welche der Antragsgegner im Bescheid vom 11. November 2003 für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Sonderbetriebsplans "Bohrbetriebsplan für die Erdgas - Erweiterungsbohrung D. Z 7"gegeben hat, genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

3

Dem Begründungserfordernis nach dieser Vorschrift ist Genüge getan, wenn die Behörde die Erwägungen offen legt, die sie im konkreten Fall veranlasst haben, von der Möglichkeit des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO Gebrauch zu machen. Dies ist hier geschehen. Der Antragsgegner hat im Bescheid vom 11. November 2003 ausgeführt, dass die kontinuierliche Förderung und Verwertung des Bodenschatzes im öffentlichen Interesse liege, welches gegenüber dem Interesse der Antragsteller an der Aufrechterhaltung des Suspensiveffektes überwiege. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung würden der Beigeladenen erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen. Ferner seien Arbeitsplätze gefährdet und die Entnahmekapazität aus den vorhandenen Bohrungen sinke deutlich bei einer Unterbrechung der Bohrung.

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Gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen oder wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Aufschub der Vollziehbarkeit eines ihn belastenden Verwaltungsakts gegenüber dem öffentlichen Interesse oder dem Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehung bzw. Ausnutzbarkeit des Verwaltungsakts überwiegt. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist das Risiko des Antragstellers, die Folgen der Verwirklichung der angegriffenen Maßnahme trotz möglichen späteren Erfolges in der Hauptsache dulden zu müssen, mit dem Risiko des Begünstigten abzuwägen, die Verwirklichung seines Vorhabens trotz möglicher späterer Klageabweisung aufschieben zu müssen. Bei der vorzunehmenden Abwägung spielen die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs regelmäßig eine entscheidende Rolle. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich Erfolg, überwiegt regelmäßig das Interesse des Antragstellers. Umgekehrt überwiegt regelmäßig das Interesse des von dem angegriffenen Verwaltungsakt Begünstigten, wenn sich der Rechtsbehelf bei summarischer Prüfung als offensichtlich erfolglos darstellt. Im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs ist zu berücksichtigen, dass in Fällen, in denen ein anderer als der von dem Verwaltungsakt Begünstigte einen Rechtsbehelf ergriffen hat, die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts nicht umfassend in objektivrechtlicher Hinsicht zu überprüfen ist. Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens ist vielmehr lediglich die Frage, ob der das Verfahren betreibende Dritte in eigenen subjektiven Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt ist.

5

Eine solche Rechtsverletzung der Antragsteller ist im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Ein Abwehrrecht der Antragsteller gegen den der Beigeladenen erteilten Bohrbetriebsplan besteht nur, wenn das genehmigte Vorhaben gegen das öffentliche Recht verstößt und die verletzten Vorschriften zum Schutze des Nachbarn zu dienen bestimmt sind, also nachbarschützend sind und durch das rechtswidrige Vorhaben eine tatsächliche Beeinträchtigung des Nachbarn hinsichtlich der durch die Vorschriften geschützten nachbarlichen Belange eintritt.

6

Der Sonderbetriebsplan - Bohrbetriebsplan für die Erdgas - Erweiterungsbohrung (B 2) D. Z 7/Z7a findet seine Rechtsgrundlage in § 55 , 56 Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310, zuletzt geändert durch Artikel 123 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304)). Unter Nr. 2 der Nebenbestimmungen des Sonderbetriebsplans vom 16. September 2003 wird darauf hingewiesen, dass die Nebenbestimmungen und Hinweise des Rahmenbetriebsplanes vom 28. Mai 2003 weiterhin zu beachten und einzuhalten sind. Nach Nr. 6 c dieses Rahmenbetriebsplans sind entsprechend den Gebietsausweisungen im Flächennutzungsplan für E. 55 dB(A) tagsüber sowie 40 dB(A) nachts und im Übrigen 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts einzuhalten. Wie die Kammer bereits in dem Beschluss vom 29. Juli 2003 (6 B 1050/03) ausgeführt hat, begegnet diese Festsetzung keinen Bedenken. Es bestehen weiterhin keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beigeladene die in dem Rahmenbetriebsplan enthaltenen Anforderungen und Beschränkungen von vornherein nicht einhalten und der Rahmenbetriebsplan deshalb wegen nur formaler Berücksichtigung nachbarschützender Belange rechtswidrig sein könnte. Das Gegenteil ist der Fall.

7

Die Festsetzung der Lärmgrenzwerte wird von den Antragstellern mit ihrem Vorbringen im vorliegenden Verfahren auch nicht angegriffen. Vielmehr machen sie geltend die Einhaltung der Grenzwerte sei nicht durchgehend gewährleistet. Dieses Argument geht jedoch im vorliegenden Verfahren bereits deshalb fehl, weil hier allein der Sonderbetriebsplan in dem genehmigten Umfang im Hinblick auf die etwaige Verletzung nachbarschützender Vorschriften überprüft wird. Die von den Antragstellern angesprochene Frage der tatsächlichen Einhaltung des Sonderbetriebsplans ist davon grundlegend zu unterscheiden. Das Vorbringen der Antragsteller betrifft die Frage der Überwachung, nicht aber den Inhalt des zugelassenen Betriebsplans.

8

Im Übrigen kommt das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten aufgrund von Schallimmissionsmessungen in der Nachbarschaft der Lokation D. Z 7 nach Aufnahme des Bohrbetriebes vom 10. Dezember 2003 eindeutig zu dem Ergebnis, dass an allen untersuchten Immissionspunkten der jeweils entsprechend der Gebietsausweisung gültige Nacht - Immissionsrichtwert eingehalten wird. Weiter wird in dem Gutachten ausgeführt, dass ein Trend zu niedrigeren Beurteilungspegeln zu erwarten ist, da mit zunehmender Teufe die im Bereich des Standrohres erzeugten Geräuschanteile entfallen.

9

Soweit der Antragsteller zu 1) weiter einwendet, die von ihm auf der gepachteten Weide auf dem Flurstück 87/34 gehaltenen Pferde und zum Teil Zuchtstuten würden durch den Bohrbetrieb gestört mit weitreichenden Folgen für trächtige Stuten, verhilft dieser Einwand dem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Als Pächter steht dem Antragsteller zu 1) kein auf Art. 14 Abs. 1 GG gestütztes öffentlich rechtliches Abwehrrecht zu. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen lediglich dem zivilrechtlichen Eigentümer eines benachbarten Grundstücks als Nachbar Abwehrrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG zu. Wer dagegen lediglich ein obligatorisches Recht vom Eigentümer ableitet, wie das bei Pächtern der Fall ist, hat gegen den dem Nachbarn erteilten Betriebsplan kein öffentlich - rechtliches Abwehrrecht, sondern kann seine Rechtsposition nur dem Eigentümer gegenüber durchsetzen; dafür stehen ihm die zivilrechtlichen Rechtsinstitute zur Verfügung. Auf diese Weise können Pächter unter Umständen vom Eigentümer verlangen, seine Abwehrrechte geltend zu machen, oder bei Wertminderungen der Miet- oder Pachtsache den Miet- oder Pachtzins mindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 1983, Az: 4 C 74/80 - NVwZ 1983, 672-673 m. w. N.).

10

Im Übrigen hat der Antragsteller zu 1) nicht substantiiert dargelegt, dass derzeit zu befürchten steht, eine Zuchtstute werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verursacht durch den zugelassenen Bohrbetrieb ernsthaft Schaden nehmen.