Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 24.04.2003, Az.: 1 A 200/02

Bedarfszuweisung; bereinigte Fehlbetragsquote; freie Spitze; Gleichheitssatz; Kassenkredit; kommunales Existenzminimum; Mindestausstattung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
24.04.2003
Aktenzeichen
1 A 200/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48001
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Entscheidung über die Bewilligung einer Bedarfszuweisung nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich - NFAG - steht im Ermessen des Niedersächsischen Innenministeriums.

§ 2 Satz 1 Nr. 1 NFAG, wonach 1,6 v.H. der Zuweisungsmasse des NFAG vorab für Bedarfszuweisungen bereitgestellt werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber ist - auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshofs vom 16. Mai 2001 (StGH 6/99 -, Nds.MBl. 2001, 457) - nicht verpflichtet, den Bedarfszuweisungsfond aufzustocken, um die Mindestausstattung der Kommunen zu gewährleisten.

Zwar stellt der Nds. Staatsgerichtshof in der genannten Entscheidung fest, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, Vorkehrungen - gegebenenfalls unter Einsatz des Instruments der Bedarfszuweisungen - für den Fall zu treffen, dass eine Gemeinde in eine finanzielle Lage gerate, in der ihr keinerlei Mittel auch nur für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung verbliebe. Hieraus folgt aber weder die Verpflichtung des Gesetzgebers, den Bedarfszuweisungsfond aufzustocken, noch ein Anspruch auf Bewilligung einer Bedarfszuweisung.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Gewährung von Bedarfszuweisungen zum Ausgleich seines Verwaltungshaushaltes 2001.

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Von der Finanzzuweisungsmasse, die Gemeinden und Landkreise nach dem Niedersächsischen Gesetz über den Finanzausgleich (NFAG) vom Land erhalten, werden 87,7 Prozent für Schlüsselzuweisungen für Gemeinde- und Kreisaufgaben verwendet. Die übrigen 12,3 Prozent entfallen auf Bedarfszuweisungen, Investitionen bzw. Investitionsförderungsmaßnahmen und Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, wobei 1,6 Prozent der gesamten Zuweisungsmasse für Bedarfszuweisungen vorab bereitzustellen sind. Tatsächlich sind für das Jahr 2001 125 Millionen DM und damit 2,31 Prozent der gesamten Zuweisungsmasse für Bedarfszuweisungen verwendet worden. Bedarfszuweisungsempfänger waren unter den großen selbständigen und kreisfreien Städten und Landkreisen im Jahr 2001 lediglich die Stadt D. und der Landkreis E..

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Mit Schreiben vom 09. April 2001 beantragte der Kläger beim Beklagten die Bewilligung einer Bedarfszuweisung. Er machte einen Bedarf in Höhe von 58.584.432,71 DM geltend. In dem Schreiben wies er auf die ungünstigen strukturellen Bedingungen in dem betroffenen Raum D. hin. Er sei nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft auf Dauer eine geordnete Haushaltsführung zu erreichen. Die Rahmenbedingungen für die strukturschwache Region F. verschlechterten sich weiterhin.

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Der Beklagte lehnte die Gewährung einer Bedarfszuweisung mit Bescheid vom 21. Dezember 2001 - dem Kläger am 09. Januar 2002 zugestellt - ab. Zur Begründung führte er aus, die Bewilligung einer Bedarfszuweisung sei abzulehnen, weil als Hauptbewilligungskriterium bei Landkreisen aufgrund insgesamt nur begrenzt zur Verfügung stehender Bedarfszuweisungsmittel u.a. das Vorliegen einer sog. „bereinigten Fehlbedarfsquote“ von mindestens 35,00 v.H. verlangt werde. Die sich im Fall des Klägers ergebende „bereinigte Fehlbedarfsquote“ betrage 17,53 v.H., so dass sein Bedarfszuweisungsantrag nicht berücksichtigt werden könne. Im Haushaltsjahr 2001 habe lediglich einem Landkreis eine Bedarfszuweisung wegen einer außergewöhnlichen Haushaltslage bewilligt werden können, dessen maßgebliche „bereinigte Fehlbedarfsquote“ 37,87 v.H. betragen habe. Die restriktive Bewilligungspraxis sei Folge der Begrenzung des Bedarfszuweisungsfonds auf 125 Millionen DM im Haushaltsjahr 2001, die der Berücksichtigung „kommunaler Großhaushalte“ naturgemäß enge Grenzen setze.

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Zur Begründung seiner am 31. Januar 2002 erhobenen Klage macht der Kläger insbesondere geltend: Er weise eine außergewöhnliche Lage im Sinne des Gesetzes über den Finanzausgleich auf. Nach den Richtlinien über die Gewährung von Bedarfszuweisungen dienten Bedarfszuweisungen wegen einer außergewöhnlichen Lage der Deckung von Fehlbeträgen im Verwaltungshaushalt. Er könne seinen Verwaltungshaushalt bereits seit 1992 nicht mehr ausgleichen. Bis zu dem hier maßgeblichen Rechnungsergebnis des Haushaltsjahres 2000 hätten sich bei ihm Sollfehlbeträge in Höhe von 51,48 Millionen Euro kumuliert. Bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums 2005 sei mit einer Besserung der Haushaltslage nicht zu rechnen. Die Ursache für seine finanziellen Probleme liege in der katastrophal niedrigen Steuereinnahmekraft vieler kreisangehöriger Gemeinden.

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Auch die weiteren Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Lage im Sinne der genannten Richtlinie seien erfüllt. Trotz sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung sei er bei Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten nicht in der Lage, seinen Haushalt auf Dauer auszugleichen. Dass er sparsam wirtschafte, belege bereits der geringe Anteil der wahrgenommenen freiwilligen Aufgaben. Von den rund 201 Millionen Euro Ausgaben des Verwaltungshaushaltes 2000 seien nur etwa 2,7 Prozent rechtlich nicht gebundene Ausgaben. Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 22. Februar 2001 - 1 A 1328/99 - müsse ein „kommunales Existenzminimum“ von 5 Prozent freier Spitze gewährleistet sein. Auch die zuständige Finanzaufsichtsbehörde - die Bezirksregierung Lüneburg - gehe offensichtlich von einer sparsamen Haushaltsführung aus. Das zeige die Genehmigungspraxis in den vergangenen zehn Jahren, wonach weder Genehmigungen für Kassenkredite versagt noch Haushalte beanstandet worden seien. Er schöpfe auch alle Einnahmemöglichkeiten aus. Die Kreisumlage als einzige vom Landkreis selbst beeinflussbare Einnahmequelle unterliege aber verfassungsrechtlichen Beschränkungen und könne daher nicht beliebig hoch festgesetzt werden. In den Jahren 1999 und 2000 habe die Kreisumlagequote des Klägers 53,5 Prozent betragen, während es landesdurchschnittlich 50,2 Prozent gewesen seien. Da sich die Finanzlage der kreisangehörigen Gemeinden in den letzten drei Jahren noch schlechter entwickelt habe als seine eigene, habe er im Jahr 2001 die Kreisumlage um einen Prozent auf 52,5 Prozent gesenkt, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung der jährlich auftretenden strukturellen Haushaltsdefizite zwischen Gemeinde- und Landkreisebene herbeizuführen.

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Soweit nach den Bedarfszuweisungsrichtlinien als weitere Voraussetzung für eine Bedarfszuweisung ein drohender Kassennotstand gefordert werde, sei dies ein untaugliches und damit unzulässiges Kriterium. Das Land habe es nämlich über das Instrument der Kassenkreditgenehmigung in der Hand, einen Kassennotstand herbeiführen bzw. zu beseitigen. Da die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde die Höhe der Kassenkredite jährlich der tatsächlichen Defizitentwicklung anpasse, verhindere sie stets einen Kassennotstand.

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Damit lägen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Bedarfszuweisung vor. Die gänzliche Ablehnung einer Bedarfszuweisung trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen erweise sich aufgrund verschiedener Ermessensfehler als rechtswidrig. Die Praxis des Beklagten, bei der Festsetzung des jeweils maßgeblichen Fehlbetrages stets die Sollfehlbetragsquote des ärmsten bzw. der beiden ärmsten Landkreise heranzuziehen, sei ermessensfehlerhaft. Aufgrund dieser langjährigen Ermessenspraxis des Beklagten könne er lediglich dann einen Anspruch auf Bedarfszuweisung erhalten, wenn er einer der Landkreise mit der schlechtesten Finanzausstattung in Niedersachsen werden würde. Durch die Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshofs vom 16. Mai 2001 habe die Bedeutung der Bedarfszuweisung im Finanzverteilungssystem zwischen dem Beklagten und seinen Kommunen einen neuen Stellenwert erlangt. Danach sei die Reduktion von Bedarfzuweisungen auf den ärmsten Landkreis rechtswidrig, wenn noch weitere Landkreise des Sonderinstruments der Bedarfszuweisung zur Gewährleistung eines Mindestmaßes von Finanzausstattung bedürften. Eine solche aufgabenkonforme Mindestausstattung mit Finanzmitteln sei bei ihm nach nunmehr zehnjähriger Defizitanhäufung nicht mehr gegeben. Freiwillige Aufgaben könne er nur noch über die Genehmigung gesetzeswidriger Kassenkredite finanzieren. Der aus Art. 58 NV erwachsene Individualanspruch jeder einzelnen Kommune auf einen aufgabengerechten Finanzausgleich gelte uneingeschränkt, also auch für „Großhaushalte“. Deshalb sei die Begründung des die Bedarfszuweisung ablehnenden Bescheides, wonach wegen der engen Begrenzung der vorhandenen Bedarfszuweisungsmittel „kommunale Großhaushalte“ naturgemäß nur in engen Grenzen Berücksichtigung finden könnten, rechtswidrig.

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Auch die Festlegung unterschiedlicher Fehlbetragsquoten für Landkreise und Städte sei willkürlich. Während Hauptbewilligungskriterium bei kreisfreien und großen selbständigen Städten das Vorliegen einer bereinigten Fehlbedarfsquote von 40 Prozent sei, habe der Beklagte für Landkreise als Schwellenwert eine bereinigte Fehlbetragsquote von 35 Prozent festgelegt. Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 NFAG werde aber zwischen Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreisen als Empfänger von Bedarfszuweisungen nicht unterschieden.

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Zudem sei der Gleichheitssatz verletzt, weil die sog. bereinigte Fehlbedarfsquote kein geeigneter Maßstab sein könne, um die Bedürftigkeit von Landkreisen untereinander zu bewerten. Ein Landkreis, der Aufgaben wie etwa den Betrieb von Altenheimen, Rettungsdiensten, die Abfallwirtschaft, Laborleistungen und Tierkörperbeseitigungen in privatrechtlicher Form wahrnehme und die damit verbundenen Einnahmen aus seinem kameralen Haushalt heraushalte, habe bei gleicher Defizitentwicklung eine höhere Fehlbetragsquote als ein anderer Landkreis, der all diese Aufgaben über die Kameralistik abwickele. Die einzig verlässliche Quotenbildung wäre deshalb eine Defizit/Einwohnerquote, weil davon auszugehen sei, dass alle Landkreise in Niedersachsen im wesentlichen gleiche Aufgaben bevölkerungszahlbezogen leisten müssten.

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Auch die ungleiche Behandlung zwischen ihm und dem Landkreis G. verstoße gegen den Gleichheitssatz. Weder er noch der Landkreis G. hätten im Jahr 2000 ohne entsprechenden Kassenkredit freiwillige Aufgaben wahrnehmen können; lediglich dem Landkreis G. habe der Beklagte aber eine Bedarfszuweisung bewilligt. Deshalb liege eine rechtswidrige Ungleichbehandlung des Klägers mit zumindest einem anderen Landkreis vor. Auch im Fall des Landkreises E. hätte der Beklagte über das Instrument der Genehmigung gesetzeswidriger Kassenkreditaufnahmen - wie bei ihm auch - das verfassungsrechtlich garantierte Mindestmaß an Selbstverwaltung ermöglichen können. Der Beklagte sei verpflichtet, entweder allen Landkreisen mit gravierenden Defizitproblemen Bedarfszuweisungen zu gewähren - selbst wenn durch die Vielzahl von Anspruchsberechtigten die Bedarfszuweisungswirkung landesweit minimiert würde - oder aber keinem. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang ferner, dass der Beklagte die Bedarfszuweisungsrichtlinien nicht angewandt habe, wonach das beklagte Land die besondere Strukturschwäche des Küstengebietes mit seiner hohen Zahl besonders finanzschwacher Gemeinden anerkenne und eine angemessene Berücksichtigung bei der Bedarfszuweisungskontingentierung in Aussicht stelle.

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Ein weiterer Verstoß gegen den Gleichheitssatz folge aus der Ungleichbehandlung von Landkreisen gegenüber Samtgemeinden. Bei Samtgemeinden sehe das Gesetz über den Finanzausgleich nur noch die übergeordnete Samtgemeindeebene als Bedarfszuweisungsempfänger vor, die somit anstelle ihrer Mitgliedsgemeinden Bedarfszuweisungen erhalte. Landkreisangehörige Gemeinden hingegen seien neben den Landkreisen gleichberechtigte Bedarfszuweisungsempfänger mit der Folge, dass die Möglichkeit der Bewilligung einer Bedarfszuweisung für den Kläger entsprechend geringer sei als bei Samtgemeinden. Aufgrund der unterschiedlichen Berücksichtigung von Mitglieds- bzw. kreisangehörigen Gemeinden behandele der Beklagte Samtgemeinden und Landkreise unterschiedlich, obwohl Aufgaben und Finanzierung bei Landkreisen und Samtgemeinden gravierende Ähnlichkeiten aufwiesen. Eine derartige Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt, weil Landkreise mit defizitären Verwaltungshaushalten besonders bedarfszuweisungsbedürftig seien.

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§ 2 Abs. 1 Ziffer 1 NFAG, wonach 1,6 v.H. der Zuweisungsmasse des NFAG für Bedarfszuweisungen vorab bereitgestellt werden, sei verfassungswidrig. Der landesweit geringe Betrag von früher 1 v.H. und jetzt 1,6 v.H. sei gerechtfertigt gewesen, solange nur in seltenen Fällen Bedarfszuweisungstatbestände aufgetreten seien. Inzwischen habe sich die Situation aber grundlegend geändert. Sowohl der Beklagte selbst als auch die niedersächsischen Kommunen litten unter einer massiven flächendeckenden Finanzkrise. Nur die Hälfte aller 38 Landkreise habe im Jahr 2000 eine ausreichende Finanzausstattung aufgewiesen. Über einen Anteil von nur 1,6 Prozent der Zuweisungsmasse des NFAG könne diese Situation nicht abgemildert oder gar bereinigt werden. Die Ausführungen des Nds. Staatsgerichtshofs in seinem Urteil vom 16. Mai 2001, wonach der Bedarfszuweisung bei der finanziellen Mindestausstattung der Kommunen eine besondere Funktion zukomme, machten nur Sinn, wenn der Gesetzgeber verpflichtet werde, die Bedarfszuweisungsmasse entsprechend den sich stets ändernden Anforderungen flexibel zu gestalten. Deshalb sei das Verfahren zur Durchführung einer konkreten Normenkontrolle auszusetzen.

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Der Kläger beantragt,

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den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 21.12.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts den Bedarfszuweisungsantrag des Klägers vom 09.04.2001 auf Gewährung einer Bedarfszuweisung wegen einer außergewöhnlichen Lage im Haushaltsjahr 2001 neu zu bescheiden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Kläger ziehe aus der Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshofs unzutreffende Schlussfolgerungen. Dass der Staatsgerichtshof das Land auffordere, Vorkehrungen, gegebenenfalls unter dem Einsatz des Instrumentariums der Bedarfszuweisungen, für den Fall zu treffen, dass auch nur eine einzelne Gemeinde in eine finanzielle Lage gerate, in der ihr keinerlei Mittel auch nur für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung verblieben, bedeute keinesfalls, dass sich das Recht des Landes, Bedarfzuweisungen zu gewähren, zu einer Rechtsverpflichtung verdichte. Bereits der Wortlaut des § 13 NFAG räume ihm ausdrücklich ein Ermessen bei der Entscheidung über die Gewährung einer Bedarfszuweisung ein. Zudem habe auch der Nds. Staatsgerichtshof nicht von einem Rechtsanspruch, sondern lediglich von Vorkehrungen gesprochen, die der Gesetzgeber für die Gewährleistung einer Mindestausstattung treffen müsse. Der Nds. Staatsgerichtshof habe dann als mögliche Form der Reaktion des Gesetzgebers auf das Instrument der Bedarfszuweisung hingewiesen. Den angeblichen Rechtsanspruch auf Bedarfszuweisungen aus dem Urteil des Nds. Staatsgerichtshofs leite der Kläger aus einer einzigen Passage des Urteils ab, ohne dabei den Wortlaut des Gesetzes und die übrigen Aussagen des Staatsgerichtshofs im Kontext zu betrachten. So habe der Kläger unerwähnt gelassen, dass der Nds. Staatsgerichtshof in seiner Entscheidung ausführe, dass in den Finanzausgleichsperioden 1999 und 2000 die den Kommunen zustehende Mindestausstattung gewährleistet gewesen sei.

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Entgegen der Auffassung des Klägers sei das Urteil des Nds. Staatsgerichtshofs jedenfalls nicht dahingehend zu verstehen, dass die Gewährung einer Bedarfszuweisung als alleiniges Mittel zur Gewährleistung der Mindestausstattung in Betracht komme. Vielmehr führe der Nds. Staatsgerichtshof eine Vielzahl von Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers an wie etwa die Erschließung neuer Steuerquellen oder die Verminderung der Zahl der Pflichtaufgaben bzw. eine Senkung der einzuhaltenden Standards. Die Landesregierung habe den Hinweis des Nds. Staatsgerichtshofs zum Aufgaben- und Standardabbau bereits aufgegriffen und eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet.

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Darüber hinaus führe ein eigenständiger Rechtsanspruch zu einer Erhöhung der Summe der Bedarfszuweisungen zu Lasten der verbleibenden Schlüsselmasse und damit zu Lasten aller anderen Kommunen und insbesondere der Ausgleichsintensität des Finanzausgleichs, was nicht hingenommen werden könne.

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Schließlich habe er das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Ablehnung der beantragten Bedarfszuweisung sei nicht ermessensfehlerhaft, weil eine Bewilligung lediglich beim ärmsten Landkreis erfolgt sei. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die sog. bereinigte Fehlbedarfsquote ein geeigneter Maßstab für die Auswahl der Bedarfszuweisungsempfänger. Dieses Verfahren werde erstmals vom Kläger angegriffen, während weder der Ausschuss für Innere Verwaltung des Niedersächsischen Landtages noch die kommunalen Spitzenverbände den Vorwurf des Ermessensmissbrauchs erhoben oder andere Kriterien verlangt hätten. Auch dass Landkreise nicht nach den gleichen Fehlbetragsquoten wie kreisfreie und große selbständige Städte beurteilt worden seien, erweise sich als ermessensfehlerfrei. Da Städte aufgrund unterschiedlicher Aufgabenstrukturen höhere bereinigte Fehlbetragsquoten aufwiesen als Landkreise, habe er für Städte andere - höhere - bereinigte Fehlbetragsquoten als Schwellenwerte festgelegt als bei Landkreisen, um die jeweils mit Defiziten am stärksten belastete Stadt und den am stärksten belasteten Landkreis im Rahmen der Bedarfszuweisungen berücksichtigen zu können. Da der Kläger im Jahr 2001 unter den antragstellenden Landkreisen an sechster Stelle rangiert habe, habe er nicht berücksichtigt werden können. Vielmehr hätten im Jahr 2001 lediglich die Stadt F. (bereinigte Fehlbedarfsquote 60,70 v.H.) und der Landkreis G. (bereinigte Fehlbedarfsquote 37,87 v.H.) eine Bedarfszuweisung erhalten. Soweit der Kläger vortrage, der Landkreis G. werde ihm gegenüber bevorzugt, übergehe der Kläger die deutlich höhere bereinigte Fehlbetragsquote des Landkreises G. (37,87 v.H. gegenüber 17,53 v.H.). Da eine Bedarfszuweisung mindestens eine solche Höhe haben sollte, dass eine gewisse Entlastungsfunktion im Verwaltungshaushalt registrierbar sei, sei eine Konzentration auf sehr wenige Empfänger vorgegeben und die vom Kläger vorgeschlagene Verteilung der vorhandenen Masse auf mehrere Empfänger nicht sinnvoll.

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Entgegen der Ansicht des Klägers begründe auch die durch das Gesetz über den Finanzausgleich vorgegebene unterschiedliche Behandlung von Samtgemeinden und Landkreisen keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Es handele sich insofern um nicht vergleichbare Sachverhalte.

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Soweit der Kläger in seiner Klagebegründung wiederholt darauf hinweise, der Beklagte halte „Großhaushalte“ - d.h. Landkreise, kreisfreie Städte und große selbständige Städte - ohnehin im Rahmen von Bedarfszuweisungen für nicht berücksichtigungsfähig, treffe dies nicht zu. Allein Anträgen der beiden größten Städte Niedersachsens - Hannover und Braunschweig - dürfte von vornherein nicht stattzugeben sein, da vom Umfang der zur Verfügung stehenden Mittel her Defizite in Haushalten dieser Größenordnung nicht mehr zu beeinflussen seien.

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Der Einwand des Klägers, der Gleichheitssatz sei im Hinblick auf das Außerachtlassen von Ausgliederungen von Ver-/oder Entsorgungseinrichtungen in Rechtsformen des Privatrechts verletzt, könne allenfalls dann relevant sein, wenn es im Bedarfszuweisungsverfahren darauf ankommen könnte, was hier nicht der Fall sei. Der Kläger habe jedenfalls nicht dargelegt, dass seine Nichtberücksichtigung darauf zurückzuführen sei.

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Die Auffassung des Klägers, § 2 Satz 1 Nr. 1 NFAG verstoße gegen Art. 58 NV, treffe nicht zu. Zum einen seien abweichend von § 2 Satz 1 Nr. 1 NFAG in den Jahren 2000 und 2001 nicht lediglich 1,6 v.H. der Zuweisungsmasse, sondern jeweils 125,00 Millionen DM für Bedarfszuweisungen bereitgestellt worden und damit rund 2,31 v.H. der Zuweisungsmasse 2001. Zum anderen sei der Beklagte im Hinblick auf seine begrenzte Leistungsfähigkeit außerstande, die Zuweisungsmasse zu erhöhen. Er sei auch nicht bereit, die Ausgleichsintensität des Finanzausgleichs durch interne Umschichtung - etwa Erhöhung des Bedarfszuweisungsfonds über 2,31 v.H. der Zuweisungsmasse hinaus - zu gefährden. Schließlich habe der Staatsgerichtshof das Niedersächsische Gesetz über den Finanzausgleich bereits im Rahmen seiner letzten Entscheidung vom 16. Mai 2001 als ganzes geprüft und damit auch die Verfassungsmäßigkeit von § 2 Satz 1 Nr. 1 NFAG bejaht. Die Durchführung eines konkreten Normenkontrollverfahrens sei deshalb entbehrlich.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Streitakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Ermessensbetätigung, die hier zur Ablehnung der Bedarfszuweisung geführt hat, ist nicht zu beanstanden.

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Bedarfszuweisungen werden - für das hier maßgebliche Haushaltsjahr 2001 - nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich - NFAG - vom 26. Mai 1999, Nds. GVBl. S. 116, 320 i.d.F. des Gesetzes vom 28. August 2002, Nds. GBVl. S. 366 i.V.m. den entsprechenden Richtlinien des Niedersächsischen Innenministeriums (RdErl. d. MI v. 15.08.1994) gewährt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen können leistungsschwache Gemeinden, die nicht Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden sind, Samtgemeinden und Landkreise wegen einer außergewöhnlichen Lage Zuweisungen zum Ausgleich des Verwaltungshaushaltes erhalten, soweit sie trotz sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung bei Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten nicht in der Lage sind, ihren Haushalt auf Dauer auszugleichen.

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Die genannten gesetzlichen Regelungen sind mit der Niedersächsischen Verfassung vereinbar, insbesondere ist § 2 Satz 1 Nr. 1 NFAG, wonach 1,6 v. H. der Zuweisungsmasse des NFAG für Bedarfszuweisungen vorab bereitgestellt werden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auffassung des Klägers, der Gesetzgeber sei vor dem Hintergrund der Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshofs vom 16. Mai 2001 (StGH 6/99 -, Nds.MBl. Nr. 21/2001, S. 457) verpflichtet, den Bedarfzuweisungsfond aufstocken, um die Mindestausstattung der Kommunen zu gewährleisten, trifft nicht zu. Der Kläger kann aus der von ihm herangezogenen Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshofs eine solche Verpflichtung zur Verstärkung der Bedarfszuweisungsmittel nicht herleiten. Zwar stellt der Nds. Staatsgerichtshof in dieser Entscheidung fest, dass der Gesetzgeber gehalten sei, Vorkehrungen - gegebenenfalls unter Einsatz des Instruments der Bedarfszuweisungen - für den Fall zu treffen, dass auch nur eine einzelne Gemeinde trotz sparsamster Wirtschaftsführung in eine finanzielle Lage gerate, in der ihr keinerlei Mittel auch nur für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung verblieben. Hieraus folgt aber weder die Verpflichtung des Gesetzgebers, den Bedarfszuweisungsfond aufzustocken noch ein Anspruch auf Bewilligung einer Bedarfszuweisung:

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Der Nds. Staatsgerichtshof bringt einerseits deutlich zum Ausdruck, dass sich aus Artikel 58 Niedersächsische Verfassung ein Individualanspruch jeder einzelnen Kommune auf finanzielle Mindestausstattung ableitet. Andererseits überlässt er es aber dem Gesetzgeber, wie er diesen Individualanspruch im Einzelfall erfüllt. Lediglich beispielhaft weist der Nds. Staatsgerichtshof darauf hin, dass der Gesetzgeber auch das Instrument der Bedarfszuweisung heranziehen kann (Nds. StGH, aaO, D. IV. 1. f), S. 467). Dass der Nds. Staatsgerichtshof das Instrument der Bedarfszuweisung nur als eine von mehreren Möglichkeiten anführt, wird durch seine Wortwahl - „gegebenenfalls“ - deutlich. Auch soweit er im folgenden Abschnitt unter D. IV. 2. b) erneut das Instrument der Bedarfszuweisungen heranzieht, bringt er hiermit nicht die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Verstärkung der Bedarfszuweisungsmittel zum Ausdruck. Der Nds. Staatsgerichtshof formuliert hier: „Sollte dies (das Fehlen einer freien Spitze für die Erfüllung freiwilliger Aufgaben) jedoch ausnahmsweise der Fall sein, würde dies noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelungen führen, weil § 13 NFAG Bedarfszuweisungen vorsieht, die in solch einem Fall eingesetzt werden können.“ Der Nds. Staatsgerichtshof zeigt lediglich auf, dass in Extremsituationen durch die Bewilligung von Bedarfszuweisungen der Gewährleistung einer finanziellen Mindestausstattung Rechnung getragen werden kann. Der Finanzausgleich als solcher soll aber über andere Instrumente wie Schlüssel- und Zweckzuweisungen abgewickelt werden. Der Nds. Staatsgerichtshof versteht die Bedarfszuweisung keinesfalls als Mittel, um flächendeckend einer Vielzahl von Kommunen eine finanzielle Mindestausstattung zu gewährleisten. Dies folgt bereits daraus, dass der Nds. Staatsgerichtshof in seinem Urteil von der finanziellen Mindestausstattung aller Kommunen ausgeht. Er hatte damit die vom Kläger angeführte Situation - wonach der Hälfte aller Landkreise die finanzielle Möglichkeit fehlen soll, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen - nicht vor Augen. Dies wird auch durch seine Wortwahl - „sollte dies ausnahmsweise der Fall sein“ - deutlich.

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Letztlich wird man auch dem gesetzgeberischen Anliegen der Bedarfszuweisung im System des Finanzausgleichs nur gerecht, wenn man den Ausnahmecharakter der Bedarfszuweisung anerkennt und die Höhe der Bedarfszuweisungsmittel eng begrenzt. Ausweislich der Gesetzesbegründungen zu § 14 des Gesetzesentwurfes zum NFAG (entspricht § 13 NFAG n. F.) soll die Bewilligung von Bedarfszuweisungen die Berücksichtigung atypischer Einzelfälle ermöglichen, die innerhalb des allgemeinen Ausgleichssystems nicht sachgerecht behandelt werden können (vgl. Niedersächsischer Landtag, Drucks. 14/440, S. 26). Auch der Nds. Staatsgerichtshof macht deutlich, dass in erster Linie das allgemeine Ausgleichssystem mit seinen Schlüssel- und Zweckzuweisungen die finanzielle Mindestausstattung lösen soll und letztlich auch löst, und nur im Ausnahmefall Bedarfszuweisungen in Frage kommen. Die Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshofs kann deshalb nicht dahingehend verstanden werden, das Instrument der Bedarfszuweisung notfalls flächendeckend zum Ausgleich finanzieller Missstände einzusetzen. Der Nds. Staatsgerichtshof ist vielmehr im Rahmen seiner Entscheidung von der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Satz 1 Nr. 1 NFAG ausgegangen. Er weist wiederholt auf das Instrument der Bedarfszuweisungen hin, ohne die Festlegung der Höhe des Vorabbetrages für Bedarfszuweisungen auf 1,6 v.H. zu beanstanden. Schließlich liefe eine Erhöhung des Bedarfszuweisungsfonds auch dem Anliegen des Gesetzgebers zuwider, die für die Bedarfszuweisungen zur Verfügung gestellten Mittel mittel- bis langfristig abzusenken (vgl. Niedersächsischer Landtag, Drucks. 14/440, S. 20).

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Aus den somit verfassungskonformen Regelungen der §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 Nr. 1 NFAG folgt nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Bedarfszuweisungsantrag. Einen strikten Rechtsanspruch gegenüber dem Land auf Ausgleich des gemeindlichen Haushaltsdefizits durch die Gewährung von Bedarfszuweisungen gibt es hingegen nicht. Bereits der eindeutige Wortlaut des § 13 NFAG räumt dem Beklagten Ermessen ein. In Übereinstimmung hiermit stellen die Richtlinien über die Gewährung von Bedarfszuweisungen (RdErl. d. MI v. 15.08.1994, Nds. MBl. Nr. 36/1994, S. 1338) in Ziffer 1.1 klar, dass auf die Gewährung von Bedarfszuweisungen kein Rechtsanspruch besteht. Aus den oben genannten Gründen kann schließlich nicht aus den Ausführungen des Nds. Staatsgerichtshofs auf einen Rechtsanspruch geschlossen werden. Allenfalls in ganz extremen Ausnahmefällen kann sich das dem Beklagten grundsätzlich eingeräumte Ermessen zu einem Rechtsanspruch auf Bewilligung einer Bedarfszuweisung verdichten. Die Voraussetzungen für eine solche Ermessensverdichtung liegen hier jedoch nicht vor:

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Die finanzielle Haushaltslage des Klägers hat kein Stadium erreicht, in dem es unabhängig von Ermessenskriterien zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich gebotenen finanziellen Mindestausstattung geboten wäre, ihm eine Bedarfszuweisung zu bewilligen. Abgesehen davon, dass es zunächst dem Gesetzgeber überlassen ist, durch andere Maßnahmen - wie die Erhöhung des Ausgleichsvolumens, die Erschließung neuer Steuerquellen oder die Reduzierung der Zahl der Pflichtaufgaben - auf die finanzielle Notlage zu reagieren, war die finanzielle Mindestausstattung des Klägers im Haushaltsjahr 2001 noch gewährleistet. Dem Kläger standen nach eigenen Angaben noch 2,7 Prozent seiner Ausgaben für freiwillige Aufgaben zur Verfügung, so dass nicht von einer finanziellen Notlage auszugehen ist. Der Kläger war vielmehr - wenn auch in bescheidenem Maß - in der Lage, den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung gestaltend wahrzunehmen. Er vertritt zwar unter Berufung auf ein nicht rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 22. Februar 2001 - 1 A 1328/99 - die Auffassung, zur kommunalen Mindestausstattung gehöre ein kommunales Existenzminimum von 5 Prozent freier Spitze für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben. Dieser Auffassung, dass die finanzielle Mindestausstattung als unterschritten gilt, wenn die Kommunen weniger als 5 Prozent ihrer Mittel für die Erfüllung solcher Aufgaben verwenden können, folgt die Kammer nicht. Der Wert von 5 Prozent ist lediglich ein gegriffener Wert und kann deshalb allenfalls als Indiz für eine fehlende finanzielle Mindestausstattung herangezogen werden. Eine komplexe Bewertung der klägerischen Finanzlage durch eine starre Grenze zu ersetzen, verbietet sich im Hinblick darauf, dass die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben in das freie Belieben jeder Kommune fällt und sie sich in Zeiten knapper Einnahmen freiwillig vorausschauend bei der Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben Restriktionen auferlegen kann, ohne dass die finanzielle Mindestausstattung infrage gestellt wäre (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 03.09.2002 - 10 LB 3714/01 -, zitiert nach juris).

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Da es, wie dargelegt, bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ohnehin keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Bedarfszuweisung gibt und auch die Voraussetzungen für eine Ermessensverdichtung nicht vorliegen, kann offen bleiben, ob sich der Kläger im hier maßgeblichen Jahr 2001 tatsächlich in einer außergewöhnlichen Lage i.S.d. § 13 Abs. 1 NFAG befunden hat. Die hier zur Ablehnung einer Bedarfszuweisung führende Ermessensbetätigung ist jedenfalls nicht zu beanstanden, so dass die Klage bereits deswegen keinen Erfolg haben kann.

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Auch bei der Ermessensbetätigung muss die Ausnahmestellung der Bestimmung über die Bedarfszuweisungen im System des Finanzausgleichs Berücksichtigung finden. Die einzelnen Bestimmungen des Finanzausgleichs mit ihren Schlüssel- und Zweckzuweisungen sollen unter Berücksichtigung des Finanzbedarfs des Landes einerseits und der Kommunen andererseits zu einer Ausgestaltung der Einnahmen führen, die den jeweiligen Aufgaben sowie dem interkommunalen Gleichbehandlungsgebot gerecht werden. In diesem System stellen Bedarfszuweisungen im individuellen Fall zum Ausgleich des kommunalen Haushalts eine strikt zu begrenzende Ausnahme dar, weil die individuelle Zuweisung die Kürzung der für die Solidargemeinschaft der übrigen Kommunen zur Verfügung stehenden Mittel zur Folge hat. Die Bedarfszuweisungen haben die Aufgabe, die im Allgemeinen durch die Schlüssel- und Zweckzuweisungen sichergestellte Finanzgarantie zu Gunsten der Kommunen im einzelnen Ausnahmefall sicherzustellen, wenn trotz aller zumutbarer Eigenanstrengungen der Haushaltsausgleich auf längere Sicht nicht erreicht werden kann und damit das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltungsrecht leer zu laufen droht (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.04.2001 - 7 A 10993/00 -, zitiert nach juris). Diese Ausgangslage gebietet deshalb eine restriktive Handhabung des Ermessens.

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Der Einwand des Klägers, dass es aus seiner Sicht gerechter wäre, wenn der Beklagte die Bedarfzuweisungsmittel statt nach Fehlbetragsquoten nach einer Defizit/ Einwohnerquote verteilte, verkennt, dass die Kammer vorliegend die Entscheidung des Beklagten nicht durch eigene Zweckmäßigkeitserwägungen ersetzen darf. Die Kammer ist allein befugt, die Einhaltung der aufgezeigten Ermessensgrenzen zu überprüfen. Deswegen führt die vom Kläger vorgeschlagene Ermittlung nach einer Defizit/Einwohnerquote - selbst wenn sie sich tatsächlich als treffsicherere oder gerechtere Methode erweisen sollte - nicht ohne weiteres dazu, die vom Beklagten praktizierte Ermittlung nach Fehlbetragsquoten als ermessensfehlerhaft anzusehen. Aufgrund des dem Beklagten eingeräumten Ermessensspielraums wäre die von ihm angewandte Methode nur zu beanstanden, wenn sie sich als grob fehlerhaft erwiese. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger schlägt eine andere Quotenbildung vor, ohne substantiiert darzulegen, weshalb die von ihm befürwortete Methode tatsächlich gerechter sein sollte. Er trägt lediglich vor, „es sei davon auszugehen, dass alle Landkreise in Niedersachsen im wesentlichen gleiche Aufgaben bevölkerungszahlbezogen leisten müssten, weshalb die einzig verlässliche Quotenbildung eine Defizit/Einwohnerquote wäre“, begründet dies aber nicht weiter. Darüber hinaus könnte der Gleichheitssatz im Hinblick auf das Außerachtlassen von Ausgliederungen von Ver-/oder Entsorgungseinrichtungen in Rechtsformen des Privatrechts in einer die Rechte des Klägers berührenden Weise allenfalls verletzt und die Ermessensausübung des Beklagten damit fehlerhaft sein, wenn die Nichtberücksichtigung des Klägers im Bedarfszuweisungsverfahren darauf zurückzuführen wäre. Es ist weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden, inwiefern er bei Heranziehung der von ihm befürworteten Defizit/Einwohnerquote im Bedarfszuweisungsverfahren Erfolg gehabt hätte.

38

Die Ermessenserwägung des Beklagten, die maßgebliche Fehlbedarfsquote so hoch festzusetzen, dass im Ergebnis nur die ärmste Stadt und der ärmste Landkreis eine Bedarfszuweisung erhalten, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, Bedarfszuweisungen in einer Höhe zu bewilligen, die eine gewisse Entlastung im Verwaltungshaushalt des Zuweisungsempfängers bewirkt. Deshalb ist es sachgerecht, die Fehlbetragsquote entsprechend hoch festzusetzen. Die vom Kläger vorgeschlagene Verteilung der vorhandenen Masse auf eine Vielzahl von Empfängern hätte eine Bewilligung von jeweils geringen Beträgen zur Folge, ohne auch nur eine Kommune spürbar zu entlasten. Soweit der Beklagte den Kläger in seiner ablehnenden Entscheidung darauf hinweist, dass wegen der engen Begrenzung der vorhandenen Bedarfszuweisungsmittel „kommunale Großhaushalte“ naturgemäß nur in engen Grenzen Berücksichtigung finden könnten, bringt der Beklagte damit nicht zum Ausdruck, den Kläger von vornherein nicht berücksichtigen zu wollen, sondern weist lediglich auf seine nicht zu beanstandende Ermessenserwägung hin, durch die Bewilligung von Bedarfszuweisungen eine gewisse Entlastungswirkung im Verwaltungshaushalt herbeizuführen.

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Auch der Einwand, die unterschiedliche Festlegung der Fehlbetragsquoten für Landkreise und Städte sei rechtswidrig, kann dem Kläger nicht zum Erfolg verhelfen. Es ist zum einen schon nicht nachzuvollziehen, weshalb sich der Kläger gegen diese ihn - als Landkreis - grundsätzlich begünstigende Verwaltungspraxis des Beklagten wendet. Zum anderen sind die Grenzen des dem Beklagten eingeräumten Ermessens nicht überschritten, wenn er die Fehlbetragsquoten für Landkreise und Städte unterschiedlich festlegt. In der von dem Beklagten aufgezeigten unterschiedlichen Aufgabenstruktur von Städten und Landkreisen und damit verbundener höherer bereinigter Fehlbetragsquoten bei Städten liegt ein sachgerechter Grund für die Entscheidung des Beklagten, Landkreise nicht nach den gleichen Fehlbetragsquoten wie kreisfreie und große selbständige Städte zu beurteilen. Setzte man gleiche Fehlbetragsquoten fest, kämen Landkreise überhaupt nicht in den Genuss von Bedarfszuweisungen, so dass es gerechtfertigt ist, die Fehlbetragsquote bei Landkreisen so festzusetzen, dass wenigstens ein Landkreis eine Bedarfszuweisung erhält.

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Soweit der Landkreis Lüchow-Dannenberg eine Bedarfszuweisung für das Jahr 2001 erhalten hat, der Kläger hingegen nicht, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz berufen. Die deutlich höhere Fehlbetragsquote beim Landkreis Lüchow-Dannenberg (37,87 v.H.) als beim Kläger (17,53 v.H.) stellt einen sachgerechten Grund für eine ungleiche Behandlung dar. Auch der weitere Einwand des Klägers, dass er nur aufgrund der Aufnahme von Kassenkrediten eine niedrigere Fehlbetragsquote als der Landkreis Lüchow-Dannenberg aufgewiesen habe, spricht nicht dafür, einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz anzunehmen. Auch bei den über Kassenkredite finanzierten Leistungen war der Kläger in der Lage, weitergehende Aufgaben wahrzunehmen als der Landkreis Lüchow-Dannenberg. Dass der beim Kläger geringere Fehlbetrag nur über die Finanzierung mit Kassenkrediten möglich war, hilft nicht darüber hinweg, dass sich die gesamte Haushaltssituation beim Kläger besser darstellte als beim Landkreis Lüchow-Dannenberg. Schließlich kann der Kläger mit seinem Einwand, im Hinblick auf die Finanznot einer Vielzahl von Kommunen sei es gerechter, überhaupt keine Bedarfszuweisungen zu bewilligen, natürlich in diesem Verfahren über die Neubescheidung seines Antrages auf Bewilligung einer Bedarfszuweisung keinen Erfolg haben.

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Auch die unterschiedliche Behandlung von Landkreisen gegenüber Samtgemeinden verletzt den Gleichheitssatz nicht. Insoweit verkennt der Kläger zunächst, dass dieser Einwand ohnehin nicht zu einer fehlerhaften Ermessensbetätigung des Beklagten führen kann. Die gesonderte Behandlung von Samtgemeinden ist bereits vom Gesetzgeber vorgegeben, vgl. § 13 Abs. 1 NFAG. Diese gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Für die unterschiedliche Behandlung von Landkreisen und Samtgemeinden gibt es sachgerechte Gründe: Auch im allgemeinen Finanzausgleichssystem tritt die Samtgemeinde an die Stelle der Mitgliedsgemeinden, vgl. § 6 NFAG. Es ist deshalb funktionsgerecht, auch die Bedarfszuweisungen nur den Samtgemeinden und nicht den Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden zu gewähren (vgl. hierzu die Gesetzesbegründungen, Niedersächsischer Landtag, Drucks. 14/440, S. 26). Bei Landkreisen bzw. kreisangehörigen Gemeinden endet hingegen der allgemeine Finanzausgleich nicht auf der Ebene der Landkreise. Vielmehr erhalten auch die kreisangehörigen Gemeinden Zuweisungen, so dass es gerechtfertigt ist, sie auch zum Kreis der möglichen Bedarfszuweisungsempfänger zu zählen.

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Soweit der Kläger einwendet, der Beklagte habe der Ziffer 1.4 der Richtlinien über die Gewährung von Bedarfszuweisungen nicht hinreichend Rechnung getragen, wonach die besondere Strukturschwäche des Küstengebietes mit der hohen Zahl besonders finanzschwacher Gemeinden bei der Bemessung der Kontingente gemäß Nr. 1.3 angemessen berücksichtigt werden soll, verkennt der Kläger, dass der Beklagte der Stadt F. und damit einer Stadt im Küstengebiet als einziger Stadt eine Bedarfszuweisung gewährt hat. Zum anderen lässt sich aus dieser Richtlinie nicht der Schluss ziehen, dem Beklagten obliege es, ausschließlich das erwähnte Küstengebiet bei der Entscheidung über Bedarfszuweisungen zu berücksichtigen. Die von ihm vorgenommene Abwägung der sich aus einer Vielzahl von Antragstellern ergebener Interessen lässt - insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Stadt F. eine Bedarfszuweisung erhalten hat, - nicht erkennen, dass er die besondere Strukturschwäche des Küstengebiets nicht berücksichtigt hätte.