Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 12.12.2003, Az.: 1 A 1815/01
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteillung der sanierungsrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit eines Kaufvertrages; Genehmigungsfähigkeit von Verträgen bei denen der Kaufpreis den Verkehrswert erheblich überschreitet
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 12.12.2003
- Aktenzeichen
- 1 A 1815/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 26780
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2003:1212.1A1815.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB
- § 153 Abs. 1 BauGB
- § 153 Abs. 2 BauGB
Amtlicher Leitsatz
Bei der sanierungsrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit eines Kaufvertrages ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem alle rechtsgeschäftlichen Bedingungen erfüllt sind. Auf die grundbuchrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen kommt es dabei nicht an. Verträge, in denen Kaufpreise vereinbart werden, die den Verkehrswert erheblich überschreiten, können nicht genehmigt werden.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung für einen Kaufvertrag.
Mit einem vor dem E. Notar F. abgeschlossenen Kaufvertrag vom 12. Mai 1997 verkaufte die Klägerin ihren Miteigentumsanteil an dem im Grundbuch des Amtsgerichts G. für G. Band 495 Blatt 16277 eingetragenen Eigentum, das mit einem Sondereigentum an der Wohnung Haus Nr. 28 im 3. Geschoss rechts (Wohnung Nr. 18) verbunden ist, an einen Herrn H.. Als Kaufpreis wurde für die 68,26 qm große Wohnung, die die postalische Adresse I. hat, 133.000,00 DM festgesetzt. Die Erklärungen vor dem Notar hat für beide Vertragsparteien ein Herr J. als Geschäftsführer der Firma K. und Partner Immobilienvermittlungs GmbH mit Sitz in L. abgegeben. Daher wurde der Vertrag vorbehaltlich der Genehmigung der Vertragsparteien abgeschlossen, die mit ihrem Eingang beim beurkundenden Notar sämtlichen Beteiligten als zugegangen gelten sollen. Die Abwicklung dieses Kaufvertrages verzögerte sich, weil es in der Folge zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und dem Käufer vor dem Landgericht L. und später vor dem Oberlandesgericht M. kam. Die Auseinandersetzung endete am 02. Februar 2000 durch übereinstimmende Hauptsacheerledigungserklärungen in der mündlichen Verhandlung. Die Parteien erklärten, dass sie dem Kaufvertrag vom 12. Mai 1997 zustimmten.
In seiner Sitzung vom 11. Oktober 1999 hat der Rat der Stadt G. die Satzung der Stadt G. über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes"N." beschlossen. Diese Satzung ist am 13. Januar 2000 in Kraft getreten (Amtsblatt für den Landkreis G. vom 13. Januar 2000, S. 13-15). Das Grundstück, auf dem sich die verkaufte Wohnung befindet, liegt in dem Gebiet dieser Sanierungssatzung. Am 07. März 2000 wurde ein entsprechender Vermerk in das Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 13. Oktober 2000 beantragte diese die sanierungsrechtliche Genehmigung bei der Beklagten. Der Vertrag zum Verkauf des Grundstückes sei bereits vor zwei Jahren geschlossen worden, die Abwicklung habe sich lediglich durch gerichtliche Auseinandersetzungen verzögert.
Mit Schreiben vom 02. November 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie auf die Ausübung ihres Vorkaufsrechtes verzichte. Die Genehmigung gemäß § 145 Abs. 2 BauGB werde versagt. Der Kaufpreis sei deutlich überhöht und liege über dem Verkehrswert. Die Erschwerung der Sanierung sei somit durch den Abschluss des Kaufvertrages zu befürchten.
Am 08. November 2000 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein und fragte mit Schreiben vom gleichen Tage nach, was nach Ansicht der Beklagten der angemessene Kaufpreis sei. Mit weiterem Schreiben vom 30. Januar 2001 begründete die Klägerin ihren Widerspruch dahingehend, dass die Ablehnung der Genehmigung für sie den finanziellen Ruin bedeute, weil der Verkauf zur Verhinderung einer Zwangsversteigerung einer anderen Immobilie zwingend erforderlich sei. Die Vereinbarung des Kaufpreises sei vor Jahren erfolgt und sei allein Sache der Vertragsparteien. Die Beklagte müsse insoweit mit Ersatzansprüchen rechnen.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2001 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Wohnung seit dem 13. Januar 2000 im Sanierungsgebiet liege. Der notarielle Kaufvertrag sei von Genehmigungen abhängig gewesen, die erst erteilt worden seien, nachdem die Sanierungssatzung in Kraft getreten sei. Der Kaufpreis von 133.000,00 DM sei deutlichüberhöht. Genehmigungsfähige Verträge lägen in diesem Gebiet zwischen 800,00 DM und 850,00 DM pro Quadratmeter. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 27. Februar 2001 erklärt hatte, dass sie ihren Widerspruch aufrechterhalte, weil der Vertrag wirksam sei und lange vor Inkrafttreten der Sanierungsgenehmigung abgeschlossen wurde, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 23. November 2001 zurück. Der Kaufvertrag sei nach den Vorschriften des Baugesetzbuches genehmigungspflichtig. Ein solcher Kaufvertrag liege jedoch bislang nicht vor, weil die erforderlichen Genehmigungen zu dem Vertrag bislang nicht vorgelegt worden seien. Im Übrigen wäre die Genehmigung zu versagen, weil hier ein Kaufpreis in Höhe von bis zu 58.021,00 DM angemessen wäre, während der vereinbarte Kaufpreis von 133.000,00 DM deutlichüberhöht sei. Die Preisniveausteigerung erschwere die Sanierung.
Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2001, der am 24. Dezember 2001 eingegangen ist, hat die Klägerin Klage erhoben. Der Sanierungsvermerk sei erst nach dem Vertragsabschluss eingetragen worden. Der Vertragsabschluss und die Kaufpreisfestlegung habe weit vor der Beschlussfassung der Beklagten über die Festlegung des Sanierungsgebietes gelegen. Der Kaufpreis habe im Übrigen auch keine Auswirkungen auf die Sanierung. Auf eventuelle Wertgutachten käme es heute nicht mehr an, weil der Vertrag bereits 1997 abgeschlossen worden sei. Rückwirkende Kraft könne den Beschlüssen der Stadt nicht beigemessen werden, weil diese ansonsten enteignende Wirkung hätten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2001 zu verpflichten, den Kaufvertrag vom 12. Mai 1997 des Notars O., Urkunden-Nr. K 00784/97 zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Kaufvertrag bei Inkrafttreten der Sanierungssatzung am 13. Januar 2000 schwebend unwirksam gewesen sei. Die Genehmigungen seien erst nach Inkrafttreten der Satzung erteilt worden, sodass die Satzung anzuwenden sei. Die Klägerin hätte hier keine eigenen Aufwendungen zur Verkehrswerterhöhung getätigt, sodass nur die Veräußerung zum Verkehrswert zulässig wäre. Nach verschiedenen von der Beklagten vorgelegten Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises G. seien hier Verkehrswerte von bis zu etwa 62.000,00 DM anzunehmen. Der vereinbarte Kaufpreis liege wesentlich über diesem Betrag, sodass er als überhöht angesehen werden müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der beigezogenen Akten des Landgerichts L. bzw. des Oberlandesgerichts M. (9 O 677/98 bzw. 27 U 281/99) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, gemäß § 145 Abs. 2 BauGB die beantragte Genehmigung zu versagen.
Zunächst ist die Beklagte zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der bereits im Jahre 1997 notariell beurkundete Kaufvertrag der Genehmigungspflicht gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB unterliegt. Nach dieser Vorschrift bedarf die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstückes im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde. Der hier umstrittene Vertrag ist nicht etwa deshalb genehmigungsfrei, weil die Sanierungssatzung der Beklagten, deren Rechtmäßigkeit im Übrigen nicht angezweifelt wird, am 13. Januar 2000 in Kraft getreten ist. Es entspricht nämlich allgemeiner Auffassung, dass nur vor dem Inkrafttreten wirksam abgeschlossene Rechtsgeschäfte von den Rechtswirkungen der Satzung nicht mehr erfasst werden (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 153 Anm. 88 unter Hinweis auf die zum Städtebauförderungsrecht ergangene Entscheidung des OVG Lüneburg vom 15.12.1977, NJW 1979, 1316, 1317, bestätigt durch das BVerwG, Urteil vom 21.08.1981 - 4 C 16.78 -, NJW 1982, 398 ff.). Diese Rechtsprechung steht auch im Einklang zu der in Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts vertretenen Auffassung, die ebenfalls einen rechtswirksamen Kaufvertrag voraussetzt (vgl. BGHZ 110, 230 = NJW 1990, 1473; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.1996 - 3 S 13/94 - m.v.N., zitiert nach Juris). Der hier im Streit befindliche Kaufvertrag vom 12. Mai 1997 war am Tage des Inkrafttretens der Sanierungssatzung noch schwebend unwirksam. Denn er wurde von dem Vertreter der P. GmbH allein handelnd für beide Parteien vorbehaltlich der Genehmigung abgeschlossen. Die Parteien haben erst am 02. Februar 2000 dem Kaufvertrag vom 12. Mai 1997 zugestimmt. Erst an diesem Tage war der Vertrag damit wirksam geworden. Zu diesem Zeitpunkt war die sich aus § 144 Abs. 2 BauGB ergebende Genehmigungspflicht bereits entstanden. Erst zu diesem Zeitpunkt lagen auch die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen vor, die insgesamt unter den Begriff "rechtsgeschäftliche Veräußerung" eines Grundstückes verstanden werden, wie er im § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB verwandt wird. Nach§§ 873, 925 BGB handelt es sich bei der Übertragung des Eigentums an einem Grundstück um einen zweiaktigen Tatbestand, der sich aus Einigung der Beteiligten über den Rechtsübergang, die als dingliches Rechtsgeschäft bezeichnet werden kann, und der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch zusammensetzt. Dementsprechend wird auch für die Anwendung des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB mit Recht als (rechtsgeschäftliche) Veräußerung das dingliche Erfüllungsgeschäft (§§ 873, 925 GBG) angesehen (vgl. Brügelmann/Neuhausen, BauGB, § 144 Rdnr. 17; Schrödter/Köhler, BauGB, § 144 Rdnr. 11). Die für den Eigentumsübergang erforderliche Grundbucheintragung ist nicht Bestandteil dieses von den Beteiligten abzuschließenden Rechtsgeschäfts, sondern muss zu diesem hinzu treten, um den Rechtsübergang zu bewirken. Danach kommt es entscheidend zwar nicht darauf an, wann die Voraussetzungen für die Eintragung im Grundbuch tatsächlich vorliegen, auf die wirksame Auflassung ist jedoch bei der Frage der Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB abzustellen, weil kein Anlass besteht, den im Baugesetzbuch verwendeten Begriff der rechtsgeschäftlichen Veräußerung entgegen der bürgerlich-rechtlichen Unterscheidung zwischen rechtsgeschäftlicher Einigung und dem Eigentumsübergang durch Grundbucheintrag aufzufassen. Danach stand hier fest, dass sich die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit in dem Zeitpunkt stellte, als eine Einigung zwischen den Kaufvertragsparteien tatsächlich erfolgte. Dies war erst am 02. Februar 2000, also nach Inkrafttreten der Sanierungssatzung der Fall.
Die Beklagte hat die somit erforderliche Genehmigung zu Recht versagt. Gemäß § 153 Abs. 2 BauGB liegt eine wesentliche Erschwernis der Sanierung im Sinne des § 145 Abs. 2 BauGB vor, wenn bei der rechtsgeschäftlichen Veräußerung eines Grundstücks der vereinbarte Gegenwert für das Grundstück über dem Wert liegt, der sich in Anwendung des § 153 Abs. 1 BauGB ergibt. Hieraus folgt, dass auch im privaten Grundstücksverkehr grundsätzlich kein höherer Kaufpreis vereinbart werden darf, als sich für das Grundstück unter Ausschluss sanierungsbedingter Werterhöhungen ergibt. Eine Überschreitung dieses Wertes ist nur insoweit zu genehmigen, als der Verkäufer oder der Voreigentümer durch eigene Aufwendungen die Werterhöhungen zulässigerweise selbst bewirkt hat. Für diesen Fall fingiert das Baugesetzbuch im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung eine wesentliche Erschwerung der Sanierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1978 - 4 C 56/76 -, NJW 1982, 398 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung im Wege der verfassungskonformen Auslegung der früheren Vorschrift des § 15 Städtebauförderungsgesetz gefordert, dass der gemäß § 23 vereinbarte Gegenwert so lange nicht eine Versagung der Genehmigung rechtfertigt, wie nicht Werte vereinbart werden, die in einer für den Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich verfehlen, was auch sonst, nämlich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, sich auf einen bestimmten Wert festzulegen und die Behörde zu verpflichten, jeweils Gutachten im Einzelfall einzuholen. Andererseits ergibt sich im vorliegenden Fall aus den vorgelegten Gutachtenüber Grundstücke in der Nachbarschaft des veräußerten Grundstückes für die Kammer zweifellos, dass der vereinbarte Verkaufspreis hier deutlich über dem Wert liegt, der im Rahmen der Genehmigung nach § 144 BauGB hingenommen werden muss. Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich um eine Größenordnung, die den Verkehrswert um etwa 100 % übersteigt. In der Rechtsprechung sind bislang Kaufpreisüberschreitungen als unwesentlicheÜberschreitung des sanierungs-unbeeinflussten Grundstückswertes qualifiziert worden, die sich im Rahmen von bis zu 10 % bewegt haben (vgl. die Nachweise bei Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 153 Anm. 123). Für den vorliegenden Fall bedarf es keiner genauen Festlegung des noch hinzunehmenden Wertes, weil jedenfalls der vorliegende Kaufvertrag keinesfalls genehmigungsfähig ist.