Landgericht Verden
Urt. v. 12.08.2002, Az.: 4 O 69/01

Beweislastverteilung bei einem Anspruch auf Zahlung eines Architektenhonorars; Notwendigkeit einer schriftlichen Vereinbarung bei einer Abweichung von den Honorarermittlungen der HOAI; Anspruch auf die übliche Vergütung bei Fehlen einer Pauschalpreisvereinbarung

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
12.08.2002
Aktenzeichen
4 O 69/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 32069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGVERDN:2002:0812.4O69.01.0A

Fundstellen

  • BauR 2004, 724 (amtl. Leitsatz)
  • GuG aktuell 2004, 39
  • IBR 2004, 149

In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden
auf die mündliche Verhandlung vom
durch
den Richter ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Verden vom ... wird aufgehoben und die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 33.858,91 € (66.222,28 DM) zu zahlen.

Die Kläger haben die durch ihre Säumnis im Termin am ... entstandenen Kosten und die außergerichtlichen Kosten der Erstbeklagten zu tragen. Im Übrigen haben die Kosten des Rechtsstreits die Kläger zu 14 % und die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu 86 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger und die Beklagte zu 1) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Im Übrigen können die Kläger die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2) und 3) zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren restlichen Architektenwerklohn von den Beklagten.

2

Am ... schlossen die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundenen Beklagten zu 2) und 3) mit dem Kläger zu 1) einen schriftlichem Architektenvertrag, indem der Kläger zu 1) mit den Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 nach § 15 Abs. 2 HOAI für den Neubau eines Autohauses mit Werkstatt und Lager in ... beauftragt wurde. Dabei wurde die Honorarzone 3 sowie als Honorarsatz der Höchstsatz vereinbart. Auch beauftragten die Beklagten zu 2) und 3) den Kläger zu 1) zusätzlich mit den Leistungsphase 5 bis 9. Bei Gründung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) brachte der Kläger zu 1) seine Forderungen gegen die Beklagten aus dem Architektenvertrag in das Gesellschaftsvermögen ein.

3

Nach ordnungsgemäßer Ausführung der Leistungsphasen 1 bis 8 stellten die Kläger den Beklagten am eine Schlussrechnung in Höhe von insgesamt 245.551,12 DM. Hiervon brachten die Kläger 168.529,51 DM, die die Beklagten bereits als Abschlag bezahlt hatten, in Abzug, so dass ein Rechnungsbetrag in Höhe von 77.021,61 DM verblieb. Am ... hatten die Beklagten weitere 10.799,33 DM an die Kläger gezahlt, die die Kläger zunächst nicht verrechneten. Die Beklagten bezahlten die Rechnung nicht.

4

Die Kläger behaupten, die Beklagten zu 2) und 3) hätten sie auf Grundlage des Architektenvertrages vom ... auch mit den Leistungsphasen 5 bis 9 beauftragt. Dies ergebe sich aus der Auftragsbestätigung vom ... Ein Pauschalpreis über 163.716,00 DM (netto) für alle Leistungsphasen sei am ... zwischen den Parteien nicht vereinbart worden Dies ergebe sich bereits aus dem schriftlichen Architektenvertrag, der nur von den Leistungsphasen 1 bis 4 spreche. Sie meinen, der schriftliche Vertrag der Parteien enthalte mindestens die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit.

5

Auf Antrag der Kläger ist am ... ein Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte zu 1) erlassen worden, mit dem diese verurteilt worden ist, an die Kläger 77.021,61 DM zuzüglich 8 % Zinsen ab dem ... zu zahlen. Gegen diesen Vollstreckungsbescheid, der der Beklagten zu 1) am ... zugestellt worden ist, hat sie mit einem am ... bei Gericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Einspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom ... haben die Kläger die Klage auf die Beklagten zu 2) und 3) erweitert. In der mündlichen Verhandlung vom ... haben die Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 1) zurückgenommen. Des Weiteren haben sie gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) die Klage in Höhe von 10.779,33 DM zurückgenommen. Auf Antrag der Beklagten zu 2) und 3) ist am ... ein Versäumnisurteil erlassen worden, mit dem die Klage abgewiesen wurde. Gegen dieses Versäumnisurteil, das den Klägern am ... zugestellt worden ist, haben sie mit einem am ... bei Gericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz Einspruch eingelegt und diesen begründet.

6

Die Kläger beantragen nunmehr,

  1. 1.

    das Versäumnisurteil vom ... aufzuheben,

  2. 2.

    den Vollstreckungsbescheid vom ... mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass die Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner zur Zahlung von 66.228,28 DM an die Kläger als Gesamtgläubiger verurteilt werden.

7

Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

8

Sie behaupten, die Parteien hätten am ... bezüglich aller 9 Leistungsphasen einen Festpreis in Höhe von 163.716,00 DM/netto vereinbart, der von den Beklagten unstreitig gezahlt worden ist. Im Übrigen sei die Schlussrechnung der Kläger vom ... unzutreffend. Die Beklagten zu 2) und 3) meinen, die Honorarvereinbarung müsse sich innerhalb der Honorarzonen der HOAI - also zwischen Mindest- und Höchstsatz - bewegen. Da ausweislich des schriftlichen Vertrages vom ... nur eine Honorarvereinbarung bezüglich der Leistungsphasen 1 bis 4 existiere (Höchstsatz der Honorarzone 3), erhielten die Kläger für die Leistungsphasen 5 bis 9 nur das Mindesthonorar der Honorarzone 3.

9

Die Kläger tragen insoweit vor, dass das Bauvorhaben insgesamt in die Honorarzone 4 einzuordnen sei. Die Mindestsätze dieser Honorarzone entsprächen den Höchstsätzen der Honorarzone 3. Aus diesem Grunde seien die Kläger berechtigt, die Höchstsätze der Honorarzone 3 bzw. die Mindestsätze der Honorarzone 4 zu fordern.

10

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und ... sowie durch Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. ... Wegen des Beweisthemas und Beweisergebnisses wird verwiesen auf die prozessleitende Verfügung vom ... den Beweisbeschluss vom ... die Sitzungsniederschriften vom ... und ... sowie das Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. ... vom ...

11

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Der zulässige Einspruch ist begründet. Die zulässige Klage ist begründet.

13

1.

Aufgrund des Einspruchs der Kläger gegen das Versäumnisurteil vom ... ist der Prozess in die Lage vor Erlass des Versäumnisurteils zurückversetzt worden (§ 342 ZPO). Der Einspruch ist nämlich zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 338 ff. ZPO eingelegt worden.

14

2.

Über Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte zu 1) hatte das Gericht nicht mehr zu entscheiden. Nachdem die Kläger im Termin vom ... die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 1) zurückgenommen haben, ist die Rechtshängigkeit der Klage insoweit rückwirkend entfallen. Das Gericht brauchte sich daher auch nicht mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... ordnungsgemäß ergangen ist bzw. ob der Beklagten zu 1) Wiedereinsetzung bezüglich der Versäumung der Widerspruchsfrist zu gewähren wäre.

15

Da es vorliegend nicht mehr um Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) geht, war der Klageantrag der Kläger dahin auszulegen, dass sie nicht die Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides vom ... begehren sondern nur noch die Aufhebung des Versäumnisurteils vom ... und die Verurteilung der Beklagten zu 2) und 3) zur Zahlung von 66.222,28 DM. Dass ihr Antrag in diesem Sinne auszulegen war, ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll vom ... aus dem dieses Rechtsschutzziel der Kläger deutlich wird.

16

3.

Den Klägern steht ein Anspruch auf Zahlung von 66.222,28 DM gegen die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner aus § 631 BGB zu.

17

a)

Die Parteien haben am ... einen Architektenvertrag bezüglich der Leistungsphasen 1 bis 4 geschlossen. Dass dabei auch die Leistungsphasen 5 bis 9 beauftragt worden sind und dass insgesamt ein Pauschalpreis in Höhe von 163.716 DM/netto für alle Leistungsphasen vereinbart worden ist, konnten die beweisbelasteten Beklagten nicht darlegen und beweisen. Zwar ist grundsätzlich der Werkunternehmer, der die übliche Vergütung begehrt, darlegungs- und beweisbelastet für die Tatsache, dass die vom Besteller behauptete Pauschalpreisvergütung nicht vereinbart worden ist; vgl. Palandt/Sprau, § 632, Rn. 11. Zu Gunsten der Kläger streitet vorliegend jedoch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des schriftlichen Architektenvertrages vom .... In diesem sind ausdrücklich nur die Leistungsphasen 1 bis 4 zwischen den Parteien vereinbart worden. Darüber hinaus ist als Honorar insoweit der Höchstsatz der Honorarzone 3 vereinbart worden. Anhaltspunkte für die Behauptung der Beklagten zu 2) und 3), man habe bereits am ... für alle 9 Leistungsphasen einen Pauschalpreis von 163.716,00 DM/netto vereinbart, enthält der schriftliche Vertrag nicht. Vielmehr ergibt sich aus ihm das Gegenteil. Des Weiteren folgt aus §§ 4, 4 a HOAI, dass schriftliche Abweichungen von den Honorarermittlungen der HOAI einer schriftlichen Vereinbarung bedürfen, die zwischen den Parteien nicht gegeben ist. Aus diesen Gründen kehrt sich vorliegend die Beweislast in der Weise um, dass die Beklagten zu 2) und 3) für eine Pauschalpreisvereinbarung die Darlegungs- und Beweislast trifft. Diese Tatsache konnten die Beklagten zu 2) und 3) jedoch zur Überzeugung des Gerichtes nicht beweisen. Zwar spricht das Schreiben der Kläger vom ... davon, dass sich das gesamte Honorar auf 163.716,00 DM/netto beläuft. Auch hat der Zeuge ... in der Beweisaufnahme vom ... bekundet, dass der Beklagte zu 2) sehr deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass es ihm darauf ankomme, von vornherein die Kosten für die Architektenleistung abschätzen zu können. Er habe daher einen Festpreis vereinbaren wollen. Der Kläger zu 1) habe ihm, dem Zeugen, und dem Beklagten zu 2) im Termin vom ... anhand der Honorartafel und der HOAI erklärt, wie sich ein Architektenhonorar zusammensetze. Ihnen beiden sei bewusst gewesen, dass das Honorar letztlich im Prinzip offen sei, wenn man sich nicht im Vorfeld einige. Der Beklagte zu 2) habe deshalb auf einen Festpreis bestanden, den der Kläger zu 1) letztlich akzeptiert habe. Es sei dann unter Bezugnahme auf die durch die Schätzung festgestellte Summe von 1,6 Mio DM anhand der Honorartafel der Festpreis von gut 163.000,00 DM vereinbart worden. Der Zeuge räumte jedoch selbst ein, dass es in der Tat sinnvoll gewesen wäre, dies schriftlich festzuhalten. Die Aussage des Zeugen widerspricht in großen Teilen den Angaben des Zeugen ... Dieser bekundete in der Beweisaufnahme vom ... dass die Beklagten zu 2) und 3) bei der Besprechung am ... lediglich die Leistungsphasen 1 bis 4 in Auftrag gegeben hätten. Ob und inwieweit über die Vergütung der Architektenleistung gesprochen worden sei, konnte der Zeuge nicht mehr sagen. Er erinnerte sich jedoch daran, dass als Bezugnahme nach der Kostenschätzung 1,6 Mio zugrundegelegt worden seien und zur Orientierung auch einmal der Gesamtvergütungsbetrag für sämtliche Leistungen errechnet worden sei. Der Zeuge bekundete jedoch weiter, dass ein Festpreis nicht vereinbart worden sei. Es sei nicht darüber gesprochen worden, dass ein Festpreis für das Architektenhonorar vereinbart werden sollte. Mit der Kostenschätzung sei ein Kostenrahmen festgelegt worden. Der Beklagte zu 2) habe erklärt, dass dieser nicht überschritten werden dürfte, da die Finanzierung feststehe. Weiter bekundete der Zeuge, dass die Beklagten zu 2) und 3) von Anfang an deutlich gemacht hätten, dass sie ein bestimmtes Buget nicht überschreiten wollten und konnten. Ein Festpreis für das Architektenhonorar sei jedoch nach seiner Erinnerung ganz sicher nicht vereinbart worden. Aufgrund dieser beiden Zeugenaussagen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass ein Festpreis vereinbart worden ist. Vielmehr steht insoweit Aussage gegen Aussage. Für das Gericht ist kein Grund ersichtlich, warum ein Zeuge glaubwürdiger sein sollte als der andere. Vielmehr haben beide Zeugen ihre Aussagen in sich schlüssig und detailreich gemacht. Auch steht jeder Zeuge im Lager einer Partei, so dass auch insoweit keine Aussage glaubhafter ist. Aufgrund dieser Umstände hatte eine Non-liquet-Entscheidung zu ergehen, die nach den obigen Ausführungen zur Beweislast zu Lasten der Beklagten zu 2) und 3) ausfallen musste.

18

b)

Da die Beklagten das Gericht nicht von einer Pauschalpreisvereinbarung bezüglich aller 9 Leistungsphasen überzeugen konnten, greift zu Gunsten der Kläger die Auslegungsregel des § 632 Abs. 2 BGB ein. Die Kläger können somit die übliche Vergütung beanspruchen. Hierbei handelt es sich um die Vergütung nach HOAI. Dabei ist die Schlussrechnung der Kläger vom ... zur Überzeugung des Gerichtes zutreffend. Hinsichtlich der Addition der einzelnen Positionen erheben die Beklagten selbst keine Einwände. Soweit sie jedoch vortragen, dass die einzelnen Positionen falsch berechnet sein sollen, da die Kläger lediglich den Mindestsatz aus Honorarzone 3 beanspruchen können, irren sie. Der Sachverständige ... hat zur Überzeugung des Gerichts eindeutig festgestellt, dass vorliegend ein Bauvorhaben der Honorarzone 4 vorliegt. Insoweit entspricht das Mindesthonorar der Stufe 4 dem Höchsthonorar der Zone 3. Die Ausführungen des Sachverständigen waren für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig. Der Sachverständige hat die Einordnung des Bauvorhabens in Stufe 4 aufgrund einer Zielbaummethode entwickelt. Bei dieser handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten um eine in der Rechtsprechung vielfach als geeignet angesehene Methode zur Erläuterung gutachterlicher Ergebnisse (vgl. u.a. OLG Stuttgart, Baurecht 1989, S. 611; OLG Stuttgart, Baurecht 1994, S. 519). Aus Sicht des Gerichts zeichnet sich das Gutachten des Weiteren durch Präzision und Transparenz aus. Es ist im Ergebnis richtig und kann einer Entscheidung ohne weiteres zugrunde gelegt werde. Danach schulden die Beklagten zu 2) und 3) den Klägern ein Honorar in Höhe von insgesamt 245.551,12 DM. Da die Beklagten bislang 179.328,84 DM auf die offene Schlussrechnung der Kläger geleistet haben, ist noch eine Summe von 66.222,28 DM offen. Hierbei handelt es sich um die Klagesumme. Diese haben die Beklagten zu 2) und 3) an die Kläger noch zu zahlen.

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4.

Zinsansprüche machen die Kläger gegen die Beklagten zu 2) und 3) ausweislich der zur Auslegung herangezogenen Sitzungsniederschrift vom ... (Bl. ... nicht geltend.

20

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 269 Abs. 2 S. 2, 344 ZPO, wobei eine gesamtschuldnerische Haftung der Kläger in Bezug auf die Kosten nicht in Betracht kommt; vgl. Baumbach/Hartmann, § 100, Rn. 47. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Satz 1 und 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.