Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 03.06.2015, Az.: L 2 R 376/13

Versicherungspflicht einer Tagesmutter in der gesetzlichen Rentenversicherung; Begriff des Erziehers; Kinderbetreuung als nicht erwerbsmäßige Tätigkeit; Beitragsforderungen für Zeiten der Versicherungspflicht einer Tagespflegeperson in der gesetzlichen Rentenversicherung; Berücksichtigung von Honorarzahlungen des Jugendamtes bei Ermittlung des Arbeitseinkommens; Zeitpunkt des Erlasses von Beitragsforderungen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
03.06.2015
Aktenzeichen
L 2 R 376/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 22300
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2015:0603.L2R376.13.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 05.11.2015 - AZ: B 5 RE 26/15 B

Fundstellen

  • NZS 2015, 713
  • ZAP EN-Nr. 838/2015

Redaktioneller Leitsatz

Den Anforderungen des Begriffs des Erziehers im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI genügen auch Personen, die als Tagesmutter Kinder bis zum Kindergartenalter betreuen, d.h. diese beaufsichtigen und in der Erfüllung ihrer Primärbedürfnisse wie namentlich Essen, Schlafen, Spielen etc. unterstützen.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin zur gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit als Tagesmutter in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 einschließlich der Beitragsforderung der Beklagten vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011.

Die im Jahr 1976 geborene Klägerin hat mit Bescheid der Stadt J. vom 30. März 2007 die Pflegeerlaubnis gem § 43 SGB VIII hinsichtlich der Betreuung von bis zu 5 Kindern zunächst für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 13. März 2012 erhalten. In der Folgezeit war sie als Tagesmutter tätig. Vom 1. Juli 2009 bis 2011 hat sie z.B. Anerkennungsaufwand nach § 23 SGB VIII von der Stadt J. in Höhe von 2.920,30 EUR (1.7.-31.12.2009) 6.576 EUR (1.1. - 31.12.2010) und 8314,97 EUR (1.1.-31.12.2011) erhalten.

Am 1. Dezember 2011 reichte die Klägerin den Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbständig Tätiger ausgefüllt bei der Beklagten hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Tagesmutter ein. Sie teilte darin mit, dass sie seit 1. Januar 2012 selbständig sei und unter dreijährige Kinder bei sich zu Hause betreue. Arbeitnehmer beschäftige sie nicht. In dem Fragebogen teilte sie ua mit, dass sie entsprechend der Vereinbarung mit den Eltern regelmäßige Arbeitszeiten einzuhalten habe. Sie reichte die Erlaubnis der Stadt J. zur Tagespflege gemäß § 23 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII), Pflegeerlaubnis gemäß § 43 SGB VIII für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 31. März 2012 sowie das Zertifikat hinsichtlich des Titels Qualifizierte Tagespflegeperson vom 14. Februar 2007 und die Nachweise für die Kindertagespflege im Jahr 2011 für drei Kinder sowie eine Einkommensaufstellung für die Jahre 2009 bis 2011 vom 2. Januar 2012 ein.

In der Folgezeit stellte die Beklagte auf der Grundlage des von der Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 mitgeteilten Einkommens mit Bescheid vom 10. Januar 2012 fest, dass in der Zeit vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2008 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden habe. Ab dem 1. Januar 2009 bestehe Versicherungspflicht, sodass Pflichtbeiträge zu zahlen seien. Die Klägerin habe den einkommensgerechten Beitrag zu zahlen. Insgesamt ergebe sich eine Nachzahlung von Beiträgen bis zum 31. Januar 2012 in Höhe von 4.261,72 EUR (davon 149,80 EUR für Januar 2012).

Die Berücksichtigung des Einkommens bei der Beitragsberechnung erfolgte zunächst vor dem Hintergrund der BMF-Schreiben vom 20. Januar 1984, 1. August 1988 und vom 7. Februar 1990. Danach waren die Zahlungen nach § 23 SGB VIII von den Rentenversicherungsträgern als einkommenssteuerfrei nach § 3 Nr 11 EStG behandelt worden. Mit BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2007 sollten diese Einnahmen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 als steuerpflichtige Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit eingestuft werden.

Mit ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, dass sich dieser nur auf den Zeitraum vom Januar 2009 bis Dezember 2011 beziehe. Sie habe zwar in dem Zeitraum als Tagesmutter gearbeitet, aber auch Leistungen nach dem SGB II bezogen. Sie sei davon ausgegangen, dass sie erst ab dem 1. Januar 2012 verpflichtet sei, sich selbständig renten- und krankenversichern zu lassen. Dies habe sie auch getan. Sie sei vom Jobcenter nicht aufgeklärt worden, dass sie sich zusätzlich rentenversichern müsse. Die Beitragssumme ab Januar 2012 dürfe von ihrem Konto abgebucht werden. Darüber hinaus bitte sie um Mitteilung des räumlichen Geltungsbereiches des SGB VI.

Weiterhin beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen zu 2) die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge. Diese erstattete der Klägerin mit Bescheid vom 2. März 2012 für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 gem. § 23 SGB VIII die Hälfte der insgesamt zu zahlenden Beiträge von 4.111,92 EUR nämlich die Summe von 2.055,96 EUR.

In der Folgezeit sandte die Beklagte der Klägerin mehrere Aufklärungsschreiben und wies den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 10. Januar 2012 mit Bescheid vom 22. Mai 2012 zurück. Die Klägerin sei seit dem 1. April 2007 als Tagesmutter tätig. Tagespflegepersonen unterlägen der Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, soweit sie ein Arbeitseinkommen iS von § 15 SGB IV in einem mehr als geringfügigen Umfang erzielen und keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Die Vorschriften seien zutreffend angewandt worden.

Dagegen hat die Klägerin am 18. Juni 2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Sie hat vorgetragen, dass ihres Erachtens eine Rentenversicherungspflicht vor dem Januar 2012 nicht bestanden habe, da sie bis dahin weiterhin der Arbeitsvermittlung des Jobcenters zur Verfügung gestanden habe. Darüber hinaus sei sie über Änderungen hinsichtlich der Versicherungspflicht nicht informiert worden. Das Merkblatt "Starthilfe in die Selbständigkeit" habe es zu dem Zeitpunkt als sie ihre Tätigkeit aufgenommen habe, noch nicht gegeben. Die Informationspflichten ergäben sich z.B. aus § 13 SGB I. Darüber hinaus äußerte sie Zweifel am Geltungsbereich des SGB VI und daran, dass es die Bundesrepublik Deutschland als Staat gebe. Weiterhin sei der Gesetzgeber nicht verfassungsgemäß legitimiert. Die von dem Gericht eingeholten Informationsblätter der Stadt J. habe es zu Beginn ihrer Tätigkeit noch nicht gegeben. Das Bundeswahlgesetz sei verfassungswidrig.

Das Gericht hat die Auskunft der Stadt J. vom 8. August 2012 beigezogen, ebenso wie das Merkblatt des Familienbüros J. "Starthilfen in die Selbständigkeit" sowie die Richtlinien zur Förderung von Kindestagespflege in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis im Jahr 2012, in der (damals) noch gültigen Fassung vom 1. August 2011.

Das SG Hildesheim hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. September 2013 abgewiesen und ausgeführt, dass die Beklagte die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zu Recht festgestellt und Beiträge in Höhe von 4.261,72 EUR nacherhoben habe. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Klägerin als Tagesmutter eine Erzieherin iS von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Sie habe im maßgeblichen Zeitraum auch keine Arbeitnehmer beschäftigt. Darüber hinaus sei sie auch nicht bloß geringfügig beschäftigt gewesen. Aus den für die Jahre 2009 bis 2011 nach Monaten aufgegliederten Einkommensangaben der Klägerin ergäbe sich ein regelmäßiges monatliches Einkommen von mehr als 400,00 EUR. Außerdem liege auch keine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I vor. Zum einen hätte die Klägerin der Meldepflicht nach § 190a SGB VI, welche bereits seit Januar 2001 gelte, nachkommen müssen. Zum andern hätten die Tagespflegepersonen entsprechend den Richtlinien zur Förderung der Kindertagespflege der Stadt J. vom 1. Januar 2009 über vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Anforderung der Kindertagespflege verfügen müssen. Zum anderen ergebe sich aus § 13 SGB I kein subjektives Recht des Einzelnen auf Aufklärung.

Gegen den der Klägerin am 11. September 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 26. September 2013 Berufung eingelegt. Sie zahle ihre Steuern ordnungsgemäß. Das Jugendamt habe zwar damals ein Infoblatt verteilt, sie habe sich davon aber nicht angesprochen gefühlt, da sie ja ergänzend SGB II bezogen habe. Es habe für SGB II - Bezieher auch keine spezielle Aufklärung gegeben - auch nicht vom Jobcenter wo sie sich regelmäßig gemeldet habe. Weiterhin begehrt die Klägerin u.a. den Nachweis, dass der Richter, der über ihre Klage entschieden habe, zuständig sei und dass das SG Hildesheim und das Landessozialgericht (LSG) Staatsgerichte seien. Darüber hinaus solle der Geltungsbereich des SGB benannt werden. Aus dem Internet ergebe sich, dass die BRD kein Staat sei. Im Übrigen würden ihre AGB`s gelten. Sie befürworte eine angemessene private Versicherung. Die Klägerin bestätigt, dass ihr inzwischen die Hälfte der festgesetzten Beitragsforderungen vom Jugendamt erstattet worden sei gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 3. September 2013 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2012 insoweit zu ändern, als darin die Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 festgestellt worden ist und auf dieser Grundlage Beiträge erhoben worden sind.

Weiterhin beantragt die Klägerin, den Geltungsbereich des SGB festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Die Beklagte bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des SG.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 26. November 2014 das Jobcenter J. und die Stadt J. zum Rechtsstreit beigeladen und die Stellungnahme des BMF vom13. Januar 2015 beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beitragsbescheid der Beklagten vom 10. Januar 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Antrag, den Geltungsbereich des SGB festzustellen ist unzulässig.

1. Die Klägerin unterlag im streitbetroffenen Zeitraum von Januar 2009 bis Dezember 2011 als selbständige Erzieherin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, da sie diese selbständige Tätigkeit mehr als nur geringfügig ausgeübt und im Zusammenhang mit dieser keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt hat.

a) Den Anforderungen des Begriffs des Erziehers im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI genügen auch Personen, die - wie die Klägerin - als "Tagesmutter" Kinder bis zum Kindergartenalter betreuen, d.h. diese beaufsichtigen und in der Erfüllung ihrer Primärbedürfnisse wie namentlich Essen, Schlafen, Spielen etc. unterstützen. Bereits eine derartige Betätigung genügt dem subjektiv-formalen Begriff der Erziehung, wie er von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung auch ansonsten im Zusammenhang der gesetzlichen Rentenversicherung zu Grunde gelegt wird, ohne dass er im Gesetz eine ausdrückliche Bestimmung gefunden hat. Ihm ist die Gesamtheit des tatsächlichen Verhaltens zugeordnet, das nach dem Verständnis und den Vorstellungen der Handelnden dazu bestimmt und darauf gerichtet ist, die körperliche, geistige, seelische, sittliche und charakterliche Entwicklung des Kindes zu beeinflussen. In diesem umfassenden Sinne sind die Voraussetzungen der Erziehung grundsätzlich bereits als gegeben anzusehen, wenn sich der Erziehende und das Kind in einem gemeinsamen Haushalt aufhalten (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 RA 12/04 R -, SozR 4-2600 § 2 Nr 2 mwN).

Als Tagesmutter oblag es der Klägerin gerade, für die Dauer der jeweils vereinbarten Betreuungsstunden die Kinder in ihrer Wohnung aufzunehmen und dort kindgerecht im Tagesablauf insbesondere beim Spielen und Essen und bei Bedarf auch beim Mittagsschlaf zu betreuen und zu fördern. Darüber hinaus ergibt sich aus den Regelungen des § 22 Abs. 2 SGB VIII auch ausdrücklich die Zielvorgabe, dass die Klägerin im Rahmen der von ihr angebotenen Kindertagespflege die Entwicklung der betreuten Kinder zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten fördern und die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen sollte.

b) Zutreffend hat die Beklagte auch festgestellt, dass die Klägerin im streitbetroffenen Zeitraum aus der selbständigen Tätigkeit als Tagesmutter ein Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV erzielt, aufgrund dessen diese selbständige Tätigkeit mehr als nur geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 3 SGB IV wahrgenommen worden ist.

Nach § 15 Abs. 1 SGB IV ist als Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit anzusehen. Dabei ist (Satz 2) Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist.

Da die Klägerin im streitbetroffenen Zeitraum keine Einkommensteuern zu entrichten hatte und dementsprechend von Seiten der Finanzverwaltung für diesen Zeitraum keine Einkommensteuerbescheide erlassen worden sind, hatte die Beklagte diese Voraussetzung eigenständig unter Heranziehung der steuerrechtlichen gesetzlichen Vorgaben zu prüfen.

Die Klägerin war im streitbetroffenen Zeitraum nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, sie hat solche auch nicht geführt und keine Abschlüsse gemacht. Daher war nach § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Es verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, dass die Beklagte sich bei der Ermittlung des Gewinns nach diesen Vorgaben an den eigenen Angaben der Klägerin im Schreiben vom 2. Januar 2012 zur Höhe der monatlich - jeweils nach Abzug Betriebskosten in Höhe der von der Finanzverwaltung diesbezüglich anerkannten Pauschbeträge - von ihr erzielten Einnahmen orientiert hat. Die Klägerin zieht diese Daten auch im vorliegenden Gerichtsverfahren nicht in Zweifel.

Diese belegen, dass der monatliche Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, jeweils im Durchschnitt der streitbetroffenen Jahre 2009 bis 2011 die Grenze der Geringfügigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (gemäß der 2009 bis 2011 maßgeblichen Fassung) überschritten hat.

Auch soweit die Beurteilung der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit eine Prognose bzw. vorausschauende Schätzung (BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 R 15/09 R -, SozR 4-2600 § 5 Nr 6, SozR 4-2400 § 8 Nr 4, Rn. 16) erfordert, ergibt sich keine anderweitige Beurteilung, da angesichts der mit dem Jugendamt der Beigeladenen zu 2. getroffenen Abmachungen von vornherein Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit als Tagesmutter in der nachfolgend erzielten Höhe zu erwarten waren. Gegenteiliges macht insbesondere auch die Klägerin nicht geltend.

Es gab auch im Übrigen keinen rechtlichen Anlass, abweichend von den erläuterten Grundsätzen im vorliegenden Zusammenhang den von der Beklagten als Arbeitseinkommen herangezogenen jeweiligen monatlichen Überschuss, um den die tatsächlich der Klägerin zugeflossenen Zahlungen des Jugendamtes ihre (nach Maßgabe der von der Finanzverwaltung anerkannten Pauschsätze ermittelten) Betriebskosten überstiegen haben, bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens unberücksichtigt zu lassen. Insbesondere stellten diese Leistungen des Jugendamtes keine Bezüge aus öffentlichen Mitteln (oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung) dar, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt worden waren, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern, welche nach den Vorgaben des § 3 Nr. 11 EStG als steuerfrei zu behandeln (und dementsprechend gemäß § 15 Abs. 1 SGB IV bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens im sozialrechtlichen Sinne insbesondere auch bei der Anwendung des § 8 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB IV nicht zu berücksichtigen) wären.

Soweit § 3 Nr. 11 EStG die Unmittelbarkeit der Förderung verlangt, bedeutet dies, dass Erziehung, Ausbildung, Wissenschaft und Kunst ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflusst werden müssen (BFH, Urteil vom 27. April 2006 - IV R 41/04 -, BFHE 214, 69, BStBl II 2006, 755 [BFH 27.04.2006 - IV R 41/04]).

Dabei ist der maßgebliche Begriff der "unmittelbaren Förderung" verschieden auszulegen, je nachdem, ob es sich um die Förderung von Wissenschaft, Kunst, Erziehung oder Ausbildung handelt. Eine unmittelbare Förderung der Erziehung ist gegeben, wenn der Person, der die Erziehung anvertraut ist, Zuschüsse gegeben werden, um hierdurch die Erfüllung der Erziehungsaufgabe zu unterstützen ... Das trifft etwa auf die von den Jugendämtern nach den Vorschriften des (früheren; vgl. heute die Vorgaben des SGB VIII) JWG gezahlten Erziehungsgelder zu. Diese Zuschüsse werden ebenso wie die Pflegegelder gezahlt, um die Aufnahme von Kindern in Familienpflegestellen zu erleichtern und auf diese Weise eine Erziehung der Kinder ähnlich wie in einer Familie zu ermöglichen. Von einer "unmittelbaren" Förderung der Erziehung kann hingegen nicht gesprochen werden, wenn die Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Pflegeperson -wie etwa im Falle der sog. Kostkinder- auf Seiten der Pflegepersonen als Erwerbstätigkeit anzusehen ist. (BFH, Urteil vom 28. Juni 1984 IV R 49/83 -, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571 [BFH 28.06.1984 - IV R 49/83]).

Im gleichen Sinne hat die sozialgerichtliche Rechtsprechung die Aufnahme eines Kindes nicht den Erwerbsgründen zugeordnet, wenn eine familienähnliche ideelle Bindung zwischen Pflegeeltern und Pflegekind das familienähnliche Zusammenleben geprägt hat (BSG, Urteil vom 28. Juni 1979 - 8b RKg 3/78 -, SozR 5870 § 2 Nr 16).

Ein entsprechendes familienähnliches Band fehlte aber gerade zwischen der Klägerin und den für ihr betreuten Tageskindern. Der Einsatz der Klägerin für die Betreuung der Kinder während der jeweils vereinbarten Betreuungszeiten, so wichtig er für die ihr anvertrauten Kinder auch war, wurde im Rechtssinn nicht durch eine familienähnliche ideelle Bindung geprägt, sondern beruhte letztlich auf dem Wunsch der Klägerin, ihren Lebensunterhalt durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft im Rahmen der wahrgenommenen Tätigkeit als Kindertagespflegekraft (zu erheblichen Teilen) sicherzustellen. Damit ist zugleich auch eine ggfs. erforderliche Gewinnerzielungsabsicht festzustellen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 25. Mai 2011 - B 12 R 13/09 R -, SozR 4-2600 § 2 Nr 14).

Bei dieser Ausgangslage ist die von der Klägerin wahrgenommene Betreuung der Kinder als Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Sie fühlte sich nur während der jeweils konkret vereinbarten Betreuungsstunden für die Kinder zuständig; diese sollte sie nur für einige Stunden im Tagesablauf betreuen, um den ansonsten weiterhin verantwortlichen Eltern insbesondere die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Es war damit gerade nicht Aufgabe der Klägerin, den Kindern eine "Heimat" (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1979, aaO.) im Sinne eines Lebensmittelpunktes zu bieten, wie dies bei einem familienähnlichen Zusammenleben zu erwarten wäre. Dementsprechend weist auch § 22 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII den Tagespflegepersonen lediglich die Aufgabe einer Unterstützung und Ergänzung bei der in erster Linie den Eltern zukommenden Erziehung und Bildung der Kinder zu.

In diesem Zusammenhang ist es für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits nicht ausschlaggebend, dass die vorstehend erläuterten rechtlichen Vorgaben für die dem Grunde nach gegebene Einkommensteuerpflichtigkeit der Einnahmen von Kindertagespflegekräften (soweit diese die damit verbundenen Ausgaben übersteigen) auch von Seiten der Finanzverwaltung bis 2008 im Ergebnis rechtlich verkannt worden sind. Soweit die Finanzverwaltung (vgl. wegen der Einzelheiten insbesondere die vom Senat eingeholte Auskunft des Bundesministeriums für Finanzen vom 13. Januar 2015) bis 2008 die (vom Jugendamt finanzierte) Betreuung von (bis zu fünf) Kindern im Rahmen der Kindertagespflege als nicht erwerbsmäßige Tätigkeit angesehen hat, wohingegen sie seit 2009 bei solchen Tätigkeiten von grundsätzlich einkommensteuerpflichtigen Gewinnen im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ausgeht, beruht dies weder auf einer Änderung der gesetzlichen Vorgaben noch auf einer relevanten Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen.

Namentlich ist nichts dafür zu objektivieren, dass die den Kindertagespflegekräften vom Jugendamt gewährte Vergütung seit 2009 nicht mehr oder jedenfalls nur noch in einem signifikant geringerem Maße als zuvor Leistungen der Erziehung im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG honorieren soll. Vielmehr hat der Gesetzgeber gerade mit der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neufassung des § 22 SGB VIII durch das Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz - TAG - vom 27. Dezember 2004, BGBl. I, 3852) den auch von den Kindertagespflegekräften wahrzunehmenden Förderungsauftrag hervorgehoben, der namentlich auch die Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes umfasst und sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes bezieht (§ 22 Abs. 3 SGB VIII, vgl. auch § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII).

Wie bereits dargelegt, scheitert eine Befreiung der in Fallgestaltungen der vorliegenden Art den Kindertagespflegekräften vom Jugendamt gewährten Honorare von der Einkommensteuerpflicht nach Maßgabe des § 3 Nr. 11 EStG ohnehin nicht an dem Fehlen einer Erziehung der Kinder während der jeweils vereinbarten Betreuungsstunden, sondern an dem Erfordernis einer "unmittelbaren" Förderung dieser erzieherischen Leistungen. Da die Wahrnehmung der honorierten erzieherischen Tätigkeit durch die Tagespflegepersonen nicht durch ideelle Bindungen, sondern durch einen Erwerbswunsch geprägt ist, fehlt nach der erläuterten finanzgerichtlichen Rechtsprechung die innere Rechtfertigung für eine Heranziehung dieser Steuerbefreiung. Dies galt in gleicher Weise allerdings auch schon vor 2009; so dass sich die geänderte Beurteilung der Finanzverwaltung nicht als Reaktion auf geänderte rechtliche Vorgaben oder Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, sondern als Korrektur eines erkannten Rechtsanwendungsirrtums (mit Wirkung für die Veranlagungszeiträume ab 2009) darstellt.

Dementsprechend vermag es der Klägerin im vorliegenden allein die Jahre 2009 bis 2011 betreffenden Rechtsstreit auch nicht weiterzuhelfen, dass die Finanzverwaltung für Veranlagungszeiträume bis 2008 noch, wie dargelegt, von einer für sie günstigeren Interpretation des § 3 Nr. 11 EStG ausgegangen ist.

Entsprechend dem Grundsatz "keine Gleichheit im Unrecht" (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 - 1 BvL 25/77 -, BVerfGE 50, 142; BFH, Urt. vom 24. Februar 2010 III R 3/08 BFH/NV 2010, 1262) kann die Klägerin insbesondere keine fortwirkende Berücksichtigung der von der Finanzverwaltung bis 2008 herangezogenen (die gesetzlichen Vorgaben des § 3 Nr. 11 EStG verkennenden) norminterpretierenden Erlasse auch bezogen auf die nachfolgenden Jahre beanspruchen.

a) Der angefochtene Bescheid lässt auch kein Rechtsfehler erkennen, soweit die Höhe der von der Klägerin aufgrund der Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit als Kindertagespflegekraft für den streitbetroffenen Zeitraum zu entrichtenden Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung auf 1.043,64 EUR für das Jahr 2009, 1.365,84 EUR für das Jahr 2010 und 1.702,44 EUR für das Jahr 2011 jeweils festgesetzt worden ist. Die entsprechenden Berechnungen der Beklagten, denen, wie bereits erläutert, die eigenen Angaben der Klägerin zur Höhe der jeweiligen monatlichen Gewinne zugrunde liegen, lassen keinen Fehler erkennen.

2. Soweit die Klägerin bereits mit der Klageschrift vom 18. Juni 2012 geltend gemacht hat, dass ihr eine Begleichung der mit dem angefochtenen Bescheid rückwirkend festgesetzten Pflichtbeiträge aus ihren geringen - nach ihrer Einschätzung den "Selbstbehalt für Alleinerziehende" unterschreitenden - Einkünften nicht zuzumuten sei und sie von einer Belastung mit hohen Schulden zu bewahren sei, wird die Beklagte ihr Vorbringen noch gesondert zu prüfen und zu bescheiden haben.

Die damit aufgeworfenen Fragen nach der Zumutbarkeit einer nachträglichen Heranziehung der Klägerin zu Pflichtbeiträgen für den streitbetroffenen Zeitraum 2009 bis 2011 berührt nach den gesetzlichen Vorgaben nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, mit dem lediglich das Bestehen einer entsprechenden Beitragsforderung, nicht aber auch deren Durchsetzbarkeit festgestellt worden ist.

Mit ihrem Vorbringen macht die Klägerin, die, im streitbetroffenen Zeitraum neben den aus der Kindertagespflege erzielten Einnahmen von ergänzenden Leistungen nach dem SGB II gelebt hat, der Sache nach geltend, dass eine Einziehung der für den streitbetroffenen Zeitraum festgesetzten Beitragsforderungen nach Lage des vorliegenden Einzelfalles unbillig im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV wäre, weshalb diese zu erlassen seien.

Ob und inwieweit die Beklagte der Klägerin § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV die für den streitbetroffenen Zeitraum festgesetzten Beitragsforderungen erlassen darf und muss, ist im Rahmen des Einziehungsverfahrens zu entscheiden (BSG, Urteil vom 01. Juli 2010 B 13 R 67/09 R -, SozR 4-2400 § 24 Nr 5).

§ 76 Abs. 2 Nr 3 SGB IV zählt (ebenso wie insbesondere § 42 Abs. 3 Nr. 3 SGB I und § 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO) zu den Regelungen, die dem Bereich des Beitreibungsverfahrens zuzuordnen sind. Die Voraussetzungen von Stundung oder Erlass können bei der Entscheidung über Aufhebung und Rückforderung vorliegen, später aber durchaus entfallen. Dem Versicherungsträger muss es daher unbenommen bleiben, auf solche Veränderungen zu reagieren oder diese abzuwarten. Lediglich dann, wenn - anders als im vorliegenden Zusammenhang - von vornherein unzweifelhaft ist, dass im Beitreibungsverfahren ein Erlass auszusprechen wäre, könnte erwogen werden, diese Situation - aus verfahrensökonomischen Gründen - schon bei der Entscheidung über die Aufhebung des Verwaltungsakts und über die Rückforderung zu berücksichtigen (BSG, U.v. 23. März 1995 - 13 RJ 39/94 -, SozR 3-1300 § 48 Nr 37).

Den sinngemäß von der Klägerin bereits mit der Klageschrift gestellten Erlassantrag wird die Beklagte daher noch gesondert zu prüfen und zu bescheiden haben, wobei natürlich ein Erlass von vorneherein nicht in Betracht kommt, soweit sich das Jugendamt inzwischen an der Hälfte der festgesetzten Beitragsforderungen beteiligt und entsprechende Zahlungen an die Klägerin erbracht hat. Im Rahmen der der Beklagten nach § 20 SGB X obliegenden Ermittlung des für die Prüfung der Billigkeit im Sinne von § 76 Abs. 2 Nr 3 SGB IV maßgeblichen Sachverhalts wird diese insbesondere auch zu berücksichtigen haben, dass das Jobcenter bei der Ermittlung der Höhe der im streitbetroffenen Zeitraum gewährten Leistungen den Vorgaben des § 11b Abs. 1 Nr. 2 SGB II Rechnung zu tragen hatte, wonach vom anzurechnenden Einkommen des Hilfeempfängers die darauf jeweils entfallenden Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung (also bei Einkünften aus einer selbständigen Kindertagespflegetätigkeit auch die darauf nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu entrichtenden Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung, soweit sie vom Versicherten selbst zu tragen sind) abzusetzen sind. Angesichts der erst im Nachhinein erfolgten Beitragsfestsetzung ist dieser Vorgabe bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II für die Jahre 2009 bis 2011 nicht Rechnung getragen worden.

Seit 2012 steht die Klägerin ohnehin nicht mehr im kontinuierlichen Bezug von Leistungen nach dem SGB II

3. Eine Feststellungsklage, die auf die Feststellung des Geltungsbereichs des SGB VI gerichtet ist, ist vorliegend unzulässig, da die Voraussetzungen des § 55 SGG nicht erfüllt sind. Auch ein anderes Gericht ist für diesen Antrag nicht zuständig. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Sozialgesetzbuch als Bundesgesetz, soweit im Einzelfall nicht abweichende Regelungen aufgenommen sind, im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland gilt. Dies geht aus dem Grundgesetz hervor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.