Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 08.05.2003, Az.: 3 A 1614/02
Berufssoldat; Beurlaubung; Bundeswehr; Fürsorgepflicht; Gewährleistungs-Erstreckungsbescheid; Heilfürsorge; Heilkur; Hinterbliebenenversorgung; Kostenübernahme; Kur; Soldat; Soldatenversorgung; Versorgung; Versorgungszuschlag
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 08.05.2003
- Aktenzeichen
- 3 A 1614/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48120
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs 3 BBesG
- § 69 Abs 2 BBesG
- § 5 Abs 1 SGB 6
- § 9 SoldUrlV
- § 10 SoldUrlV
- § 13 SoldUrlV
- § 31 SG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zum Anspruch eines beurlaubten Berufssoldaten, der für die Deutsche Flugsicherung GmbH tätig ist, auf Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung für die Durchführung einer Vorsorgekur (verneint).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Kostenübernahmeerklärung für die Durchführung einer Heilkur.
Der 1952 geborene Kläger ist Berufssoldat mit dem Dienstgrad eines Hauptmanns. Durch Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 30.12.1993 wurde der Kläger auf seinen Antrag „zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit bei der Deutschen Flugsicherung GmbH vom 01.02.1994 bis vorerst 31.01.2004 unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge beurlaubt“. Anlage dieses Bescheides war ein sog. Gewährleistungs-Erstreckungsbescheid vom gleichen Tage. In diesem heißt es:
„Gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI besteht für dieses Soldatenverhältnis Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz, die auch während der Beschäftigung bei der Deutschen Flugsicherung GmbH....gewährleistet bleibt.“
Mit Schreiben an das Sanitätsamt der Bundeswehr vom 05.04.2001 teilte der Kläger unter Vorlage einer Bescheinigung seines Hausarztes vom 22.02.2001 mit, dass ihm zur Aufrechterhaltung seiner Dienstfähigkeit eine vierwöchige Kur verordnet worden sei. Unter Hinweis auf den genannten Gewährleistungs-Erstreckungsbescheid, auf einen an die Bundeswehr abgeführten Versorgungszuschlag und auf die Auskunft seiner privaten Krankenversicherung vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Bundeswehr als Kostenträger für die beabsichtigte Maßnahme zuständig sei. Er bat um Zusendung einer Kostenübernahmeerklärung.
In der Folgezeit führten die Beteiligten einen Schriftwechsel bzw. standen in fernmündlichem Kontakt; insoweit war wesentlicher Inhalt, dass der Kläger einerseits unter dem 07.08.2001 eine Beschwerde gegen die Nichtbearbeitung seines Antrages erhoben hatte, das angegangene Sanitätsamt andererseits sich nicht für zuständig für den Antrag des Klägers hielt. Dies teilte das Amt mit seinem Schreiben vom 08.02.2002 nochmals ausdrücklich mit. Es verwies darauf, dass es auf den Gewährleistungs-Erstreckungsbescheid nicht ankomme, weil mit diesem Leistungszusagen in sozial-medizinisch-rechtlichem Sinne wie ein Anspruch auf Kostenerstattung für Kuren nicht verbunden seien; die Beurlaubung des Klägers einerseits und die Weitergewährung von unentgeltlicher truppenärztlicher Versorgung wie für aktive Soldaten andererseits würden sich ausschließen. Dies ergebe sich aus § 69 Abs. 2 BBesG.
Unter Wiederholung der wesentlichen Erwägungen aus diesem Schreiben lehnte das Sanitätsamt der Bundeswehr mit dem angegriffenen Bescheid vom 06.05.2002 den Antrag des Klägers vom 05.04.2001 ab; der Bescheid wurde dem Kläger am 01.07.2002 zugestellt. Mit Schreiben vom 09.07.2002 legte der Kläger hiergegen Beschwerde ein. Er wies zur Begründung darauf hin, dass sich das Sanitätsamt einerseits für nicht zuständig erklärt, andererseits jedoch in der Sache entschieden habe. Zudem sei durch das Sanitätsamt wiederholt ausdrücklich erklärt worden, dass die bei ihm vorliegende Form der Beurlaubung keine richtige Beurlaubung im Sinne der dienstrechtlichen Vorschriften sei, weil der Bund auch alleiniger „Inhaber“ der Deutschen Flugsicherung GmbH sei; dies zeige sich auch an der Möglichkeit der dienstrechtlich ansonsten nicht zulässigen unbefristeten Beurlaubung. Schließlich sei die verordnete Kur nach den Vorschriften des SGB von der Rentenversicherung zu zahlen. Dies sei für ihn de facto die Bundeswehr, weil diese von seinem Gehalt Zahlungen in Höhe der maximalen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung erhalte. Die so begründete Beschwerde wurde im wesentlichen unter Hinweis auf den Ausgangsbescheid und das vorherige Schreiben vom 08.02.2002 mit Beschwerdebescheid vom 07.08.2002, zugestellt am 10.08.2002, zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger wiederholt und vertieft seine Erwägungen aus dem Verwaltungsverfahren. Er meint, dass die Beklagte die Vorschrift des § 69 Abs. 2 BBesG zu eng auslege; insbesondere werde nicht berücksichtigt, dass es auf eine Entscheidung der Bundeswehr zurückgehe, die Aufgaben der Flugsicherung auszugliedern und auf eine privatrechtliche Gesellschaft zu übertragen. Auch der Aufgabenbereich des Klägers habe sich nicht geändert. Auch die Aufhebung der für Beurlaubungen geltenden Maximalfristen sprächen gegen die Annahme einer Beurlaubung in dienstrechtlichem Sinne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die zum Erfordernis der Kur führen, ihren Ursprung in der dienstlichen Tätigkeit des Klägers hätten. Jedenfalls sei eine Übernahme der Kosten, gegen die sich der Kläger nicht versichern könne, aus Gründen der allgemeinen Fürsorgepflicht geboten, denn aufgrund der Höhe der anfallenden Kosten sei die Fürsorgepflicht in ihrem Wesensgehalt verletzt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Sanitätsamtes der Bundeswehr vom 06.05.2002 und des Beschwerdebescheides des Sanitätsamtes der Bundeswehr vom 07.08.2002 zu verpflichten, eine Kostenübernahmeerklärung für die vom Kläger beabsichtigte vierwöchige Sanatoriumskur zur Behandlung seiner Rückenbeschwerden abzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei auf der Grundlage des § 9 Soldatenurlaubsverordnung i.V.m. den Nummern 83 und 84 der hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen beurlaubt worden. § 9 Soldatenurlaubsverordnung verweise auf die für Beamte geltenden Vorschriften, so dass gemäß § 13 SonderurlVO bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Fehlen entgegenstehender dienstlicher Gründe die Beurlaubung unter Wegfall der Besoldung erfolgen konnte. Dies habe auf der Grundlage des § 10 Soldatenurlaubsverordnung zum Wegfall der Sachbezüge einschließlich der freien Heilfürsorge geführt. Ansprüche auf der Grundlage des § 69 Abs. 2 BBesG bestünden damit nicht mehr.
Dies verstoße auch nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Zum einen sei der Kläger in dem die Beurlaubung regelnden Bescheid vom 30.12.1993 und in dem beigefügten Merkblatt auf den Wegfall des Anspruchs auf truppenärztliche Versorgung hingewiesen worden. Zum anderen sei es nach Auskunft der Flugsicherungsgesellschaft mit zwar im Einzelnen unterschiedlichen Konditionen, aber dennoch grundsätzlich möglich, das Kurrisiko generell und auch, wie hier, das Risiko einer Kur, die der Vorbeugung dient, zu versichern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Die ergangenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten; einen weitergehenden Anspruch auf Abgabe der begehrten Kostenübernahmeerklärung hat der Kläger nicht ( vgl. § 113 Abs. 5 VwGO ).
Rechtlicher Ausgangspunkt ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten aus ihrem Schriftsatz vom 20.01.03 nicht die Frage, ob die seinerzeitige Beurlaubung unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge rechtmäßig ist. Darauf kommt es hier nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Bescheid vom 30.12.1993, der die Beurlaubung des Klägers regelt, bestandskräftig ist.
Damit steht zwischen den Beteiligten in einer auch das Gericht bindenden Weise fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung hat.
Dies ergibt sich ausdrücklich sowohl aus S. 2 des Bescheides als auch aus Ziffer 7 des Merkblatts, das dem Bescheid beigefügt war; dass das bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Exemplar des Merkblatts einen neuerem Stand hat, steht dieser Feststellung nicht entgegen, denn die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen erklärt, dass auch in dem dem Kläger überlassenen Merkblatt eine entsprechende Regelung enthalten war. Anhaltspunkte, daran zu zweifeln, bestehen nicht.
Aufgrund des bestandskräftig geregelten Wegfalls der Besoldung ergibt sich der Wegfall des Anspruchs auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung auch aus der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 69 Abs. 2 BBesG. Nr. 1 Abs. 1 dieser Bestimmung knüpft den Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung an den Anspruch auf Besoldung, wobei nach Nr. 2 Abs. 1 Allg. VwV diese Versorgung alle zur Gesunderhaltung, Verhütung und frühzeitigen Erkennung von gesundheitlichen Schäden spezifisch erforderlichen medizinischen Leistungen, mithin auch die hier begehrte Kur, umfasst ( vgl. auch Nr. 3 der Allg. VwV ).
Demzufolge kann der Kläger eine Kostenübernahmeerklärung auf der Grundlage des Anspruchs auf ärztliche Versorgung nicht begehren.
Auf den Gewährleistungs-Erstreckungsbescheid vom 30.12.1993 kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Dieser regelt, wie die Beklagte zutreffend hervorhebt, ausschließlich Fragen betreffend die Alters- bzw. Hinterbliebenenversorgung. Dabei geht es im Kern darum, dass der Kläger, trotz seiner an sich rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit bei einem privaten Arbeitgeber, einer finanziellen Absicherung seines Ruhestandes nicht bedarf, weil er - auch für die Zeit seiner Tätigkeit für die Deutsche Flugsicherung GmbH - Leistungen nach den Bestimmungen des Soldatenversorgungsgesetzes beanspruchen kann ( vgl. den letzten Abs. S. 3 des Beurlaubungsbescheides, in dem darauf hingewiesen wird, dass es hierbei um die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung geht ).
Im gleichen Zusammenhang ist auch die vom Kläger angesprochene und im „Beurlaubungsbescheid“ geregelte Zahlung eines Versorgungszuschlages zu sehen. Diesen Betrag zahlt der Kläger gleichsam als Gegenleistung dafür, dass das Besoldungsdienstalter nicht um den Zeitraum der Beurlaubung hinausgeschoben wird, sondern auch diese Zeit bei der Berechnung der Versorgungsbezüge berücksichtigt wird, obwohl der Kläger nicht für die Bundeswehr, sondern für einen privaten Arbeitgeber tätig ist; dies ergibt sich aus dem Bescheid i.V.m. § 28 Abs. 3 S. 1 2. Alt. BBesG, Nr. 84 der Ausführungsbestimmungen zu § 9 Soldatenurlaubsverordnung ( vgl. Ziffer 3.4 des dem „Beurlaubungsbescheid“ beigefügten Merkblatts ). Dass der Kläger vor dem Hintergrund dieser Zahlung meint, der „Bund“ sei gleichsam sein Rentenversicherungsträger, bleibt ohne Bedeutung, denn ein Rechtsverhältnis zu einem Rentenversicherungsträger ( vgl. § 132 SGB VI ) besteht für den Kläger, gerade im Hinblick auf seine Anwartschaft auf Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz, im Rechtssinne nicht, so das ein Anspruch im Sinne des § 9 SGB VI nicht gegeben ist.
Die Frage der dem Dienstherrn aus § 31 SG obliegenden Fürsorgepflicht stellt sich hier nicht.
Dies ist bereits aus dem Grunde der Fall, weil der Kläger die Möglichkeit hatte, sich gegen das Kurrisiko zu versichern. Dies hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen. Die Vertreterin der Beklagten hat hierzu erklärt, dass sie diese Kenntnis von dem zuständigen Mitarbeiter der Flugsicherungs-GmbH erlangt hat. Die inhaltliche Richtigkeit einer Auskunft gerade der Flugsicherungs-GmbH ist nicht anzuzweifeln, denn abgesehen davon, dass es sich um den Arbeitgeber des Klägers handelt, hat sich die GmbH gegenüber dem BMinVtg ausdrücklich für eine Änderung der Erlasslage dahingehend ausgesprochen, dass Rehabilitationsmaßnahmen vom Ausschluss der Heilfürsorge ausgenommen werden sollten ( Schreiben vom 21.09.2001; allerdings ging die GmbH damals noch davon aus, dass dieses Risiko nicht versicherbar sei ). Dessen ungeachtet hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ein an das Ministerium gerichtetes Schreiben des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. vom 24.02.2003 vorgelegt, aus dem sich ebenfalls ergibt, dass auch eine Vorsorgekur grundsätzlich versicherbar ist. Des Rückgriffs auf die Fürsorgepflicht bedarf es vor diesem Hintergrund nicht, zumal im Zusammenhang mit der Kur erbrachte ärztliche Leistungen ohnehin über die Krankenversicherung des Klägers abgerechnet werden dürften.
Zudem gilt ein weiteres: Ohne dass es nach dem soeben Ausgeführten entscheidungserheblich darauf ankäme, spricht überwiegendes dafür, dass der Kläger mit einer Berufung auf die Fürsorgepflicht jedenfalls im Bereich der medizinischen Versorgung ausgeschlossen ist. Diese Verpflichtung des Dienstherrn wird durch die - immerhin auf Antrag des Klägers, jedenfalls nicht ohne Antrag des Klägers denkbar - abweichend geregelten „Vereinbarungen“ im Beurlaubungsbescheid überlagert. Auch die „allgemeine“ truppenärztliche Versorgung als wesentlicher Bestandteil der Fürsorgepflicht ist insoweit ausgeschlossen worden, konsequenterweise hat sich der Kläger privat krankenversichert, wie sich aus seinem Antrag vom 05.04.2001 ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten, die die Einzelheiten des Dienstverhältnisses des Klägers in einer dem gesetzlichen Leitbild des Berufssoldaten nicht unbedingt entsprechenden Art und Weise gleichsam vertragsähnlich ausgestaltet haben, hinsichtlich des Bereichs der medizinischen Versorgung ein „splitting“ dahingehend vereinbaren wollten, dass für Teilbereiche dieser Versorgung der Kläger selbst, für andere Teilbereiche nach wie vor die Bundeswehr zuständig sein sollte, bestehen nicht. Ob der Kläger über die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen hinreichend durch seinen Dienstherrn aufgeklärt wurde und ob insoweit überhaupt eine entsprechende Verpflichtung des Dienstherrn bestand, war im vorliegenden Verfahren nicht zu klären.