Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 17.12.2003, Az.: 3 A 1482/02

Anspruch; Besoldungsgruppe; Bewertung; Bundeswehr; Dienstposten; Haushaltsmittel; Organisationsfreiheit; Stellenanhebung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
17.12.2003
Aktenzeichen
3 A 1482/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48326
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Bewertung des ihm übertragenen Dienstpostens; diese obliegt dem Dienstherrn gemäß seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit ( wie BVerwG, B. v. 14.09.1999, 1 WB 27/99 ).

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des sog. Attraktivitätsprogramms der Bundeswehr, sofern der Soldat nicht dem dort genannten Personenkreis angehört.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt inhaltlich die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12.

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Der 1953 geborene Kläger ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes mit dem Dienstgrad eines Hauptmanns. Er ist als Sanitätsdienstoffizier und S 1 Offz. FD beim StOSanZentrum Schwanewede eingesetzt und erhält auf diesem Dienstposten der Einstufung entsprechend Bezüge der Besoldungsgruppe A 11.

3

U.a. unter Hinweis auf das sog. Attraktivitätsprogramm der Bundeswehr beantragte der Kläger unter dem 12.04.2002, in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 eingewiesen zu werden. Dieser Antrag wurde mit dem angegriffenen Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 22.04.2002 mit der Begründung abgelehnt, dass der Dienstposten des Klägers aufgrund des Attraktivitätsprogramms nicht auf A 12 angehoben worden sei; die begehrte Einweisung sei daher ausgeschlossen. Dagegen legte der Kläger fristgerecht Beschwerde ein, der mit Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 06.08.2002 zurückgewiesen wurde.

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Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er ist der Auffassung, dass der von ihm wahrgenommene Dienstposten nach A 12 bewertet werden und er dementsprechend zum Major ( richtig: Stabshauptmann; Besoldungsgruppe A 12 ) befördert werden müsse. Dazu macht er geltend, dass ihm ca. 130 Soldaten unterstellt seien, über die er die Disziplinargewalt habe. Damit entspreche seine Tätigkeit der eines Kompaniechefs, zumal diese Tätigkeit auch nach der Dienstpostenbeschreibung inhaltlich zu mehr als der Hälfte mit der Tätigkeit eines Kompaniechefs identisch sei. Dies habe die Konsequenz, dass ein Anspruch auf Höherbewertung des Dienstpostens unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung bestehe, denn Sinn und Zweck des Attraktivitätsprogramms sei es gewesen, die Dienstposten der Kompaniechefs einheitlich nach A 12 zu bewerten. Dabei stelle das genannte Programm eine Verwaltungsvorschrift dar, durch die die Beklagte ihr Ermessen hinsichtlich der Dienstpostenbewertung gebunden habe. Diese Bewertung ergebe sich insbesondere auch durch einen Vergleich mit dem Dienstposten des Kompaniechefs einer Sanitätsschülerkompanie, der hochgestuft worden sei; dem entsprechenden Dienstposteninhaber seien weniger Soldaten unterstellt, die zudem als Lehrgangsteilnehmer disziplinar überwiegend unauffällig sind und selbst in einem derartigen Fall vom Lehrgang abgelöst würden, so dass eine disziplinare Würdigung ohnehin dem Stammtruppenteil obliege.

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Der Kläger hat zunächst die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihn in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 einzuweisen bzw. hilfsweise festzustellen, dass er bereits einen nach dieser Besoldungsgruppe bewerteten Dienstposten innehabe.

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Der Kläger beantragt nunmehr,

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die Beklagte zu verurteilen, den vom Kläger innegehabten Dienstposten des Sanitätsoffiziers und S 1-Offiziers FD beim Standortsanitätszentrum Schwanewede mit Besoldungsgruppe A 12 zu bewerten und die Bescheide der Beklagten vom 22.04.2002 und den Beschwerdebescheid der Beklagten vom 06.08.2002 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,

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hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Unter Bezugnahme auf die angegriffenen Bescheide wiederholt sie, dass eine Einweisung in eine höherwertige Planstelle allein deswegen nicht möglich sei, weil der Dienstposten des Klägers lediglich mit A 11 bewertet sei. Ein Anspruch des Klägers auf höhere Bewertung seines Dienstpostens bestehe nicht. Im Rahmen seiner Organisationsgewalt habe der Dienstherr ein weites Ermessen. Dieses sei erst dann verletzt, wenn sich zu Lasten des Einzelnen ein Missbrauch der organisatorischen Gestaltungsfreiheit ergeben würde; dafür bestünden keine Anhaltspunkte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage bleibt ohne Erfolg.

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Die Klage ist zulässig, denn die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Umstellung des Antrages ist jedenfalls sachdienlich, so dass sich Fragen im Zusammenhang mit einer Klageänderung ( § 91 VwGO ) nicht stellen.

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Die Klage ist jedoch unbegründet. Für das Begehren des Klägers fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Zutreffend zitiert die Beklagte die insoweit maßgebliche Rechtsprechung des BVerwG. Aus den erwähnten Entscheidungen ist der Beschluss vom 14.09.99 ( AZ 1 WB 27/99, in NVwZ 2000, 203; zitiert nach juris ) hervorzuheben. In dieser Entscheidung heißt es:

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„Ob und gegebenenfalls wann eine besoldungsrechtliche Festlegung seines Dienstpostens in der STAN erfolgt, obliegt allein der Organisations- und Personalhoheit des BMVg. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, in Fragen der Organisation die Vorstellungen des BMVg auf ihre Richtigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen (vgl. Beschlüsse vom 26. November 1986 - BVerwG 1 WB 73.85 - und vom 10. November 1992 - BVerwG 1 WB 53.92 - jeweils m.w.N.). Die rechtliche Bewertung von Dienstposten, d.h. ihre Zuordnung zu statusrechtlichen Ämtern einer bestimmten Besoldungsgruppe, erfolgt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Besoldungs- und Haushaltsrechts durch den Dienstherrn gemäß dessen organisatorischer Gestaltungsfreiheit (vgl. Urteile vom 2. April 1981 - BVerwG 2 C 13.80 - <Buchholz 232 § 15 Nr. 15 ZBR 1981, 315>, vom 29. April 1982 - BVerwG 2 C 26.80 - <BVerwGE 65, 253 (254 f.) = Buchholz 237.4 § 60 Nr. 1>, vom 29. April 1982 - BVerwG 2 C 41.80 - <BVerwGE 65, 270 (272) = Buchholz 237.7 § 28 Nr. 7>, vom 24. Januar 1985 - BVerwG 2 C 4.83 - <Buchholz 237.8 § 53 Nr. 2>, vom 31. Mai 1990 - BVerwG 2 C 16.89 - <Buchholz 237.6 § 14 Nr. 1 = DVBl 1990, 1235 = NVwZ 1991, 375>, vom 24. Januar 1991 - BVerwG 2 C 16.88 - <BVerwGE 87, 310 (313 f.) = Buchholz 237.7 § 28 Nr. 8>, vom 28. November 1991 - BVerwG 2 C 41.89 - <BVerwGE 89, 199 (200 f.) = Buchholz 232 § 26 Nr. 34> und vom 25. April 1996 - BVerwG 2 C 21.95 - <BVerwGE 101, 112 (114 ff.)>). Für die im vorliegenden Fall noch nicht erfolgte STAN- Zuordnung des dem Antragsteller übertragenen Dienstpostens enthält das Gesetz, abgesehen von dem allgemeinen Grundsatz der sachgerechten Bewertung gemäß § 18 Satz 1 BBesG, keine konkreten rechtlichen Vorgaben. Insoweit bleibt die erforderliche Konkretisierung dem Haushaltsgesetzgeber bzw. der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des BMVg überlassen. Dem Antragsteller steht im übrigen auch kein Anspruch darauf zu, daß der von ihm wahrgenommene Dienstposten in einer (künftigen) STAN mit B 3 ausgewiesen wird. Weder die Fürsorgepflicht noch der Gleichheitsgrundsatz geben dem Beamten oder Soldaten einen Anspruch auf eine bestimmte Bewertung des ihm übertragenen Dienstpostens (vgl. Urteil vom 28. November 1991- BVerwG 2 C 7.89 - <Buchholz 237.7 § 28 Nr. 9 = ZBR 1992, 176 = NVwZ 1992, 573> m.w.N.).

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Anhaltspunkte dafür, daß das Unterbleiben einer STAN- Festlegung gezielt gegen den Antragsteller gerichtet sein könnte, sind weder ersichtlich noch hat der Antragsteller das Vorliegen solcher Umstände behauptet.“

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Gemessen an diesen Erwägungen kann der Kläger eine höhere Bewertung seines Dienstpostens nicht verlangen. Dass die Zuordnung des Dienstpostens des Klägers zur Besoldungsgruppe A 11 nicht sachgerecht im Sinne des § 18 BBesG wäre, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen. Vielmehr setzt, wie bereits der Begriff zeigt, das Attraktivitätsprogramm die Absicht des Dienstherrn um, aus Motivationsgründen ( Stichwort: „Beförderungsstau“ ) bestimmte Personengruppen zu begünstigen, ohne dass dies im Sinne sachgerechter Bewertung ( vgl. § 18 BBesG ) zwingend geboten wäre.

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Der Dienstherr hat sein Ermessen auch nicht gleichheitswidrig ausgeübt. Anhaltspunkte dafür, dass die Nichtberücksichtigung des vom Kläger wahrgenommenen Dienstpostens gezielt gegen ihn gerichtet sein könnte, bestehen nicht. Vielmehr ergibt sich etwa aus dem Schreiben des Wehrbeauftragten des Bundestages vom 17.04.2002, den der Kläger zwischenzeitlich eingeschaltet hatte, dass Ziel des Attraktivitätsprogramms für die Streitkräfte „nicht die generelle Anhebung der Besoldung aller Offiziere, die, auf welchem Dienstposten und aus welchen Gründen auch immer, Disziplinarbefugnis ausüben“, sei. Auf die Erwägungen des Klägers zum Umfang seiner Disziplinarbefugnis, auch etwa im Vergleich zum Kompaniechef Sanitätsschülerkompanie, kommt es damit nicht an. Zudem heißt es in diesem Schreiben, dass nach dem genannten Programm Kompaniechefverwendungen grundsätzlich mindestens nach A 12 besoldet werden sollen; dementsprechend seien insgesamt 1.760 Dienstposten identifiziert worden. Weiter heißt es wörtlich:

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“Insoweit gibt es bezüglich der von Ihnen angesprochenen „S 1-Offiziere Standortsanitätszentrum des Heeres Typenreihe B und C“ nach dem Wortlaut der Weisung keinen Handlungsbedarf.“

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Damit ergibt sich aus diesem Schreiben, dass in den gesamten Streitkräften kein Dienstposten, der dem des Klägers entspricht, auf A 12 hochgestuft worden wäre. Dies gilt jedenfalls unter Berücksichtigung der Größe der Standortsanitätszentren; insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass von insgesamt ca. 70 Einrichtungen dieser Art im Bundesgebiet lediglich die entsprechenden Dienstposten in den zwei größten dieser Zentren - Berlin und Munster - höhergestuft und nunmehr mit A 12 bewertet worden sind. Dass das - nach eigenen Ausführungen des Klägers - insoweit kleinere Sanitätszentrum Schwanewede keine Berücksichtigung gefunden hat, ist in Anwendung des Kriteriums der Größe der Einrichtung nicht zu beanstanden. Auch der Hinweis des Klägers auf die Selbstbindung des Beklagten greift damit nicht durch, denn eine Bindung in diesem Sinne liegt nicht vor, weil die Dienstposten in allen anderen Sanitätszentren mit Ausnahme der genannten bei der Höherbewertung nicht berücksichtigt worden sind.

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Entsprechendes ist - entgegen der Auffassung des Klägers - auch aus dem Schreiben des Ministeriums vom 10.06.2002 herzuleiten. In diesem vom Kläger vorgelegten Schreiben heißt es auf die Eingabe offensichtlich eines Kameraden des Klägers an den BMinVtg unter Ziffer 8:

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“Daneben sind im Organisationsbereich Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr folgende Dienstposten mit Disziplinarbefugnis Stufe 1 ausgestattet, die bisher nach A 11 bzw. nach A 10/A 9 bewertet sind und, ebenfalls unter Beachtung der verfügbaren Ressourcen, keinen Veränderungen unterliegen:.

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Sanitätsdienstoffizier FD und S 1 Offizier in Standortsanitätszentren“

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Weiter heißt es in Ziffer 9:

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“....die unter 8. angeführten Dienstposten sind daher auch weiterhin sachgerecht nach A 11 bzw. nach A 10/A 9 zu bewerten.“

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Eine gleichheitswidrige Wahrnehmung des Organisationsermessens ist hiernach nicht feststellbar.

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Der Kläger kann sich auch nicht auf die von ihm vorgelegten ( offensichtlich ) G 1-Hinweise vom 26.04.2002 ( Bl. 50ff Gerichtsakte ) berufen. In Ziffer 39 dieser Hinweise heißt es, dass Offiziere, die auf einem A 12 Dienstposten verwendet werden, in die entsprechende Planstelle eingewiesen werden können; das ist für den Kläger nicht der Fall. Auf Ziffer 45 dieser Hinweise kommt es dem Kläger nicht an, denn eine Versetzung erstrebt er nicht; jedenfalls ist diese Frage nicht Gegenstand des Verfahrens. Auf die Frage, ob der Kläger in der Vergangenheit eine Kompaniecheftätigkeit ausgeübt hat, kommt es damit nicht an. Ebenso wenig kommt es auf die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Urteile des VG Kassel vom 07.06.2001 ( 7 E 1917/98 ) und des VG Düsseldorf vom 11.08.2003 ( 10 K 4308/02 ) an, denn diese betreffen mit der Frage nach der Zahlung einer Kompaniefeldwebel-Zulage einen anderen Sachverhalt; insbesondere ist es eine nicht tragfähige „Begriffsspielerei“, wenn der Kläger meint, aus der Tatsache, dass dem Sanitätsfeldwebel eines Standortsanitätszentrums eine Zulage als Kompaniefeldwebel zugesprochen wurde, herleiten zu können, er selbst sei Kompaniechef.

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Hiernach war dem Hauptantrag des Klägers nicht zu entsprechen. Die Klage bleibt jedoch auch mit dem Hilfsantrag ohne Erfolg. Hintergrund dieses Hilfsantrages ist, dass von den insgesamt 1760 Planstellenverbesserungen, die das Attraktivitätsprogramm vorgesehen habe, eine bestimmte Anzahl - insoweit hat der Kläger eine Beweiserhebung angeregt - nicht ausgenutzt worden sei und damit auch für die Neubewertung des Dienstpostens des Klägers noch zur Verfügung stünde. Dieser Anregung war jedoch nicht nachzugehen. Selbst wenn die genannte Anzahl rein rechnerisch noch weitere Stellenverbesserungen - in welcher Größenordnung auch immer - hergeben würde, kommt es hierauf nicht an. Der Kläger verkennt mit seiner Auffassung die Bedeutung der genannten Zahl. Aus den von ihm vorgelegten G 1-Hinweisen vom 26.04.2002 ( dort Ziffer 39, Bl. 50 Gerichtsakte ) ergibt sich, dass „ 1760 Planstellenverbesserungen der Besoldungsgruppe A 12 in den Haushalt 2002 eingebracht“ wurden. Das bedeutet, dass die genannte Anzahl aus haushaltsrechtlicher Sicht die Obergrenze für die Stellenverbesserungen darstellt, m. a. W. Haushaltsmittel für maximal 1760 Stellenverbesserungen zur Verfügung stehen. Damit kann diese Anzahl allein aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht überschritten werden. Ob sie hingegen ausgeschöpft wird, ist im Rahmen der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Beklagten ( dazu oben ) zu entscheiden. Ein Anspruch des Klägers, das haushaltsrechtlich Mögliche organisationsrechtlich umzusetzen, besteht nicht. Aus diesem Grunde ist es ohne Belang, ob und ggf. wie viele der möglichen Stellenverbesserungen umgesetzt worden sind bzw. ob innerhalb des verbleibenden Kontingents auch der Dienstposten des Klägers berücksichtigt werden müsste; dem entsprechend war auch eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht geboten.