Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.06.1999, Az.: 13 U 283/98

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.06.1999
Aktenzeichen
13 U 283/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 30178
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1999:0630.13U283.98.0A

Fundstellen

  • DStZ 2000, 500 (Kurzinformation)
  • GmbHR 2000, 494 (amtl. Leitsatz)
  • KTS 2000, 601
  • NJW-RR 2000, 1158-1159 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZI 2000, 378-379
  • NZI 2001, 47
  • OLGReport Gerichtsort 2000, 95-96
  • ZInsO 2000, 162-163 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Im Konkurs einer GmbH ist § 31 Nr. 2 KO entsprechend anzuwenden. Als naher Angehöriger des Gemeinschuldners im Sinn dieser Vorschrift gilt auch derjenige, der im Wege einer Treuhandvereinbarung "faktischer Allgemeingesellschafter" einer (zweiten) GmbH ist, die sämtliche Geschäftsanteile der in Konkurs geratenen GmbH hält.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der U-GmbH. Geschäftsführer der U-GmbH war zuletzt E, der Schwiegersohn der Beklagten. Alleinige Gesellschafterin der U-GmbH war die E-Vermögenstreuhandgesellschaft mbH. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer dieser Gesellschaft war R. E und R vereinbarten am 16. 11. 1991, dass R den Geschäftsanteil an der E.Vermögenstreuhandgesellschaft mbH als Treuhänder für E halte.

2

Die Beklagten hatten bei der U-GmbH Geld angelegt, das für sie täglich verfügbar sein sollte. Die Gemeinschuldnerin zahlte 30.000 DM an die Beklagten aus. Der Beklagte zu 2 quittierte die Auszahlung unter dem Datum 8. 11. 1995. Am 10. 11. 1995 wurde E verhaftet. Am 1. 12. 1995 stellte die Gemeinschuldnerin Vergleichsantrag. Am 1. 2. 1995 wurde das Anschlusskonkursverfahren über ihr Vermögen eröffnet.

3

Der Kläger hat die Auszahlung der 30.000 DM angefochten und geltend gemacht, dass die Gemeinschuldnerin sich zur Zeit der Auszahlung bereits in der Krise befunden habe. Die Auszahlung sei in der den Beklagten bekannten Absicht geschehen, die Gläubiger der Gemeinschuldnerin zu benachteiligen. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass die Gemeinschuldnerin den Betrag von 30.000 DM entgegen der Quittung v. 8. 11. 1995 erst im Dezember 1995 ausgezahlt habe.

4

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 30.000 DM nebst 6 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Die Beklagten haben vorgetragen, sie hätten den Betrag von 30.000 DM am 8. 11. 1995 gutgläubig abgehoben. Von einer Krise der U-GmbH und der bevorstehenden Verhaftung ihres Geschäftsführers hätten sie keine Kenntnis gehabt.

7

Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Berufung ist begründet.

9

I.

Der Rückgewähranspruch folgt aus §§ 29, 31 Nr. 2 KO.

10

1.

Nach § 31 Nr. 2 KO sind anfechtbar u.a. die im letzten Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens geschlossenen entgeltlichen Verträge des Gemeinschuldners mit seines Ehegatten Verwandten in auf- oder absteigender Linie, sofern durch den Abschluss des Vertrags die Gläubiger des Gemeinschuldners benachteiligt werden und der andere Teil nicht beweist, dass ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses eine Absicht des Gemeinschuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

11

a)

Seinem Wortlaut nach passt § 31 Nr. 2 KO nur auf die Fälle, in denen der Gemeinschuldner und sein Vertragspartner natürliche Personen sind. Es ist indes allgemein anerkannt, dass die Vorschrift bei dem Konkurs einer GmbH entsprechend anzuwenden ist; im Konkurs einer GmbH gelten ihre Gesellschafter und deren nahe Angehörige grds. als nahe Angehörige des Gemeinschuldners (BGH, NJW 1986;  1047, 1049; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 31 Anm. 13 m.w.N.). Einem GmbH-Gesellschafter ist nach Ansicht des Senats gleichzustellen, wer im Wege einer Treuhandvereinbarung "faktischer Alleingesellschafter" einer (zweiten) GmbH ist, die sämtliche Geschäftsanteile der in Konkurs geratenen GmbH hält. Dafür sind folgende Erwägungen ausschlaggebend:

12

Die Beweislastumkehr in § 31 Nr. 2 KO findet ihre rechtspolitische Rechtfertigung in dem Umstand, dass nahe Angehörige regelmäßig die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners kennen, daher seine Absichten leichter durchschauen und wegen ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verbundenheit mit ihm eher bereit sind, zum Schaden seiner Gläubiger mit ihm Verträge abzuschließen; daher spricht bei Verträgen zwischen dem Gemeinschuldner und einen nahen Angehörigen, die nicht lange vor der Konkurseröffnung geschlossen worden sind und die Gläubiger objektiv benachteiligen, eine tatsächliche Vermutung für die Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis (vgl. BGH, NJW 1975, 2193, 2194 [BGH 17.09.1975 - VIII ZR 217/74]; NJW 1986, 1047, 1049) [BGH 12.12.1985 - IX ZR 1/85]. Der Verdacht eines Zusammenwirkens der Vertragspartner zum Nachteil der Gläubiger liegt indes nicht nur dann nahe, wenn der Gemeinschuldner eine natürliche Person ist, die den Vertrag mit einem engen Angehörigen schließt, oder wenn eine GmbH in Konkurs gefallen ist und der gläubigerbenachteiligende Vertrag zwischen der GmbH und dem nahen Angehörigen eines Gesellschafters der GmbH zustande kommt. Wenigstens ebenso sehr wie bei diesen Sachverhalten drängt sich die Vermutung eines Zusammenwirkens zum Nachteil der Gläubiger auf, wenn im Konkurs einer GmbH der objektiv die Gläubiger benachteiligende Vertrag mit einem nahen Angehörigen desjenigen zustande kommt, der durch die "Zwischenschaltung" einer zweiten GmbH und den Einsatz eines Treuhänders wirtschaftlich als Alleingesellschafter der in Konkurs gefallenen GmbH anzusehen ist und über dieselben Informationsmöglichkeiten wie ein Alleingesellschafter verfügt.

13

So ist es im vorliegenden Fall. E übertrug mit notariellem Vertrag v. 21. 9. 1990 die Geschäftsanteile an der U-GmbH an die Vermögenstreuhandgesellschaft mbH, deren Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin zunächst seine Ehefrau, die Tochter der Beklagten, war. Im November 1990 wurden die Geschäftsanteile der E Vermögenstreuhandgesellschaft mbH auf R übertragen. Gleichzeitig verpflichtete R sich gegenüber E in einer notariellen Vereinbarung, den Geschäftsanteil als sein Treuhänder zu halten, die ihm als Gesellschafter nach außen zustehenden Rechte nur weisungsgemäß auszuüben und ihn, E, regelmäßig schriftlich über alle hinsichtlich der Beteiligung bedeutsamen Vorgänge zu unterrichten. Mit notarieller Erklärung v. 28. 12. 1993 erteilte der Gesellschafter R darüber hinaus E eine Vollmacht, das Stimmrecht als Gesellschafter der E Vermögenstreuhandgesellschaft mbH auszuüben.

14

b)

Zu den "entgeltlichen Verträgen" i.S.d. § 31 Nr. 2 KO sind auch reine Erfüllungsgeschäfte zu rechnen. Das Entgelt besteht bei solchen Verträgen in der Befreiung von der Schuld (BGH, ZIP 1990, 459, 460; Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 31 Rn. 25; Kuhn/Uhlenbruck, 11. Aufl., § 31 Rn. 17).

15

Die auf Wunsch der Beklagten erfolgte Auszahlung der angelegten Geldes i.H.v. 30.000 DM ist somit als entgeltlicher Vertrag i.S.d. § 31 Nr. 2 KO anzusehen.

16

c)

Die Auszahlung erfolgte im letzten Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens. Durch die Auszahlung wurden die übrigen Konkursgläubiger benachteiligt, denn die Auszahlung führte zu einer Verringerung der Konkursmasse.

17

d)

Die Beklagten haben keine hinreichenden Umstände vorgetragen, aus denen sich die Feststellung treffen ließe, dass ihnen zur Zeit der Auszahlung der 30.000 DM eine Absicht der Gemeinschuldnerin, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

18

Zwar spricht gegen eine Benachteiligungsabsicht und die Kenntnis der Beklagten, dass die Beklagten noch am 4. und am 17. 10. 1995 Beträge von 5.000 DM und 18.700 DM auf ihr Konto bei der Gemeinschuldnerin einzahlten und dass sie am 8. 11. 1995 ihr Guthaben nicht vollständig abhoben. Für eine Benachteiligungsabsicht spricht jedoch: Die Schwiegereltern des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin E waren neben der Mutter einer Mitarbeiterin der Gemeinschuldnerin die letzten Anleger, die noch Zahlungen von der Gemeinschuldnerin, quittiert auf den 8. 11. 1995, erhielten. Am 9. 11. 1995 entnahm E unstreitig die restlichen Bargeldbestände der Gemeinschuldnerin von 1,3 Mio. DM, um mit der Tochter der Beklagten nach Bolivien zu reisen. Einen Tag später wurde er verhaftet. Am 1. 12. 1995 stellte die Gemeinschuldnerin einen Vergleichsantrag.

19

2.

Den durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin weggegebenen Geldbetrag haben die Beklagten gem. § 37 Abs. 1 KO zur Konkursmasse zurückzugewähren.

20

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.