Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.06.2020, Az.: 11 K 319/19
Voraussetzungen einer Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze aus dem ambulanten Pflegedienst
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.06.2020
- Aktenzeichen
- 11 K 319/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 70535
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 4 Nr. 16 UStG
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG.
Der Kläger ist Einzelunternehmer. Neben einem Handwerksbetrieb betreibt er die X-Seniorenbetreuung mit Betriebsstätten in ... und ..., wobei offen ist, inwieweit nur eine Vermittlung im Sinne einer Agentur stattfindet. Die von ihm angebotenen Leistungen umfassen die Grundpflege alter und pflegebedürftiger Menschen, in der Regel mit einer Einstufung in den Pflegestufen I bis V, sowie die Haushaltsführung als häusliche Krankenpflege. Die Grundpflege umfasst vor allem die folgenden Leistungen: dem Patienten aus dem Bett helfen, Baden, Duschen, Körperhygiene, Ankleiden, Mobilisierung des Patienten/Kunden, medizinische Unterstützung und ggf. Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt im Fall einer Erkrankung. Leistungen im Rahmen der Haushaltsführung sind: Vorbereitung der Mahlzeiten, Sauberhalten des Hauses/Wohnung, Wäsche waschen sowie die Erledigung von Einkäufen.
Für die Erbringung der Pflegeleistungen setzt der Kläger in der Regel polnische Arbeitskräfte ein. Bei diesen handelt es sich zum großen Teil um examinierte Fachkrankenschwestern, die in Polen eine entsprechende Fachausbildung absolviert haben. Mit diesen wird regelmäßig ein auf sechs Wochen befristeter Arbeitsvertrag geschlossen (sog. Zeitgeringfügigkeit, angemeldet über die Mini-Job-Zentrale).
Mit den Patienten wird ein Betreuungsvertrag geschlossen, in dem auch die Höhe des monatlich zu zahlenden Entgelts geregelt ist. Die Zahlungen erfolgen jeweils durch die Patienten selbst. Bei Feststellung einer Pflegestufe erstatten die Kranken- oder Pflegeversicherung bzw. die Kranken- oder Pflegekasse die Kosten bis zur Höhe des nach der jeweiligen Pflegestufe möglichen Höchstbetrags für ambulante Pflegeleistungen. Die Kostenerstattung deckt in der Mehrzahl der Fälle aber nicht mindestens 50% des von den Patienten an den Kläger zu zahlenden Entgelts. Hinsichtlich der einzelnen Zahlen wird auf die durch den Kläger im Einspruchsverfahren eingereichten Unterlagen sowie die Übersicht auf Seite der 3 der Einspruchsentscheidung des beklagten Finanzamts (im Folgenden: FA) vom 16.10.2019 verwiesen.
Verträge mit Krankenversicherungen nach den §§ 132 und 132a SGB V und §§ 72 und 77 SGB XI wurden nicht abgeschlossen.
Am 08.10.2018 stellte der Kläger beim FA einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Darin fragte er zunächst nach der Möglichkeit einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b) oder c) UStG für den Fall, dass ein entsprechender Vertrag mit der zuständigen Krankenversicherung nach §§ 132, 132a SGB V bzw. §§ 72 oder 77 SGB XI abgeschlossen werde. Zudem fragte er nach der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. d) UStG für die Zeiträume ab 2015. Das FA erteilte dem Kläger daraufhin am 26.04.2019 eine verbindliche Auskunft dahingehend, dass eine Umsatzsteuerbefreiung vorliegend sowohl nach § 4 Nr. 16 Buchst. b), c) oder d) UStG ausscheide und auch eine Befreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG nicht in Betracht komme. Hiergegen legte der Kläger am 30.04.2019 Einspruch ein, der vom FA mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2019 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Am 06.07.2018 erließ das FA einen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 2018, in dem die streitigen Umsätze aus den vom Kläger erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen in Höhe von 950 € nicht als umsatzsteuerfreie Leistungen behandelt wurden. Gegen den Bescheid legte der Kläger am 16.07.2018 Einspruch ein. Am 11.02.2019 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für das 1. Quartal 2018, in dem nunmehr steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 16.150 € zugrunde gelegt wurden.
Gegen diesen legte der Kläger am 22.02.2019 wiederum Einspruch ein. Mit diesem begehrt er die Steuerbefreiung für die von ihm erbrachten Pflegeleistungen. Dies begründet er damit, dass jedenfalls die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG einschlägig sei. Bei der Bemessung der ganz oder zum überwiegenden Teil durch Träger der Sozialversicherung vergüteten Beträge seien auch die von den Patienten erhaltenen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder ähnliche Leistungen zu beachten. Diese seien insbesondere deshalb zu berücksichtigen, weil auch eine mittelbare oder durchgeleitete Kostentragung ausreiche. Die in § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG vorgesehen 25%-Grenze sei auch mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren. Durch die Zuerkennung einer Pflegestufe könne beim Empfänger der Leistung ohne weitere Prüfung eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt werden.
Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 als unbegründet zurück. Dies begründete es damit, dass der Kläger weder über eine staatliche Anerkennung oder Zulassung - ein entsprechendes Verfahren laufe noch und könne sich allenfalls für die Zukunft auswirken - verfüge, noch habe er mit einer Kranken- oder Pflegekasse Verträge oder Vereinbarungen zur Versorgung in der häuslichen Pflege abgeschlossen. Auch die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG würden nicht vorliegen. Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Form von Altersrenten oder vergleichbare Leistungen seien nicht in die betragsmäßige Prüfung einzubeziehen. Diese Zahlungen würden der Bestreitung des Lebensunterhalts im Alter dienen und keine Erstattungen für Betreuungs- und Pflegeleistungen darstellen. Es handele sich nur um mittelbare oder durchgeleitete Zahlungen. Selbst wenn man nach der Rechtsprechung des EuGH nicht auf die Werte aus den Vorjahren abstellen könne, sei die unionsrechtlich ermessensfehlerfrei festgelegte Grenze in allen Kalenderjahren nicht erreicht. Selbst bei Zuerkennung einer Pflegestufe bleibe zu prüfen, ob die für Leistungen in Rechnung gestellte Beträge ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil vergütet würden. Eine Vergütung durch die Kranken- oder Pflegekasse erfolge nach den vom Kläger eingereichten Unterlagen jeweils bis zu dem aufgrund der zuerkannten Pflegestufe Höchstbetrag für ambulante Pflegeleistungen. Diese würden in der überwiegenden Zahl der Fälle jedoch nicht 50% der vereinbarten Beträge erreichen.
Der Kläger hat daraufhin am 12.11.2019 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass die zuständige Berufsgenossenschaft ihm gegenüber mit Schreiben vom 18.07.2018 bestätigt habe, dass er als Mitglied des Unfallversicherungsträgers auf dem Gebiet des Gesundheitswesens selbständig im Bereich der Pflege einschließlich niedrigschwelliger Unterstützungsangebote bei der Hilfe der Alltagsbewältigung von Patienten tätig werde. In den Jahren 2015 bis 2018 seien mindestens 25% der Geschäftsvorfälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden. Entgegen der Auffassung des FA sei die prozentuale Grenze hier erfüllt, da der Wortlaut der Norm es nicht hergebe, etwaige unmittelbar oder mittelbar verwendete Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder andere Alterssicherungsleistungen auszuklammern. Bereits der Gesetzeszweck der Norm impliziere, dass auch Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder berufsständischen Versorgungswerken, soweit sie mittelbar oder unmittelbar für die Pflegeaufwendungen verwendet würden, in die Ermittlung der 25%- bzw. 50%-Grenze einzubeziehen seien. Die vom FA zugrunde gelegte Auslegung gebe das Gesetz nicht her. Für die konkrete prozentuale Berechnung könne eine überwiegende Leistung bereits als unterstellt gelten, wenn die Patienten über eine entsprechende Pflegestufe verfügen würden.
Im Übrigen wiederholt er seinen Vortrag aus dem Einspruchsverfahren und dem Einspruchsverfahren gegen die verbindliche Auskunft des FA.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 2018 vom 11.02.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 dahingehend zu ändern, dass steuerpflichtigen Umsätze zum Regelsteuersatz aus dem Betrieb des ambulanten Pflegedienstes des Klägers in Höhe von 0 € berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dies begründet es damit, dass es im Falle des Klägers an der Kostenübernahme in dem von § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG geforderten Umfang fehle. Die Leistungsempfänger würden zwar aufgrund einer entsprechenden Einstufung nach § 15 SGB XI Leistungen aus der Pflegekasse als Träger der Sozialversicherung erhalten. Diese würden jedoch nicht in mindestens 25% aller Fälle mehr als 50% der in Rechnung gestellten Beträge erreichen. Für die nicht durch Zahlungen der Pflegekasse gedeckten Beträge würden Einnahmen der Leistungsempfänger aus der gesetzlichen oder privaten Alterssicherung verwandt. Bei diesen Beträgen handele es sich jedoch nicht um Leistungen eines Kostenträgers im Sinne des § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG.
Die Steuerakten des FA (1 Band Einspruchsverfahren und verbindliche Auskunft) haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Für die Umsätze des Klägers aus dem ambulanten Pflegedienst liegen die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nicht vor.
a) Der Kläger hat sich vorliegend vor allem auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG berufen. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, eigentlich nur eine "Agentur zur Vermittlung von Pflegekräften" zu betreiben, bestehen beim Senat bereits grundsätzliche Zweifel, ob dieser sich auf die Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG berufen kann. Unabhängig hiervon sind dessen Voraussetzungen im Streitfall aber auf keinen Fall erfüllt.
aa) Vorliegend ist § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG in der seit durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) in der zum 01.01.2020 in Kraft getretenen Form anzuwenden. Danach sind die Umsätze von Einrichtungen steuerfrei, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungshilfe nach § 94 SGB IX oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind.
bb) Die Vorschrift geht auf § 4 Nr. 16 Buchst. k. UStG a.F. zurück. Dieser wurde im Zuge der Neufassung des § 4 Nr. 16 UStG durch das Jahressteuergesetz 2009 eingefügt und dienst als "Auffangtatbestand" für Einrichtungen, bei denen die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40% der Fälle von den genannten Leistungsträgern vergütet wurden (BT-Drucks. 16/11108, Seite 38). Danach sind die Kriterien des § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG 2009 für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter für Einrichtungen heranzuziehen, "deren Leistungen nicht schon nach den Buchstaben a bis j befreit sind" (vgl. BT-Drucks 16/11108, S. 37). Durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809 [1831]) wurde § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG a.F. in § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG geändert und die genannte Grenze auf 25% herabgesetzt. Nach Art. 31 Abs. 4 AmtshilfeRLUmsG ist die betreffende Regelung zum 01.07.2013 in Kraft getreten.
cc) Bei der Anwendung der Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 UStG ist ebenso wie bei den unionsrechtlichen Vorschriften der Art. 131 ff. MwStSystRL stets zu beachten, dass diese grundsätzlich eng auszulegen sind, weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, C-461/12, DStR 2014, 1282 [BFH 25.02.2014 - X R 10/12]; Urteil vom 10. März 2011, C-540/09, DStR 2011, 766 [EuGH 10.03.2011 - Rs. C-540/09]; Urteil vom 03. März 2005, C-472/05, DStR 2005, 467 [BFH 03.02.2005 - I B 208/04] jew. m.w.N.). Ausnahmen von Steuerbefreiungen sind dagegen nicht eng auszulegen, da durch diese die betreffenden Umsätze wieder der allgemeinen Regelung der MwStSystRL, wonach alle Umsätze bis auf die ausdrücklich vorgesehenen Tatbestände der Mehrwertsteuer unterliegen sollen, unterstellt werden (EuGH, Urteil vom 03. März 2005, C-428/02, UR 2005, 458 Rn. 42).
dd) § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG in der derzeit geltenden Fassung beruht unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst g) MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden".
Der Gesetzgeber war grundsätzlich berechtigt, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG im Einklang mit dem Unionsrecht davon abhängig zu machen, ob bei der betreffenden Einrichtung im (vorangegangenen) Kalenderjahr die Betreuungskosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind (BFH, Urteil vom 13. Juni 2018, XI R 20/16, BFH/NV 2018, 1217, Rn. 48). Die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung als soziale Einrichtung werden in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g) MwStSystRL nicht festgelegt. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann (vgl. dazu BFH, Urteil vom 28. Juni 2017, XI R 23/14, BFH/NV 2017, 1561, Rn 39 m.w.N.). Zu den im Einklang mit dem Unionsrecht für die Anerkennung als soziale Einrichtung maßgeblichen Gesichtspunkten gehört u.a. die Übernahme der Kosten für die fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit (vgl. dazu z.B. BFH, Urteil vom 7. Dezember 2016, XI R 5/15, BFH/NV 2017, 863, Rn 29; Urteil vom 26. Juni 2017, XI R 23/14, DStR 2017, 1987 Rn. 40, jeweils m.w.N.).
Der nationale Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung der Anerkennung einer Einrichtung i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG bzw. des § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG a.F. die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens zwar insoweit nicht beachtet, als er bezüglich der Einhaltung der Sozialquote auf das vorangegangene Kalenderjahr abgestellt hat (vgl. dazu BFH, Urteil vom 19. März 2013, XI R 47/07, BFH/NV 2013, 1204, Rn 36 ff.; Urteil vom 28.06.2017, XI R 23/14, DStR 2017, 1987 Rn 42; jeweils m.w.N.). Der BFH hat deshalb entsprechende gesetzliche Grenzen in ständiger Rechtsprechung nur insoweit als mit dem Unionsrecht unvereinbar beanstandet, als bei der Prüfung der Grenze auf die Umsätze des Vorjahres zurückgegriffen wird, und im Übrigen unbeanstandet gelassen (BFH, Urteil vom 28. Juni 2017, XI R 23/14, DStR 2017, 1987 Rn. 43; Urteil vom 13. Juni 2018, XI R 20/16, BFH/NV 2018, 1217, Rn. 51).
Zur Vorgängervorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG a.F. hat der BFH zudem in seiner Entscheidung vom 03. August 2017 (V R 52/16, BFH/NV 2018, 165) ausgeführt, dass die Frage, ob Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG a.F. von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden, sich nach Maßgabe sozialversicherungsrechtlicher Regelungen entscheide. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift dem leistenden Unternehmer die Anwendung der Steuerfreiheit ermöglichen wolle und daher unter praktikablen Bedingungen anwendbar sein müsse. Dies gelte umso mehr, als die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit gerade in den Fällen ermöglicht werden solle, in denen es an unmittelbaren Vertragsbeziehungen zu z.B. Sozialversicherungsträgern, wie nach § 4 Nr. 16 Buchst. b) ff. UStG vorausgesetzt, fehle (BFH, Urteil vom 03. August 2017, a.a.O. Rn. 19). § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG a.F. sei daher insbesondere dann anzuwenden, wenn der Unternehmer die Erstattung die Erstattung der Kosten, die seinen Leistungsempfängern aufgrund seiner Leistung entstanden seien, durch Sozialversicherungsträger konkret nachweisen könne (BFH, Urteil vom 03. August 2017, a.a.O. Rn. 20). Stehe fest, dass die Leistungsempfänger aufgrund der Zuerkennung einer Pflegestufe nach § 15 SGB XI zum Leistungsbezug nach §§ 36 ff. SGB XI berechtigt seien, könne für diese Leistungsempfänger eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt werden (BFH, Urteil vom 03. August 2017, a.a.O. Rn. 21). In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der BFH unter anderem über die Zurverfügungstellung eines Hausnotrufsystems zu entscheiden und grundsätzlich die Möglichkeit einer Steuerbefreiung bejaht, sofern die vorstehenden Voraussetzungen einer Kostentragung durch die Sozialversicherungsträger erfüllt seien.
ee) Wie durch das FA zutreffend ausgeführt, wird die in § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG festgelegte Quote der Kostenübernahme von mind. 50% in mind. 25% der Fälle hier nicht erreicht. Dies hat der Kläger auch insoweit bestätigt, wenn in die Berechnung lediglich die Zahlungen der Pflegekassen und der anderen ausdrücklich in § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG genannten Einrichtungen gehören. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht, wenn man anders als vom Gesetzeswortlaut vorgesehen nicht auf den Umsatz des Vorjahres sondern den Umsatz des konkret betroffenen Jahres abstellt.
Anders als vom Kläger angenommen, sind in die Berechnung der Kostenübernahmequote nicht solche Zahlungen einzubeziehen, die von den jeweiligen Patienten/Kunden mittelbar aus öffentlichen Leistungen wie z.B. Renten- oder Pensionszahlungen geleistet werden einzubeziehen. Hierfür spricht bereits die oben dargestellte grundsätzlich enge Auslegung von Steuerbefreiungen im Bereich der Umsatzsteuer. Zudem spricht die Gesetzesbegründung selbst davon, dass ausdrücklich nur die Zahlungen der in § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG (damals § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG a.F. Stellen einbezogen werden und z.B. keine Zahlungen der privaten Krankenversicherung (BT-Drucks. 16/11108, 38 f.). Damit wird zugleich klar, dass der Gesetzgeber die ohnehin nur als "Auffangtatbestand" ausgestaltete Regelung nicht noch weiter ausdehnen wollte.
Dem Kläger mag zwar zuzustimmen sein, dass die Kosten im Pflegebereich für eine Vielzahl von Personen erhebliche finanzielle Belastungen bedeuten. Dies kann aber nicht als Argument für eine Gesetzesauslegung gegen den ausdrücklichen Wortlaut und den Willen des Gesetzgebers gesehen werden. Angesichts der engen Auslegung von Umsatzsteuerbefreiungstatbeständen müsste eine solche Regelung vielmehr explizit getroffen werden.
Auch die zuletzt vom Kläger mit Schriftsatz vom 10.06.2020 überreichten Aufstellungen führen insoweit zu keiner abweichenden Beurteilung. Diese bestätigen vielmehr, dass die fragliche Grenze von 50% der übernommenen Kosten in mind. 25% der Fälle in keinem Jahr erreicht wurde.
ff) Der Kläger kann sich auch nicht auf die im BFH-Urteil vom 03. August 2017 genannte Vermutungsregel hinsichtlich der Vergabe einer Pflegestufe stützen. Der BFH hat sich in seiner Entscheidung konkret auf die Pflegestufe und die zuerkannten Pflegesachleistungen nach §§ 36 ff. SGB XI bezogen. Wie das FA aber in der Einspruchsentscheidung zutreffend dargestellt hat, entbindet dies nicht von der konkreten Prüfung, ob die für die Leistungen in Rechnung gestellten Beträge ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil vergütet wurden. Eine solche Vergütung hat im Fall des Klägers aber im streitigen Zeitraum nicht für über 50% der Fälle stattgefunden.
b) Auch sonstige Befreiungsvorschriften nach § 4 Nr. 16 UStG sind nicht erkennbar.
aa) Wie das FA bereits im Einspruchsverfahren zutreffend dargestellt hat, scheidet eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b) und c) UStG schon am fehlenden Abschluss entsprechender Verträge aus.
Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b) UStG sind Umsätze von Einrichtungen steuerfrei, mit denen ein Vertrag nach § 132 SGB V besteht. Der Kläger hat aber unstreitig keine entsprechenden Verträge mit Krankenkassen über die Versorgung mit Haushaltshilfe geschlossen.
Gleiches gilt für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. c) UStG. Dieser erfordert den Abschluss eines Vertrages nach § 132a SGB V, §§ 72 oder 77 SGB XI oder das die jeweilige Einrichtung Leistungen zur häuslichen Pflege oder zur Heimpflege erbringt und sie hierzu nach § 26 Abs. 5 i.V.m. § 44 SGB VII bestimmt ist. Diese Voraussetzungen sind für den Kläger unstreitig nicht erfüllt.
bb) Auch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. d) UStG scheidet für den Kläger aus.
Nach § 4 Nr. 16 Buchst. d) UStG sind Einrichtungen steuerbefreit, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege oder Haushaltshilfe erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit §§ 32 und 42 SGB VII bestimmt sind.
Durch die Vorschrift werden diejenigen Fälle erfasst, in denen gesetzlich Unfallversicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte erhalten, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werden kann und das Ziel der Heilbehandlung nicht gefährdet wird. Die häusliche Krankenpflege umfasst die im Einzelfall auf Grund ärztlicher Verordnung erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung (Weber, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Rn. 40). Nach § 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII bestimmen die Unfallversicherungsträger im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei prüfen sie auch, welche Leistungen geeignet und zumutbar sind, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.
Eine solche Bestimmungshandlung durch einen Unfallversicherungsträger liegt im vorliegenden Fall für den Kläger nicht vor. Der Kläger erbringt vielmehr allgemein Pflege- und Betreuungsleistungen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Schreiben der Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrt (BGW) vom 18.07.2018. Mit diesem wird durch die BGW vielmehr bestätigt, dass der Kläger mit seinem Unternehmen pflegebedürftige und ältere Menschen betreut, die nicht aufgrund eines Versicherungsfalls Leistungen von einem Unfallversicherer beziehen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).