Landgericht Verden
v. 11.04.2002, Az.: 5 O 512/01

Auskunftsanspruch gegen Verwalter bei verlängertem Eigentumsvorbehalt

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
11.04.2002
Aktenzeichen
5 O 512/01
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 2002, 28989
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGVERDN:2002:0411.5O512.01.0A

Redaktioneller Leitsatz

Die für den Bereich der Globalzession entwickelten Grundsätze der Übersicherung sind auch auf die Verwertung von Forderungen, welche unter verlängertem Eigentumsvorbehalt stehen, anzuwenden.

Tatbestand

1

Der Beklagte ist mit Wirkung zum 14.12.2000 zum Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma H. GmbH & CO. KG bestellt worden.

2

Die Klägerin besaß im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Forderungen gegen die H GmbH & Co. KG i.H.v. 1.219.008,32 DM auf Grund diverser Warenlieferungen. Die Klägerin und die Gemeinschuldnerin hatten in ihren Verträgen für die Klägerin umfangreiche Sicherungsrechte in Form des verlängerten Eigentumsvorbehaltes vereinbart.

3

Der Beklagte verwertete im Rahmen des Insolvenzverfahrens einen Teil der Waren, auf die sich der verlängerte Eigentumsvorbehalt der Klägerin bezog, soweit, bis er einen Erlös i.H.d. gesicherten Forderung der Klägerin erzielt hatte. Die Parteien hatten vereinbart, dass von dem Nettoverkaufserlös ein Abzug von insgesamt 29 % vorgenommen werden sollte. Dieser Prozentsatz setzte sich zusammen aus 5 % für eventuelle Drittrechte an Warenbeständen, die nicht über die Klägerin bezogen worden waren, aus 15 % für die Verwertungskosten sowie aus 9 % gemäß den Kostenbeitragsregelungen der InsO für den Feststellungs- und Verwertungskostenbeitrag. Der Beklagte hatte die Verwertungsvereinbarung mit Schreiben v. 13.10.2000 bestätigt, in dem es u.a. heißt: "Abschließend wird ferner bestätigt, dass die vorstehende Vereinbarung im Umfange der Sicherungsrechte der E/D/E Einkaufsbüro Deutscher Eisenhändler GmbH, Wuppertal, gilt." Er zahlte an die Klägerin auf Grund der Verwertung insgesamt 1.006.745,64 DM aus, so dass eine Restforderung der Klägerin i.H.v. 212.262,68 DM offen steht.

4

Der Beklagte lehnte in der Folge eine Verwertung weiterer noch bestehender Sicherungsgegenstände aus dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Klägerin zugunsten dieser mit der Begründung ab, dass für den Fall, dass die aus der Verwertung von Sicherungsgut erzielten Nettoerlöse die Höhe der gesicherten Forderungen des absonderungsberechtigten Gläubigers erreichten, die Absonderungsrechte damit erledigt seien. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin bisher nicht in voller Höhe ihrer Forderung befriedigt ist, wobei noch nicht alle Waren, die unter dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Klägerin stehen, verwertet worden sind.

5

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr weiter der anteilige Erlös aus der Verwertung der noch offenen Forderungen, die durch einen verlängerten Eigentumsvorbehalt gesichert sind, zustehe, wobei der Klägerin unstreitig nicht bekannt ist, ob und inwieweit eine Verwertung insoweit zwischenzeitlich erfolgt ist.

6

Soweit noch Forderungen, welche Sicherungsrechte der Klägerin seien, bestünden und dann verwertet würden, könne die Klägerin verlangen, dass sie abzgl. der 29 % für die Verwertungskosten so lange befriedigt werde, bis entweder keine Sicherungsrechte mehr bestünden oder aber die Forderung insgesamt erfüllt sei. Die Rechtsauffassung der Beklagten führe dazu, dass Sicherungsrechte, die eigentlich für die Klägerin beständen, zur Masse gezogen würden, obwohl die Klägerin noch nicht vollständig befriedigt sei.

7

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den derzeitigen Stand der von ihm durchgeführten Verwertung der an die Klägerin sicherungszedierten Forderungen in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma H. GmbH & Co. KG ... zu erteilen,

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin den nach Erteilung der Auskunft noch zu beziffernden Erlös aus der Verwertung der sicherungszedierten Forderungen herauszugeben.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er ist der Auffassung, dass die InsO im Gegensatz zur ehemaligen KO nunmehr regele, dass aus dem Verwertungserlös vorweg die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstandes für die Insolvenzmasse zu entnehmen seien. Damit solle erreicht werden, dass die Masse nicht mehr als unbedingt nötig belastet werde.

10

Es sei ein Verwertungserlös erzielt worden, der über der Forderung der Klägerin gelegen habe, war auch unstreitig ist. Hieraus sei der Klägerin der Forderungsbetrag abzgl. der Kostenbeteiligung ausgezahlt worden, so dass die Klägerin vollständig befriedigt sei. Dies führe dazu, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für den Ausnahmeanspruch und den Herausgabeanspruch nicht bestehe.

11

Die Entscheidung des BGH zur zulässigen Übersicherung bei Globalzessionen (BGH, ZIP 1998, 235 ff.) könne nicht auf diesen Rechtsstreit übertragen werden, weil die Klägerin im Unterschied zum Globalsicherungsnehmer nicht alleinige Sicherungsnehmerin sei. Das Erachten einer Übersicherung für zulässig würde in diesem Fall zu einer Benachteiligung nachrangiger Gläubiger der Gemeinschuldnerin führen.

12

Außerdem sei im Gegensatz zum der BGH- Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsstreit zwischen den Parteien eine ausdrückliche Verwertungsvereinbarung getroffen worden. Hierbei habe man sich darauf geeinigt, beim Abverkauf der Altware und beim Forderungseinzug vom vereinnahmten Erlös i.H.d. gesicherten Forderung zunächst einen Abzug von 20 % für Drittrechte und Verwertungskosten vorzunehmen. Allein auf Grund dieser Vereinbarung könne die Klägerin eine weitere Befriedigung nicht verlangen.

13

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorgetragenen Inhalte ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist zulässig und hinsichtlich des Antrags zu 1. begründet.

15

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Auskunftserteilung bezogen auf den derzeitigen Stand der vom Beklagten durchgeführten Verwertung im Hinblick auf die an die Klägerin sicherungszedierten Forderungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma H. GmbH & Co. KG gem. § 50 InsO i.V.m. § 242 BGB.

16

Unstreitig ist, dass die Klägerin noch Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin hat, welche noch nicht befriedigt sind. Unstreitig ist darüber hinaus weiter, dass zum Zeitpunkt der Auszahlung des Beklagten an die Klägerin weitere Warenbestände bei der Gemeinschuldnerin vorhanden waren, die ebenfalls unter dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Klägerin standen. Inwieweit diese Waren verwertet worden sind, ist der Klägerin nicht bekannt.

17

Die Behauptung des Beklagten, man habe sich durch Abschluss der Verwertungsvereinbarung darauf geeinigt, dass zur Befriedigung der Klägerin nur Waren bis zu einem Erlös i.H.d. gesicherten Forderung verwertet werden sollten, trifft unter Berücksichtigung des Wortlautes der Vereinbarung nicht zu. Eine irgendwie geartete Begrenzung der Warenverwertung ist gerade nicht vereinbart worden, sondern es wird seitens des Beklagten sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung im Umfang der Sicherungsrechte und damit nicht nur im Umfang der gesicherten Forderung der Klägerin gilt.

18

Allein dies spricht bereits dafür, dass eine weitere Verwertung der unter verlängertem Eigentumsvorbehalt der Klägerin stehenden Waren dieser abzgl. weiterer Verwertungskosten zumindest bis zu einer bestimmten Grenze zugute kommen muss.

19

Das Gericht hält dieses Ergebnis aber auch noch im Hinblick auf die folgenden Erwägungen für richtig:

20

Für den Bereich der Globalzessionen sind von der höchstrichterlichen Rechtsprechung Grundsätze dazu entwickelt worden, inwieweit der durch Globalzessionen gesicherte Gläubiger in den Grenzen des § 138 BGB den ihm nach § 170 InsO auferlegten Kostenbeitrag grds. durch eine ausreichende Bemessung der Sicherheit oder durch eine Anpassung der Höhe des Kreditbetrages auffangen kann. Danach ist anerkannt, dass zur Absicherung der im Insolvenzverfahren anfallenden Verwertungskosten eine Übersicherung dann zulässig ist, wenn der im Verwertungsfall realisierbare Wert des Sicherungsgegenstandes die gesicherte Forderung um nicht mehr als 10 % übersteigt, wobei für auszugleichende Umsatzsteuer ein entsprechender Aufschlag vorzusehen ist (BGH, a.a.O.).

21

Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Grundsatz nicht nur für den Bereich der Globalzessionen, sondern auch bei der Verwertung von Forderungen, welche unter verlängertem Eigentumsvorbehalt stehen, anzuwenden ist.

22

Es hält die Interessenlagen eines Gläubigers, der durch eine Globalzession gesichert ist, für vergleichbar mit der eines Gläubigers, der im Wege eines verlängerten Eigentumsvorbehalts gesichert ist. Beide Gläubiger haben ein Interesse daran, ihre Forderung möglichst umfassend zu befriedigen, wozu wegen des Abzugs der Verwertungskosten eine Übersicherung zwangsläufig erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine Interessenkollision, wie sie zwischen dem gesicherten Gläubiger und den nachrangigen Gläubigern besteht, auch im Falle Globalzession denkbar, da diese eine eventuelle Mehrheit von Gläubigern nicht zwingend ausschließt.

23

Zu berücksichtigen ist weiter, dass im Gegensatz zum Globalsicherungsnehmer die Klägerin hier nach Meinung der Kammer sogar noch schutzwürdiger deshalb ist, weil es sich bei den Gegenständen, die als Sicherung dienen, um die eigenen Waren der Klägerin handelt. Soweit diese verwertet werden, muss es der Klägerin ermöglicht werden, den Erlös bis zur Höhe der zulässigen Übersicherung zur Befriedigung ihrer Forderung zu verwenden.

24

Entscheidend ist für das Gericht vor allem aber die Erwägung, dass die von der Rechtsprechung bis zu einer bestimmten Höhe für zulässig erachtete Möglichkeit der Übersicherung für den gesicherten Gläubiger nutzlos wäre, wenn er hiervon im Rahmen des Insolvenzverfahrens keinen Gebrauch machen könnte. Denn allein hier benötigt er eine Übersicherung, um die im Verfahren anfallenden Kosten ohne Einbußen hinsichtlich der Forderung abzudecken.

25

Aus diesem Grund muss die Klägerin aus der Verwertung der noch weiter bestehenden Sicherungsrechte abzgl. der weiter entstehenden Verwertungskosten so lange befriedigt werden, wie entweder Sicherungsrechte unter Berücksichtigung der zulässigen Übersicherung bestehen oder aber die Klägerin tatsächlich vollständig befriedigt ist.

26

Dem Antrag der Klägerin zu 1.) war daher stattzugeben, mit der Folge, dass der Beklagte zur Auskunftserteilung hinsichtlich der Verwertung der weiteren Forderungen, welche unter dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Klägerin stehen, verpflichtet ist.