Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.06.2020, Az.: 11 K 237/17

Laborleistungen zur Bestimmung sogenannter IgG-Antikörper als umsatzsteuerbefreite Umsätze

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
11.06.2020
Aktenzeichen
11 K 237/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 70534
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin mit ihren Laborleistungen zur Bestimmung sogenannter IgG-Antikörper umsatzsteuerbefreite Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 oder Buchst b Umsatzsteuergesetz in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung (UStG) oder nach Art. 132 Abs. 1 Buchst b oder c der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) im Streitjahr 2009 erbracht hat. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Umsätze seien mit dem ermäßigten Steuersatz zu erfassen, weil der Gesetzgeber mit der Privilegierung der Verabreichung von Heilbädern in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG und der Ausklammerung anderer medizinischer Versorgungsleistungen gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen habe. Die Klage befindet sich im 2. Rechtsgang.

Die Klägerin ist eine GmbH, die mit Gesellschaftsvertrag vom 13. Dezember 2000 errichtet worden ist. Gegenstand und Zweck sind die Ausführung und die Entwicklung von Labordiagnostik. In ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze zum allgemeinen Steuersatz mit einer Bemessungsgrundlage von 259.194 €. Darüber hinaus waren in ihrer Erklärung auch steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 UStG in Höhe von 3.325.329 € erfasst. Unter Berücksichtigung anteiliger abziehbarer Vorsteuer errechnete die Klägerin eine Steuerlast in Höhe von 22.046,22 €.

Der Streitfrage der Anwendung der Steuerbefreiungsvorschriften liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Dem von der Klägerin betriebenen medizinischen Labor wird von Ärzten und Heilpraktikern biologisches Probenmaterial (Blutproben oder Serum) zugesandt. Die Klägerin untersucht diese Proben labortechnisch zwecks Bestimmung sogenannter IgG-Antikörper gegen Nahrungsmittel. Diesem Verfahren hat die Klägerin den Produktnamen "x" gegeben. Nach den Unterlagen, die die Klägerin den Therapeuten und Patienten zur Verfügung stellt, können durch das Testverfahren verzögerte Nahrungsmittel-Allergien gegenüber insgesamt 272 unterschiedlichen Nahrungsmitteln abgeklärt werden. Häufige Krankheitsbilder, bei denen Therapeuten in Absprache mit den Patienten den Test einsetzen, sind chronische Magen-Darm-Probleme, chronische Hautprobleme, chronische -schmerzen, rheumatische Erkrankungen, Aufmerksamkeitsdefizite, Atemwegsbeschwerden und chronisches Übergewicht.

Nach den Ausführungen der Klägerin auf ihrer Website bestehe eine Vermutung, dass chronische Beschwerden durch Entzündungsreaktionen zumindest befördert werden. Für solche Entzündungsreaktionen könnten auch Nahrungsmittel mit verantwortlich sein. Ein Hinweis darauf folge aus einem erhöhten Spiegel bestimmter Antikörper. Diese IgG-Antikörper seinen labordiagnostisch nachweisbar. Die Vermeidung der auf diese Weise identifizierten Nahrungsmittel habe in der praktischen Anwendung bereits in zahlreichen Fällen Beschwerden gemindert. Verschiedene Studien unterstützten die Vermutung des Zusammenhangs zwischen Nahrungsmitteln und einzelnen chronischen Beschwerden sowie dem daraus folgenden therapeutischen Ansatz. Wissenschaftlich belegt seien die geschilderten Zusammenhänge zwischen Nahrungsmittelaufnahme und der Beförderung chronischer Beschwerden jedoch noch nicht. Die Zusammenhänge seien außerdem in Wissenschaft und Schulmedizin umstritten. Das x-Konzept sei deswegen eine Methode der Komplementärmedizin.

In den Monaten März bis Oktober 2011 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die steuerlichen Verhältnisse in den Jahren 2007 bis 2009 umfasste. Dabei traf der Außenprüfer folgende Feststellungen:

1. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen seien nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a oder b UStG steuerbefreit. In beiden Varianten sei es erforderlich, dass die Leistungen einem therapeutischen Zweck dienten. Diese Voraussetzung habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Es sei ihr im Einzelfall gar nicht bekannt, ob der Kunde bzw. Patient überhaupt unter einer Krankheit leide, ob er nur an Ernährungsfragen interessiert oder abnehmen wolle. Die durchgeführten biologischen Analysen erfolgten hiervon unabhängig auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden auf dessen Kosten. Die Untersuchungen seien nicht Teil einer medizinischen Behandlung oder ärztlichen Untersuchung. Eine medizinische Auswertung und/oder Behandlung einer Gesundheitsstörung durch einen Heilberufler finde nicht statt. Die Tätigkeit der Klägerin bestehe zudem lediglich aus einer biologischen Untersuchung und umfasse keine medizinische Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder Gesundheitsstörung.

2. Die Klägerin führe die Tests aufgrund erteilter Laboraufträge durch. Diese Aufträge würden von dem jeweiligen Patienten erteilt, er versichere gegenüber der Klägerin, dass der Test auf seinen Wunsch durchgeführt werde. Anschließend werde der Auftrag durch einen von der Klägerin vermittelten Therapeuten übermittelt. Dem Patienten gegenüber rechne die Klägerin auch ihre Leistungen ab. Die Klägerin biete dabei den Patienten an, zunächst einen preisgünstigen Vortest in Auftrag zu geben, dem bei entsprechendem Ergebnis weitere Testreihen folgen oder aber den Gesamttest durchzuführen. Das jeweilige Testergebnis werde dem einsendenden Therapeuten mitgeteilt. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG scheide bei dieser Sachlage schon deshalb aus, weil die Leistungen nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen würden und deshalb die Klägerin mit ihrem Labor auch nicht vertragsärztlichen Versorgung teilnehme.

3. Im Übrigen erbringe die Klägerin ihre Leistungen nicht im Auftrag eines behandelnden Arztes. Die Angaben im schuldrechtlichen Vertrag (Auftrag) und in den Rechnungen seien widersprüchlich bzw. stimmten mit der tatsächlichen Ausführung nicht überein. Der im Auftrag als "behandelnder x Therapeut" und in der Rechnung als Auftraggeber bezeichnete Arzt oder Heilpraktiker habe nur die Aufgabe, dem Kunden Blut abzunehmen und an die Klägerin weiterzuleiten. Er behandele den Kunden nach Vorliegen des Testergebnisses auch nicht weiter. Die Blutentnahmen würden regelmäßig nicht von den behandelnden Hausärzten der Kunden durchgeführt, die x-Therapeuten würden dem Patienten von der Klägerin vorgeschlagen. Im Internet werbe die Klägerin auch gezielt gegenüber Privatleuten als potentielle neue Kunden.

4. Es sei nicht erkennbar, dass die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht würden. Zur tatsächlichen Durchführung der Tests beschäftige die Klägerin in ihrem Labor durchschnittlich vier Arbeitnehmer, von denen zwei die Berufsausbildung zur technischen Assistentin in der Medizin (MTA) hätten. Eine Befundung der Laborergebnisse werde seitens der Klägerin durch einen Doktor der Biologie und einen Doktor der Chemie vorgenommen. Der auf Honorarbasis für die Klägerin tätige Facharzt für Allgemeinmedizin S führe eine eigene Praxis und sei nicht in die eigentliche Labortätigkeit eingebunden.

5. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG scheide schließlich auch deshalb aus, weil das typische Verhältnis zwischen einem Behandelnden und seinem Patienten, das auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis beruhe, nicht vorliege.

Der Beklagte folgte der Auffassung seines Außenprüfers und erließ am 24. November 2011 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009, in dem er die bislang steuerfrei behandelten Laborleistungen mit den Entgelten als Nettobemessungsgrundlage dem allgemeinen Steuersatz unterwarf.

Hiergegen erhob die Klägerin am 8. Dezember 2011 Einspruch.

Die Laborleistungen dienten heilkundlichen Zwecken. Es sei dabei nicht erforderlich, dass der Patient unter einer Krankheit leide, weil auch die Vorbeugung vor Krankheiten hinreichend sei. Schließlich erfolge auch eine Medizinische Auswertung der Testergebnisse, weil die Blutuntersuchungen nach ärztlichen Verordnungen erfolgten und deren Ergebnisse vom einsendenden Behandler mit dem Patienten besprochen würden. Die Laboruntersuchung sei in diesem Rahmen in eine heilkundliche Therapie eingebunden. Unerheblich sei, auf wessen Initiative hin die Laboranalyse erfolge und ob der Patient Selbstzahler sei. Labormedizinische Untersuchungen ergänzten in typischer Weise die ärztliche Heilbehandlung. Auch auf ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Patienten komme es nicht an.

Die Laborleistungen würden durch die Gewährleistung einer unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten ausreichenden ärztlichen Aufsicht durch Personen erbracht, die eine entsprechende Qualifikation aufwiesen. In welcher Form ein Arzt an der Ausführung der Leistungen durch die Klägerin mitwirke, sei unerheblich. Dass der bei der Klägerin auf Honorarbasis beschäftigte Arzt an der Leistungserstellung mitwirke, ergäbe sich aus von ihm unterschriebenen Kontrolllisten (vgl. Anhang zum Einspruchsschreiben der Klägerin).

Die Neuregelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b und c UStG setze die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung voraus. Der Reduzierung des begünstigten Personenkreises um die klinischen Chemiker und rein privatärztlichen Laboren sei allerdings nicht vereinbar mit den Vorgaben des EU-Rechts. Auch die Leistungen rein privatärztlicher Labore sei als verlängerter oder ergänzende ärztliche Heilbehandlung anzusehen.

Die Behauptung des Außenprüfers, die Patienten selbst würden ohne vorherige Konsultation eines Arztes oder Heilpraktikers den Bluttest durchführen lassen, sei unrichtig. In 2010 und 2011 sei es in 1,39 v. H. der Fälle nach solchen Anfragen bei Klägerin zu einer Test-Anforderung gekommen. Dies lasse den Schluss zu, dass in den übrigen Fällen die Anforderungen durch Ärzte oder Heilpraktiker auf Grund vorher ermittelter medizinischer Indikationen bzw. Krankheitssymptomen vorgenommen worden seien. Aus den Anamnesebögen sei zudem abzuleiten, dass die Themen Übergewicht und Gewichtsreduktion aus ästhetischen Gründen keine wesentliche Rolle gespielt hätten. Es sei zwar bekannt, dass die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit für jeden einzelnen Umsatz nachzuweisen seien. Hier aber läge eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vor, sodass eine derartige Nachweispflicht übermäßig sei.

Der Beklagte erließ am 16. Februar 2012 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem er die zuvor als Nettoentgelt angesetzten Gebühren für die Blutuntersuchungen nun als Bruttoentgelt berücksichtigte und die Umsatzsteuer herausrechnete.

Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom 18. Oktober 2012 führte der Beklagte zur Begründung aus, die Feststellunglast für die Anwendung einer Steuerbefreiungsvorschrift liege beim Steuerpflichtigen. Er müsse die medizinische Indikation nachprüfbar einzelfallbezogen dokumentieren und zum Nachweis Abrechnungen mit Leistungsbeschreibung und ggf. weitere Unterlagen vorhalten.

§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 bb und cc UStG sei schon deshalb nicht einschlägig, weil die Klägerin nicht an der ärztlichen Versorgung nach §§ 95, 115 Sozialgesetzbuch V und 34 Sozialgesetzbuch VII teilnähmen. Diese Vorschrift sei mit Art. 132 MwStSystRL vereinbar, weil der nationale Gesetzgeber berücksichtigen könne, ob die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen würden.

Aber auch § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG sei nicht einschlägig. Die Behauptung der Klägerin, 98 v. H. aller Aufträge seien durch einen Arzt oder Heilpraktiker initiiert worden, sei nicht nachvollziehbar. Der Test setze eine Blutentnahme voraus, die zwingend durch einen Arzt oder Heilpraktiker erfolgen müsse. Die Einsendung der Blutproben lässt somit keinen Rückschluss auf Art und Umfang der Therapeut-Kunden- bzw. -Patienten-Beziehung. Bei der seinerzeit im Rahmen der Außenprüfung durchgeführten Betriebsbesichtigung sei eine große Anzahl von Werbeflyern aufgefunden worden, die sich direkt an medizinische Laien wenden würden. Auch die aufwändige Homepage wende sich in erster Linie an Kunden. Der den Blutabnahmesets beigefügte Anamnesebogen und Laborauftrag richte sich ebenfalls an den Kunden, der den Umfang der Tests bestimme und Fragen zu Krankheiten und Symptomen beantworte. Er müsse zudem versichern, dass der Bluttest auf seinen Wunsch durchgeführt werde. Zweifel an der Behauptung der Klägerin, regelmüßig würden ihre Laboruntersuchungen in eine ärztliche Behandlung eingebunden, ergäben sich schon aus dem Umstand, dass den Kunden nicht lediglich das Testergebnis zur Weitergabe an den Arzt oder Heilpraktiker übersandt werde, sondern gleich auch die Therapie. Die Klägerin liefere einen Patientenleitfaden und ein individuelles Rezeptbuch mit. Für eventuelle Rückfragen verweise sie auf ihre Hotline.

Ein therapeutischer Zweck der Bluttests sei ebenfalls nicht zweifelsfrei. Eindeutig diagnostizierte Erkrankungen seien in den Anamnesebögen eher selten aufgeführt worden, nämlich zu etwa 10 v. H. Im Übrigen hätten die Kunden chronische Beschwerde der unterschiedlichsten Arten genannt, am häufigsten Blähungen. Dieses Symptom beeinträchtige sicherlich das allgemeine Wohlbefinden, habe aber nicht in jedem Fall Krankheitswert. Das Thema Gewichtsreduzierung gehört auch zu den in den Flyern beworbenen Bereichen. Da die Klägerin sich in einem Grenzbereich zwischen Erhaltung und Förderung der Gesundheit und Steigerung des Wohlbefindens bewege, könne auf einen individuellen Nachweis im Einzelfall nicht verzichtet werden.

Der von der Klägerin propagierte Behandlungsansatz sei ebenfalls nicht zweifelsfrei. Die von ihr benannten drei Wirksamkeitsstudien genügten schon wegen ihres sehr kleinen Teilnehmerkreises nicht wissenschaftlichen Ansprüchen. Zudem sei es auffällig, dass die Klägerin als Therapeuten nicht etwa Fachärzte empfiehle. Allergologen-Verbände warnten im Gegenteil vor der Behandlungsmethode. Im Zusammenhang mit Lebensmittelunverträglichkeiten seien die Tests irreführend und sinnlos. Die Testergebnisse dienten häufig als Begründung für ungerechtfertigte, einschneidende Diäten. Sie erhöhten damit den Leidensdruck, schränkten die Lebensqualität ein und trügen zur Verunsicherung oder Gefährdung der Betroffenen bei.

Mit ihrer am 12. November 2012 eingegangenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und trug zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie erbringe mit den von ihr durchgeführten labormedizinischen Analysen Leistungen, die heilkundlichen Zwecken dienten. Ihre Leistungen seien jeweils eingebettet in eine heilkundliche Therapie des jeweiligen Therapeuten. Dieser treffe die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Laboruntersuchung des jeweiligen Patienten und veranlasse diese. Nach der von der Klägerin durchgeführten Laborleistung schließe sich unter Umständen auch eine Interpretation des Laborbefundes durch den Therapeuten sowie eine ärztliche Folgetherapie an.

Aus ihren Aufzeichnungen im Laborinformationssystem, die sie notfalls dem Gericht vorlegen könne, ergebe sich, dass im Streitjahr über 97 v. H. aller Laboruntersuchungen durch einsendende Therapeuten veranlasst worden seien. Wenn aber der Therapeut eine heilkundliche Leistung erbringe, so könne auch die davon abgeleitete Laborleistung der Klägerin nur heilkundlichen Zwecken dienen. Eine getrennte Beurteilung sei unzulässig.

Für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG müsse nicht der leistende Unternehmer des Umsatzsteuerrechts die erforderliche ärztliche oder arztähnliche Qualifikation besitzen. Ausschlaggebend sei, dass der die Leistung Ausführende die entsprechende Qualifikation habe. Im Streitfall liege die Leitung des Labors in der Hand des Facharztes S. Dieser sei regelmäßig im Labor anwesend. Er verfüge über eine Genehmigung der Ärztekammer Niedersachsen über die Berechtigung zur Abrechnung der von der Klägerin durchgeführten Laboruntersuchungen. Damit sei deutlich, dass S über die entsprechende berufliche und auch fachliche Qualifikation verfüge, die von der Klägerin erbrachten Laboruntersuchungen durchzuführen. Diese Qualifikation sei der Klägerin umsatzsteuerrechtlich zuzurechnen. Auf das Urteil des BFH vom 15. März 2007 V R 55/03 werde verwiesen.

Der Beklagte trat der Klage entgegen und verwies zunächst auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Ergänzend führte er aus, dass der von der Klägerin hauptsächlich vermarktete Test x 300 nach den eigenen Unterlagen der Klägerin eine Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht zuverlässig ermittle. In den Therapeuten- und Patientenberichten werde als festgestellte Nahrungsmittelunverträglichkeit fast immer Kuhmilch und gehäuft auch Ei und Weizen bzw. Getreide genannt. Diese Nahrungsmittel gehörten zu den 14 Lebensmitteln, die am häufigsten allergische Reaktionen auslösten und daher sei Ende 2007 kennzeichnungspflichtig seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin vor dem Hintergrund derartiger Ergebnisse die Testung von rund 200 Nahrungsmitteln empfehle. In ihrem Charakter entspreche die von der Klägerin empfohlene Behandlung den klassischen Such-, Additions- oder Eliminationsdiäten, wie sie auch sonst bei einem Verdacht auf Nahrungsmittelallergien empfohlen würden. Diese Empfehlungen kämen aber ohne einen derartigen umfangreichen und teuren Test aus. Auch seien die klassischen Suchdiäten in der Regel nicht über einen so langen Zeitraum und in einem solchen Umfang durchzuführen. Die Warnungen z. B. der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. vor einer zu starken Lebensmitteleinschränkung im Rahmen einer alternativen Diät, wie sie von der Klägerin empfohlen werde, sei daher nachvollziehbar. Die Klägerin habe den therapeutischen Nutzen des Tests jedenfalls nicht nachgewiesen.

Die Klägerin habe auch keinen Nachweis einer stetigen und situationsangemessenen ärztlichen Aufsicht bei den Tests in ihrem Labor erbracht. Nach den vorgelegten Anwesenheitslisten habe S pro Tag drei Tests gegengezeichnet. Die Genehmigung der Ärztekammer stamme aus dem Jahr 2011 aufgrund eines Antrags vom selben Jahr, in dem der Arzt angebe, die Tests in einem praxiseigenen Labor oder in Nebenstellen durchzuführen.

Das Gericht erhob Beweis über die Durchführung und Überwachung der von der Klägerin durchgeführten Tests durch Einvernahme der bei der Klägerin beschäftigten G und des S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 3. September 2015 verwiesen.

Das Gericht gab der Klage mit Urteil vom 3. September 2015 in vollem Umfang statt. Die fraglichen Umsätze seien nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerbefreit. Die Klägerin habe hinreichend dokumentiert, dass die durchgeführten Tests Leistungen seien, die durch die jeweiligen Therapeuten - Arzte und Heilpraktiker - angeordnet waren. Dies bestätigten auch die schriftlichen Aussagen der nach dem Zufallsprinzip aus dem Kreis aller Therapeuten ausgewählten insgesamt 24 Therapeuten, die die Klägerin mit Schreiben vom 25. März 2015 dem Gericht vorgelegt habe. Das Gericht habe keine Zweifel an der Richtigkeit der dort gemachten Angaben, zumal die Beteiligten diese auch nicht infrage gestellt hätten. Die Zeugin G habe zudem ausgesagt, dass die Tests durch vier Arbeitnehmer durchgeführt würden. Sie als Teamleiterin und eine weitere Mitarbeiterin hätten die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung medizinisch-technische Laborassistentin nach dem Gesetz über technische Assistenten in der Medizin und übten deshalb eine den Heilberufen ähnliche Tätigkeit aus. Zudem habe die Tätigkeit unter der fachlichen Aufsicht des Zeugen S gestanden.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hin ließ der BFH mit Beschluss vom 25. Mai 2016 V B 101/15 die Revision zu. Mit Urteil vom 24. August 2017 V R 25/16 hob er das Urteil auf und verwies die Sache zurück. Das Gericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass medizinische Analysen, die wie im Streitfall von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor - außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, nicht aber nach Buchst. a dieser Vorschrift steuerfrei sein könnten. Dem Gericht werde aufgegeben, die fehlenden Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nachzuholen und auch zu entscheiden, ob diese Regelung im Hinblick auf einen unzulässigen Bedarfsvorbehalt unionsrechtswidrig sein könne (Hinweis auf BFH, Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BStBl. II 2016, 785). Gegebenenfalls seien auch weitere Feststellungen zur Anwendbarkeit des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zu treffen, weil eine Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift nach den bisherigen Feststellungen nicht in Betracht komme.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2018 regte die Klägerin an, das Klageverfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren C-700/17 nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen. Das Gericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 1. November 2018 ab, weil die Rechtsfrage des Verhältnisses zwischen Art. 132 Abs. 1 Buchst. b zu Buchst. c MwStSystRL bereits durch das Urteil des BFH vom 24. August 2017 V R 25/16 geklärt und das Gericht an die dort vertretene Rechtsauffassung nach § 126 Abs. 5 FGO gebunden sei. Der BFH hob diese Entscheidung mit Beschluss vom 23. Januar 2019 V B 103/18 auf und setzte das Klageverfahren bis zum Ergehen einer Entscheidung des EuGH im Verfahren C-700/17 aus. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 18. September 2019 C-700/17 sein Verfahren abgeschlossen hatte, wurde das Klageverfahren fortgesetzt.

Im zweiten Rechtsgang trägt die Klägerin wie folgt vor:

A. Zur Anwendung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG

1. Nach dem Urteil des EuGH vom 18. September 2019 C-700/17, UR 2019, 775, dem der BFH mit seinem Urteil vom 18.Dezember 2019 XI R 23/19, Juris gefolgt sei, stehe nunmehr fest, dass medizinische Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik nicht nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, sondern auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei seien. Das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Arzt und seinem Patienten sei keine Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung i. S. d. § 4 v. Senat des BFH in seinem Urteil vom Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG. Die gegenteilige Auffassung, die der BFH in seinem Urteil vom 24. August 2017 V R 25/16 vertreten habe, sei durch die Entscheidung des EuGH obsolet. Auf diese Rechtsprechung könne sich auch die Klägerin berufen. Zur gleichen Rechtsfrage sei beim BFH ein weiteres Verfahren unter dem Aktnzeichen XI R 30/17 anhängig, dass allerdings noch nicht fortgesetzt worden sei.

Das Klageverfahren XI R 30/17 ist durch Urteil vom 22. Januar 2020 XI R 24/19, juris entschieden worden.

2. Vorliegend könnten die vorgenommenen Blutanalysen der Klägerin aus zwei Gründen als Heilbehandlungen i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG angesehen werden: Zum einen sei die Gesamtleistung der Klägerin aufgrund der Einbindung des S in die Befundung, den Therapeutenleitfaden, den Patientenleitfaden und der Möglichkeit der Abstimmung zwischen dem einsendenden Therapeuten über die weitere Behandlung einer Therapeutenpraxis vergleichbar. Zum Zweiten bildeten die Leistungen der einsendenden Therapeuten und der Klägerin insgesamt ein therapeutisches Kontinuum, weil die Analyse einen unerlässlichen, festen und untrennbaren Bestandteil der gesamten therapeutischen Maßnahme darstelle (Hinweis auf EuGH, Urteile vom 18. November 2010 C-156/09, UR 2011, 215 und vom 13. März 2014 C-366/12, UR 2014, 271). Im Einzelnen:

3. Das von der Klägerin angebotene Leistungsspektrum beschränke sich nicht auf die Auswertung der eingesendeten Proben. S werde in die Befundung eingebunden. Anhand eines Therapeutenleitfadens und eines Patientenleitfadens würden weitere Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Insbesondere bei auffälligen Befundergebnissen erfolge eine individuelle ärztliche Beratung durch S. Es liege ein vergleichbarer Fall wie eine Mitbehandlung eines Patienten durch einen Facharzt, der dann für den Hausarzt Behandlungsempfehlungen ausspreche.

4. Die Klägerin erbringe ihre Leistungen auf Anordnung der die Proben einsendenden Ärzte und Heilpraktiker. Diese würden die Proben bei Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern entnehmen, bei denen eine verzögerte Lebensmittelallergie Auslöser für die Erkrankungen oder Gesundheitsbeschwerden sein könnten. Im ersten Rechtsgang habe das Gericht seine Tatsachenfeststellung, dass die Klägerin mit ihren Laboranalysen ein therapeutisches Ziel verfolge, auf die schriftlichen Stellungnahmen von 24 nach dem Zufallsprinzip ausgesuchten Therapeuten gestützt. Bei 97 v. H. der durchgeführten Analysen habe der einsendende Therapeut die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Laboruntersuchung getroffen und die Einsendung veranlasst. Sofern sich einzelne Kunden direkt an die Klägerin wendeten, würden sie an einen Therapeuten verwiesen, der dann die Untersuchung durchführe, die Blutproben entnehme und an die Klägerin weiterleite. Die Leistungen der Klägerin seien ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines Gesamtverfahrens.

5. Hinsichtlich des therapeutischen Ziels sei darauf hinzuweisen, dass sich über die Therapeuten ausschließlich Patienten wendeten, die an einer Krankheit oder an Krankheitssymptomen litten. Krankheitsbilder seien insbesondere Morbus Crohn, Psoriasis, Neurodermitis, Adipositas, Migräne, Multiple Sklerose, rheumatische Erkrankungen, Parkinson, chronische Kopfschmerzen, Fibromylagie, Akne, Hypertonie, Diabetes, Asthma und chronische Müdigkeit. Schon aus diesen Krankheitsbildern ergebe sich klar, dass die diagnostischen Leistungen der Klägerin einem therapeutischen Ziel folgten. Die Einschätzung des Beklagten, es würden auch "im allgemeinen Wohlbefinden gestörte, übergewichtige oder an Ernährungsfragen interessierte Personen" angesprochen, sei zurückzuweisen, weil Therapeuten in die vorangehende Diagnose eingebunden seien. Unerheblich sei, ob die gewählte Therapieform erfolglos geblieben sei (Hinweis auf FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Mai 2011 14 K 4038/08, Juris).

6. Hinsichtlich des Nachweises eines therapeutischen Zwecks der Blutanalyse wiederhole die Klägerin der Vorsicht halber sämtliche Beweisanträge einschließlich der Benennung der Zeugen aus dem Verfahren 16 K 340/12 erneut. S und auch die Teamleiterin G müssten wieder als Zeugen aussagen, ebenso die Therapeuten, die sich im damaligen Verfahren schriftlich geäußert hätten.

7. Das Labor stehe unter der ärztlichen Leistung des S als approbiertem Arzt. Dieser kontrolliere die Analytik der Testverfahren im Ganzen, kontrolliere selbst auffällig Befunde und versehe diese mit Empfehlungen zur Weiterbehandlung durch den Therapeuten. Darüber hinaus arbeiteten in dem Labor von den vier Mitarbeitern zwei Medizinisch-technische Laborassistenten. Diese erfüllten die Voraussetzungen eines arztähnlichen Berufs ebenso wie MTAFs (Hinweis auf BFH, Urteil vom 29. Januar 1998 V R 3/96, BStBl. II 1998, 453). Dass S als Honorarkraft und die beiden MTLAs als Arbeitnehmer bei der Klägerin beschäftigt seien, spiele keine Rolle.

B. Zur Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL

1. Die Klägerin könne sich auf diese Vorschrift der MwStSystRL berufen, weil die nationale Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 bb UStG gegen Unionsrecht verstoße (Hinweis auf BFH, Urteile vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BStBl. II 2016, 785; vom 18. März 2015 XI R 38/13, BStBl. II 216, 793, jeweils zu § 4 Nr. 14 Buchst b Satz 2 aa UStG). Die in der nationalen Vorschrift geregelten Beschränkungen führten zu einem unzulässigen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt. Dabei sei nur entscheidend, dass die nationale Regelung einen derartigen Bedarfsvorbehalt enthalte, nicht darauf, ob der Steuerpflichtige einen konkreten Antrag auf Zulassung erstellt habe, der dann abgelehnt worden sei. Es sei deshalb naheliegend, die bis 2008 geltende Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG a. F. anlog heranzuziehen (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 6. Oktober 2016, BStBl. I 2016, 1076 zu § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 aa UStG und § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a. F.). Der EuGH habe die Regelung in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG a. F. ausdrücklich als unionsrechtlich vereinbar angesehen; die geforderte Grenze von 40 v. H. der Patienten, die Mitglieder von Sozialträgern seien, werde von der Klägerin erfüllt. Bereits im ersten Rechtsgang habe die Klägerin nach Hochrechnung ihrer Zahlen einen Anteil von 54,09 v. H. belegt. Wenn das BMF für Privatkliniken eine Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht anerkenne, müsse dies ebenso für privatrechtlich betriebene medizinische Labore gelten. Ergänzend verweist die Klägerin auf eine Stellungnahme zur Vereinbarkeit des § 4 Nr. 14 b) S. 2 bb) UStG mit der MwStSystRL.

2. Die Klägerin habe auch keine Möglichkeit im Streitjahr 2009 gehabt, vom Bedarf unabhängig die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung zu erlangen. Auch die theoretische Möglichkeit der Zulassung als MVZ sei nicht gangbar gewesen, weil im damaligen Zeitraum noch Ärzte zweier verschiedener Fachgruppen hätten beschäftigt werden müssen, die ihrerseits einem Bedarfsplanungssystem unterworfen gewesen seien. Es habe sich somit keine plausible Antragsvariante ergeben.

3. Wende man die Regelung in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG a. F. analog an, so reiche es für die Annahme der Grenze von 40 v. H. aus, wenn die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht würden und im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 v. H. der Leistungen den in Nummer 15 Buchst. b genannten Personen zugutegekommen seien. Nicht erforderlich sei dagegen, dass die erbrachten Leistungen von den Trägern der Sozialleistungen ganz oder teilweise übernommen worden seien (Hinweis auf Abschn. 98 Abs. 4 und 97 Abs. 2 UStR 2008 und BFH, Urteil vom 8. Mai 1996 XI R 47/95, BStBl. II 1997, 151). Eine repräsentative Umfrage bei den 100 Therapeuten, die im Streitjahr 2009 die meisten Einsendungen vorgenommen hätten, habe ergeben, dass etwa 53 v. H. ihrer Kunden gesetzlich krankenversichert gewesen seien.

C. Hilfsweise Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach Art. 98 i. V. m. Anhang II Nr. 17 MwStSystRL

1. Die Leistungen seien zumindest als medizinische Versorgungsleistungen mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Die selektiv gewählte Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG auf "Heilbäder" und des § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG auf Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker und den in § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 2 UStG genannten Leistungen der Zahnärzte verletze den Neutralitätsgrundsatz gegenüber den in Art. 98 i. V. m. Anhang III Nr. 17 MwSystRL genannten umfassenderen medizinischen Versorgungsleistungen. Die Klägerin berufe sich unmittelbar auf die EU-Vorschrift. Ergänzend werde auf ein beigefügtes Gutachten über die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung zwischen Heilbädern und medizinischen Versorgungsleistungen sowie Thermalbehandlungen verwiesen (Bl. 383 ff. GA).

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2009 entsprechend der abgegebenen Steuererklärung festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest. Ergänzend teilt er Folgendes mit:

A. Zur Anwendbarkeit des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG

1. Die vom EuGH vertretene Auffassung zur Anwendbarkeit der beiden Steuerbefreiungstatbestände nebeneinander widerspreche der Auffassung der Finanzverwaltung.

2. Die Klägerin erbringe selbst keine ärztlichen Leistungen und diese stünden bei ihrem Leistungsspektrum auch nicht im Vordergrund. Nach Auskunft ihres Geschäftsführers habe die Klägerin 2009 16.128 Tests (rund 64 Tests pro Tag) durchgeführt. Ausweislich der Kontrolllisten seien S pro Tag drei Tests zur Kontrolle vorgelegt worden. In der Zeugenaussage vor Gericht habe S angegeben, dass er sich zudem x 300-Tests mit relevanten Messdaten vorlegen lasse, entweder ein Gespräch mit dem behandelnden Therapeuten führe oder ihm einen schriftlichen Befund mit Stellungnahme zukommen lasse. Er sei aber nicht jeden Arbeitstag im Labor anwesend. Er habe dort auch keinen Arbeitsplatz. Die Auswertung der Tests erfolge nach Aussage der Teamleiterin EDV-gestützt durch eine Biologin und eine Lebensmittelchemikerin. Eine Therapiepraxis liege deshalb allein wegen der ärztlichen Leitung des Labors durch S nicht vor.

3. Die im Laborbetrieb tätigen MTAGs übten keinen arztähnlichen Heilberuf aus. Nur medizinisch-technische Assistenten für Funktionstechnik, die nach ihrem Berufsbild im direkten Kontakt zu den Behandelnden stünden, selbst Untersuchungen auf Anweisung des Arztes in dessen Praxis durchführen und Diagnosen stellen dürften, erfüllten nach dem Urteil des BFH vom 29. Januar 1998 V R 3/96, BStBl. II 1998, 453 diese Anforderung. Medizinisch-technische Laborassistenten arbeiteten dagegen in Krankenhauslaboratorien, Laborpraxen, an Hochschulen, in Forschungseinrichtungen und in der Industrie. Die Ausbildungen seien somit nicht miteinander vergleichbar. Erst recht gelte dies für die Biologin und die Lebensmittelchemikerin. S werde demgegenüber als selbständiger Unternehmer nicht für die Klägerin im Außenverhältnis zu ihren Kunden tätig, sondern im Rahmen seiner vertraglichen Bindung zur Klägerin. Unter Berücksichtigung der Urteile des EuGH vom 20. Oktober 2010 C-156/09 und vom 13. März 2014 C-366/12 könnten die erbrachten Laborleistungen der Klägerin zwar ihrer Art nach unter § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG fallen. Die Steuerbefreiung scheitere aber an der beruflichen Qualifikation der für die Klägerin tätigen Personen.

4. Bereits im 1. Rechtsgang habe der Beklagte die Auffassung vertreten, dass der therapeutische Zweck der von der Klägerin durchgeführten Tests nicht nachgewiesen worden sei. Das Nds. FG habe demgegenüber in seinem Urteil einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der sich in entscheidenden Punkten von dem unterscheide, den der Beklagte ermittelt habe. Hierzu werde auf die vom damaligen Außenprüfer ermittelten Feststellungen, dem damaligen Internetauftritt der Klägerin und die Sachverhaltsschilderung im Einspruchsbescheid hingewiesen.

B. Zur Anwendbarkeit des § 4 Nr. 14 Satz 2 Buchst. b bb UStG

1. Die Klägerin habe bislang nicht vorgetragen, ob sie einen Antrag auf Zulassung gestellt und dieser Antrag wegen eines Bedarfsvorbehalts oder aus anderen Gründen abgelehnt worden sei. § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG a. F. könne nicht mehr im Streitjahr 2009 angewendet werden, weil er mit der Neuregelung außer Kraft getreten sei. Allenfalls könne die Klägerin sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b oder g MwStSystRL berufen, sei aber keine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung (Hinweis auf den Schriftsatz des Beklagten vom 28. November 2017).

2. In dem Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BStBl. II 2016, 785 habe der BFH die Anerkennung der dortigen Klägerin - einer privaten Krankenanstalt - aus dem mit ihrer Tätigkeit verbundenen Gemeinwohlinteresse, der Steuerfreiheit vergleichbarer Unternehmer und aus der Übernahme der Kosten für die von der dortigen Klägerin erbrachten Leistungen durch Krankenkassen und Beihilfestellen abgeleitet. Hierfür reiche es nach Auffassung des BFH aus, dass im erheblichen Umfang gesetzlich Versicherte mit Anspruch auf Kostenerstattung und Beihilfeberechtigte mit Kostenerstattungsanspruch im Krankenhaus der dortigen Klägerin behandelt worden seien. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin aber nicht vor, da ihre Blutanalysen von den Kunden selbst zu finanzieren seien.

C. Zur Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes

1. Die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG sei mit dem EU-Recht vereinbar. Deutschland habe von der vorgesehenen Ermächtigung in Art. 98 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Anhang III Nr. 17 MwStSystRL Gebrauch gemacht, als Thermalbehandlungen steuerermäßigt seien. Thermalbehandlungen würden in der EU-Vorschrift gesondert erwähnt und bildeten keine Untergruppe zu den medizinischen Versorgungsleistungen. Mit der selektiven Einführung der Steuerermäßigung für Heilbäder wurde auch nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen, weil medizinische Versorgungsleistungen nicht in einem Wettbewerb zu den Thermalbädern stünden. Nur Wirtschaftsteilnehmer, die die gleichen Leistungen in vergleichbaren Situationen erbrächten, müssten gleichbehandelt werden. Laboranalysen und Heilbäder seien nicht vergleichbar.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 18. Februar 2012 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 18. Oktober 2012 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als die von ihr im Rahmen der Blut- und Serumuntersuchungen auf IgG-Antikörper erbrachten Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerbefreit sind. Diese Vorschrift ist neben der des § 4 Nr. 14 Buchst b UStG anwendbar (1.). Bei den durchgeführten Analysen handelt es sich um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin (2.), die auch im Rahmen der Tätigkeit eines Arztes erbracht worden sind (3.). Den Beweisanträgen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2020 aus ihrem Schriftsatz vom 29. Mai 2020 musste das Gericht nicht nachgehen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts durch die vorgelegten Unterlagen und die in dem Sitzungsprotokoll vom 3. September 2015 dokumentierten Zeugenaussagen hinreichend nachgewiesen worden sind.

1. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 4.14.2 Abs. 2 Satz 1 UStAE und des Urteils des BFH vom 24. August 2017 V R 25/16 ist die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG bei Analysen in einem Labor unabhängig von dem Ort der Leistungserbringung neben der des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG anwendbar. Der EuGH hat in der Rechtssache Peters mit Urteil vom 18. September 2019 C-700/17 (UR 2019, 775) entschieden, dass aus dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL - der die europarechtliche Grundlage für § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG darstellt - nicht hervorgeht, dass diese Bestimmung des § 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL und damit des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG einschränkt. Die Bestimmungen über die Befreiung der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin setzen darüber hinaus auch kein Vertrauensverhältnis zwischen der behandelnden und der behandelten Person voraus (BFH, Urteile vom 22. Januar 2020 XI R 24/19, Juris Rdnr. 19; vom 18. Dezember 2019 XI R 23/19, UR 2020, 295 = Juris Rdnr. 19). Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an, zumal der V. Senat seine abweichende Auffassung aufgegeben hat. An die ursprüngliche Auffassung in dem Urteil vom 24. August 2017 V R 25/16 ist der Senat nach § 126 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mehr gebunden (BFH, Beschluss vom 23. Januar 2019 V B 103/18, Juris).

2. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG befreit die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilproktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker vor der Umsatzsteuer. Die Steuerbefreiung beruht auf der Steuerbefreiungsregelung in Art. 132 Abs. 1 Buchst c MwStSystRL. Hiernach sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin steuerbefreit, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden.

Unter Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin werden einem therapeutischen Zweck dienende Leistungen erfasst, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen erbracht werden. Unter Heilbehandlungen fallen auch Maßnahmen, die ggf. nur vorbeugend dem Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Insofern werden auch Maßnahmen erfasst, die darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. Grundvoraussetzung für die Steuerbefreiung ist somit, dass die Umsätze einem therapeutischen Zweck dienen. Diese Voraussetzung ist nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen; vielmehr ist der Begriff unter Berücksichtigung des zwecks der Steuerbefreiung auszulegen, der darin besteht, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken (BFH, Beschlüsse vom 11. Januar 2019 XI R 29/17, BFH/NV 2019, 440 = Juris Rdnr. 26 bis 28; vom 11. Oktober 2017 XI R 23/15, BStBl. II 2018, 109, 111 Rdnr. 26).

Die Feststellung, welche Zwecke mit Leistungen verfolgt werden, ist in den Fällen unproblematisch, in denen sich die therapeutische Zielsetzung bereits aus der Leistung selbst ergibt. Dies gilt auch für einzelne Leistungen, die unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil der gesamten Heilbehandlung sind, deren einzelne Abschnitte sinnvoller Weise nicht isoliert voneinander durchgeführt werden können. Dann folgt die therapeutische Zweckbestimmung daraus, dass die Tätigkeit im Rahmen eines hinreichend konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzepts erfolgt. Hingegen kommt es bei Maßnahmen, die sowohl Heilbehandlungszwecken als auch bloß der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands dienen können und insofern einem Grenzbereich zuzuordnen sind, auf eine Prüfung anhand der Umstände des Einzelfalls an; der Steuerpflichtige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft, trägt insoweit die Feststellungslast. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei der Frage, ob eine Leistung therapeutischen oder anderen Zwecken dient, um die Beurteilung einer medizinischen Frage geht, die auf medizinischen Feststellungen beruhen muss, die von dem entsprechenden Fachpersonal getroffen worden sind (BFH, Beschluss vom 11. Januar 2019 XI R 29/17, BFH/NV 2019, 440 = Juris Rdnr. 30 bis 32 m. W. N. aus der Rechtsprechung des BFH). Auch Methoden, deren Anwendung im Einzelfall positive gesundheitliche Wirkungen beim Patienten hervorrufen, können wegen fehlenden wissenschaftlichen Nachweises eines Wirkungszusammenhangs als Heilbehandlungen ausscheiden, wenn sie im rechtlichen Sinne keinen heilenden Charakter haben (FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. November 2016 4 K 153/13, EFG 2017, 251 = Juris Rdnr. 26 m.w.N.).

Medizinische Analysen, die von praktischen Ärzten im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet werden, können zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit beitragen, da sie ebenso wie jede vorbeugend erbrachte ärztliche Leistung darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. Diese Analysen, die der vorbeugenden Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienen, sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin (BFH, Beschluss vom 11. Oktober 2017 XI R 23/15, BStBl. II 2018, 109, 111 Rdnr. 27).

Zweifel könnten an den von der Klägerin behaupteten Wirkungszusammenhang zwischen der Bestimmung der IgG-Antikörper und sogenannten verzögerten Lebensmittelunverträglichkeiten bestehen. Die Europäische Akademie für Allergologie und Klinische Immunologie hat 2009 ein Positionspapier zum Stellenwert von IgG-Tests zur Feststellung von Lebensmittelunverträglichkeiten verfasst, das von den fünf deutschsprachigen Allergiegesellschaften in ihre Leitlinie übernommen wurde. Darin wird die Diagnostik von Lebensmittelunverträglichkeiten mittels IgG-Antikörpertests als ungeeignet eingestuft. Die Klägerin hat demgegenüber im Klageverfahren verschiedene Studien zur Stützung ihrer Behauptung einer möglichen Wirksamkeit ihrer Methode vorgelegt, aus denen sich zur Überzeugung des Senats eine heilende Wirkung ergeben kann.

Die Klägerin hat hinreichend dokumentiert, dass die durchgeführten Tests Leistungen sind, die durch die jeweiligen Therapeuten - Ärzte und Heilpraktiker - angeordnet waren. Dies gilt zunächst in den Fällen, bei denen die Patienten sich an ihren Arzt/Heilpraktiker gewandt hatten wegen ihrer gesundheitlichen Störungen und Krankheiten und dieser dann eine entsprechende Testung angeordnet und die erforderliche Blutprobe entnommen hat. Den entsprechenden Geschehensablauf hat die Klägerin durch die schriftlichen Aussagen der nach dem Zufallsprinzip aus dem Kreis aller bundesweit etwa 2000 Ärzte und Heilpraktiker, die schon einmal entsprechende Proben eingeschickt haben, hinreichend bestätigt. Nach diesen Bescheinigungen wurden nach jeweils eingehender Abklärung der genauen Krankheitssymptome eines Patienten und Erörterung möglicher alternativen Therapieansätze und der Vorbehandlungen mit den jeweiligen Patienten das "x-Therapiekonzept" als medizinisch geeigneter Behandlungsansatz ausgewählt und durchgeführt. Das Gericht hat keinen begründeten Zweifel an der inhaltlichen Aussage dieser Bestätigungen. Sie werden von den Verfahrensbeteiligten auch nicht in Zweifel gezogen.

Aber auch soweit die Patienten sich wegen des Werbeflyers oder des Internetauftritts der Klägerin direkt an diese gewandt haben, führte dies zur Überzeugung des Gerichts nicht zu einem wesentlich anderen Geschehensablauf. Die von der Klägerin vorgeschlagenen Ärzte oder Heilpraktiker durften nicht ohne Weiteres ihren Patienten eine Blutprobe entnehmen. Ohne medizinische Indikation wäre ein derartiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit rechtswidrig. Schon aus standesrechtlichen Gründen musste der vorgeschlagene Arzt oder Heilpraktiker eine Befundung durchführen, bevor er die Blutprobe entnahm. Das Gericht hat keine Zweifel, dass die vorgeschlagenen Ärzte und Heilpraktiker sich in diesen Fällen rechtmäßig verhalten haben, zumal ihnen die gesundheitliche Vorgeschichte der Patienten nicht bekannt war.

3. Die Laborleistungen der Klägerin sind auch im Rahmen der Ausübung eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufs von der Klägerin erbracht worden. Der für die Leistungserbringung erforderliche Befähigungsnachweis kann sich entweder aus einer Qualifikation für einen der katlogberufe ergeben, oder - für die nicht unter die katlogberufe fallenden Unternehmer - aus berufsrechtlichen Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung, oder aus einer regelmäßigen Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen als Sozialversicherungsträger, wobei eine derartige Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen nach der Rechtsprechung dann von Bedeutung ist, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat. Dies kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem Vierten Kapitel des SGB V ergeben (BFH, Urteile vom 8. März 2012 V R 30/09, BStBl. II 2012, 623; vom 30. April 2009 V R 6/07, BStBl. II 2009, 679). Bei der Analyse der Blutproben ist es nicht entscheidend, ob die Proben vom nichtärztlichen Laborpersonal aufbereitet werden. Lediglich die entscheidenden Arbeitsschritte der Untersuchung und Befundung müssen von entsprechend qualifiziertem Personal vorgenommen werden. Die Steuerbefreiung ist auch dann zu gewähren, wenn der Unternehmer nicht selbst, sondern nur seine Mitarbeiter über die Befähigungsnachweise verfügen (BFH, Urteil vom 22. Januar 2020 XI R 24/19, Juris Rdnr. 21).

Im Streitfall ist unstreitig, dass die Klägerin die Blutuntersuchungen durch eine Teamleiterin mit drei weiteren Mitarbeiterinnen durchgeführt hat. Sowohl die Teamleiterin als auch ihre Stellvertreterin haben die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung medizinisch-technische Laboratoriumsassistenten nach dem Gesetz über technische Assistenten in der Medizin vom 2. August 1993 (BGBl. I, 1402). Der BFH hat mit Urteil vom 29. Januar 1998 V R 3/96, BStBl. II 1998, 453 entschieden, dass eine medizinisch-technische Assistentin für Funktionsdiagnostik mit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 3 MTAG im Bereich der Humanmedizin aufgelisteten Aufgabenbereich einen den Heilhilfsberufen ähnliche Tätigkeit ausübt. Der Aufgabenbereich der medizinisch-technischen Laborassistentin in § 9 Abs. 1 Nr. 1 MTAG unterscheidet sich zwar von dem einer Assistentin für Funktionsdiagnostik, umfasst aber auch Untersuchungen im Bereich der Humanmedizin. Aus diesem Grunde üben die Mitarbeiterinnen in der Leitung des Laborteams eine den in § 4 nr. 14 Buchst. a UStG genannten Hilfsberufen ähnliche Tätigkeit aus. Dies ist zur Überzeugung des Gerichts auch ausreichend, nicht erforderlich ist, dass im Labor nur entsprechend qualifiziertes Personal beschäftigt wird, zumal der Kreis der tätigen Mitarbeiter überschaubar ist.

Hinzu kommt im Streitfall, dass das von der Klägerin betriebene Labor unter der fachlichen Aufsicht des Allgemeinmediziners S gestanden hat, der regelmäßig durch Stichproben die Qualität der Laborarbeit bei der Klägerin überwacht und gewährleistet hat und zu auffälligen Testergebnissen schriftliche Befunde für die einsendenden Therapeuten gefertigt hat. Dass die Testergebnisse von einem Biologen und einem Lebensmittelchemiker graphisch aufbereitet wurden, ist dagegen zur Überzeugung des Gerichts nicht entscheidend.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 2 FGO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.