Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.09.2008, Az.: 1 A 308/05

Aufenthaltserlaubnis,; Ausweisung; Kuba; Rückkehrberechtigung; Unmöglichkeit der Ausreise

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
10.09.2008
Aktenzeichen
1 A 308/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45336
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2008:0910.1A308.05.0A

Amtlicher Leitsatz

Die fehlende Rückkehrberechtigung nach Kuba begründet die Unmöglichkeit der Ausreise i.S.d. § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG. Sie führt in Verbindung mit einer längeren Straffreiheit zu einem atypischen Fall, der einer Ausweisung nach § 54 Nr. 1 AufenthG entgegensteht.

Tenor:

  1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2005 wird aufgehoben; die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Ausweisung, die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung in die Republik Kuba und die Versagung einer begehrten Aufenthaltserlaubnis.

2

Der aus der Republik Kuba stammende Kläger reiste im November 1989 erstmals in das Gebiet der Bundesrepublik ein, nachdem er zuvor bereits einige Monate in der ehemaligen DDR gelebt und gearbeitet hatte. Zur Zeit der Einreise in die ehemalige DDR besaß der Kläger die Berechtigung zur Rückkehr nach Kuba.

3

Am 28.12.1990 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Die Ehe wurde am 19.11.1991 wieder geschieden. Der Kläger war zu dieser Zeit im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde jedoch mit Schreiben vom 27.05.1992 abgelehnt und der Kläger unter Abschiebungsandrohung zur Ausreise aufgefordert. Den zunächst eingelegten Widerspruch nahm der Kläger in der Folgezeit zurück. Anschließend wurde er geduldet.

4

Am 23.02.1995 wurde dem Kläger erneut eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, deren Verlängerung jedoch mit Bescheid vom 09.01.1997 abgelehnt und der Kläger erneut unter Abschiebungsandrohung zur Ausreise aufgefordert wurde. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.1997 bestandskräftig abgewiesen.

5

Mit Datum vom 13.06.1997 wurde dem Kläger eine Duldung erteilt, die bis zu seiner Ausreise aus der Bundesrepublik am 24.09.2004 fortlaufend verlängert wurde, da er keine Rückkehrberechtigung in sein Heimatland besaß. Im Sommer 2004 reiste der Kläger mit einem Touristenvisum von Deutschland nach Kuba. Er wurde jedoch - nach seinen Aussagen - noch am Flughafen in Havanna umgehend nach Deutschland zurückgeschickt, weil er nicht im Besitz eines Rückreisetickets nach Deutschland gewesen sei. Mit Datum vom 31.08.2004 stellte er bei der Beklagten einen Asylantrag, den er eine Woche später wieder zurückzog.

6

Am 24.09.2004 reiste der Kläger in Begleitung eines Mitarbeiters des Diakonieverbandes Göttingen erneut nach Kuba aus, kehrte jedoch am 12.11.2004 - trotz bestehender Abschiebungsandrohung - wieder nach Deutschland zurück. Nach seinen Angaben hat er seinen Aufenthalt in Kuba damit verbracht, die Erlaubnis für einen dauerhaften Aufenthalt in Kuba zu erhalten. Die Erteilung der Erlaubnis sei jedoch daran gescheitert, dass die dortigen Behörden erhebliche Summen dafür verlangten, die er nicht habe aufbringen können. Wie der Mitarbeiter des Diakonieverbandes bestätigte, wurde dem Kläger durch die kubanischen Behörden angedroht, dass sein Vater verhaftet werden würde, wenn er selbst in Kuba untertauche. Daraufhin kam es zur "Abschiebung" zurück nach Deutschland.

7

Am 10.02.2005 beantragte der Kläger bei gleichzeitiger Anzeige seiner Wiedereinreise nach Deutschland die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Am 10.03.2005 wurde ihm zunächst erneut eine Duldung ausgestellt. Mit Bescheid vom 14.11.2005, zugestellt am 16.11.2005, lehnte die Beklagte die beantragte Aufenthaltserlaubnis ab, wies den Kläger aus der Bundesrepublik aus und forderte ihn unter Abschiebungsandrohung auf, Deutschland zu verlassen. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der Kläger im November 2004 ohne eine Aufenthaltserlaubnis illegal nach Deutschland eingereist und deshalb zur Ausreise verpflichtet sei. Wegen seiner Straftaten sei er aus Deutschland auszuweisen. Eine Abweichung von der Regelausweisung sei nicht gerechtfertigt, da kein Ausnahmefall vorliege.

8

Mit Stand vom 03.04.2007 wies das Bundeszentralregister für den Kläger 15 Eintragungen auf, darunter unter anderem wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, fortgesetzten sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen, vorsätzlicher Körperverletzung, mehrfachen Diebstahls, mehrfachen Betruges und Erschleichens von Leistungen. Die letzte Eintragung stammt aus dem Jahr 2002.

9

Am 16.12.2005 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Er wolle in sein Heimatland zurückkehren und habe sich seit 1991 - zum Teil auch in Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde und dem Auswärtigen Amt - mehrfach um eine Rückkehr nach Kuba bemüht. Die kubanische Botschaft sehe ihn jedoch als Emigranten an und verweigere ihm die endgültige Rückkehr nach Kuba. Es sei ihm lediglich möglich, ein Touristenvisum zu erlangen.

10

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 14.11.2005 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

11

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung verweist sie auf den angefochtenen Bescheid. Ergänzend trägt sie vor, der Kläger habe kaum Integrationsleistungen erbracht. So habe er erheblich gegen die deutsche Rechtsordnung verstoßen; zuletzt durch seine erneute illegale Einreise nach Deutschland im Jahre 2004. Sie ist der Ansicht, den Kläger treffe ein Verschulden daran, dass Kuba sich nunmehr weigere ihn zurückzunehmen, da er seine Rückkehrberechtigung nicht verlängert habe. Die Beklagte ist darüber hinaus der Meinung, es könne von deutschen Behörden nicht erwartet werden, das völkerrechtswidrige Verhalten Kubas, seine eigenen Staatsangehörigen nicht zurückzunehmen, durch Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zu korrigieren. Dies könne sonst zu einer präjudiziellen Wirkung führen. Ferner dürfe das pflichtwidrige Versäumnis der Verlängerung der Rückkehrberechtigung nicht dazu führen, ihm nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Anderenfalls hätte es ein Ausländer selbst in der Hand, ein Ausreisehindernis zu schaffen und so an eine Aufenthaltserlaubnis zu gelangen.

13

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu der streitigen Erteilung einer Rückkehrberechtigung im Jahre 1993 sowie zu seinen derzeitigen Lebensumständen befragt worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist zulässig und begründet.

16

Der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Aufenthaltserlaubnis, so dass die Beklagte entsprechend zu verpflichten war (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

17

1. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG liegen vor. Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist (§ 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Eine Aufenthaltserlaubnis darf gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist.

18

Der Kläger ist gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG aufgrund seiner Einreise ohne Visum am 12.11.2004 vollziehbar ausreisepflichtig.

19

Seine Ausreise ist tatsächlich unmöglich.

20

Unter dem Begriff der Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG ist sowohl die zwangsweise Abschiebung, als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen. Nur wenn sowohl die Abschiebung, als auch die freiwillige Ausreise unmöglich sind, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift in Betracht. Eine freiwillige Ausreise ist unmöglich, wenn ihr Hindernisse entgegenstehen, die die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 27.06.2006, BVerwGE 126, 192 ff [BVerwG 27.06.2006 - BVerwG 1 C 14.05] ).

21

Die im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG erforderlichen Ausreisehindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, als auch aus zielstaatsbezogenen Gründen. Anhaltspunkte für inlandsbezogene Abschiebungsverbote bestehen vorliegend nicht. Es liegt jedoch ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis vor. Die Republik Kuba erkennt den Kläger zwar noch offiziell als ihren Staatsbürger an, er hat dort jedoch den Status eines Emigranten, da er keine Rückkehrberechtigung besitzt. Folge dessen ist die Weigerung Kubas, dem Kläger eine auf Dauer angelegte Rückkehrbewilligung zu erteilen bzw. ihn bei entsprechender Abschiebung aus Deutschland überhaupt zurückzunehmen. Dieses Verhalten Kubas ist zwar völkerrechtswidrig, führt jedoch zur Unmöglichkeit der Ausreise des Klägers. Diese Unmöglichkeit besteht - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht nur im Hinblick auf eine Abschiebung des Klägers, sondern auch bezüglich einer freiwilligen Ausreise. Ausreise im Sinne des § 25 AufenthG bedeutet, dass der Ausländer nicht nur in ein anderes Land einreisen kann, sondern auch die Möglichkeit besteht, dort einen nicht nur kurz befristeten Aufenthaltstitel zu erhalten. Die Einreise zu kurzfristigen Besuchszwecken reicht nicht aus (vgl. Burr, Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, § 25, Rn. 41 und 42). Der Auffassung der Beklagten, die Einreise und der kurzfristige Aufenthalt des Klägers im September 2004 in Kuba zeige, dass die Ausreise doch möglich ist, ist deshalb nicht zu folgen. Dem Kläger war nämlich nur ein Aufenthalt zu Besuchszwecken gestattet. Einen längeren Aufenthalt ließ die Republik Kuba nicht zu. Der gescheiterte Ausreiseversuch bestätigt vielmehr, dass die freiwillige Ausreise des Klägers unmöglich ist (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2003 - 13 S 2767/02 -, juris). Eine Änderung in der Haltung Kubas ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

22

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht unter dem Vorbehalt des § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG. Danach darf die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat die Unmöglichkeit der Ausreise in die Republik Kuba nicht zu vertreten. Ein Verschulden liegt dabei grundsätzlich nicht nur bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln im Sinne des § 276 BGB vor, sondern bereits dann, wenn ein Ausländer durch ein ihm zurechenbares pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für das seiner Abschiebung oder freiwilligen Ausreise entgegenstehende Hindernis gesetzt hat. Es ist an das festgestellte Ausreisehindernis anzuknüpfen. Verlangt wird insofern nicht nur Ursächlichkeit zwischen dem Verhalten des Ausländers und dem Ausreisehindernis, sondern auch ein vorwerfbares Verhalten (vgl. Burr, Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, § 25, Rn. 169). Vorwerfbar ist es in der Regel, wenn der Ausländer durch ein in seinem freien Willen stehendes Verhalten seine freiwillige Ausreise oder Abschiebung verhindert oder wesentlich erschwert hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, NVwZ 1999, 664 [BVerwG 24.11.1998 - 1 C 8/98]). Dabei obliegt es ihm, alles in seiner Kraft Stehende und Zumutbare dazu beizutragen, dass ein etwaiges Ausreisehindernis überwunden werden kann; insbesondere ist es Sache des Ausländers, sich rechtzeitig und in gebotenem Maße darum zu bemühen, Ausreisehindernisse zu beseitigen (vgl. BVerwG, a.a.O.).

23

Soweit die Beklagte argumentiert, der Kläger sei - als er in das Gebiet der ehemaligen DDR einreiste - zunächst im Besitz einer Rückkehrberechtigung nach Kuba gewesen und habe es dann nach Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik im November 1989 versäumt, sich um die Verlängerung oder Neuanerkennung seines uneingeschränkten Rückkehrrechts in sein Heimatland zu bemühen, vermag das Gericht darin nicht das für das Ausreisehindernis maßgebliche und vor allem vorwerfbare Verhalten des Klägers zu sehen.

24

Der Kläger reiste damals vor dem Hintergrund eines bilateralen Abkommens zwischen der Republik Kuba und der DDR in das Gebiet der ehemaligen DDR ein. Es ist davon auszugehen, dass er im Besitz einer Arbeitserlaubnis gewesen ist und damals ein uneingeschränktes Rückkehrrecht nach Kuba besessen hat. Im Nachhinein lässt sich jedoch nicht oder nur sehr schwer aufklären, welche Auswirkungen die Übersiedlung eines kubanischen Staatsbürgers von der - sich damals gerade in "Auflösung" befindlichen - DDR in die Bundesrepublik im Hinblick auf das Rückkehrrecht des kubanischen Staatsbürgers hatte. So ist insbesondere nicht bekannt, ob nach Übersiedlung in die Bundesrepublik das von Kuba eingeräumte Rückkehrrecht ohne weiteres verlängert werden konnte, ob es mit Verlassen des Gebiets der ehemaligen DDR ersatzlos erloschen war oder ob bei einer evtl. erforderlichen Neubeantragung vom Gebiet der Bundesrepublik aus mit relativer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden konnte, dass seitens der Republik Kuba ein derartiges - uneingeschränktes - Rückkehrrecht auch zugebilligt worden wäre.

25

Die genauen Umstände bzw. die für eine - ggf. weitere - Erteilung der damaligen Rückkehrberechtigung notwendigen Voraussetzungen können jedoch dahinstehen, da ein mögliches Fehlverhalten von damals dem Kläger, jedenfalls aus heutiger Sicht, schon nicht mehr vorgehalten werden kann.

26

Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass es selbst seitens des Gerichts oder der Beklagten nicht mehr nachvollzogen werden kann, welche Anforderungen und Pflichten damals an das Verhalten des Klägers zu stellen waren, um sich im Besitz einer Rückkehrberechtigung zu halten bzw. eine solche auch nach Übersiedlung in die Bundesrepublik zu erlangen. Wenn aber schon beim Feststellen der Anforderungen, die an das Verhalten des Klägers zu stellen waren, erhebliche Schwierigkeiten bestehen, dann kann dem Kläger schon wegen dieser damals - offensichtlich - bestehenden Unsicherheit jetzt nicht ein Fehlverhalten vorgeworfen werden.

27

Zudem wäre eine - sonst quasi lebenslange - Haftung für ein evtl. Fehlverhalten von vor annähernd 20 Jahren unbillig.

28

Ein Verschulden des Klägers kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger eine - so die Behauptung der Beklagten - im Jahre 1993 bestandene uneingeschränkte Rückkehrberechtigung nicht verlängert habe. Das Gericht hat erhebliche Zweifel, ob diese Rückkehrberechtigung überhaupt bestand.

29

In den Verwaltungsvorgängen finden sich zwar Hinweise, dass der Kläger im Jahre 1993 im Besitz einer Rückkehrberechtigung nach Kuba gewesen sein soll. So liegt u.a. ein Aktenvermerk des damals noch zuständigen Landkreises Northeim vom 19.7.1993 über ein Telefonat mit der Leiterin der Kubanischen Botschaft vor, wonach diese mitteilte, dem Kläger sei per Telex die Rückkehrberechtigung von Kuba aus erteilt worden. Andererseits ist dem Aktenvorgang auch zu entnehmen, dass eine vollumfängliche Rückkehrberechtigung in den Pass einzutragen sei. Eine solche Eintragung konnte jedoch seitens des Gerichts nicht festgestellt werden; es findet sich auch keine Kopie einer etwaigen Rückkehrberechtigung in den Akten. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zudem an, nie im Besitz einer solchen Rückkehrberechtigung gewesen zu sein.

30

Soweit die Mitteilung der kubanischen Botschaft so zu verstehen ist, dass der Kläger sich für die Erteilung einer Rückkehrberechtigung erst noch mit der kubanischen Botschaft in Verbindung setzen musste, liegt ebenfalls kein vorwerfbares Verhalten des Klägers vor. Es ergibt sich nämlich nicht, dass dem Kläger überhaupt mitgeteilt wurde, dass er sich bei der kubanischen Botschaft zu melden habe. Ausweislich des gesamten Verwaltungsvorgangs ist der Kläger jeder Aufforderung der Ausländerbehörde stets nachgekommen. Deshalb ist die Aussage des Klägers, er habe im Jahr 1993 eine entsprechende Aufforderung nicht bekommen, glaubhaft. Gestützt wird dies dadurch, dass die damalige Ausländerbehörde nach dem Schriftverkehr im Herbst 1993 selbst davon ausgegangen ist, dem Kläger sei eine Rückkehrberechtigung direkt von den kubanischen Behörden ausgestellt worden. Die Vorlage dieser Rückkehrberechtigung ist von dem Kläger allerdings nie verlangt worden.

31

Wegen der fehlenden Rückkehrberechtigung kann dem Kläger nicht eine mögliche Nichtverlängerung vorgeworfen werden. Es fehlt insofern schon am Bezugsobjekt für ein mögliches Verschulden.

32

Sofern die Beklagte vorträgt, sie sehe ein Verschulden des Klägers jedenfalls darin, dass dieser trotz bestehender Abschiebungsverfügung der Beklagten nach seiner Ausreise im September 2004 dennoch wieder nach Deutschland eingereist ist, so ist dem nicht zu folgen. Der Kläger hat nämlich durch seine Wiedereinreise nicht ein Ausreisehindernis geschaffen. Das Ausreisehindernis besteht vielmehr in der Weigerung Kubas, den Kläger als seinen Staatsbürger wieder zurückzunehmen. Diese Weigerung ist nicht durch die - wenn auch unberechtigte - Wiedereinreise des Klägers nach Deutschland bedingt. Dem Kläger blieb angesichts der "Ausweisung" aus Kuba faktisch gar keine andere Möglichkeit, als wieder nach Deutschland zurückzureisen. Ein Verschulden im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG liegt darin nicht.

33

Die Voraussetzungen nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 3 AufenthG sind damit erfüllt. Die Abschiebung des Klägers ist seit mehr als 18 Monaten ausgesetzt, so dass ihm nach § 25 Abs. 5 Satz 2 die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll. Mit dieser Sollvorschrift ist ein Rechtsgrund begründet, sofern nicht atypische Verhältnisse im Einzelfall gegeben sind (Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 25 Rn. 37). Sofern die Beklagte vorträgt, der Kläger nehme öffentliche Leistungen in Anspruch und sei nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, begründet dies keinen atypischen Fall. Zum einen ist die Abhängigkeit von öffentlichen Leistungen geduldeter Ausländer keine Besonderheit, zum anderen hat sich der Kläger nachweislich vergeblich um eine Arbeitserlaubnis bemüht. Es kann ihm deshalb nicht vorgeworfen werden, er könne seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten. Da der Kläger auf absehbare Zeit nicht nach Kuba ausreisen kann, würde er bei Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis weiter geduldet werden. Dies und die bereits seit 1997 fortlaufend ausgesprochenen Duldungen sprechen vielmehr für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, da diese gesetzliche Regelung gerade jahrelange Kettenduldungen verhindern soll.

34

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

35

2. Die mit Bescheid der Beklagten vom 14.11.2005 ausgesprochene Ausweisung ist rechtswidrig.

36

Rechtsgrundlage wäre § 54 Nr. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Tatbestand liegt hier unzweifelhaft vor. Der Kläger ist wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe ist nicht zur Bewährung ausgesetzt worden. So wurde er u.a. vom Amtsgericht Göttingen am 22.08.2001 wegen Diebstahls und Erschleichens von Leistungen in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung und vom selben Gericht am 09.04.2002 wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt, wobei aus diesen Strafen nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten gebildet worden ist.

37

Vorliegend sind jedoch besondere Umstände gegeben, die eine Abweichung vom Regelfall begründen. Der Kläger ist einerseits ausweislich des Bundeszentralregisterauszugs seit seiner Tat vom 06.08.2001 - trotz seiner schwierigen aufenthaltsrechtlichen Situation - nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Das spricht dafür, dass er sich die Sanktionen des Strafrechts hat zur Warnung dienen lassen. Andererseits weicht der vorliegende Fall schon insoweit von einem Normalfall ab, als es eben nicht typisch ist, dass ein Staat sich völkerrechtswidrig weigert, seine eigenen Staatsangehörigen wieder zurückzunehmen und es daher für den Betroffenen unmöglich ist, in sein Land zurückzukehren. Im Falle eines derartigen für einen unüberschaubaren Zeitraum bestehenden Abschiebungs- bzw. Ausreisehindernisses kann eine atypische Konstellation angenommen werden (vgl. Discher, Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, § 54 Rn. 127 ff.). Diese Sachlage in Verbindung mit der langen Straffreiheit des Klägers lässt das grundsätzlich bestehende spezial- und generalpräventive Ausweisungsinteresse zurück stehen und rechtfertigt vorliegend die Aufhebung der Ausweisung.

38

3. Da dem Kläger nach Aufhebung der Ausweisung ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusteht, kann auch die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ihm gegenüber keinen Bestand haben.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.