Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 19.09.2008, Az.: 2 A 24/08
Berechnung des betriebsindividuellen Betrages (BIB) 2005; Ausschlüsse; Betriebsindividueller Betrag; Kürzungen; Tiere, festgestellte
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 19.09.2008
- Aktenzeichen
- 2 A 24/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45350
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2008:0919.2A24.08.0A
Rechtsgrundlagen
- 37 I VO (EG) 1782/2003
- 2s VO (EG) 2419/2001
- 3a VO (EG) 795/2004
Amtlicher Leitsatz
Tiere, die im Referenzzeitraum 2000 - 2002 nicht ordnungsgemäß im Bestandsregister HI-Tier erfasst waren oder für die ein Agrarförderantrag um mehr als 25 Tage zu spät gestellt wurde, sind nicht im Sinne von Art. 3a VO (EG) Nr. 795/2004 festgestellt
Tatbestand:
Der Kläger bewirtschaftet in D.E. einen landwirtschaftlichen Betrieb und hält dort männliche Rinder.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 30. April 2004 lehnte das vormals für die Agrarförderung zuständige Amt für Agrarstruktur, F., den Antrag des Klägers auf Gewährung von Schlacht- und Sonderprämien für Rindfleischerzeuger 2000 u.a. für die Tiere mit den Ohrmarkennummern DE G., DE H. und DE I. ab. Zur Begründung führte das Amt aus, für diese Tiere liege eine Ersterfassung in der HI-Tier-Datenbank nicht vor. Die Meldekette sei insofern unschlüssig, was zu einer Ablehnung dieser Tiere führe.
Bei der Gewährung der Rindersonderprämie für das Kalenderjahr 2001 berücksichtigte die Landwirtschaftskammer Hannover, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, zwei Tiere deshalb nicht, weil die geltende Antragsfrist um mehr als 25 Tage überschritten war. Dies betraf die Tiere mit den Ohrmarkennummern DE J. und DE K.. Auch der diesbezügliche Förderungsbescheid ist bestandskräftig.
Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass die genannten Tiere tatsächlich im Bestand des Klägers vorhanden gewesen sind.
Am 6. Mai 2005 stellte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten einen Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005.
Mit Bescheid vom 7. April 2006 in der Fassung des den Streitpunkt unberührt lassenden Bescheides vom 17. Oktober 2007 über die Festsetzung des Umfangs, der Art und der Werte der klägerischen Zahlungsansprüche setzte die Beklagte einen betriebsindividuellen Betrag (BIB) in Höhe von 632,67 € fest (Anlage 2 des Bescheides). Bei dieser Berechnung berücksichtigte sie die oben genannten männlichen Rinder nicht.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 23. Mai 2006 Klage erhoben.
Zu deren Begründung trägt er im wesentlichen vor, auch die Tiere, die in den Jahren 200 und 2001 einer Prämienkürzung unterlegen hätten, müssten bei der Berechnung seines betriebsindividuellen Betrages für das Kalenderjahr 2005 berücksichtigt werden. Kürzungen und Ausschlüsse, um solche handele es sich bei der Versagung von Rindersonderprämien in den Jahren 2000 und 2001, dürften bei der Berechnung des betriebsindividuellen Betrages nicht berücksichtigte werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 7. April 2006 in der Fassung des Bescheides vom 17. Oktober 2007 zu verpflichten, bei der Berechnung des betriebsindividuellen Betrages für das Jahr 2005 die Tiere mit den Ohrmarkennummern G., H., I., J. und K. zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, die streitbefangenen Tiere hätten deshalb nicht bei der Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages berücksichtigt werden dürfen, weil sie nicht als prämienberechtigt festgestellt worden seien. Deshalb sei für sie in den Jahren 2000 und 2001 eine Prämie nicht bewilligt worden. Dabei handele es sich indes nicht um eine Kürzung oder einen Ausschluss im Sinne der europarechtlichen Vorgagen; vielmehr seien die Tiere wegen Verstoßes gegen das Registrierungssystem einerseits bzw. die Versäumung der Antragsfrist andererseits gar nicht erst prämienberechtigt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 in der Fassung des Bescheides vom 17. Oktober 2007 ist rechtmäßig und der Kläger hat einen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer 5 männlicher Rinder bei der Zuteilung einen betriebsindividuellen Betrages für 2005 nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
Der betriebsindividuelle Betrag für das Jahr 2005 wird gemäß Art. 37 Abs. 1 VwGO (EG) Nr. 1782/2003 vom 29. September 2003 (ABl. EU L 270/1) - mit späteren Änderungen - i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrprämdurchfG - vom 21. Juli 2004 (BGBl I Seite 1763) berechnet, indem zunächst der Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge der Zahlungen ermittelt wird, die ein Betriebsinhaber im Rahmen der Stützungsregelungen nach Anhang VI der VO in jedem Kalenderjahr des Bezugszeitraums (das sind die Jahre 2000 bis 2002) bezogen hat und der gemäß Anhang VII der VO berechnet und angepasst wurde.
Die Beklagte hat die Zahlungsansprüche des Klägers entsprechend diesen rechtlichen Grundlagen zutreffend festgesetzt. Entgegen dessen Auffassung sind in die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages nicht die Tiere einzubeziehen, für die er in den Jahren 2000 und 2001 eine Rindersonderprämie nicht erhalten hat.
Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ansatz des Klägers, das mit Zahlungen im Sinne von Art. 37 Abs. 1 VO (EG) 1782/2003, die ein Betriebsinhaber im Referenzzeitraum bezogen hat, nicht allein die tatsächlich bezogenen Zahlungen gemeint sind (a.A. VGH München, Beschluss vom 17.07.2008 -19 BV 07.2399 -, zitiert nach juris). Dies ergibt sich aus Art. 2e dieser Verordnung. Danach sind Zahlungen im Bezugszeitraum die für das betreffende Jahr/die betreffenden Jahre gewährten oder zu gewährenden Zahlungen, einschließlich aller Zahlungen für andere Zeiträume, die in dem betreffenden Kalenderjahr/den betreffenden Kalenderjahren beginnen. Die nähere Definition des Begriffes "zu gewährende Zahlungen" findet sich in Art. 3a VO (EG) Nr. 795/2004 (eingefügt durch die Verordnung (EG) Nr. 1974/2004 vom 29. Oktober 2004 (ABl. L 345/85). Nach dieser Regelung ist unbeschadet der Anwendung von Anhang VII der VO (EG) Nr. 1782/2003 die für die Festsetzung des Referenzbetrages nach Art. 37 Abs. 1 der genannten Verordnung zugrunde zu legende Zahl von Hektar oder Tieren, für die im Bezugszeitraum eine Direktzahlung gewährt wurde oder hätte gewährt werden müssen, die Zahl von Hektar oder Tieren, die im Sinne von Art. 2r) und s) der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 für jede der in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 genannten Direktzahlungen ermittelt wurde.
Der Sinn dieser Vorschrift ergibt sich aus den Erwägungsgründen in Ziffer 5 Satz 3 der Präambel der Verordnung (EG) Nr. 1974/2004. Danach ist "der Klarheit wegen daher zu spezifizieren, dass für die in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 genannten Direktzahlungen die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vorgenommenen Kürzungen und Ausschlüsse nicht zu berücksichtigt werden sollen, damit sich die im Bezugszeitraum vorgenommenen Kürzungen und Ausschlüsse nicht fortsetzen." Mit "zu gewährenden Zahlungen" bzw. "Zahlungen, die hätten gewährt werden müssen" sind daher Zahlungen in dem Umfang gemeint, den sie ohne die vorgenommenen Kürzungen und Ausschlüsse nach der benannten Verordnung gehabt hätten. Da die Festsetzung der Zahlungsansprüche als Grundlage für die Bewilligung der Betriebsprämie für mehrere Jahre von Bedeutung ist, wollte der Verordnungsgeber bei der Ermittlung des Wertes der Zahlungsansprüche nicht im relevanten Bezugszeitraum vorgenommene Kürzungen oder gar Ausschlüsse von Beihilfen in die Berechnung der Zahlungsansprüche einfließen lassen, damit diese nicht eine weitergehende Sanktionswirkung entfalten als vom Verordnungsgeber im Rahmen der einzelnen Beihilfen zum damaligen Zeitpunkt beabsichtigt war.
Auf diese Vorschrift beruft sich der Kläger zu Unrecht, denn die Tatsache, dass er für die streitbefangenen Rinder in den Jahren 2000 und 2001 eine Rindersonderprämie nicht erhalten hat, beruht nicht auf Ausschlüssen und Kürzungen in diesem Sinne, sondern darauf, dass die entsprechenden Tiere von vornherein nicht ermittelt im Sinne von Art. 3a VO (EG) Nr. 795/2004 und damit nicht prämienberechtigt waren.
Die Rindersonderprämie ist eine Direktzahlung im Sinne des Anhangs VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003. Welche Zahl von Tieren für diese Direktzahlung ermittelt wurde, ergibt sich aus Art. 2s) der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 vom 12. Dezember 2001 (ABl. L 327 S. 11). Danach ist ein "ermitteltes Tier" ein Tier, das alle in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen erfüllt.
Dies ist zunächst nicht der Fall hinsichtlich der Tiere, für die im Jahre 2000 eine Rindersonderprämie deswegen nicht gewährt wurde, weil sie nicht in der HIT Datenbank gemeldet waren. Gemäß Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 3887/1992 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl. L 391 vom 31. Dezember 1992, S. 36) wird unbeschadet von Art. 10b die Beihilfe anhand der festgestellten Anzahl beihilfefähiger Tiere berechnet, wenn die Zahl der in einem Beihilfeantrag angegebenen Tiere über der Zahl der bei Verwaltungs- oder Vor-Ort-Kontrollen gemäß Art. 6 festgelegten Tiere liegt. Gemäß Art. 10d der Verordnung gilt ein Rind im Sinne des Art. 10 zum Zeitpunkt der Kontrolle als festgestellt, wenn es u.a. gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 820/97 in die elektronische Datenbank aufgenommen wurde und gemäß Art. 7 derselben Verordnung ordnungsgemäß im Register des Betriebsinhabers geführt ist. Entsprechende Vorschriften finden sich in Art. 3b und Art. 7 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1760/2000 vom 17. Juli 2000 (ABl. L 204 vom 11.8.2000, S. 1) Dies war bei den streitbefangenen männlichen Rindern im Jahre 2000 nicht der Fall. Folglich waren sie nicht im Sinne der einschlägigen Förderbestimmungen festgestellt, so dass sie die für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllten.
Gleiches gilt für die Nichtberücksichtigung der beiden männlichen Rinder, für die im Jahre 2001 der Beihilfeantrag verspätet gestellt worden ist. Diese Nichtberücksichtigung beruhte auf Art. 30 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2342/1999 vom 28. Oktober 1999 (ABl. L 281, S. 30) i.V.m. §§ 19 Abs. 2, 22 Abs. 2 der Verordnung über die Gewährung von Prämien für männliche Rinder, Mutterkühe und Mutterschafe vom 22. Dezember 1999 (BGBl I Seite 2588). Betrug, wie hier, die Fristüberschreitung mehr als 25 Kalendertage, so ist der Antrag, wie sich aus Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 ergibt, unzulässig. Ein unzulässiger Antrag vermag aber nicht zu einer Feststellung bzw. Ermittlung von Tieren führen (so auch in anderem Zusammenhang EuGH, Urteil vom 24.5.2007 -C 45/05- ABl. C vom 7.7.2007 C 155/2).
Die Kammer folgt dem Beklagten daher in der Rechtsauffassung, dass die Nichtberücksichtigung dieser Tiere in den Jahren 2000 und 2001 nichts mit Kürzungen und/oder Ausschlüssen im Sinne von Art. 38 der zuletzt genannten Verordnung zu tun hat. Diese Kürzungen und Ausschlüsse betreffen vielmehr weitergehende Sanktionen, die Tiere betreffen, für die die Beihilfefähigkeit an und für sich festgestellt ist, d.h. die ermittelt worden sind. Dies ist, wie dargelegt, bei den hier streitbefangenen Tieren nicht der Fall.
Die Kammer hat keine Bedenken, die Verordnung (EG) Nr. 2419/2001, auf die Art. 3a der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 Bezug nimmt, auf die Jahre 2000 und 2001 des Referenzzeitraums anzuwenden. Zwar gilt sie gemäß ihres Art. 54 Abs. 2 erst ab dem 1. Januar 2002, sie stellt jedoch eine Konsolidierung ohne inhaltliche Veränderung der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 dar, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Verweis auf die Verordnung (EWG) Nr. 2419/2001 lediglich ein redaktionelles Versehen ist. Dies ergibt sich auch aus der Auslegung des Anhangs VII der Verordnung (EG) 1782/2003. Schon nach dieser Regelung, und damit ohne Berücksichtigung des rechtstechnisch missglückten Verweises auf die eben genannte Verordnung, ergibt sich, dass es für die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages 2005 auf die im Bezugszeitraum festgestellten Tiere ankommt. Nach Anhang VII C wird die Tierprämie und Ergänzungszahlung berechnet, indem die Anzahl von "bestimmten" Tieren, für die eine solche Zahlung in den einzelnen Jahren des Bezugszeitraums gewährt wurde, unter Berücksichtigung der Anwendung verschiedener anderer Artikel mit den Beträgen je Tier multipliziert, die für das Kalenderjahr 2002 in den in Anhang VI aufgeführten einschlägigen Artikeln festgelegt sind. Zwar ist in dieser Bestimmung von "bestimmten" Tieren die Rede, jedoch handelt es sich um eine ungenaue und auslegungsbedürftige Formulierung. Nimmt man den englischen Originaltext der Verordnung, so ist dort von "determined animals" die Rede. Dies lässt sich im deutschen sowohl mit bestimmten Tieren wie auch mit festgestellten Tieren übersetzen. Die Übersetzung mit festgestellten Tieren entspricht dem gesetzgeberischen Willen. Daraus folgt, dass bereits bei Anwendung des Anhangs VII der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 maßgeblich für die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages 2005 die festgestellten Tiere sind. Die hier streitbefangenen sind nicht festgestellt in diesem Sinne.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.