Landgericht Verden
v. 25.04.2002, Az.: 5 O 512/01
Anspruch auf Auskunftserteilung bezogen auf den derzeitigen Stand der vom Beklagten durchgeführten Verwertung im Hinblick auf die an die Klägerin sicherungszedierten Forderungen im Insolvenzverfahren; Vereinbarung einer Begrenzung der Warenverwertung; Vereinbarung im Umfang der Sicherungsrechte und damit nicht nur im Umfang der gesicherten Forderung; Verwertung der unter verlängertem Eigentumsvorbehalt der Klägerin stehenden Waren; Zulässigkeit einer Übersicherung
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 25.04.2002
- Aktenzeichen
- 5 O 512/01
- Entscheidungsform
- Teilurteil
- Referenz
- WKRS 2002, 28727
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2002:0425.5O512.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 50 InsO
- § 242 BGB
- § 138 BGB
- § 170 InsO
Fundstelle
- ZInsO 2002, 924-926 (Urteilsbesprechung von RA Markus Heeseler)
Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2002
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Heuken-Bethmann,
den Richter am Landgericht Kaemena und
die Richterin Krüger
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den derzeitigen Stand der von ihm durchgeführten Verwertung der an der Klägerin sicherungszedierten Forderungen in dem Insofvenzverfahren über das Vermögen der Firma Herbert Wöhl GmbH & Co. KG, Brockeler Straße 1, 27356 Rotenburg/Wümme, zu erteilen. I
- 2.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
Der Beklagte ist mit Wirkung zum 14. Dezember 2000 zum Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma Herbert Wohl GmbH & Co. KG gestellt worden.
Die Klägerin besaß im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Forderungen gegen die Herbert Wohl GmbH & Co. KG in Höhe von 1.219.008,32 DM aufgrund diverser Warenlieferungen. Die Klägerin und die Gemeinschuldnerin hatten in ihren Verträgen für die Klägerin umfangreiche Sicherungsrechte in Form des verlängerten Eigentums Vorbehaltes vereinbart.
Der Beklagte verwertete im Rahmen des Insolvenzverfahrens einen Teil der Waren, auf die sich der verlängerte Eigentumsvorbehalt der Klägerin bezog, soweit, bis er einen Erlös in Höhe der gesicherten Forderung der Klägerin erzielt hatte. Die Parteien hatten vereinbart, dass von dem Nettoverkaufserlös ein Abzug von insgesamt 29 % vorgenommen werden sollte. Dieser Prozentsatz setzte sich zusammen aus 5 % für eventuelle Drittrechte an Warenbeständen, die nicht über die Klägerin bezogen worden waren, aus 15 % für die Verwertungskosten sowie aus 9 % gemäß den Kostenbeitragsregelungen der Insolvenzordnung für den Feststellungs- und Verwertungskostenbeitrag. per Beklagte hatte die Verwertungsvereinbarung mit Schreiben vom 13.10.2000 bestätigt, ' in dem es u.a. heißt: "Abschließend wird ferner bestätigt, dass die vorstehende Vereinbarung im Umfange der Sicherungsrechte der E/D/E Einkaufsbüro Deutscher Eisenhändler GmbH, Wuppertal, gilt." Er zahlte an die Klägerin aufgrund der Verwertung insgesamt 1.006,745,64 DM aus, so dass eine Restforderung der Klägerin in Höhe von 212.262,68 DM offen steht.
Der Beklagte lehnte in der Folge eine Verwertung weiterer noch bestehender Sicherungsgegenstände aus dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Klägerin zugunsten dieser mit der Begründung ab, dass für den Fall, dass die aus der Verwertung von Sicherungsgut erzielten Nettoerlöse die Höhe der gesicherten Forderungen des absonderungsberechtigten Gläubigers erreichten, die Absonderungsrechte damit erledigt sein. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin bisher nicht in voller Höhe ihrer Forderung befriedigt ist, wobei noch nicht alle Waren, die unter dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Klägerin stehen, verwertet worden sind.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr weiter der anteilige Erlös aus der Verwertung der noch offenen Forderungen, die durch einen verlängerten Eigentumsvorbehalt gesichert sind, zustehe, wobei der Klägerin unstreitig nicht bekannt ist, ob und inwieweit eine Verwertung insoweit zwischenzeitlich erfolgt ist.
Soweit noch Forderungen, welche Sicherungsrechte der Klägerin seien, bestünden und dann verwertet würden, könne die Klägerin verlangen, dass sie abzüglich der 29 % für die Verwertungskosten so lange befriedigt werde, bis entweder keine Sicherungsrechte mehr bestünden, oder aber die Forderung insgesamt erfüllt sei. Die Rechtsauffassung der Beklagten führe dazu, dass Sicherungsrechte, die eigentlich für die Klägerin beständen, zur Masse gezogen würden, obwohl die Klägerin noch nicht vollständig befriedigt sei.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den derzeitigen Stand der von ihm durchgeführten Verwertung der an die Klägerin sicherungszedierten Forderungen in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma Herbert Wohl GmbH & Co. KG, Brockeier Straße 1, 27356 Rotenburg/Wümme, zu erteilen,
- 2.
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin den nach Erteilung der Auskunft ; noch zu beziffernden Erlös aus der Verwertung der sicherungszedierten Forderungen herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Insolvenzordnung im Gegensatz zur ehemaligen Konkursordnung nunmehr regele, dass aus dem Verwertungserlös vorweg die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstandes für die Insolvenzmasse zu entnehmen seien. Damit solle erreicht werden, dass die Masse nicht weiter als unbedingt nötig belastet werde.
Es sei ein Verwertungserlös erzielt worden, der über der Forderung der Klägerin gelegen habe, was auch unstreitig ist. Hieraus sei der Klägerin der Forderungsbetrag abzüglich der Kostenbeteiligung ausgezahlt worden, so dass die Klägerin vollständig befriedigt sei. Dies führe dazu, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für den Auskunftsanspruch und den Herausgabeanspruch nicht bestehe.
Die Entscheidung des BGH zur zulässigen Übersicherung bei Globalzessionen (BGH ZIP 98, 235 ff.) könne nicht auf diesen Rechtsstreit übertragen werden, weil die Klägerin im Unterschied zum Globalsicherungsnehmer nicht alleinige Sicherungsnehmerin sei. Das Erachten einer Übersicherung für zulässig würde in diesem Fall zu einer Benachteiligung nachrangiger Gläubiger der Gemeinschuldnerin führen.
Außerdem sei im Gegensatz zum der BGH-Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit zwischen den Parteien eine ausdrückliche Verwertungsvereinbarung getroffen worden. Hierbei habe man sich darauf geeinigt, beim Abverkauf der Altware und beim Forderungseinzug vom vereinnahmten Erlös in Höhe der gesicherten Forderung zunächst einen Abzug von 20% für Drittrechte und Verwertungskosten vorzunehmen. Allein aufgrund dieser Vereinbarung könne die Klägerin eine weitere Befriedigung nicht verlangen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorgetragenen Inhalte ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und hinsichtlich des Antrags zu 1. begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Auskunftserteilung bezogen auf den derzeitigen Stand der vom Beklagten durchgeführten Verwertung im Hinblick auf die an die Klägerin siehe rungszedierten Forderungen im Irsoivenzverfahren über das Vermögen der Firma Herbert Wohl GmbH & Co. KG gemäß § 50 InsO i.V.m. § 242 BGB.
Unstreitig ist, dass die Klägerin noch Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin hat. welche noch nicht befriedigt sind. Unstreitig ist darüber hinaus weiter, dass zum Zeitpunkt der Auszahlung des Beklagten an die Klägerin weitere Warenbestände bei der Gemeinschuldnerin vorhanden waren, die ebenfalls unter dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Klägerin standen. Inwieweit diese Waren verwertet worden sind, ist der Klägerin nicht bekannt.
Die Behauptung des Beklagten, man habe sich durch Abschluss der Verwertungsvereinbarung darauf geeinigt, dass zur Befriedigung der Klägerin nur Waren bis zu einem Erlös in Höhe der gesicherten Forderung verwertet werden sollten, trifft unter Berücksichtigung des Wortlautes der Vereinbarung nicht zu. Eine irgendwie geartete Begrenzung der Warenverwertung ist gerade nicht vereinbart worden, sondern es wird seitens des Beklagten sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung im Umfang der Sicherungsrechte und damit nicht nur im Umfang der gesicherten Forderung der Klägerin gilt.
Allein dies spricht bereits dafür, dass eine weitere Verwertung der unter verlängertem Eigentumsvorbehalt der Klägerin stehenden Waren dieser abzüglich weiterer Verwertungskosten zumindest bis zu einer bestimmten Grenze zugute kommen muss.
Das Gericht hält dieses Ergebnis aber auch noch im Hinblick auf die folgenden Erwägungen für richtig:
Für den Bereich der Globalzessionen sind von der höchstrichterlichen Rechtsprechung Grundsätze dazu entwickelt worden, inwieweit der durch Globalzessionen gesicherte Gläubiger in den Grenzen des § 138 BGB den ihm nach § 170 insO auferlegten Kostenbeitrag grundsätzlich durch eine ausreichende Bemessung der Sicherheit oder durch eine Anpassung der Höhe des Kreditbetrages auffangen kann. Danach ist anerkannt, dass zur Absicherung der im Insolvenzverfahren anfallenden Verwertungskosten eine Übersicherung dann zulässig ist, wenn der im Verwertungsfall realisierbare Wert des Sicherungsgegenstandes die gesicherte Forderung um nicht mehr als 10 % übersteigt, wobei für auszugleichende Umsatzsteuer ein entsprechender Aufschlag vorzusehen ist (BGH a.a.O.).
Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Grundsatz nicht nur für den Bereich der Globalzessionen, sondern auch bei der Verwertung von Forderungen, welche unter verlängertem Eigentumsvorbehalt stehen, anzuwenden ist. !
Es hält die Interessenlagen eines Gläubigers, der durch eine Globalzession gesichert ist, für vergleichbar mit der eines Gläubigers, der im Wege eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes gesichert ist. Beide Gläubiger haben ein Interesse daran, ihre Forderung möglichst umfassend zu befriedigen, wozu wegen des Abzugs der Verwertungskosten eine Übersicherung zwangsläufig erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine Interessenkollision, wie sie zwischen dem gesicherten Gläubiger und den nachrangigen Gläubigem besteht, auch im Falle Globalzession denkbar, da diese eine eventuelle Mehrheit von Gläubigern nicht zwingend ausschließt.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass im Gegensatz zum Globalsicherungsnehmer die Klägerin hier nach Meinung der Kammer sogar noch schutzwürdiger deshalb ist, weil es sich bei den Gegenständen, die als Sicherung dienen, um die eigenen Waren der Klägerin handelt. Soweit diese verwertet werden, muss es der Klägerin ermöglicht werden, den Erlös bis zur Höhe der zulässigen Übersicherung zur Befriedigung ihrer Forderung zu verwenden.
Entscheidend ist für das Gericht vor allem aber die Erwägung, dass die von der Rechtsprechung bis zu einer bestimmten Höhe für zulässig erachtete Möglichkeit der Übersicherung für den gesicherten Gläubiger nutzlos wäre, wenn er hiervon im Rahmen des Insolvenzverfahrens keinen Gebrauch machen könnte. Denn allein hier benötigt er eine Übersicherung, um die im Verfahren anfallenden Kosten ohne Einbußen hinsichtlich der Forderung abzudecken.
Aus diesem Grund muss die Klägerin aus der Verwertung der noch weiter bestehenden Sicherungsrechte abzüglich der weiter entstehenden Verwertungskosten so lange befriedigt werden, wie entweder Sicherungsrechte unter Berücksichtigung der zulässigen Übersicherung bestehen oder aber die Klägerin tatsächlich vollständig befriedigt ist.
Dem Antrag der Klägerin zu 1.) war daher stattzugeben, mit der Folge, dass der Beklagte zur Auskunftserteilung hinsichtlich der Verwertung der weiteren Forderungen, welche unter dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Klägerin stehen, verpflichtet ist.
II.
[siehe Streitwertbeschluss]
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für den Antrag zu 1. wird auf 21.705,64 EUR (1/5 der bestehenden Restforderung der Klägerin) festgesetzt.
Kaemena
Krüger