Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.05.2016, Az.: L 8 SO 166/12

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.05.2016
Aktenzeichen
L 8 SO 166/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43094
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 26.04.2012 - AZ: S 33 SO 83/09

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zusicherung zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form ambulanter Pflege in häuslicher Umgebung anstelle einer vollstationären Dauerpflege.

Der 1961 geborene Kläger leidet seit 2001 an einer rechtsseitigen Halbseitenlähmung nach zweimaligem Herzinfarkt sowie an multipler Sklerose (MS) mit raschem Fortschreiten der Beschwerden, vollständiger Inkontinenz, einer spastischen Tetraparese, Geh- und Stehunfähigkeit sowie Immobilität bei rezidivierendem Dekubitus am Steiß bei einem anerkannten Grad der Behinderung von 90 und den Merkzeichen B, G und aG. Ferner liegen bei ihm Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas (110 kg bei 165 cm Körpergröße) sowie ein Hypertonus und nunmehr auch Niereninsuffizienz vor. Er ist auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen.

Ursprünglich lebte der Kläger allein in einer Wohnung in der F. 36 in G. und wurde ambulant von dem Pflegedienst H. betreut, der drei Mal täglich die Pflege übernahm. Ergänzend erhielt er Unterstützung durch einen Nachbarn. Nach einem stationären Reha-Aufenthalt in der Zeit vom 12. Dezember 2007 bis 11. Januar 2008 ist der Kläger seit dem 9. März 2008 (zunächst in Form der Kurzzeitpflege und dann vollstationär) im Pflegeheim "Haus der Pflege I. " in J. untergebracht: die monatlichen Kosten für den vollstationären Aufenthalt beliefen sich im Jahr 2009 auf 2.986,03 € und belaufen sich aktuell auf 3.481,57 €. Er lebt in einem individuell gestalteten Einzelzimmer mit eigenem Bad. Im Heim sind auch einige an MS erkrankte jüngere Personen untergebracht, zu denen der Kläger jedoch keinen Kontakt wünscht. Er hat eine 1995 geborene Tochter - K. L. -, die in Hamburg lebt.

Ausweislich des Gutachtens des Dr. M. vom 13. Februar 2008 zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI ist der Kläger regelmäßig auf Fremdhilfe bei allen Verrichtungen der Grundpflege angewiesen. Seinerzeit konnte eine Gewichtsreduktion auf 90 kg erreicht werden, ein Dekubitus lag nicht vor. Den Zeitaufwand für die Grundpflege bewertete Dr. M. mit 344 Minuten täglich, den Zeitaufwand für Hauswirtschaft mit 60 Minuten täglich. Mit einer Besserung des Zustandes könne nicht gerechnet werden. Seither liegt bei dem derzeit nicht kranken- und pflegeversicherten Kläger die Pflegestufe III vor.

Ergänzend zu seiner Rente wegen voller dauerhafter Erwerbsminderung in Höhe von aktuell 457,44 € monatlich bezieht der Kläger vom Beklagten Leistungen zur vollstationären Dauerpflege in Höhe von zuletzt 3.133,21 € (einschließlich Grundsicherungsleistungen) monatlich sowie Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form von Behindertenfahrten, deren Kosten sich im Jahr 2015 auf insgesamt 4.464,30 € beliefen. Daneben übernimmt der Beklagte die Kosten der Haftpflichtversicherung für den elektrischen Rollstuhl mit 38,00 € jährlich.

Am 11. Juni 2009 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Hilfe zur Pflege in Form ambulanter Leistungen unter Vorlage eines Wohnungsangebotes für eine 57 qm große Wohnung. Seinen Antrag begründete er damit, er wolle die Wohnung zum 1. Juli 2009 anmieten und das Pflegeheim verlassen.

Auf Anforderung des Beklagten reichte er einen Kostenvoranschlag des Pflegedienstes H. vom 15. Juni 2009 ein, wonach sich die Kosten für die ambulante Pflege auf 1.856,38 € monatlich belaufen würden. Bei Bedarf sei umfangreiche Hilfe beim Ausscheiden, Hilfe beim Aufsuchen und Verlassen des Bettes zusätzlich erforderlich.

Auf Initiative des Beklagten erfolgte am 23. Juni 2009 ein Gespräch zwischen dem Kläger und der Pflegefachkraft N., die den Kläger im Heim aufsuchte. Im Rahmen dessen erklärte der Kläger, er wolle eigenständig leben und nicht mehr in einem Pflegeheim wohnen, dies sei "unwürdig". Er habe grundsätzlich keine Beschwerden gegen die Unterbringung und Pflege in dem Pflegeheim vorzubringen, er erhoffe sich durch eine eigene Wohnung jedoch mehr Selbständigkeit. Er hoffe, häufiger von seiner Tochter besucht zu werden und dass diese auch über das Wochenende kommen könne. Der Kläger wies auf die hauptsächlich älteren Bewohner hin. Nach den Einschätzungen der Pflegefachkraft N. müsse die häusliche Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst geleistet werden. Auf Grundlage des Kostenvoranschlages H. könne keine adäquate Pflege in der Wohnung erbracht werden, da die bei Bedarf abzurechnenden zwei Positionen mindestens zwei Mal täglich anfallen würden, so dass sich die Kosten auf ca. 2.500,00 € bis 3.000,00 € belaufen würden.

Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Juni 2009 ab. Der Kläger stelle grundsätzlich nicht in Abrede, dass das Heim eine fachgerechte und adäquate Hilfe gewährleiste. Das Weiterführen der stationären Hilfe sei zumutbar, da der Kläger aufgrund seines Krankheitsbildes die Vorteile einer ambulanten Maßnahme, ein höheres Maß an Selbständigkeit zu erlangen, nicht mehr nutzen könne, da er bei allen Verrichtungen auf Fremdhilfe angewiesen sei. Es sei zweifelhaft, dass der Pflegeaufwand den Angaben des Kostenvoranschlages des Pflegedienstes H. entsprechen werde. Während nach der Einschätzung der Pflegefachkraft N. Kosten von 2.500,00 € bis 3.000,00 € als realistisch anzusehen seien, würden sich die Kosten der stationären Unterbringung hingegen nur auf (seinerzeit) 2.305,09 € belaufen.

Der Kläger erhob gegen den Ablehnungsbescheid vom 25. Juni 2009 Widerspruch und begründete diesen damit, die Kosten für die ambulante Unterbringung seien nicht höher als die des stationären Aufenthaltes mit 2.986,03 €. Gemäß beigefügtem Attest seines Hausarztes vom 1. September 2009 könne er in dem Heim keinen Kontakt knüpfen. Er wolle mit seiner Freundin und deren Tochter in eine Wohngemeinschaft ziehen, seine Freundin würde die hauswirtschaftliche Versorgung übernehmen.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2009 als unbegründet zurück. Der Verbleib im Heim sei dem Kläger zumutbar. Er habe im Gespräch mit der Pflegefachkraft geäußert, zufriedenstellend im Heim gepflegt und betreut zu werden und dass er sich mit dem Pflegepersonal verstehe. Eine Übernachtung der Tochter im Heim sei nach Auskunft des Heimleiters möglich. Der Kläger lehne den Kontakt zu den ebenfalls an MS erkrankten jüngeren Bewohnern des Heimes ab. Seine Freunde könnten ihn jederzeit besuchen. Der Kläger könne selbst bestimmen, wann er kommen und gehen möchte. Es sei zu erwarten, dass ein Wechsel in eine eigene Wohnung sein Leben einschränken werde, da er von dem ambulanten Pflegedienst abhängig sei und im Notfall dessen Ankunft erst abgewartet werden müsse. Unter Berücksichtigung der Vergütungsvereinbarung für ambulante Pflegeleistungen zwischen dem Pflegedienst H. und der Pflegekasse würden sich die monatlichen Kosten der ambulanten Pflege auf 6.500,00 € belaufen und damit unverhältnismäßig im Vergleich zu den Kosten der stationären Pflege mit 2.986,03 € sein. Gewichtige Gründe, die einer stationären Pflege entgegenstünden und die eine Mehrbelastung ausnahmsweise als angemessen erscheinen lassen würden, seien nicht ersichtlich.

In ihrer an den Beklagten gerichteten Stellungnahme vom 27. Juni 2009 hatte die Pflegefachkraft N. ausgeführt, der Kläger erhalte im Pflegeheim rund um die Uhr Pflege und Betreuung und nehme die pflegerische und hauswirtschaftliche Unterstützung täglich in Anspruch. In häuslicher Situation müsse er den Pflegedienst erst herbeirufen oder auf dessen turnusmäßige Ankunft warten, was eine Verschlechterung der Pflegesituation darstelle, da nicht zeitnah reagiert werden könne, was insbesondere bei einem Notfall oder einer plötzlichen Zustandsverschlechterung problematisch sei und den Kläger einenge. Im Rahmen des Kostenvoranschlages sei unberücksichtigt geblieben, dass für den Transfer zwei Personen erforderlich seien, eine Versorgung nach 20 Uhr stattfinden müsse, die Wegepauschale mindestens drei Mal täglich anfalle, umfangreiche Hilfe beim Ausscheiden mit zwei Personen erforderlich sei, eine Medikamentengabe, Verbandswechsel des Blasenkatheters, eine spezielle Lagerung sowie Hilfe bei der Nahrungsaufnahme notwendig wäre.

Am 7. Oktober 2009 hat der Kläger Klage vor dem Amtsgericht Otterndorf erhoben, welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19. Oktober 2009 an das Sozialgericht (SG) Stade verwiesen hat. Der Kläger hat seine Klage damit begründet, er beabsichtige, zusammen mit einer Bekannten und ihrer 16-jährigen Tochter in eine Wohngemeinschaft zu ziehen. Durch die Bereitschaft seiner Bekannten, die hauswirtschaftliche Versorgung zu übernehmen, könnten die Kosten des Pflegedienstes reduziert werden. Der Beklagte habe prüfen müssen, ob die günstigere ambulante Pflege dem Kläger tatsächlich unzumutbar ist. Ob hierdurch eine Verschlechterung eintreten könne, liege allein im Verantwortungsbereich des Klägers. Es gelte der Grundsatz, dass ambulante vor stationären Leistungen zu erbringen seien. Er wolle eigenständig und freibestimmt leben und nicht mehr in einem Pflegeheim, was er als freiheitsentziehende Maßnahme empfinde. Gesundheitlich gehe es ihm nicht schlechter als vor seinem Umzug, er könne seinen linken Arm wieder bewegen. Seinerzeit habe er ebenfalls Leistungen der ambulanten Pflege erhalten.

Der Beklagte hat eingewandt, ambulante Pflege würde Kosten in Höhe von mindestens 6.500,00 € verursachen, selbst wenn die kostenlose Mithilfe durch Dritte berücksichtigt würde. Die Übernahme der hauswirtschaftlichen Versorgung durch die Bekannte des Klägers gehe mit keinen wesentlichen Einsparungen einher, da hierauf nach der Vergleichsberechnung in der Widerspruchsakte nur 540,00 € entfallen würden. Der Kostenvoranschlag des Pflegedienstes H. berücksichtige eine Vielzahl der tatsächlich anfallenden Hilfeleistungen nicht, wie etwa, dass der Transfer aufgrund des Körpergewichts des Klägers zwei Personen notwendig mache. Dem stünden stationäre Kosten von ca. 2.400,00 € für den Beklagten gegenüber.

Das SG hat ein Pflegegutachten der Sachverständigen O. nach ambulanter Untersuchung im Pflegeheim eingeholt, das unter dem 11. November 2011 erstellt worden ist. Hierin sind die Wohnsituation, die Erkrankungen und Funktionseinschränkungen des Klägers unter fotografischer Dokumentation beschrieben. Die Gutachterin hält zwei Pflegepersonen beim Transfer des Klägers infolge seiner Immobilität und seines Adipositas für notwendig. Der Kläger stelle seine Fähigkeiten regelmäßig besser dar als sie seien, und bagatellisiere das Ausmaß seiner fast vollständigen Hilflosigkeit. Sie vermute ein hirnorganisches Psychosyndrom. Der Kläger erhoffe sich, im häuslichen Umfeld wieder alte Kontakte aufleben lassen zu können. Er habe keine konkreten Angaben machen können, wo und mit wem er zukünftig leben wolle. Der Pflegedienst könne seiner Auffassung nach wie früher zwei Mal täglich kommen. Den Hilfebedarf hat die Sachverständige mit Grundpflegehilfen von 251 Minuten täglich eingestuft (Körperpflege: 95 Minuten; Ernährung: 76 Minuten; Mobilität: 80 Minuten). Den hauswirtschaftlichen Bedarf hat sie mit 75 Minuten täglich bewertet, den nächtlichen Hilfebedarf aufgrund viermaligen nächtlichen Lagerns und einmaligen Lagerns am Nachmittag mit 12 Minuten täglich. Zudem seien das nächtliche Anreichen von Getränken und unter Umständen die Hilfe beim Toilettengang durch zwei Personen erforderlich. Eine Besserung sei nicht zu erwarten, eine Verschlechterung jederzeit möglich. Der Kostenvoranschlag des Pflegedienstes H. sei rechnerisch nachvollziehbar, der veranschlagte Hilfebedarf jedoch zu gering, da die gesamte Versorgung hiermit nicht sicherzustellen sei. Unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Laienpflegers würden sich die Kosten auf monatlich 6.172,63 € belaufen, ohne einen solchen kämen 410,42 € hinzu. Anderenfalls beinhalte die häusliche Versorgung die Gefahr einer zeitnahen Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit erheblich höherem Hilfebedarf.

Das SG hat die als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eingestufte Klage mit Urteil vom 26. April 2012 abgewiesen und seine Entscheidung damit begründet, unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen im Pflegegutachten sei es nicht verantwortbar, den Kläger aus der stationären Dauerpflege zu entlassen. Der Verbleib im Pflegeheim sei ihm zumutbar. Die aus medizinischer Sicht erforderliche Pflege könne in einem Pflegeheim unter Berücksichtigung der konkreten Lebenssituation des Klägers und der tatsächlichen Betreuungskapazitäten seines verwandtschaftlichen und sozialen Umfeldes stationär optimal geleistet werden, in der häuslichen Umgebung hingegen nicht. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger keine häusliche Betreuung im Kreise seiner Verwandtschaft oder Familie anstrebe, sondern ihm eine Wohngemeinschaft mit Freunden vorschwebe, bei der von keiner verlässlichen Einsatzbereitschaft zur Durchführung der Pflege ausgegangen werden könne. Es sei nicht sichergestellt, dass sich die Freunde des Umfangs der notwendigen Inanspruchnahme und dauerhaften Einbindung angesichts des vorhandenen erheblichen Pflegebedarfs rund um die Uhr bewusst seien. Die Gutachterin gehe davon aus, dass der Kläger seine fast vollständige Hilflosigkeit nicht in vollem Umfang zur Kenntnis nehme. Da sich der Kläger über die Pflege im Heim nicht beschwert habe, nehme das Gericht an, dass es ihm nicht darauf ankomme, in häuslicher Umgebung besser, sorgfältiger oder seinen persönlichen Wünschen entsprechend gepflegt zu werden. Im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Klägers sei nicht zu erkennen, dass eine häusliche Pflege die Möglichkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nachhaltig verbessern werde, da dem der Gesundheitszustand entgegenstünde. Ein häufigerer Besuch von Freunden sei spekulativ. Zudem sei die Pflege als ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Die monatlichen Heimkosten würden sich auf 2.968,03 € belaufen. Zwar gebe der Pflegedienst im Kostenvoranschlag Kosten von 1.856,38 € an, der hierin eingeplante Hilfeumfang reiche laut der Gutachterin jedoch nicht aus, um den Bedarf zu decken, so dass ihrer Auffassung nach 6.172,63 € zu veranschlagen wären. Gegenüber der Heimunterbringung wäre die ambulante Pflege nach ihrer zu folgenden Einschätzung um 106 % höher. Unter Berücksichtigung der individuellen Umstände gemäß der Beurteilung der Gutachterin, wonach das Risiko einer baldigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers bestehe, erscheine es unverhältnismäßig, den Kläger aus der stationären Pflege herauszunehmen. Das Ermessen habe der Beklagte ordnungsgemäß ausgeübt.

Der Kläger hat am 22. Mai 2012 Berufung mit der Begründung eingelegt, durch die als

zwanghaft empfundene Unterbringung in einem Pflegeheim mit alten und teilweise dementen Menschen drohe ihm der Verlust seines gesamten sozialen Umfeldes. Er könne durch den Auszug mehr persönliche Freiheiten erreichen. Es sei zu berücksichtigen, dass er noch mobil sei. Das Pflegegutachten sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei nicht erklärlich, wie die Gutachterin zu der Einschätzung gelangt sei, aufgrund hirnorganischer Veränderungen könne der Kläger die Schwere seiner Erkrankungen nicht sicher beurteilen, da solche nicht vorliegen würden. Es sei nicht plausibel, dass der Kostenvoranschlag des Pflegedienstes H. rechnerisch nicht nachvollziehbar sein solle. Insoweit hätte es dem SG oblägen, diesen Umstand aufzuklären. Nicht erklärlich sei auch, weshalb die veranschlagten Kosten nicht ausreichend sein sollen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 26. April 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,  dem Kläger zuzusichern, Hilfe zur Pflege in Form der Erbringung zukünftiger Kosten ambulanter Pflege zu leisten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wendet ein, ambulante Pflege wäre nach den überzeugenden Ausführungen im Pflegegutachten nicht ausreichend gewährleistet und geeignet. Der Vorrang ambulanter Leistungen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gelte nicht, da eine ambulante Pflege mit unverhältnismäßigen Mehraufwendungen verbunden sei. Für das Heim würden monatlich rund 2.400,00 € bzw. zuletzt 3.133,21 € gezahlt, während die ambulante Pflege Kosten von rund 6.000,00 € verursachen würde. Der Kläger habe nach den Feststellungen der Gutachterin aufgrund der Schwere seiner Erkrankung keine Möglichkeit, seinen Tagesablauf eigenständig zu planen und zu strukturieren. Seine sozialen Kontakte seien im Heim sichergestellt, er bekomme dort regelmäßig Besuch von Freunden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Pflegedienstleiterin des Heimes, P. Q., der Pflegekräfte R. S. und T. Q., des Zeugen U. V. sowie der Zeuginnen W. und X.. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26. Mai 2016 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Zusicherung, dass der Beklagte zukünftig Hilfe zur Pflege in Form ambulanter Leistungen im Rahmen der vom Kläger angestrebten Wohngemeinschaft mit den Zeugen V., L. und Y. erbringt.

Streitgegenstand ist der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 25. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009.

Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit seiner Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rn. 34). Entgegen der Annahme des SG handelt es sich nicht um eine auf Kostenübernahme gerichtete Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, da dem Kläger mangels Auszug aus dem Pflegeheim bislang noch keine Kosten für die begehrte ambulante Pflege entstanden sind. Unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes ist das Begehr des Klägers dahingehend auszulegen, dass es auf die Zusicherung des Beklagten (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X) gerichtet ist, im Falle eines - bislang noch nicht erfolgten - Wechsels von der derzeitigen stationären Einrichtung in eine Wohnung ambulante Leistungen der Hilfe zur Pflege im erforderlichen Umfang zu erhalten.

Vor diesem Hintergrund war auch eine Beiladung des Trägers des Pflegeheimes bzw. des ambulanten Pflegedienstes H. als (potentiell) sozialhilferechtlichem Leistungserbringer entbehrlich, da die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R -) zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis auf diese Fallgestaltung nicht übertragbar ist. Anders als im vom BSG entschiedenen Fall (a.a.O., juris Rn. 9, 13 ff.) begehrt der Kläger keine Zahlung, so dass nicht unmittelbar in die Rechtsbeziehungen aus dem Dreiecksverhältnis eingegriffen wird. Auch ist der Kläger derzeit noch keiner Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der begehrten ambulanten Leistungen ausgesetzt.

Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Frage, ob eine ambulante Leistungserbringung unter allen denkbaren Umständen ausgeschlossen ist. Zu klären ist allein, ob der Beklagte die Zusicherung für die vom Kläger gewünschte Betreuung im Rahmen einer Wohngemeinschaft zu Recht abgelehnt hat.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Zusicherung ist § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2015 - L 8 SO 106/15 B ER; Senatsbeschluss vom 18. März 2016 - L 8 SO 1/16 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2011 - L 8 SO 24/09 B ER - juris Rn. 34). Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann Gegenstand einer von der zuständigen Behörde schriftlich zu erteilenden Zusicherung u.a. der spätere Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes sein. Die Erteilung der Zusicherung steht im Ermessen der Behörde, wobei der Betroffene einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens hat (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I), im Einzelfall - bei einer Ermessensreduzierung auf Null - sogar einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Zusicherung (BSG, Urteil vom 6. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - juris Rn. 15; Hessisches LSG, Beschluss vom 6. November 2013 - L 4 SO 166/13 B ER - juris Rn. 22; Mutschler in: Kasseler Kommentar, SGB X, Stand September 2015, § 34 Rn. 10; Waschull in: LPK-SGB X, 2. Aufl. 2007, § 34 Rn. 6). Das ist dann der Fall, wenn der Behörde aufgrund der Sach- und Rechtslage im Einzelfall nur die Möglichkeit bleibt, das Ermessen rechtmäßig in der Weise auszuüben, die begehrte Zusicherung zu erteilen (vgl. Kepert in: jurisPK, SGB X, 1. Aufl. 2013, § 34 Rn. 26 m.w.N.). Ein Anspruch auf Zusicherung als ein der eigentlichen Leistungsbewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt besteht wegen des Bestimmtheitsgebots in § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur, wenn der Gegenstand des zuzusichernden Verwaltungsaktes und der zugrunde liegende Sachverhalt bereits im Zeitpunkt der behördlichen Erklärung hinreichend konkretisiert sind (BSG, a.a.O.). Nicht erforderlich ist, dass der künftige Verwaltungsakt bereits in allen Einzelheiten im Sinne des § 33 SGB X hinreichend bestimmt ist (Kepert in juris-PK, SGB X, 1. Aufl. 2013, § 34 Rn. 16).

Nach diesen Maßgaben hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Zusicherung gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V. mit § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII und § 34 Abs.1 Satz 1 SGB X. Es fehlen bereits die Voraussetzungen für einen Anspruch gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V. mit § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, da es an der ungeschriebenen Voraussetzung der Geeignetheit der begehrten Leistung fehlt. Deshalb war der Beklagte auch nicht verpflichtet, eine Ermessensentscheidung zu treffen.

Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Die Hilfe zur Pflege umfasst gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII u.a. häusliche und stationäre Pflege. Sofern häusliche Pflege ausreicht, soll der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken, dass die Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, übernommen wird (§ 63 Satz 1 SGB XII). Nach § 65 SGB XII sind Pflegebedürftigen im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten. Sofern daneben oder anstelle der Pflege nach § 63 Satz 1 SGB XII die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich ist, sind die angemessenen Kosten zu übernehmen.

Der Kläger ist leistungsberechtigt nach dem Siebten Kapitel des SGB XII (§ 19 Abs. 3 SGB XII). So liegen bei ihm insbesondere infolge seiner MS-Erkrankung erhebliche körperliche Beeinträchtigungen vor. Er ist pflegebedürftig im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, da er in die Pflegestufe III eingestuft ist. Die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen ist ihm nicht zumutbar.

Die vorliegenden Pflegegutachten vom 13. Februar 2008 und 11. November 2011 sowie die Stellungnahme der Pflegefachkraft N. vom 27. Juni 2009 machen - ebenso wie die nachvollziehbaren Bekundungen der Zeugin P. Q. - deutlich, dass der Kläger bei allen Verrichtungen - sowohl im grundpflegerischen als auch im hauswirtschaftlichen Bereich - regelmäßig rund um die Uhr auf die Hilfe Dritter angewiesen ist. Im Hinblick darauf, dass eine Besserung seines Zustandes schon im Jahr 2008 bzw. 2011 nicht zu erwarten war, sind die gutachterlichen Einschätzungen weiterhin aussagekräftig, zumal sich der Zustand des Klägers nach den Angaben der Zeugin Q. seither sogar noch verschlechtert hat, so hat sich beispielsweise sein Hilfebedarf beim Trinken noch erhöht.

Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII haben ambulante Leistungen grundsätzlich Vorrang vor teilstationären und stationären Leistungen. Der grundsätzliche Vorrang ambulanter Leistungen liegt neben der Kostenersparnis in dem Motiv begründet, dass die ambulante Hilfe, die das Verbleiben des Leistungsberechtigten in seiner gewohnten Umgebung ermöglicht, die humanere Hilfe ist (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 13 Rn. 1). Dem pflegebedürftigen Menschen soll ein möglichst selbstbestimmtes und selbständiges Leben ermöglicht werden (Waldhorst-Kahnau, juris-PK, SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 14). Ob und inwieweit das zwischen den verschiedenen Leistungen bestehende Rangverhältnis zum Tragen kommt, muss nach Prüfung der individuellen Umstände entschieden werden. Die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII korrespondiert mit dem Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB XII (Hohm, a.a.O., § 13 Rn. 4). An den Vorrang der ambulanten Hilfe ist der Träger der Sozialhilfe grundsätzlich gebunden, es sei denn, die Regelungen der Sätze 3 bis 6 stehen im Einzelfall entgegen; insoweit ist das Wunschrecht des Leistungsberechtigten nach § 9 SGB XII eingeschränkt. Der von § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII bestimmte grundsätzliche Vorrang ambulanter Leistungen gilt gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen (§ 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII). Das zeigt, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit Kostenerwägungen grundsätzlich keine Rolle spielen dürfen, es hierbei vielmehr maßgeblich auf die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände ankommt (§ 13 Abs. 1 Satz 5 SGB XII). So soll etwa vermieden werden, dass ein junger Pflegebedürftiger allein aus Kostenerwägungen zu einer Aufnahme in eine Einrichtung, die ausschließlich der Pflege und Betreuung alter Menschen dient, veranlasst wird (BT-Drucksache 15/1514, S. 56 f.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 12. Februar 2014 - L 8 SO 132/13 B ER - juris Rn. 21). Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen (§ 13 Abs. 1 Satz 6 SGB XII). Bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der              (Un-)Zumutbarkeit kommt individuellen Aspekten eine erhebliche Bedeutung zu. Da bei der Prüfung der Zumutbarkeit nach § 13 Abs. 1 Satz 5 SGB XII die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen sind, kommt es entscheidend auf das Gewicht der Gründe an, die gegen eine Betreuung in einer stationären Einrichtung sprechen. Nicht jede denkbare (noch so kleine) Verbesserung der Betreuungs- und Pflegesituation durch die ambulante Leistungserbringung macht die Betreuung und Pflege in einer vollstationären Einrichtung und die damit für den Betroffenen einhergehenden Einschränkungen schon unzumutbar. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Betreuung und Pflege in einer vollstationären Einrichtung und die damit für den Betroffenen einhergehenden Einschränkungen und Belastungen nach allgemeiner Anschauung vertretbar und für den Betroffenen tragbar sind (zu allem Senatsurteil vom 28. Januar 2010 - L 8 SO 233/07 - juris Rn. 29; so auch SG Hamburg, Urteil vom 13. Dezember 2007 -  S 50 SO 584/05 - juris Rn. 36 unter Hinweis auf Lippert in Mergler/Zink, SGB XII, 7. Aufl., § 13 Rn. 26). Dem Betroffenen muss in einer stationären Einrichtung die Führung eines Lebens möglich sein, das der Würde des Menschen entspricht. Dies ergibt sich schon aus der in § 1 Satz 1 SGB XII einfachgesetzlich umgesetzten entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Sozialhilfeträgers, die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen. Ferner muss bei der Auslegung des § 13 Abs. 1 SGB XII der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) Rechnung getragen werden. Durch Art. 19 lit. a UN-BRK verpflichtet sich die Bundesrepublik, durch wirksame Maßnahmen unter anderem zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.

Nach diesen Maßgaben ist dem Kläger die weitere Unterbringung im Pflegeheim in J. zumutbar. Insbesondere persönliche Umstände stehen dem nicht entgegen. Dabei sind Nutzen und Gefahren einer stationären Maßnahme für den Betroffenen abzuwägen (Waldhorst-Kahnau, a.a.O., § 13 Rn. 34). Dem Wunsch des Klägers nach einem eigenständigen und frei bestimmten Leben kommt insbesondere im Hinblick auf den Menschenwürdegrundsatz ein hohes Gewicht zu. Allerdings müssen im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung auch die individuellen Umstände in den Blick genommen werden. Zwar ist es nachvollziehbar, dass der 1961 geborene Kläger, der als ehemaliger "Biker" einen freien und unabhängigen Lebensstil vor seiner Erkrankung gewohnt war, nicht in einem Altenpflegeheim untergebracht sein will. Jedoch ist vorliegend zu beachten, dass er durch das von ihm bewohnte Einzelzimmer mit eigenem Bad, das er individuell - seinen Interessen entsprechend - gestaltet  und ausgestattet hat (Kühlschrank, Kaffeemaschine, Mikrowelle, Wasserkocher, Fernseher, Musikanlage etc. sind vorhanden), hinreichende Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre hat, zumal er die Mahlzeiten auf seinem Zimmer einnimmt. Im Übrigen handelt es sich bei dem Pflegeheim nicht um ein reines Altenpflegeheim, vielmehr sind hier auch jüngere, ebenfalls an MS erkrankte Bewohner untergebracht, wobei der Senat nicht verkennt, dass der Kläger den Kontakt insoweit ablehnt. Er kann selbst bestimmen, wann er kommen und gehen möchte. Soweit der Kläger einwendet, es drohe ihm der Verlust sämtlicher sozialer Kontakte, ist dies in dieser Allgemeinheit nicht nachvollziehbar. Zwar sind nach den Angaben der Zeugin Q. seine Kontakte in letzter Zeit zurückgegangen, allerdings haben sowohl die Zeuginnen L. und Z. als auch der Zeuge V. angegeben, den Kläger regelmäßig im Pflegeheim zu besuchen, wobei die Zeugin L. eingeräumt hat, dass die Zahl ihrer Besuche in letzter Zeit etwas abgenommen hat. Gleichzeitig hat sie angegeben, ihren Vater auch schon über Nacht im Heim besucht zu haben. Soweit sich der Einwand der Klägers darauf bezieht, dass zwei seiner Freunde Hausverbot im Pflegeheim haben, dürften diese Kontakte auch außerhalb des Heimes wahrgenommen werden können, insbesondere da dem Kläger Leistungen zur Teilhabe im Leben in der Gemeinschaft durch Behindertenfahrten gewährt werden. Ferner ist der Kläger im Rahmen der Einrichtung nicht gezwungen, sich den institutionellen Organisationsabläufen vollständig anzupassen. Dies zeigt sich neben der Gestaltung seines Zimmers daran, dass er die Aufsteh- und Zubettgehzeiten individuell bestimmt. Sein Essen lässt er sich teilweise zu späteren Zeiten bringen oder bestellt eine zweite Portion nach. Durch seine Gäste hat er sich zusätzlich auch gelegentlich Essen mitbringen lassen. Besucher kann er jederzeit empfangen und sich mit diesen in seinen eigenen Räumlichkeiten in Abgeschiedenheit von den übrigen Bewohnern aufhalten. Über eine Klingel bzw. - sofern er diese aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht bedienen kann - über Zurufen ist er in der Lage, zeitnah Hilfe durch das Pflegepersonal in Anspruch zu nehmen. Der Kläger hat weder im Rahmen des Beratungsgespräches mit der Pflegefachkraft N. noch im Laufe des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens Beschwerden gegen die Art der Pflege im Pflegeheim erhoben.

Im Hinblick auf das Krankheitsbild des Klägers wird er durch seinen Auszug in Anbetracht der gegebenen Umstände nur wenig persönliche Freiheiten dazu gewinnen können. Ihm ist zuzugeben, dass er in der Bestimmung seines Tages- und Nachtrhythmusses dann grundsätzlich - in Abstimmung mit dem ambulanten Pflegedienst - unabhängiger wäre. Jedoch wird er auch ambulant umfassend auf die Hilfe Dritter angewiesen sein, da ein Resthilfevermögen nach den überzeugenden Feststellungen der Pflegegutachterin O. unter ergänzender Heranziehung der glaubhaften Bekundungen der Zeugin Q. nunmehr nur noch bei der Einnahme des Frühstücks und dem Zähneputzen besteht, ein eigenständiges Trinken über den Strohhalm ist dem Kläger nicht mehr möglich. Da - sowohl nach dem klägerischen Vorbringen als auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - der wesentliche Teil der Grund- und Behandlungspflege durch den ambulante Pflegedienst und vornehmlich die hauswirtschaftliche Verrichtungen durch seine zukünftigen Mitbewohner bewerkstelligt werden sollen, ist der Kläger die überwiegende Zeit von dem Pflegedienst, mit dem er grundsätzliche Absprachen über die Tages- und Nachtplanungen wird treffen müssen, und dessen Kommen abhängig. Hierdurch wird ihm ein wesentlicher Teil der erhofften Flexibilität und Selbstbestimmungsmöglichkeit fehlen. Soweit der Kläger im Rahmen der Berufungsbegründung auf seine noch vorhandene Mobilität verwiesen hat, ist die eingetretene Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu beachten. Die aufgrund des Krankheitsbildes des Klägers nachvollziehbaren Ausführungen der Zeugin Q. machen deutlich, dass er seinen linken Arm - auf dessen verbesserte Beweglichkeit er erstinstanzlich noch hingewiesen hatte und mit dem er seinen elektrischen Rollstuhl in der Vergangenheit bedient hat - überwiegend nicht mehr nutzen kann. Auch die Notrufklingel, deren Betätigung nur wenig Kraftaufwand erfordert, kann der Kläger häufig nicht mehr bedienen. Der Kläger ist insbesondere bei den Toilettengängen auf die Hilfe von zwei Personen angewiesen, die ihn mit Hilfe eines Lifters befördern müssen. Die Prozedur ist im Pflegegutachten anschaulich geschildert worden und infolge der erheblichen Immobilität bei Adipositas plausibel.

Dem Bedürfnis des Klägers nach häufigeren Besuchen seiner Tochter als familiärem Umstand kann auch im Pflegeheim Rechnung getragen werden, zumal einer dortigen Übernachtung grundsätzlich nichts im Wege steht. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der heute 20 Jahren alten Frau der Besuch ihres Vaters in einem Pflegeheim nicht unbedingt gelegen kommen wird. Allerdings ist im Gegenzug mit einzubeziehen, dass die Tochter den Kläger in der Vergangenheit im Pflegeheim besucht und dort auch schon genächtigt hat, dieses also nicht vollständig ablehnt.

Im Hinblick auf die örtlichen Bedürfnisse ist von Relevanz, dass sich das Pflegeheim am gleichen Ort wie die ehemalige Wohnung des Klägers befindet.

Nach den plausiblen Feststellungen im Pflegegutachten vom 11. November 2011 und dem Ergebnis der Beweisaufnahme scheitert ein Anspruch des Klägers daran, dass sich die begehrte ambulante Pflege im Hinblick auf seine umfassenden Pflegebelange als nicht geeignet erweist. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Hilfe zur Pflege ist die Geeignetheit der begehrten Leistung. Dies kann sinngemäß aus § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gefolgert werden, wonach der Vorrang ambulanter Leistungen nicht gilt, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar […] ist. Mithin muss gleiches für die umgekehrte Konstellation gelten, in der - wie vorliegend - ambulante statt stationäre Leistungen beansprucht werden. Dafür spricht auch die Regelung des § 63 Satz 1 SGB XII, wonach der Sozialhilfeträger auf häusliche Pflege hinwirken soll, wenn diese ausreicht. Ferner ist auf § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu verweisen, wonach die angemessenen Kosten zu übernehmen sind, wenn die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.02.2013 - B 8 SO 1/12 R).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme muss jedenfalls der wesentliche Teil der Pflege durch den ambulanten Pflegedienst und nicht durch die Mitbewohner geleistet werden. Danach besteht die in der Stellungnahme der Pflegefachkraft N. vom 27. Juni 2009 und dem Pflegegutachten vom 11. November 2011 geäußerte Gefahr der Verschlechterung der Betreuungssituation, da erst das Eintreffen des Pflegedienstes abgewartet werden muss, was sich insbesondere mit Blick auf die nicht planbaren Toilettengänge mit teilweise spontanem Stuhlgang und etwaige Notfälle als schwierig bzw. gefährdend erweist. Dies gilt umso mehr, als der Kläger über die einfach zu bedienende Notfallklingel selbst im Heim häufig nicht mehr in der Lage ist, Hilfe herbeizurufen. Aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung und der nicht angepassten Ernährung bedarf er vier Mal täglich einer Insulingabe zwei verschiedener Präparate mittels Spritzen nach vorheriger Blutzuckermessung. Der Katheter muss zwei bis drei Mal täglich geleert, die Öffnung in der Bauchdecke alle zwei Tage versorgt werden. Zudem müssen ihm - nunmehr tagsüber und nachts - Getränke stets angereicht werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass sich die potentiellen Mitbewohner des Umfangs ihrer notwendigen Inanspruchnahme und Unterstützungsleistungen sowie der erforderlichen Einbindung rund um die Uhr zum Zwecke der Sicherstellung einer hinreichenden Versorgung des Klägers nicht bewusst sind. Zwar haben alle ihre grundsätzliche Bereitschaft bekundet, sich das Erforderliche anzueignen. Jedoch hatten sie offensichtlich keine konkreten Vorstellungen dazu, wie das zukünftige Leben und der Tagesablauf in der Wohngemeinschaft ausgestaltet und die Aufgaben untereinander verteilt sein sollen. Es erscheint nicht mit der hinreichenden Sicherheit gewährleistet, dass stets einer der Mitbewohner dem Kläger die notwendige Hilfestellung bieten kann, zumal für viele Verrichtungen zwei Personen benötigt werden. So arbeitet die Zeugin Y., die nach eigenen Angaben nicht schwer heben kann, vollschichtig als Taxifahrerin, der Zeuge V. hat eine Freundin und ein kleines Kind. Die 20 Jahre alte Tochter des Klägers, die Zeugin L., hat die zurückgehende Anzahl der Besuche ihres Vaters im Pflegeheim damit begründet, ihr eigenes Leben zu haben. Soweit sie darauf verwiesen hat, dass sich der Zustand ihres Vaters seit 2008 nicht wesentlich verändert habe und der ambulante Pflegedienst wie vor der stationären Aufnahme zwei Mal täglich die wesentlichen Pflegeleistungen erbringen könne, wird deutlich, dass sie - ebenso wie der Kläger - das Ausmaß seiner gesundheitlichen Einschränkungen und den damit verbundenen Pflegebedarf verkennt. Den Bedürfnissen des Klägers wird - anders als im Rahmen einer stationären Unterbringung - nicht unmittelbar Rechnung getragen werden können, zumal der Kläger entscheidend von den Kapazitäten des Pflegedienstes abhängig wäre. Dies lässt die von der Pflegegutachterin geäußerte Verschlechterung der Pflegesituation befürchten. Es erscheint nicht gesichert, dass die infolge des immer wieder auftretenden Dekubitus auch nachts mehrfach erforderlichen Lagerungen regelmäßig und rechtzeitig ambulant sichergestellt werden können. Es mag sein, dass der Zeuge V. den Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach allein umgelagert hat. Seine diesbezüglichen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung zeigen jedoch zur Überzeugung des Senates, dass er sich des Ausmaßes und der Häufigkeit des Pflegeaufwands nicht bewusst ist. Sowohl anhand des Pflegegutachtens der Gutachterin O. als auch nach den schlüssigen, anschaulichen Bekundungen der Zeugin Q. sind für die Lagerung des Klägers zwingend zwei Personen erforderlich. Ferner sind die von der Pflegegutachterin geäußerten Bedenken zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund seiner stark eingeschränkten Fähigkeit zur Wahrnehmung von Schmerzen und Verletzungen eine vorausschauende ganzheitliche Versorgung benötigt, die ein ihn nicht rund um die Uhr betreuender ambulanter Pflegedienst nicht wird gewährleisten können und die auch durch die Mitbewohner nicht sichergestellt werden kann. Die Gutachterin hat beispielhaft aufgeführt, in welchen Situationen der Kläger selbst im Pflegeheim Maßnahmen ablehnt, so dass seine Gesundheit gefährdet werde (z.B. lasse er das Lagern nur unregelmäßig zu und lehne eine mittägliche Ruhezeit auf dem Bett ab). Dies deckt sich mit den Angaben der Zeugin Q., wonach der Kläger insbesondere die Angebote zu Lagerungen unter Inkaufnahme des erneuten Entstehens eines Dekubitus oft ablehnt und eine Behandlung seiner Bauchfalte nur in Ausnahmefällen zulässt. Die Einschätzung der Gutachterin, dass die klägerische Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten und die tatsächlichen Einschränkungen auseinanderfallen, ist nachvollziehbar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der Kläger im Rahmen der Begutachtung die Auffassung vertrat, ein zweimaliges tägliches Kommen des ambulanten Pflegedienstes wie vor der stationären Aufnahme sei ausreichend, obwohl schon seinerzeit ausweislich des Pflegegutachtens vom 13. Februar 2008 der Pflegedienst drei Mal täglich bei ihm vorstellig wurde. Weder im Rahmen des Verwaltungs- noch des Gerichtsverfahrens hat er konkrete Angaben dazu machen können, wie er sich sein zukünftiges Leben in der Wohngemeinschaft vorstellt.

Da die Voraussetzungen für eine Zusicherung nicht vorliegen, bedurfte es keiner Ermessensentscheidung über die Möglichkeit einer Zusicherung für die Kostenübernahme der ambulanten Pflege.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).